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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.07.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 315/05
Rechtsgebiete: RTV, NachwG


Vorschriften:

RTV § 23
NachwG § 2
NachwG § 2 Abs. 1
NachwG § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 315/05

Entscheidung vom 14.07.2005

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.02.2005 - AZ: 2 Ca 1436/04 - wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 121,27 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 71,60 € ab 01.08.03 und 49,67 € ab 01.05.03 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 8/9 und die Beklagte zu 1/9 zu tragen.

4. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, die einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen hat, wegen dessen näheren Bestimmungen auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 3-13 d. A.) Bezug genommen wird, hat, nachdem sie mit Schreiben vom 02.10.2003 (Bl. 39 + 40 d. A.) restliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, welches vom 15.10.2002 bis 04.07.2003 bestanden hat, mit der Klage, welche am 17.05.2004 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, die Zahlung von Überstunden nebst eines Zuschlages, der Urlaubsabgeltung aus 2003 noch nicht abgerechnete 10 Arbeitsstunden aus dem Monat Juli 2003 und eine Jahressonderzahlung gefordert und dabei ausgeführt, dass sich die Beklagte auf die Ausschlussfristen des Tarifvertrages für das Gebäudereinigerhandwerk deshalb nicht berufen könne, weil der Hinweis in § 11 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages so allgemein gehalten sei, dass die Klägerin nicht habe erkennen können, dass überhaupt ein Tarifvertrag zur Anwendung komme.

Dieser Verstoß gegen das Nachweisgesetz habe die Beklagte auch in der Form schadenersatzpflichtig gemacht, dass sie die geforderten Zahlungen zu leisten habe, weil die Klägerin dann, wenn sie gewusst habe, dass ein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde, sich vor Ablauf der Verfallfrist um ihre Rechte bemüht hätte.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 908,91 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 71,60 € ab 01.08.2003, aus weiteren 568,33 € ab 01.07.2003 und aus weiteren 49,67 € ab 01.05.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf die Verfallfrist des allgemein verbindlichen Rahmentarifvertrages für das Gebäudereinigerhandwerk berufen, auf den in § 11 des Arbeitsvertrages wirksam Bezug genommen worden sei und der Tarifvertrag bei ihr einsehbar gewesen wäre.

Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Arbeitsvertrag zwar in allgemeiner Form, aber doch wirksam auf die Ausschlussfrist des Rahmentarifvertrages für die gewerblich Beschäftigten im Gebäudereinigerhandwerk, § 23, verweise und dieser kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch anwendbar sei, weswegen die Klägerin gehalten gewesen wäre, entweder bis zum 04.09.2003 schriftlich geltend zu machen oder wenn man das Schreiben vom 02.10.2003 als rechtzeitige Geltendmachung werten wolle, dass dann die 2. Stufe der Ausschlussfrist, die gerichtliche Geltendmachung innerhalb von 2 Monaten, bei Einreichung der Klage am 17.05.2003 bei weitem überschritten gewesen sei.

Der Hinweis im Arbeitsvertrag in allgemeiner Form sei zulässig, weil der Arbeitgeber im Regelfalle nicht verpflichtet sei, den Arbeitnehmer über die Allgemeinverbindlichkeit eines den Betrieb betreffenden Tarifvertrages zu unterrichten.

Nach Zustellung des Urteils am 17.03.2005 ist Berufung am 15.04.2005 eingelegt und am 25.04.2005 im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Ansprüche der Klägerin deshalb nicht verfallen seien, weil die Ausschlussfristen des Tarifvertrages deshalb nicht eingreifen würden, weil die Beklagte noch nicht einmal im Arbeitsvertrag darauf hingewiesen habe, dass überhaupt ein Tarifvertrag anwendbar sei, obwohl der infrage kommende Tarifvertrag für die Gebäudereiniger bei Abschluss des Arbeitsvertrages bereits allgemein verbindlich gewesen sei. Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorgaben sei es, Klarheit für den Arbeitnehmer zu schaffen, welche Bedingungen für sein Arbeitsverhältnis gelten mögen. Der Hinweis, dass ein namentlich nicht benannter Tarifvertrag existieren könne und dieser, wenn er allgemein verbindlich sei, auch auf das Arbeitsverhältnis angewendet werde, erfülle den Schutzzweck des neuen Schuldrechts ebenso wenig wie den des Nachweisgesetzes.

In der Kenntnisnahme der tarifvertraglichen Vorschriften tue sich die Klägerin schwer, da ihr nicht bekannt sei, an wen sie sich wenden müsse, um den einschlägigen Tarifvertrag zu erfahren und dann noch dessen Inhalt nachzulesen.

