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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 13.12.2004
Aktenzeichen: 7 Sa 29/04
Rechtsgebiete: BetrVG, StGB, SprecherausschussG, ArbGG, ZPO, KSchG, BGB, GewO, HGB


Vorschriften:

BetrVG § 5 Abs. 3
StGB § 299 Abs. 1
SprecherausschussG § 31
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
KSchG § 9
KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2
BGB § 314 Abs. 2
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
GewO § 123
GewO § 124
HGB § 71
HGB § 72
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 Sa 29/04

Entscheidung vom 13.12.2004

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 07.10.2003 - 3 Ca 126/03 - wird ebenso wie ihr Auflösungsantrag auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen bzw. hilfsweise ordentlichen Kündigung sein Ende gefunden hat, sowie darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die am 20.03.1948 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.06.1980 beschäftigt. Sie ist zuletzt als Gruppenleiterin im Bereich der Unternehmenskommunikation/Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt und trägt die Personalverantwortung für 7 AT-Mitarbeiter und 8 TA-Mitarbeiter.

Nach der Darstellung der Beklagten hat die Klägerin aufgrund der ihr arbeitsvertraglich zugewiesenen Funktionen und der Stellung im Unternehmen regelmäßig Aufgaben wahrzunehmen, die für den Bestand und für die Entwicklung des Unternehmens von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Kenntnisse und Erfahrungen voraussetzt. Aufgrund dessen soll sie danach in der Lage gewesen sein, unternehmerische Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen oder sie maßgeblich zu beeinflussen. Als Leiterin der Einheit X habe es der Klägerin oblegen, mit ihren Mitarbeitern durch Zielgruppen-Umfragen, Tests und Beratung die Kommunikationsarbeit der X und der zentralen Kommunikationseinheiten sowie die gruppenweite Zusammenarbeit im X-Netzwerk zu unterstützen. Desweiteren habe sie die politische Kommunikationsarbeit durch Initiativbeiträge aus Umfragen bei Entscheidungsträgern der 1. bis 3. Ebene der A-Gruppe unterstützt. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Tätigkeit habe in der Weiterentwicklung des News Management gelegen. Hier habe es gegolten, den Entscheidern im Unternehmen zielgruppenorientierte Informationen (Medienspiegel, Daily News Service, Issue Links, Dossiers usw.) zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig eine Sensorfunktion für neue Themen und Fragestellungen zu entwickeln. Die Klägerin sei im Rahmen der Web-Kommunikation mitverantwortlich für die Weiterentwicklung gruppenweit gültiger Guidelines. Bedeutsam sei auch ihre Beratung von Unternehmenseinheiten bei der Entwicklung und Gestaltung von Web-Sides in einem zielgruppenorientierten Internetauftritt gewesen. Schließlich habe die Klägerin am Aufbau der Com - Akademie, einem Weiterbildungs-Tool für die PR-Community weltweit gearbeitet. Dabei habe sie Bedürfnisse und den jeweiligen Qualifikationsbedarf ermitteln und an Kundenwünschen ausrichten sollen.

Das jährliche Durchschnittsentgelt der Klägerin betrug zuletzt einschließlich jährlicher Sondervergütung EUR 94.750,00 brutto.

Die Klägerin ist verheiratet und kinderlos. Ihr Ehemann ist 56 Jahre alt und zu 50 % schwerbehindert. Sein Arbeitsverhältnis ist zum 31.03.2003 aufgekündigt gewesen.

Bei der Beklagten, die mehrere 10.000 Arbeitnehmer beschäftigt, bestehen ein Betriebsrat und ein Sprecherausschuss.

Die Beklagte hat das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis am 23.12.2002 außerordentlich mit sofortiger Wirkung sowie hilfsweise ordentlich zum 31.12.2003 gekündigt.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Ludwigshafen.

Die Klägerin hat vorgetragen,

die ihr gegenüber ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei unwirksam. Ein wichtiger Grund sei nicht gegeben; auch sei die Kündigungserklärungsfrist nicht eingehalten worden. Denn die von der Beklagten zur Begründung der Kündigung genannten Gründe seien ihr inhaltlich bereits am 18.10.2002 bekannt gewesen, als die Klägerin gegen ihren Willen freigestellt worden sei.

