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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.03.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 708/07
Rechtsgebiete: ArbGG, SGB III


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2b
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
SGB III § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
SGB III § 37b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 28. September 2007 - 8 Ca 1234/07 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, ob der im Schuldienst des beklagten Landes stehenden Klägerin für die Zeit vom 15.07.2006 bis 27.08.2006 - Sommerferien - Vergütungsansprüche zustehen.

Die Klägerin war mit zahlreichen befristeten Verträgen vom 11. November 2002 ab und zuletzt mit einem solchen vom 23. Januar 2006 für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis längstens 14. Juli 2006 mit wöchentlich 15 Unterrichtsstunden sowie für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis längstens 6. Juli 2006 im Umfang von wöchentlich drei Unterrichtsstunden tätig.

Aufgrund des Arbeitsvertrages vom 1. August 2006 wurde sie ab 28. August 2006 auf unbestimmte Zeit mit durchschnittlich wöchentlich 18 Unterrichtsstunden beschäftigt. Im Gegensatz zur früheren Handhabung zahlte die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum, der den Sommerferien entsprach, keine Vergütung.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin € 4.131,73 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. September 2006 zu zahlen.

Das beklagte Land hat

Klageabweisung

beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Leistungsklage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt,

die Begründung einer betrieblichen Übung scheide aus, wenn der Arbeitgeber Leistungen erkennbar aufgrund einer Rechtspflicht erbringen wollte. Grundlage der früheren Zahlungen für die Sommerferien 2003 bis 2005 sei jeweils ein befristeter Arbeitsvertrag gewesen, der den Zeitraum der Sommerferien umfasst habe. Im Jahr 2006 hätten in dieser Zeit keine arbeitsvertraglichen Beziehungen bestanden. Ein Anspruch der Klägerin folge auch nicht aus einer unterlassenen Pflicht zur Aufklärung über die Verpflichtung zur Arbeitslosmeldung; die Klägerin sei bereits am 09.09.2003 durch ein entsprechendes Merkblatt informiert gewesen. Außerdem begründe die Nichtbeachtung der in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III vorgesehene Pflicht keinen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Das beklagte Land habe die Klägerin auch nicht von einer Arbeitslosmeldung abgehalten. Der Klägerin sei zum Zeitpunkt der in § 37b SGB III vorgesehenen Frist weder ein erneuter befristeter Arbeitsvertrag zugesagt noch eine Entlohnung für die Zeit der Sommerferien versprochen worden. Aus Sicht der Klägerin hätten zu Beginn der Sommerferien 2006 die Modalitäten einer weiteren Beschäftigung nicht festgestanden. Gegen das der Klägerin am 16.10.2007 zugestellte Urteil richtet sich deren am 06.11.2007 eingelegte und am 16.01.2008 begründete Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.

Die Klägerin bringt zweitinstanzlich insbesondere vor,

das beklagte Land habe regelmäßig im Nachhinein befristete Arbeitsverträge abgeschlossen, aufgrund derer die Klägerin Gehaltszahlungen für die Zeit der Sommerferien erhalten habe. Daher sei es rechtsfehlerhaft, wenn das Entstehen einer betrieblichen Übung verneint würde. Auch bei den Verträgen der Jahre 2003, 2004 und 2005 habe keine Rechtspflicht bestanden, die Verträge rückwirkend abzuschließen. Der Klägerin hätte im Jahre 2006 ein Vertrag abgeboten werden müssen, der rückwirkend die unterrichtsfreie Zeit berücksichtige. Sie - die Klägerin - habe in der unterrichtsfreien Zeit auch in Kenntnis der Rektorin Tätigkeiten erbracht, um den Unterrichtsstoff für das kommende Schuljahr vorzubereiten (Beweis: Schulleiterin Z. ). Der Anspruch bestünde auch nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Ein Sachgrund, warum die Klägerin bei Abschluss eines unbefristeten Vertrages schlechtere Bedingungen erfahre als die Jahre zuvor, sei nicht ersichtlich. Im Übrigen bestünde auch ein Schadenersatzanspruch, da das beklagte Land verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin darüber zu informieren, dass bei Abschluss eines unbefristeten Vertrages die unterrichtsfreie Zeit nicht rückwirkend bezahlt würde. Die Situation sei mit dem Sachverhalt aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.09.2005 zu vergleichen. Ihr - der Klägerin - sei in Aussicht gestellt worden, dass sie an der Schule verbliebe und der Verbleib auch erforderlich sei.

