Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 17.02.2003
Aktenzeichen: 7 Sa 1141/02
Rechtsgebiete: DÜG, ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

DÜG § 1
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 7 Sa 1141/02

Verkündet am: 17.02.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 17.02.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dörner als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter L und G für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 16.07.2002 - 5 Ca 3828/01 - abgeändert:

a) Die Klage wird abgewiesen.

b) Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger die Rückzahlung von Ausbildungskosten vom Beklagten verlangen kann.

Der Beklagte war als Ingenieur in der Zeit vom 15.03.1999 bis zum 30.11.1999 bei dem Kläger beschäftigt.

Mit Datum vom 22.02.1999 haben die Parteien eine Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag geschlossen bezüglich der Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen. § 3 dieser Zusatzvereinbarung enthält eine Rückzahlungsregelung, die unter anderem folgenden Wortlaut hat:

"Der Gesamtbetrag der in der Anlage 1 aufgeführten Kosten wird durch 36 Monate geteilt, wobei für jeden angefangenen Monat, den der Arbeitnehmer nach Beendigung der Fortbildungsveranstaltung beim Arbeitgeber beschäftigt ist, 1/36 der gesamten Kosten zur Rückerstattung erlassen wird."

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Vereinbarung wird auf Blatt 16 der Akte Bezug genommen. Vorliegend sind Ausbildungskosten in Höhe von insgesamt 8.800,00 DM für eine sogenannte C entstanden.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte bei dem Kläger aus betriebsbedingten oder aber aus personenbedingten Gründen ausgeschieden ist. Der Beklagte hatte gegen eine vom Kläger ausgesprochene Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben, später jedoch die Klage zurückgenommen.

Mit der Klage begehrt der Kläger nunmehr die Zahlung eines Anteils der Ausbildungskosten in Höhe von 26/36 aus 8.800,00 DM = 6.355,70 DM = 3.249,62 EURO.

Der Kläger hat vorgetragen,

der Anspruch sei vorliegend deshalb gegeben, weil der Beklagte vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis der Parteien ausgeschieden sei aufgrund personenbedingter Kündigung. Die mit dem Beklagten vereinbarte Rückzahlungsregelung sei nicht zu beanstanden, da die entsprechende Bindungsfrist von insgesamt 36 Monaten im Verhältnis zu dem Umfang und der Art der Ausbildung als sachgerecht anzusehen sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.249,62 EURO nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 seit dem 01.12.1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen,

er sei zur Rückzahlung nicht verpflichtet, weil er keineswegs bei dem Kläger aufgrund einer personenbedingten Kündigung ausgeschieden sei. Vielmehr habe der Kläger das damaligen Arbeitsverhältnisses mit ihm vorzeitig ohne rechtfertigenden Grund gelöst. Auch stehe dem Rückzahlungsbegehren vorliegend die Einrede der Arglist entgegen, denn die Rückzahlungsklausel bei jeglicher Beendigung des Anstellungsverhältnisses verstoße gegen die Garantie der Berufsfreiheit im Grundgesetz. Auch sei die Rückzahlungsklausel bereits unzulässig, weil sie zu einer unangemessenen Bindung an den Kläger führe. Zumindest bezüglich der Bindungswirkung von drei Jahren sei sie als unwirksam anzusehen.

Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat daraufhin auf die mündliche Verhandlung vom 16.07.2002 - 5 Ca 3828/01 - den Beklagten verurteilt, an den Kläger 3.249,62 EURO nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.1999 zu zahlen.

Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 40 bis 43 der Akte Bezug genommen.