Die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung sei gleichfalls rechtsunwirksam, da sozial ungerechtfertigt.

Insbesondere fehle es am Ausspruch einer Abmahnung. Bei dem Fehlverhalten, das ihr vorgehalten worden sei, habe es sich um ein willensgesteuertes Verhalten gehandelt. Auch bei Störungen im Vertrauensbereich sei jedenfalls dann vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich, wenn es sich um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers gehandelt habe. Wäre ihr im Zusammenhang mit einer Abmahnung mitgeteilt worden, dass das von ihr gezeigte Verhalten unterbleiben müsse, so hätte sie ihr Verhalten selbstverständlich geändert.

Eine ordnungsgemäße Abmahnung setze voraus, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer in einer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise konkret bestimmte Leistungs- und Verhaltensmängel beanstande und mit dem Hinweis verbinde, bei künftigen gleichartigen Vertragsverletzungen seien Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet.

Sie habe sich bei der Zusammenarbeit mit der Firma W. immer auf den vertraglichen Grundlagen bewegt und dabei die mit der Firma W. definierten Leistungsfälle beachtet. Auch nach dem 19.03.1999 sei ihr gegenüber wegen der Art und Weise der Zusammenarbeit mit dieser Firma keine Abmahnung ausgesprochen worden. Soweit sie im Zusammenhang mit Zielvereinbarungen Rücksprache mit Herrn Dr. V. gehalten habe, sei dies ausschließlich geschehen, um den Inhalt der betreffenden Zielvereinbarung auf seine Realisierbarkeit hin zu überprüfen. Es leuchte nicht ein, zunächst Zielvereinbarungen zu treffen und sich sodann über die Realisierbarkeit (Duchführbarkeit) Gedanken zu machen. Die Beratungen im Zusammenhang mit einzelnen Punkten der Zielvereinbarung seien gerade deshalb erfolgt, weil sie durchführbare und reelle Zielvereinbarungen habe treffen wollen. Dass diese Vorgehensweise fehlerhaft gewesen sein solle, habe sie nicht erkannt. Sie sei demgegenüber vielmehr der Auffassung gewesen, dass sie vor dem Vorschlagen von Zielen und vor Treffen zu Gesprächen wegen einer Zielvereinbarung deren tatsächliche Durchführbarkeit habe nachprüfen müssen. Allein dieser Weg sei ihr sinnvoll und logisch erschienen.

Sie sei keine leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG. Es sei in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich, dass die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung angehört habe.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche, fristlose schriftliche Kündigung vom 23.12.2002 noch durch die hilfsweise ordentliche und fristgerechte schriftliche Kündigung vom 23.12.2002, zugegangen am gleichen Tag, mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist oder fristgerecht zum 31.12.2003 aufgelöst wird.

2. die Beklagte zu verurteilen, sie über den 23.12.2002 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Gruppenleiterin im Bereich der Unternehmenskommunikation/Öffentlichkeitsarbeit (commercial Intelligence & Web Services) weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

sie halte die Klägerin für eine leitende Angestellte (zur weiteren Begründung dieser Auffassung der Beklagten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 5 der angefochtenen Entscheidung (2. Absatz = Bl. 770 d. A.) Bezug genommen.

Die Konzernrevision sei im Zusammenhang mit einer Überprüfung der Beschaffung von Studien auf Auffälligkeiten in der Geschäftsbeziehung der Beklagten zur Firma W. GmbH gestoßen. Diese Firma sei 1993 von Herrn V., einem ehemaligen Mitarbeiter der Beklagten, gegründet worden. Im Jahr der Gründung habe die Firma W. einen Rahmenvertrag mit einer Laufzeit bis zum 31.01.2001 mit der Beklagten abgeschlossen. Dieses Vertragsverhältnis sei durch Vertrag vom 01.02.2001 fortgesetzt worden. Unterzeichnerin des Folgevertrages sei unter anderem die Klägerin gewesen, die während der Zeit der Beschäftigung des Herrn Dr. V. bei der Beklagten dessen Mitarbeiterin gewesen sei.

