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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 21.08.2006
Aktenzeichen: 7 Sa 1007/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG, EFZG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
ZPO § 256
KSchG § 1
EFZG §§ 3 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 Sa 1007/05

Entscheidung vom 21.08.2006

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 06.09.2005 - 5 Ca 552/05 - aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 25.02.2005 aufgelöst worden ist.

3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

4. Die Kosten beider Rechtszüge hat zu 4/5 die Beklagte, zu 1/5 der Kläger zu tragen.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat.

Der Kläger ist seit dem 05.04.2000 bei der Beklagten als Monteur zu einem Bruttogehalt von 2.000,00 € beschäftigt.

Die Beklagte beschäftigt ca. 250 Arbeitnehmer. Mit Schreiben vom 25.02.2005, hinsichtlich dessen Inhalts auf Blatt 8 der Akte Bezug genommen wird, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus betriebs- und personenbedingten Gründen 31.03.2005 gekündigt.

Wegen der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers im Einzelnen wird auf den Inhalt des Schriftsatzes des Beklagtenvertreters vom 23.05.2005 (Bl. 21, 22 d. A.) Bezug genommen. Wegen der Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeitszeiten für den Kläger von der AOK Rheinland nebst Diagnosen im Einzelnen wird auf Blatt 59 bis 61 der Akte Bezug genommen.

Der Kläger hat vorgetragen,

die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Eine personenbedingte Kündigung scheitere schon an der fehlenden negativen Zukunftsprognose. Die überwiegende Anzahl der Erkrankungen seien solche ohne Wiederholungsgefahr, so dass sie nicht die Besorgnis künftiger Erkrankungen rechtfertigen könnten.

Im Übrigen habe die Beklagte nicht unzumutbare betriebliche Störungen nachgewiesen.

Ebenso wenig sei eine Betriebsbedingtheit der Kündigung gegeben mit der Folge, dass sein Arbeitsplatz dementsprechend auch nicht weggefallen sei. Die von der Beklagten behaupteten Umsatzeinbußen seien zu bestreiten. Zudem sei keine hinreichende ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt worden, da durchweg mit ihm vergleichbare Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten beschäftigt seien, die deutlich weniger sozial schutzwürdig seien als er.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 25.02.2005 aufgelöst wird,

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern über den 31.03.2005 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

die Kündigung sei sowohl als betriebs- als auch als personenbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt.

Dies folge für die personenbedingte Kündigung aus den durchschnittlich hohen Fehlzeiten des Klägers aus krankheitsbedingten Gründen. Eine negative Gesundheitsprognose sei schon deshalb als erfüllt anzusehen, da die in der Vergangenheit sehr häufig aufgetretenen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers, die auf unterschiedlichen Ursachen beruhten, auch die Besorgnis künftiger Erkrankungen rechtfertigten. Hinzu komme eine unzumutbare Belastung, weil der Kläger in den vergangenen drei Jahren außergewöhnlich hohe Entgeltfortzahlungskosten erhalten habe und auch für die Zukunft mit entsprechenden Zahlungsverpflichtungen ihrerseits zu rechnen sei. Zudem sei der reibungslose Produktionsablauf durch die Fehlzeiten des Klägers gestört worden, da der Arbeitsplatz des Klägers immer mit anderen Mitarbeitern habe besetzt werden müssen. Ein leichterer Arbeitsplatz, der den gesundheitlichen Bedürfnissen des Klägers eher entspreche, seien im Betrieb nicht vorhanden.

Schließlich seien auch betriebsbedingte Gründe für die soziale Rechtfertigung gegeben, weil aufgrund von erheblichen Umsatzausfällen in den letzten Jahren der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen sei. Die soziale Auswahl sei ordnungsgemäß durchgeführt worden, da der Kläger kein Facharbeiter sei und somit die meisten Mitarbeiter auch mit dem Kläger nicht vergleichbar seien. Soweit weitere Mitarbeiter mit dem Kläger konkret vergleichbar seien, seien diese jedoch als sozial schutzwürdig anzusehen, da sie länger als der Kläger bei ihr beschäftigt seien.

Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 06.09.2005 - 5 Ca 552/05 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 92 bis 103 der Akte Bezug genommen.