Die Beklagte habe gegen die Nachweispflicht nach dem Nachweisgesetz verstoßen, wobei der Verstoß auch ursächlich für das Versäumen der Ausschlussfrist für die Klägerin sei, da diese nicht gewusst habe, dass ein Tarifvertrag überhaupt Anwendung finde. Diese Unkenntnis habe dazu geführt, dass sie sich nicht direkt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses um ihre Rechte gekümmert habe.

Der Tarifvertrag sei dem Klägervertreter per E-Mail am 21.04.2005 erstmals übersandt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.02.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 908,91 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus 71,60 € seit 01.08.2003 aus weiteren 568,33 € ab 01.07.2003 und aus weiteren 49,67 € sei 01.05.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte wirksam auf den einschlägigen Tarifvertrag hingewiesen habe und dessen 2-stufige Ausschlussfrist die Ansprüche der Klägerin entfallen lassen.

Ferner müsse man bestreiten, dass die geltend gemachten Überstunden angefallen, angeordnet oder genehmigt worden seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst deren Anlagen, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ebenso Bezug genommen wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 44-45 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.

Auf die Berufung hin ist das Urteil des Arbeitsgerichtes insoweit abzuändern, als die Klägerin die Vergütung von 10 Arbeitsstunden für den Monat Juli 2003 in Höhe von 71,60 € brutto und die Jahressonderzahlung in Höhe von 25 % des Aprilgehaltes 2003 in Höhe von 49,67 € brutto nebst der entsprechenden Verzinsung fordert, wobei die weitergehende Berufung deshalb zurückzuweisen ist, weil das Arbeitsgericht zu Recht die Klage insoweit abgewiesen hat.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf die von ihr geforderten Überstunden für den Zeitraum Dezember 2002 bis Juni 2003 zu, ebenso wie die geforderte Urlaubsabgeltung für den Resturlaub aus 2003.

Bezüglich der Überstunden fehlt es bereits an einer schlüssigen Darlegung, die zu fordern ist, wenn der Arbeitnehmer wie die Klägerin im Nachhinein für einen weit zurückliegenden Zeitraum Mehrarbeitsvergütung fordert. Dem Arbeitgeber ist es nämlich nicht möglich, die Behauptungen im Einzelnen zu überprüfen, zumal in der Klageschrift lediglich eine Gesamtstundenzahl für die Monate November 2002 bis Juni 2003 aufgemacht wird, ohne anzugeben, welchen Tagen diese Mehrarbeit bei Darlegung der regelmäßigen Arbeitszeit angefallen sein sollen, wobei bezüglich der Anordnung und Duldung in zurechenbarer Weise für die Beklagte lediglich ausgeführt wird, dass ein Herr W dies geduldet habe und der Grund für die Mehrarbeit regelmäßig die Urlaubsvertretung oder der besondere Wunsch der Kundenfirma gewesen sei, ohne dass für diese Behauptung, wenn man sie als klagebegründend ansehen wollte, kein Beweismittel unterbreitet worden ist.

Der klageweise geltend gemachte Urlaubsabgeltungsanspruch aus 2003 ist mit Ablauf des Kalenderjahres 2003 erloschen, da das Kalenderjahr das Urlaubsjahr ist.

Soweit die Klägerin jedoch die Vergütung von 10 Stunden im Monat Juli 2003 in der unstreitigen Höhe von 71,60 € brutto als auch die der Höhe nach ebenso unstreitige Jahressonderzahlung über 49,67 € brutto fordert, ist die Klage begründet, weil die Arbeitsleistung der Klägerin im Monat Juli 10 Stunden a 7,16 € brutto nicht von der Beklagtenseite bestritten worden ist ebenso wenig wie die der Höhe nach unstreitige Anspruch auf die Jahressonderzahlung.

Diese Ansprüche der Klägerin sind auch nicht durch die Ausschlussfrist des § 23 im Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereinigerhandwerk verfallen, wobei dieser Tarifvertrag für den fraglichen Zeitraum der Beschäftigung der Klägerin bei der Beklagten allgemein verbindlich erklärt worden ist.