Die Konzernrevision habe festgestellt, dass der Folgevertrag u. a. die Garantie einer fixen Zahlung auch ohne Leistungserbringung enthalten habe. Außerdem seien vor Abschluss des Vertrages keine Angebote von Wettbewerbern eingeholt worden. Desweiteren sei festgestellt worden, dass der größte Teil der Beschaffung von sogenannten Multi-Client-Studien (MCS) im Jahre 2001 über die Firma W. abgewickelt worden sei. Die Konzernrevision habe zudem den Verdacht geäußert, dass die Bestellungen durch die Beklagte überwiegend auf Initiativangeboten der Firma W. hin erfolgt seien. Daraufhin hätten u. a. die Umstände, dass Bestellungen am Tag des Angebotes erfolgt und Bestelltexte teilweise identisch mit den Angebotstexten gewesen seien, hingewiesen.

Die Prüfung der Konzernrevision sei von August bis September 2002 erfolgt. Der endgültige Revisionsbericht trage das Datum vom 11.10.2002 und sei mit Telefax am 15.10.2002 den auftraggebenden Einheiten zugesandt worden. An diesem Tag sei der Bericht auch beim Personalwesen der Beklagten eingegangen.

Der Leiter der Einheit Personal habe die Einheit Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht nach Eingang des Revisionsberichtes zu einer Stellungnahme aufgefordert. Diese Stellungnahme sei zu dem Ergebnis gelangt, dass auf der Grundlage des Revisionsberichtes der Klägerin arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen vorgeworfen werden könnten, die Abmahnungen, möglicherweise aber auch eine Kündigung rechtfertigen könnten, unter der Voraussetzung, dass sich der von der Konzernrevision nahe gelegte Verdacht eines kollusiven Zusammenwirkens der Klägerin mit der Firma W. zum Nachteil der Beklagten erhärten sollte. Nachdem diese Stellungnahme am 17.10.2002 dem Leiter Personalwesen der Beklagten zugeleitet worden sei, sei am nächsten Tag ein Ermittlungsauftrag zur Abklärung des Sachverhaltes erfolgt. Am gleichen Tage sei die Klägerin von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt worden, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Der Ermittlungsdienst habe sodann das Büro der Klägerin durchsucht und dabei Schriftstücke, Disketten und Kopien von Mails sichergestellt. Gleichzeitig seien der dienstliche PC der Klägerin auf belastendes und entlastendes Material hin untersucht und die Laufwerke durch das Mail-System überprüft worden. Das Ermittlungsergebnis sei am 15.11.2002 vorläufig zusammengestellt worden. Die Klägerin sei daraufhin mehrfach angehört worden. Erst am 09.12.2002 habe sie das Ergebnis ihrer Anhörung an den Ermittlungsdienst zurückgereicht. Am gleichen Tage habe beim Personalwesen die endgültige Fassung des Berichtes vorgelegen.

Als Ergebnis der umfangreichen Ermittlungen sei festgestellt worden, dass die Klägerin massiv gegen ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen habe. Es sei eine Vielzahl von Verstößen ermittelt worden, die weit über den durch den Bericht der Konzernrevision begründeten Anfangsverdacht hinausgegangen und von denen jeder allein für sich gesehen bereits die fristlose Kündigung des mit der Klägerin seinerzeit bestehenden Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Am 19.03.1999 sei daraufhin mit der Klägerin ein Mitarbeitergespräch geführt worden. In diesem Gespräch sei mit ihr besprochen worden, dass durch vorliegenden Schriftverkehr der Eindruck entstanden sei, dass die Firma W. wesentliche Beiträge zu Zielvereinbarungen bzw. Funktionsbeschreibungen von X - Mitarbeitern leiste. Dabei sei vor allem auf die negative Wirkung bei den eigenen Mitarbeitern, aber auch auf die mögliche Fehlinterpretation der Lieferanten - Kundenbeziehung mit Blick auf die Revision hingewiesen worden. Zwischen der Klägerin und ihren damaligen Vorgesetzten, Herrn U., sei besprochen worden, dass sie jede Aktion unterlassen solle, die auch nur den Anschein einer Einbeziehung Dritter in eine Zielvereinbarung bzw. Funktionsbeschreibung von A-Mitarbeitern vermuten lasse. Die Klägerin habe bei dieser Gelegenheit erklärt, dass sie sich der möglichen Konsequenzen im Hinblick auf ihr Führungsverhalten, aber auch im Hinblick auf Revisionsfragen bewusst sei. (Hinsichtlich des Inhalts der von Herrn U. am 23.03.1999 gefertigten Gesprächsnotiz = Anlage B 11 zur Klageerwiderung vom 21.03.2003 = Bl. 141, 142 d. A.) wird insoweit Bezug genommen).