Gegen das ihm am 15.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 19.12.2005 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung zugleich begründet.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, aus dem Gesamtzusammenhang seines Sachvortrages ergebe sich, dass er so habe verstanden werden wollen, dass die ihn behandelnden Ärzte seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt hätten. Er habe im Einzelnen vorgetragen, dass ihm Zähne gezogen worden seien, eine Handverletzung ausgeheilt, eine später operierte Erkrankung des Knies ausgeheilt sei und mit Wiederholungsgefahr allenfalls 18 Krankheitstage gegeben seien (für 2002). Für 2003 habe er vortragen lassen, dass er sich der Knieoperation unterzogen habe, dass Rückenbeschwerden erfolgreich konservativ behandelt worden seien und das folglich mit Wiederholungsgefahr allenfalls sechs Fehltage zu verzeichnen seien. Für 2004 habe er vortragen lassen, dass er erfolgreich nach einem Arztwechsel wegen Beschwerden in den Schultergelenken folgebehandelt worden sei, das mit Wiederholungsgefahr allenfalls zehn Tage zu verzeichnen seien.

Auch sei die Kündigung nicht betriebsbedingt gerechtfertigt. Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 19.12.2005 (Bl. 116 - 121 d. A.), sowie seinen Schriftsatz vom 05.05.2006 (Bl. 192 - 198 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - 5 Ca 552/05 - wird festgestellt,

1. dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 25.02.2005 aufgelöst wurde.

2. dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern über den 31.03.2005 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die Kündigung sei sowohl betriebs- als auch personenbedingt sozial gerechtfertigt.

Der Sachvortrag des Klägers hinsichtlich der negativen Gesundheitsprognose reiche nicht aus; im Übrigen sei die Kündigung auch betriebsbedingt berechtigt. Hinsichtlich der weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 02.02.2006 (Bl. 134 - 139 d. A.), sowie auf ihren Schriftsatz vom 10.04.2006 (Bl. 168 - 184 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 21.08.2006.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

Denn entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die streitgegenständliche Kündigung nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG, so dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben und festzustellen war, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 25.02.2005 aufgelöst worden ist.

Soweit der Kläger einen weitergehenden Feststellungsantrag gestellt hat, ist dieser allerdings unzulässig. Für ihn ist ein Rechtschutzinteresse, das gemäß § 256 ZPO erforderlich ist, nicht ersichtlich. Unstreitig sind keine weiteren Beendigungstatbestände vorliegend gegeben, so dass der Antrag in beiden Rechtszügen unzulässig war und auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor der Kammer ist.

Die Kündigung ist nicht betriebsbedingt sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG.

Die ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung ist dann sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 KSchG, wenn

- zum Zeitpunkt ihres Zuganges dringende betriebliche Gründe vorliegen, die aufgrund außerbetrieblicher Umstände oder infolge innerbetrieblicher Maßnahmen zu einem Rückgang des Arbeitsanfalls bis hin zum Wegfall des Bedürfnisses für die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer in dem Bereich führen, in dem der betroffene Arbeitnehmer beschäftigt ist;

- der betroffene Arbeitnehmer zum Zeitpunkt ihres Zugangs von allen vergleichbaren Arbeitnehmern der sozial am wenigsten Schutzwürdige ist und

- auch eine umfassende - allerdings nur ausnahmsweise durchzuführende - Interessenabwägung nach ordnungsgemäßer Sozialauswahl nicht ausnahmsweise zu einem Überwiegen des Interesses des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers und dessen Beendigung führt (vgl. zu alledem BAG 21.04.2005 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 62 = NZA 2005, 1307; Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 5. Auflage 2006 (DLW-Dörner), D Rz. 1391 ff. = Seite 1350 ff.).