Die Klägerin hat zweitinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.09.2007, Aktenzeichen 8 Ca 1234/07, zu verurteilen, an die Klägerin € 4.131,37 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 zu zahlen.

Das beklagte Land hat

Zurückweisung der Berufung

beantragt und erwidert,

die verfolgten Ansprüche seien nicht begründet. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin sei nicht feststellbar, zumal diese am 09.09.2003 ein Merkblatt zur Verpflichtung wegen Arbeitslosmeldung erhalten habe. Die Klägerin hätte sich schon jeweils nach Beendigung der vorangegangenen befristeten Arbeitsverhältnisse entsprechend den Hinweisen im Merkblatt verhalten müssen. Die Entscheidung, die Klägerin ein weiteres Mal und dazu unbefristet zu beschäftigen, sei erst Anfang August 2006 - letztlich mit Abschluss des Arbeitsvertrages vom 01.08.2006 - gefallen. Das beklagte Land hätte sich auch gegen die Klägerin entscheiden können. Im Übrigen habe die Klägerin selbst vorgetragen, dass sie vor Beginn der Sommerferien 2006 beim beklagten Land bzw. der ADD nachgefragt habe, ob ihr Arbeitsverhältnis fortgesetzt würde und hierbei keine verbindliche Auskunft erhalten zu haben. Der Einsatz von Lehrkräften könne aufgrund dienstlicher Bedürfnisse oder eingetretener Gegebenheiten erst in den Sommerferien erfolgen. Die Äußerung der Rektorin begründe kein rechtsverbindliches Vertrauen; jedenfalls nicht dahingehend, dass das beklagte Land finanziell in den Ferien einstehen würde. Die Vergütungszahlungen in der Vergangenheit seien immer erst dann erfolgt, wenn zuvor eine vertragliche Grundlage geschaffen worden sei. Eine evtl. betriebliche Übung sei durch den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages durchbrochen worden.

Zur Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 16.01.2008 (Bl. 106 - 110 d. A.) zur Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz des beklagten Landes vom 25.02.2008 (Bl. 127 - 131 d. A.) und die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28.03.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Frist eingelegt und begründet.

II. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Urteil vom 28.09.2007 - 8 Ca 1234/07 - zu Recht darauf erkannt, dass der Klägerin für die Zeit vom 15. Juli 2006 bis 27. August 2006 die verfolgten Vergütungsansprüche nicht zustehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer auf die diesbezüglichen Feststellungen des Arbeitsgerichts Bezug, macht sich diese zueigen und sieht hier gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer weiteren Darstellung ab.

Lediglich wegen der Angriffe der Berufung besteht Veranlassung zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

1. Soweit die Berufung rügt, es sei rechtsfehlerhaft, dass das Arbeitsgericht das Entstehen einer betrieblichen Übung verneint habe, zumal auch in den Jahren 2003, 2004 und 2005 keine Rechtspflicht bestanden habe, die befristeten Verträge rückwirkend abzuschließen, kann dem nicht gefolgt werden. Unabhängig davon, dass für Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes von der Rechtssprechung die Grundsätze der betrieblichen Übung nicht für uneingeschränkt anwendbar gehalten werden, weil in großem Umfang Rechts- und Haushaltsvorschriften ebenso wie Tarifvorschriften zu beachten seien und im Zweifel der Grundsatz des Normvollzugs gelte (vgl. ErfK-Preis, 8. Auflage 2008, 230 BGB, § 611 Rz 226 m. w. N. auf BAG 14.01.2004 AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Bahn Nr. 19; 29.09.2004 AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 67), hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass eine betriebliche Übung nicht entsteht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer Begründung angeführten Verhaltensweisen durch bestimmte Rechtsgrundlagen verpflichtet war (BAG 19.06.2001 - 1 AZR 598/00 = EzA BetrVG 1972, § 77 Nr. 67; 27.06.1985 - 6 AZR 392/81 = BAGE 49, 151, 159) oder irrtümlich aufgrund einer vermeintlichen Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage sich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte (vgl. BAG Urteil vom 18.04.2007, 4 AZR 653/05 m. w. N.).