Obwohl diese Zielvereinbarung mit der Klägerin somit die Zusammenarbeit mit der Firma W. bei zukünftigen Zielvereinbarungen und Funktionsbeschreibungen untersagt habe, habe die Klägerin sich nicht an diese schriftliche Absprache gehalten. Bei Überprüfung des dienstlichen PCŽs seien zwei identische Dateien zu Zielvereinbarungen aus dem Jahr 2002 aufgefunden worden. Dabei habe die Klägerin Herrn Dr. V. für die Erreichung ihrer persönlichen Ziele einsetzen wollen und sodann auch tatsächlich instrumentalisiert. So habe sich die Klägerin mit E-Mail vom 07.02.2002 unter dem Thema "Ziele 2002" an Herrn Dr. V. gewandt und diesen über die laufende Zieldiskussion informiert. Mit einem E-Mail vom 13.02.2002 habe die Klägerin Herrn Dr. V. nochmals auf das bevorstehende Zielvereinbarungsgespräch hingewiesen und ihn in diesem Zusammenhang um Hilfe gebeten. Bereits im Jahre 2001 habe sie zur Verwirklichung ihrer Zielvereinbarungen sich in gleicher Weise verhalten. Hinsichtlich von Auszügen aus dem Wortlaut dieser Mails wird zur Vermeidungen von Wiederholungen auf Seite 8, 9 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 773, 774 d. A.) Bezug genommen. Aus dem Schreiben des Jahres 2001 ergebe sich, dass sie bereits zum damaligen Zeitpunkt ein ausführliches Gespräch mit Herrn Dr. V. geführt habe, um von ihm Unterstützung bei der Erreichung ihrer persönlichen Ziele zu erhalten.

Bei der Auswertung des sichergestellten Materials seien zahlreiche Dateien entdeckt worden, in denen als Autor Herr Dr. V., Firma W. vermerkt sei. Vermutlich habe dieser die Dateien im Auftrag der Klägerin für sie erstellt. Die Klägerin habe diese Dokumente später ohne Änderung übernommen und als eigenes Arbeitsergebnis an ihre Vorgesetzten weitergeleitet. Die Klägerin habe auch vertrauliche Informationen zu laufenden Projekten, teilweise wörtliche Zitate an Herrn Dr. V. weitergeleitet. Auch habe sich der Verdacht von Angebotsabsprachen ergeben. So habe man ein Angebot der Firma W. vorgefunden, das auf Aufzeichnungen der Klägerin beruht habe. Man habe festgestellt, dass ein Angebot der Firma T. durch die Klägerin mit einer ablehnenden Stellungnahme vorgelegt worden war, nachdem die Stellungnahme durch die Firma W. erstellt worden sei. Insgesamt habe die Sichtung des umfangreichen Materials ergeben, dass die Klägerin sich bei der Erledigung des Tagesgeschäftes im großen Umfang der Hilfe von Herrn Dr. V. bedient habe. Obwohl Aufgaben nur dann extern vergeben werden sollten, wenn entsprechende Kompetenzen und Ressourcen innerhalb der Einheit der Beklagten nicht vorhanden seien, habe die Klägerin immer wieder ohne vorherige Absprache und Klärung Herrn Dr. V. in die Erledigung von Arbeitsaufträgen mit eingebunden.

Der Ermittlungsdienst habe in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Klägerin selbst bei einfachsten Themen ihres Tagesgeschäftes in erheblichem Umfang die Firma W. bzw. Herrn Dr. V. konsultiert habe. Festgestellt worden sei auch, dass die Beauftragung von Studien, z. B. die Lieferung der "Euro-Barometer-Studien" der Firma W. erhebliche Kosten verursacht hätten, die zu einem Großteil hätten vermieden werden können, weil diese Studien günstiger hätten bezogen werden können. Dabei habe die Klägerin die Leistungen alleine beurteilt und die Kosten verschiedenen Objekten zugeordnet. Soweit Mitarbeiter in die Bezahlung eingebunden gewesen seien, sie dies lediglich verwaltungsmäßig geschehen ohne Beurteilung im Hinblick darauf, ob die in Rechnung gestellte Leistung überhaupt korrekt gewesen sei. Die Klägerin habe in diesem Zusammenhang das im Einkaufswesen bestehende "Vier-Augenprinzip" vorsätzlich verletzt.