Bereits die Voraussetzungen der ersten Stufe sind vorliegend nach dem Sachvortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten, den der Kläger im Einzelnen bestritten hat, nicht gegeben. Der Sachvortrag der Beklagten in beiden Rechtszügen läuft im Grunde genommen darauf hinaus, dass sie behauptet, dass durch einen Rückgang des Auftragseingangs auch das Beschäftigungsbedürfnis sich verringert habe. Soweit sie insbesondere im Schriftsatz vom 23.05.2005 den Bereich des Objektbaus beschrieben hat, ist ein Zusammenhang zur Tätigkeit des Klägers nicht nachvollziehbar; im Übrigen sind die tatsächlichen Zahlenangaben und die daraus resultierenden Konsequenzen hinsichtlich des Beschäftigungsbedarfs "X" schlicht nicht nachvollziehbar. Sie hat im genannten Schriftsatz die Zahl der im Objekt vorgefertigten Module so angegeben, dass nach 42 im Jahr 2002, 38 im Jahr 2003 und 70 im Jahr 2004, im Jahr 2005 bis einschließlich April lediglich 10 Einheiten im Monat gefertigt worden seien. Sie hat dann bezogen auf 70 Module einen Arbeitnehmerbedarf von 37 genannt und im Hinblick auf die Einheiten im April 2005 einen Rückgang von 85 % auf die Arbeitsplätze bezogen, noch nicht einmal konkret umgerechnet. Das ist schon deshalb im Hinblick auf einen Rückgang des Beschäftigungsbedarf unlogisch, als keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass im Jahr 2002 bis einschließlich April mehr Einheiten gefertigt wurden als im Jahr 2005, gleiches gilt erst recht für 2003. Lediglich das Jahr 2004 fällt im Hinblick auf den hohen Arbeitsbedarf aus dem Rahmen. Widerspruchsvoll ist der Sachvortrag der Beklagten auch insoweit, als sie auf der einen Seite behauptet, der Arbeitsplatz des Klägers sei vollumfänglich in Wegfall geraten, andererseits im Rahmen der Darstellung der personenbedingten Gründe sie im Einzelnen behauptet, durch die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers und sein Fernbleiben von der Arbeit seien betriebliche Ablaufstörungen eingetreten. Warum dies für 2005 bei einem behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedarfs gegeben sein soll, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Insoweit sind für die Kammer die Auswirkungen der betrieblichen Geschehnisse auf den Arbeitsanfall im Bereich des Klägers nicht in einer Weise dargelegt, die den Rückschluss auf den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs zulässt. In der Berufungsbegründung vom 02.02.2006 wird dies gleichfalls nicht näher erläutert; es wird insoweit lediglich auf das erstinstanzliche, nicht hinreichende tatsächliche Vorbringen, Bezug genommen. Im Schriftsatz vom 10.04.2006 wird wiederum ausgehend von den Einheiten pro Monat nunmehr erstmals eine Stundenkalkulation und ein Bezug zum Arbeitskräftebedarf hergestellt. Diese Rechnung ist aber schon deshalb inhaltlich in besonderem Maße widersprüchlich, als die Beklagte stets ausdrücklich behauptet hat, dass durch die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers erhebliche betriebliche Störungen entstanden seien. Insofern hat sich die Kammer nicht in der Lage gesehen, nachzuvollziehen, woraus sich der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs vorliegend ergeben soll.

Deshalb kommt eine betriebsbedingte Kündigung vorliegend nicht in Betracht.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die Kündigung auch nicht als personenbedingte Kündigung (krankheitsbedingt) sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG. Insoweit vermag die Kammer der angefochtenen Entscheidung nicht zu folgen. Das Arbeitsgericht ist zunächst vom zutreffenden dreistufigen Prüfungsmaßstab ausgegangen; deshalb wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung (Seite 8 = Bl. 98 d. A.) Bezug genommen.

Eine negative Gesundheitsprognose liegt insoweit dann vor, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung aufgrund objektiver Tatsachen damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seinem Arbeitsplatz krankheitsbedingt in erheblichem Umfang (aufgrund häufiger Kurzerkrankung oder aufgrund einer lang anhaltenden Erkrankung) fern bleiben wird; ob die Grenze von 30 Arbeitstagen (§§ 3 ff. EFZG) überschritten wird, ist erst in der zweiten Stufe von Belang. Für die Prognose spielen die bisherigen, objektiv feststellbaren Krankheitszeiten keine unmittelbare, allerdings eine mittelbare Rolle. Insoweit können auch vergangenheitsbezogene Fehlzeiten eine negative Gesundheitsprognose begründen. Eine danach begründete negative Gesundheitsprognose des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer dadurch entkräften, dass er darlegt, aufgrund welcher Umstände (etwa eine bevorstehende Operation, der fortgeschrittene Heilungsprozess, ggf. die Entdeckung eines neuartigen Heilmittels) mit seiner alsbaldigen Genesung oder Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist (vgl. BAG 06.09.1989 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 26).