An der Auffassung der Berufung ist richtig, dass für das beklagte Land keine Rechtspflicht zum rückwirkenden Abschluss von befristeten Verträgen und damit zur Bezahlung der Sommerferien in der Vergangenheit bestanden hat; entscheidend ist jedoch nach Meinung der Berufungskammer, dass aufgrund des Grundsatzes der Privatautonomie ein rückwirkender Vertragsabschluss möglich war und durch die jeweils rückwirkende Befristung Rechtsgrundlagen für die in der Vergangenheit jeweils erfolgte Zahlung geschaffen wurden. Damit war Basis für die Bezahlung der unterrichtsfreien Zeit der jeweilige Vertrag, der das Entstehen einer betrieblichen Übung entfallen ließ. Hinzu kommt, dass die Rechtsbeziehung mit dem beklagten Land insbesondere nach Ablauf der letzten Befristung am 6. Juli bzw. 14. Juli 2006 endete und damit über diesen Zeitpunkt hinaus auf einen für die Begründung einer betrieblichen Übung maßgeblichen Bindungswillen nicht geschlossen werden konnte (vgl. auch BAG Urteil vom 21.01.1997 - 1 AZR 572/96). Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht gegeben, zumal auch kein Angriff auf die Wirksamkeit der letzten Befristung erfolgte.

2. Auch soweit sich die Klägerin für ihren Anspruch auf den Gleichbehandlungsgrundsatz mit der Begründung stützt, ein Sachgrund für die Verschlechterung der Bedingungen, sei nicht ersichtlich, vermag dies nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Zwar genießt ein Arbeitnehmer im Verhältnis zum Arbeitgeber den Schutz durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Diesem Grundsatz ist auch die öffentliche Hand, soweit sie als Arbeitgeberin handelt, unterworfen (vgl. ErfK-Dieterich/Schmidt, aaO 10 GG Art. 3 Rz 29). Für die Heranziehbarkeit dieses Grundsatzes als Anspruchsbegründung fehlte es nach Meinung der Berufungskammer bereits an der Möglichkeit der Feststellung einer Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund (Erfk,-Preis, aaO., BGB 230 § 611 Rz. 589). Zwischen den Arbeitsverhältnisformen eines befristeten und eines unbefristeten Vertrages bestehen gravierende Unterschiede. Diese sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass ein befristeter Vertrag mit Ablauf der Befristung regelmäßig seine Wirksamkeit verliert, während der unbefristete Vertrag nur durch Kündigung oder Aufhebungsvereinbarung beendet werden kann.

Vorliegend war Sachgrund für die Bezahlung in den Sommerferien immer ein zulässigerweise rückwirkend zustandegekommener Arbeitsvertrag. Die letzte Befristung war abgelaufen. Sie eröffnete dem beklagten Land die Möglichkeit, sich auf eine weitere Vertragsgestaltung einzulassen, aber auch, wegen des Prinzips der Vertragsfreiheit überhaupt von einer erneuten Rechtsbindung abzusehen. Hierin liegt der Sachgrund. Es bestand keine Rechtsverpflichtung bei der erneuten - unbefristeten - Vertragsgestaltung rückwirkende Zeiträume abzudecken. Aus diesen Gründen kann offen bleiben, ob auch haushaltsrechtliche Gründe die Vorgehensweise des beklagten Landes zu rechtfertigen vermögen. Nach den Bekundungen des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung werden befristete Verträge haushaltsrechtlich aus Vertretungsstellen, und unbefristete Verträge ebenso wie Beamtenstellen aus festen Planstellen heraus bewirtschaftet.

3. Soweit die Klägerin vorbringt, sie habe in der unterrichtsfreien Zeit auch in Kenntnis der Rektorin Tätigkeiten erbracht, um den Unterrichtsstoff für das kommende Schuljahr vorzubereiten, fehlt es an substantiierten Ausführungen zur Begründung eines evtl. Anspruches. Die angebotene Vernehmung der Zeugin Z. wäre zivilprozessual unzulässige Ausforschung. Im Übrigen ist unstreitig, dass die Klägerin vor Beginn der Sommerferien 2006 beim beklagten Land bzw. der ADD nachgefragt habe, ob ihr Arbeitsverhältnis fortgesetzt würde und sie keine verbindliche Auskunft erhalten habe. Dies bedeutet zugleich auch, dass aus einer Äußerung der Rektorin zur Benötigung der Klägerin kein verbindliches Vertrauen auf Fortsetzung der bisherigen Verhaltensweise begründet werden konnte, jedenfalls nicht dahin, dass das beklagte Land finanziell und in Zukunft in den Ferien einstehen würde. Hierauf hat das beklagte Land zu Recht hingewiesen.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO.

Für die Zulassung der Revision liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.

Ende der Entscheidung

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