Der Umstand, dass dieser Tarifvertrag für allgemein verbindlich erklärt wurde, entbindet den Arbeitgeber nicht von der Hinweispflicht, die ihn nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 Nachweisgesetz trifft, wonach in die Niederschrift des Arbeitsvertrages ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, aufzunehmen ist, da nach § 2 Abs. 1 auch tarifvertragliche oder gesetzlich geregelte Vertragsbedingungen aufzunehmen sind, wobei jedoch ein allgemeiner Hinweis auf den einschlägigen Tarifvertrag als ausreichend erachtet wird (BAG Urteil vom 29.05.2002, AZ: 5 AZR 105/01).

Dieser Auffassung schließt sich die erkennende Kammer an, wobei sie jedoch bei dem vorliegenden Vertragsexemplar, welches von beiden Parteien unterschrieben worden ist, nicht feststellen kann, dass diese geringeren Anforderungen erfüllt sind. Zwar ist in § 2, 4, 5 Ziffer 6 und 6 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages im Hinblick auf Lohn, Urlaub, Freistellung aus besonderem Anlass und der Kündigungsfrist Hinweise auf einen Tarifvertrag enthalten, weil dort von tariflichen Vorschriften oder Tariflohn die Rede ist, jedoch ist nirgendwo festgehalten, um welchen Tarifvertrag es sich handelt. Lediglich in § 11 Ziffer 3 ist niedergeschrieben, dass neben den hier getroffenen Vereinbarungen die Vorschriften der Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk gelten nur soweit und solange sie allgemein verbindlich sind. Davon abgesehen, dass diese Vertragsklausel eigentlich überflüssig ist, weil dann, wenn der Gebäudereinigerhandwerktarifvertrag allgemein verbindlich erklärt worden ist, er auch ohne diese Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, wenn die sachlichen, örtlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit erfüllt sind, und er keine Anwendung findet, wenn er nicht kraft Vereinbarung für anwendbar erklärt worden ist. sieht die Kammer in dieser Klausel nicht die Erfüllung der Nachweispflicht i. S. des § 2 Nachweisgesetz, weil der Tarifvertrag nicht bezeichnet ist, und auch nicht klargestellt ist, dass er tatsächlich auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, wie es § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 Nachweisgesetz fordert. Der Klägerseite ist zuzugestehen, dass die Vorschriften im Nachweisgesetz, ohne auf die neuen schuldrechtlichen Bestimmungen abzuheben, den Sinn und Zweck verfolgen, dem Arbeitnehmer leicht die Möglichkeit einzuräumen, erkennen zu können, ob ein Tarifvertrag Anwendung findet. Dies kann der hiesigen Vertragspassage nicht entnommen werden, so dass auch ein berufen auf die Ausschlussfrist durch die Beklagte zwar zulässig ist, weil allein der Verstoß gegen die Pflichten nach § 2 Nachweisgesetz nicht dazu führt, die tarifvertraglichen Regelungen außer Kraft zu setzen (BAG Urteil vom 05.11.2003 - AZ: 5 AZR 676/02 -), so dass auch die von der Kammer als schlüssig dargelegten Klagebestandteile eigentlich aufgrund der zweistufigen Ausschlussfrist des § 23 Rahmentarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerkes ausgeschlossen sind. Da die Klägerin am 04. Juli 2003 ausgeschieden ist, hätte Abrechnung am 15.08.2003 erfolgen müssen, so dass das Geltendmachungsschreiben vom 02.10.2003 noch innerhalb der ersten Stufe der 2 Monate gelegen hat, während die sich daran anschließende 2-monatige Klagefrist von der Klägerin nicht eingehalten worden ist.

Die Klägerin hat jedoch einen Schadenersatzanspruch in der Höhe, die das Berufungsurteil ihr zubilligt, weil sie unwidersprochen vorgebracht hat, dass dann, wenn sie gewusst hätte, dass eine Ausschlussfrist einzuhalten ist, sie dies auch getan hätte, so dass der nicht erfolgte Hinweis auf die Ausschlussfrist des allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer im Gebäudereinigerhandwerk auch kausal für die Nichteinhaltung der Ausschlussfristen gewesen ist, so dass die Klage in dem durch das Berufungsurteil zuerkannten Umfange zulässig und begründet ist, weswegen das arbeitsgerichtliche Urteil diesbezüglich abzuändern und der Klage teilweise zu entsprechen ist.

Die weitergehende Berufung ist indes deshalb zurückzuweisen, weil der Klägerin kein weitergehender Anspruch zusteht, weswegen die Kosten des Rechtsstreites anteilig, wie geschehen, unter den Parteien aufzuteilen sind, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 92 ZPO.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist zugelassen worden, weil die Kammer im vorliegenden Falle eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung i. S. d. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ausmacht.

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