Vorliegend ist im Hinblick auf die Darstellung der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers durch die Beklagte einerseits, sowie die vorgelegte Übersicht nebst Diagnosen der AOK bereits eine negative Gesundheitsprognose sachlich nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat insoweit im Einzelnen für die betroffenen Kalenderjahre die Krankheitsursachen nicht nur durch die AOK belegen und bescheinigen lassen, sondern auch substantiiert vorgetragen, dass die jeweiligen Erkrankungen ganz überwiegend ausgeheilt sind und Wiederholungsgefahr nicht besteht. Danach errechneten sich mit Wiederholungsgefahr an Ausfallzeiten für 2002 maximal 18 Tage, für 2003 sechs Arbeitstage und für 2004 zehn Arbeitstage. Der Kläger hat insoweit alle ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht befreit und die Krankheiten entgegen der Auffassung der Beklagten in einer Weise beschrieben und beurteilt, dass für die Kammer zum einen ohne weiteres erkennbar ist, dass er damit eine positive Prognose darstellen wollte; dieser Sachvortrag ist auch lebensnah, denn warum nach einer Zahnoperation Wiederholungsgefahr bestehen soll, erschließt sich der Kammer nicht. Gleiches gilt für das Vorliegen einer Handverletzung oder einer Knieerkrankung. Ebenso substantiiert ist ein Sachvortrag hinsichtlich einer durchgeführten Knieoperation, der Behandlung eines Rückenleidens und ausgeheilter Beschwerden im Schultergelenk. Die verbliebenen Krankheitstage mit Wiederholungsgefahr in den Jahren 2002, 2003 und 2004 rechtfertigen aber keine negative Gesundheitsprognose für die Zukunft; dafür sind sie zu gering.

Insofern rechtfertigt auch der Sachvortrag der Beklagten im Berufungsverfahren keine abweichende Beurteilung. Denn er besteht im Wesentlichen darin, zu behaupten, der Sachvortrag des Klägers hinsichtlich der Wiederholungsgefahr sei nicht ausreichend; dem folgt die Kammer ausdrücklich nicht, weil dem Kläger als medizinischem Laien weitere Ausführungen nicht zuzumuten sind und im Übrigen sich dies aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt. Im Übrigen wird der Sachvortrag des Klägers schlicht bestritten. Von daher besteht keine Veranlassung, von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen.

Erst Recht sind keine erheblichen betrieblichen Auswirkungen gegeben.

Soweit sich die Beklagte auf Betriebsablaufstörungen beruft, weil ständig andere Mitarbeiter für den Kläger hätten eingesetzt werden müssen, ist dies für den Kündigungszeitpunkt schlicht nicht nachvollziehbar, wie bereits dargestellt, weil die Beklagte gleichermaßen behauptet, der Beschäftigungsbedarf für den Kläger sei weggefallen.

Hinsichtlich der Lohnfortzahlungskosten und hinsichtlich der Entgeltfortzahlungskosten ist zwar davon auszugehen, dass dann, wenn eine Prognose gerechtfertigt ist, das sich in Zukunft für das vom Arbeitgeber gesetzlich hinzunehmende Maß von 30 Arbeitstagen pro Jahr bewegen, erhebliche betriebliche Auswirkungen gegeben sind. Dies ist vorliegend aber gerade nicht der Fall, weil eine solche Prognose nicht gerechtfertigt ist. Angesichts der geringfügigen Zahl von Fehltagen mit Wiederholungsgefahr bestehen keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass in der Zukunft höhere Entgeltfortzahlungskosten als sie für 30 Arbeitstage anfallen werden, nachdem sie auf die Jahre 2002 bis 2004 nicht angefallen sind. Denn die Höhe der kündigungsrechtlich relevanten Entgeltfortzahlungskosten wird so ermittelt, dass zuerst die für die Fehlzeitenprognose unerheblichen vergangenheitsbezogenen Fehlzeiten ausgeklammert werden. Sodann werden für die Prognose relevante Fehlzeiten die für sechs Wochen jährlich anfallenden Entgeltfortzahlungskosten berechnet. Erheblich ist die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers insoweit nur dann, wenn für den erkrankten Arbeitnehmer jährlich Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzubringen sind (BAG 29.07.1993 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 40).

Davon kann vorliegend, wie dargestellt, nicht ausgegangen werden, denn zugunsten der Beklagten können für die Jahre 2002 bis 2004 lediglich die Fehlzeiten mit Wiederholungsgefahr und die dafür aufgewandten Entgeltfortzahlungskosten berücksichtigt werden, die aber deutlich unter 30 Arbeitstagen pro Jahr, also dem vom Arbeitgeber hinzunehmenden Maß nach Maßgabe der §§ 3 ff. Entgeltfortzahlungsgesetz anfallen werden.

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und der Klage überwiegend stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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