Gegen das ihm am 10.10.2002 zugestellte Urteil hat der Beklagte durch am 05.11.2002 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 04.12.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Beklagte wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, es könne offen bleiben, ob sich eine Rückzahlungsverpflichtung überhaupt aus dem Wortlaut der Zusatzvereinbarung ergebe. Die Erstattungspflicht sei dem Beklagten jedenfalls nach treu und glauben nicht zumutbar. Dies gelte unabhängig davon, ob er aufgrund einer personen-, oder aber einer betriebsbedingten Kündigung ausgeschieden sei. Denn in beiden Fällen habe er im Gegensatz zur verhaltensbedingten Kündigung keine Möglichkeit, durch vertragsgerechtes Verhalten der Rückzahlungspflicht zu entgehen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz, auswärtige Kammern Neuwied, vom 16.07.2002, AZ: 5 Ca 3828/01, wir die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, es habe sich in erster Linie um eine personenbedingte Kündigung gehandelt, da der Beklagte in den Arbeitseinsätzen nirgendwo habe FUSS fassen können und insbesondere aufgrund seiner objektiven Voraussetzungen nicht in der Lage gewesen sei, die üblichen Anforderungen bei den Kunden, wie sie der Kläger bediene, zu erfüllen. Weder die innerbetrieblich mit dem Kläger geführten Erörterungen, noch die ihm gewährten Schulungen hätten seine Qualifikation in der Weise fördern können, dass eine entsprechende Einsatztauglichkeit entstanden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen. Schließlich wird Bezug genommen auf die Feststellungen im Sitzungsprotokoll vom 17.02.2003.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Denn entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann der Kläger vom Beklagten nicht die Rückzahlung von Ausbildungskosten in Höhe von 3.249,62 EURO nebst Zinsen verlangen.

Nach Auffassung der Kammer kann vorliegend dahinstehen, ob maßgeblich für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der dieser zugrundeliegenden Kündigung betriebs- oder personenbedingte Gründe waren. Für den Fall, dass es sich um eine betriebsbedingte Kündigung handele, ergibt sich die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel aus §§ 138 Abs. 1, 242 BGB. Das BAG (06.05.1998 EzA § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 19), dem die Kammer folgt, geht davon aus, dass einzelvertragliche Abreden über die Rückzahlung von Ausbildungskosten insoweit unwirksam sind, wie sie eine Erstattung auch für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber vorsehen. Denn es handelt sich nur dann um eine ausgewogene Gesamtregelung, wenn der Arbeitnehmer es in der Hand hat, der Rückzahlungspflicht durch eigene Betriebstreue zu entgehen. Nichts anderes gilt aber nach Auffassung der Kammer dann, wenn die Kündigung, wie vom Kläger dargestellt, deshalb erklärt wurde, weil der Beklagte trotz aller Anstrengungen des Klägers nicht vertragsgerecht eingesetzt werden konnte. Denn auch wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dann auf Gründe in der Person des Beklagten zurückzuführen ist, verwirklicht sich mit der Nichteinsetzbarkeit das typische unternehmerische Risiko des Klägers. Das Bundesarbeitsgericht (06.05.1998 a.a.O.) ist davon ausgegangen, dass das Interesse des Arbeitgebers, der seinem Arbeitnehmer eine Aus- oder Weiterbildung finanziert, dahingeht, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für den Betrieb nutzen zu können. Dieses grundsätzlich berechtigte Interesse gestattet es ihm, als Ausgleich für seine finanziellen Aufwendungen vom sich abkehrenden Arbeitnehmer für eine gewisse Frist die Kosten der Ausbildung ganz oder zeitanteilig zurückzuverlangen. Kündigt dagegen innerhalb der Bindungsfrist der Arbeitgeber selbst, so gibt er damit jedenfalls für den Fall der betriebsbedingten Kündigung zu erkennen, dass er trotz der aufgewendeten Kosten nicht bereit, zumindest nicht in der Lage ist, dem Betrieb die Qualifikation des Arbeitnehmers zu erhalten. Die sachliche Grundlage für eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers, die diese als angemessenen Interessenausgleich erscheinen lässt, ist damit entfallen. Die Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn der Arbeitnehmer es in der Hand hat, der Rückzahlungspflicht durch eigene Betriebstreue zu entgehen. Der Arbeitnehmer ist vielfach nicht in der Lage, die zum Teil erheblichen Kosten wie die Aus- und Fortbildung selbst zu tragen. Bei Bestehen einer Rückzahlungsabrede wegen einer solchen Maßnahme ist diese regelmäßig nur unter der Voraussetzung zulässig, dass er für die Dauer der Bindungsfrist im Betrieb verbleiben und auch eine nachträgliche eigene Belastung vermeiden kann. Dieses schützenswerte Vertrauen des Arbeitnehmers würde verletzt, wenn auch die Entscheidung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis zu beenden, die Rückzahlungspflicht auslösen könnte.

Nach Auffassung der Kammer führen diese Grundsätze auch im hier maßgeblichen Lebenssachverhalt zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsregelung. Denn der Beklagte hat es aufgrund der Kündigung des Klägers nicht in der Hand, der Rückzahlungspflicht durch eigene Betriebstreue zu entgehen.

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück