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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 20.04.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 926/06
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 2
BGB § 613 a
ArbGG § 64 Abs. 2 c
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 540
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 926/06

Entscheidung vom 20.04.2007

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 13. Oktober 2006 - 9 Ca 532/06 - wird auf Kosten des Beklagten zu 1) zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Rechtswirksamkeit einer vom Insolvenzverwalter - Beklagten zu 1) - ausgesprochenen ordentlichen arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung.

Die am 13. August 1970 geborene Klägerin, die verheiratet ist und zwei minderjährige Kinder hat, wurde seit 01. September 1991 bei der F. F. Arbeiterin zuletzt seit 01. September 2001 auf der Basis von 15 Wochenstunden bei einer Vergütung von 400,00 € netto beschäftigt.

Über das Vermögen der Firma F. F. wurde am 28. Februar 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 30. Mai 2006 kam es zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Betriebsrat zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit einer Liste der Namen von 35 zu entlassenden Arbeitnehmern. Hierin wurde auch vereinbart, den Arbeitnehmern, die gegenüber einer ersten Kündigung vom 28. Februar 2006 Klage erhoben haben und deren Rechtsstreit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei, erneut zu kündigen. Auch diese wurden in einer Namenliste aufgeführt. Darunter befand sich auch die Klägerin. Zur Durchführung der Sozialauswahl wurde im Interessenausgleich ein Punktesystem vereinbart. Zugleich wurde die Feststellung getroffen, dass das Anhörverfahren nach § 102 BetrVG mit dem Betriebsrat ordnungsgemäß durchgeführt und am 30. Mai 2006 abgeschlossen worden sei, sowie, dass dem Betriebsrat eine Personalliste aller im Betrieb Beschäftigten mit persönlichen Namen und betrieblichen Daten vorgelegen habe. Hinsichtlich der Klägerin teilte der Beklagte zu 1) dem Betriebsrat mit, dass diese seit 2001 bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt sei und 11 Sozialpunkte habe. Damit habe sie mit Abstand die niedrigste Punktzahl in der Sozialauswahl.

Der Beklagte zu 1) kündigte der Klägerin erneut mit Schreiben vom 30. Mai 2006 ordentlich zum 31. August 2006.

Am 01. Juni 2006 schloss der Beklagte zu 1) mit der Beklagten zu 2) einen Unternehmenskaufvertrag mit der Gemeinschuldnerin.

Mit der am 02. Juni 2006 beim angerufenen Arbeitsgericht erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die erneute Kündigung.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,

die Kündigung sei wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG unwirksam. Die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft.

Sie hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 30.05.2006 nicht zum 31.08.2006 aufgelöst wird.

2. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 31.08.2006 hinaus zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Gegenüber der Beklagten zu 2) beantragt die Klägerin:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen der Klägerin und dem Beklagten Ziffer 1 bestehende Arbeitsverhältnis gem. § 613 a BGB ab dem 01.06.2006 auf die Beklagte zu Ziffer 2 übergegangen ist und durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 30.05.2006 nicht zum 31.08.2006 aufgelöst wird.

2. Die Beklagte zu Ziffer 2) wird verurteilt, die Klägerin über den 31.08.2006 hinaus zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagten beantragen übereinstimmend

Klageabweisung.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammer Landau in der Pfalz - vom 13. Oktober 2006, Az.: 9 Ca 532/06 und den Inhalt des Interessenausgleichs vom 30. Mai 2006, (Blatt 30 bis 45 d. A.) sowie zugleich auf den Sozialplan vom 30. Mai 2006 (Blatt 46 bis 52 d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat dem vorerwähnten Urteil auf Unwirksamkeit der Kündigung vom 30. Mai 2006 zum 31. August 2006 erkannt, ein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) festgestellt und diese zur Weiterbeschäftigung verurteilt.

Bezogen auf die Kündigung folge die Unwirksamkeit aus § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, da die Anhörung nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Dem Betriebsrat sei unstreitig mitgeteilt worden, dass die Klägerin nur 11 Sozialpunkte habe und daher am wenigstens sozialschutzbedürftig gewesen sei. Tatsächlich habe die Klägerin 26 Sozialpunkte, während der Arbeitnehmer M. nur 22 Sozialpunkte habe. Im Übrigen läge eine Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) vor. Der Weiterbeschäftigungsanspruch sei begründet.

Gegen das dem Beklagten zu 1) am 02. November 2006 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 30. November 2006 eingelegte und am 23. Januar 2007 begründete Berufung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.

Der Beklagte zu 1) bringt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts weise die Klägerin nur 14 Sozialpunkte auf. Selbst wenn man der Berechnung des Arbeitsgerichts folge, ergäben sich nur 25 Sozialpunkte. Teilzeitkräfte könnten nicht mit Vollzeitkräften verglichen werden. Eine Bereitschaft der Klägerin zur Erhöhung der Stundenzahl habe nicht vorgelegen. Bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste verringere sich der Umfang der Mitteilungspflichten gegenüber dem Betriebsrat. Diesem habe keine bewusst unzutreffende Information vorgelegen. Die Betriebsrätin Schwarzwälder habe die Möglichkeit gehabt, sämtliche Personaldaten einzusehen. In § 2 Ziffer 3 des Interessenausgleichs sei festgehalten, dass das Anhörverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Berufungsgründe wird auf die Berufungsschrift vom 23. Januar 2007 (Blatt 106 - 110 d. A.) sowie die Ausführungen im Schriftsatz vom 03. April 2007, (Blatt 135 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der Beklagte zu 1) beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammer Landau in der Pfalz - Az. 9 Ca 532/06 vom 13. Oktober 2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat

Zurückweisung der Berufung

beantragt und erwidert,

der Beklagte hätte bei Einleitung des Beteiligungsverfahrens klarstellen müssen, dass eine Verbindung zwischen Interessenausgleich und Anhörung gewollt sei. Eine solche sei nicht gegeben gewesen. Herr S. hätte in die Sozialauswahl mit einbezogen werden müssen. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts erweise sich als zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbeantwortung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 23. März 2007 (Blatt 131 - 134 d. A.) sowie dem weiteren Schriftsatz vom 18. April 2007 (Blatt 138 - 140 d. A.) Bezug genommen.

Auf die Feststellungen der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 20. April 2007 (Blatt 146 - 148 d. A.) wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten zu 1) ist gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft. Sie ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt, sowie begründet worden. Sie ist insgesamt zulässig.

II.

In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat durch das angefochtene Erkenntnis zurecht entschieden, dass das mit der Klägerin seit 01. September 1991 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 30. Mai 2006 zum 31. August 2006 beendet worden ist, ein Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2) vorliegt und ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht. Zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen wird auf den diesbezüglich begründeten Teil des angefochtenen Urteils gemäß § 540 ZPO Bezug genommen.

1.

Die Angriffe der Berufung des Beklagten zu 1) gegen die Feststellungen im arbeitsgerichtlichen Urteil zur fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats mit der Rechtsfolge des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG reichen nicht aus, um zu einer anderen Bewertung in diesem Punkt zu gelangen. Dafür, dass das Anhörverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG ordnungsgemäß durchgeführt wurde, trägt der Arbeitgeber im Prozess die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Kania, Erfurter Kommentar, 6. Auflage, BetrVG 210, § 102 Rz. 30 m. w. N. auf BAG Urteil vom 19. August 1975 1 AZR 613/74 = AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 5). Hierzu gehört, dass die arbeitgeberseitige Mitteilungspflicht ausreichend erfüllt wurde (vgl. BAG Urteil vom 16. September 1993 2 AZR 267/93 = AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 62). Soweit die Berufung (Seite 2 der Berufungsbegründung) vorbringt, der Sachverhalt zu den Sozialpunkte sei "insoweit zu korrigieren, als die klägerische Partei 14 Punkte aufweist" und weiter "Selbst unter Berücksichtigung der von der erkennenden Kammer angesetzten Berechnungsgrundlage kommt auf die klägerische Partei für diese lediglich auf 25 Punkte (vgl. klägerischen Schriftsatz vom 12. September 2006)" bleibt dies - bezogen auf die Ausführungen zu 14 Sozialpunkten - ohne die zivilprozessual erforderliche Substanz. Es fehlt an nachvollziehbaren Ausführungen dazu, wie der Beklagte zu 1) rechnerisch auf seinen angeführten Wert kommt.

Mit dem von der Berufung angeführten Arbeitnehmer M. hat sich das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung nicht befasst, sondern lediglich auf den über wenigen Sozialpunkte verfügenden Arbeitnehmer G. abgestellt.

2.

Entgegen der Berufung kann für die Feststellung der Punktzahl, sowie die Frage der Vergleichbarkeit nicht darauf abgehoben werden, dass Teilzeitkräfte nicht mit Vollzeitkräften verglichen werden könnten; denn der Interessenausgleich vom 30. Mai 2006 sieht - unabhängig von einer entsprechenden rechtlichen Zulässigkeit (vgl. Scherr/Krol-Dickob, Arbeitszeitrecht von A bis Z, TzBfG 200) - weder in seinem Inhalt zum persönlichen Geltungsbereich in § 1, noch zum Punkteschema in § 2 eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- mit Vollzeitkräften vor. Die Punktebewertung ist nicht vom Umfang der Arbeitszeit abhängig. Im Übrigen vollzieht sich die arbeitsvertragliche Anbindung bei Teilzeitkräften auf den Arbeitsinhalt und nicht auf die Arbeitszeit (vgl. zutreffend: Ascheid, Erfurter Kommentar, 6. Auflage, Kündigungsschutzgesetz 430, § 1 Rz 485). In diesem Zusammenhang sind die weiteren Ausführungen der Berufung, eine Bereitschaft der Klägerin zur Erhöhung der Stundenzahl habe nicht vorgelegen, unabhängig von Fehlen der erforderlichen Substantiierung angesichts des Bestreitens der Klägerin, rechtlich unbeachtlich.

3.

Die Tatsache, dass in § 2 Ziffer 3 des Interessensausgleichs festgehalten ist, wonach das Anhörverfahren nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, ersetzt im Falle des zulässigerweise erfolgten Bestreitens des Arbeitnehmers, nicht den zivilprozessual erforderlichen Vortrag in diesem Punkt. Dass die Betriebsrätin S. die Möglichkeit hatte, sämtliche Personaldaten einzusehen, widerlegt nicht die Feststellung des Arbeitsgerichts zur fehlerhaften Höhe der dem Betriebsrat mitgeteilten Punktzahl.

4.

Angriffe gegen die weiteren rechtlichen Feststellungen des Arbeitsgerichts liegen nicht vor.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 a GKG i. V. m. § 97 Abs. 1. Von der Zulassung der Revision wurde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgesehen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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