Entgegen ihrer Auffassung sei die Klägerin vor Ausspruch der Kündigung nicht abzumahnen gewesen. Denn eine Abmahnung sei grundsätzlich entbehrlich bei besonders schweren Verstößen des Arbeitnehmers, bei denen er von vorneherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens habe rechnen können und sich habe bewusst gewesen sein müssen, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setze. Außerdem bedürfe es dann keiner Abmahnung im Leistungs- und Verhaltensbereich, wenn eine Abmahnung von vornherein als nicht erfolgsversprechend anzusehen sei, weil der Arbeitnehmer nicht in der Lage bzw. gar nicht gewillt sei, sich vertragsgerecht zu verhalten.

Vorliegend habe der Klägerin bewusst sein müssen, dass es sich bei ihrem Verhalten um eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung gehandelt habe. Die Rechtswidrigkeit ihres Handelns habe ihr ohneweiteres erkennbar sein müssen. Sie habe keinesfalls darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte ihr Verhalten tolerieren werde. Dies müsse vor allem im Hinblick darauf gelten, dass der Klägerin in dem Mitarbeitergespräch im Jahre 1999 bereits deutlich auf die mit der engen Zusammenarbeit mit der Firma W. bzw. Herrn Dr. V. verbundenen Gefahren hingewiesen worden sei.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat daraufhin durch Urteil vom 07.10.2003 - 3 Ca 126/03 - festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche, fristlose schriftliche Kündigung vom 23.12.2002, noch durch die hilfsweise ordentliche und fristgerechte schriftliche Kündigung vom 23.12.2003, zugegangen am gleichen Tag, mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist oder fristgerecht zum 31.12.2003 aufgelöst wird. Es hat die Beklagte desweiteren verurteilt, die Klägerin über den 23.12.2002 hinaus bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeits- und Vertragsbedingungen als Gruppenleiterin im Bereich der Unternehmenskommunikation/Öffentlichkeitsarbeit (Commercial Intelligence & Web Services) weiterzubeschäftigen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 767 bis 787 der Akte Bezug genommen.

Gegen das ihr am 29.12.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 12.01.2004 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 22.03.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 25.02.2004 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 23.03.2004 einschließlich verlängert worden war.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, es treffe nicht zu, dass der Status der Klägerin als leitende Angestellte streitig sei, denn sie habe selbst mit Schriftsatz vom 27.05.2003 ausgeführt, dass sie diesen Status derzeit nicht bestreite.

Die Beklagte werfe der Klägerin nicht nur vor, massiv gegen ihre arbeitsvertraglichen Fristen verstoßen zu haben, sondern sie habe vielmehr eine Vielzahl von Verstößen ermittelt, die weit über den durch den Bericht der Konzernrevision begründenden Anfangsverdacht hinaus gingen und von denen jeder allein für sich gesehen bereits die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertige. Ihr sei vorzuwerfen, im kollusiven Zusammenwirken mit Herrn Dr. V. von der Firma W. zulasten der Beklagten gehandelt und dabei Straftatbestände verwirklicht zu haben. Sie habe von Herrn Dr. V. geleistete Arbeiten als eigene Arbeitsleistung gegenüber der Beklagten ausgegeben, um dadurch ihre vereinbarten Ziele zu erfüllen, eine positive Leistungsbeurteilung und eine damit verbundene Leistungsprämie von der Beklagten zu erhalten. Es könne offen bleiben, ob Herr Dr. V. sich im Rahmen seiner Einbeziehung in die Zielvereinbarung bzw. in die Erfüllung der persönlichen Aufgaben der Klägerin geleistete Dienste gesondert habe vergüten lassen. Möglich sei auch, dass diese Dienste eine kostenlose Gegenleistung für die Vergabe externer Dienstleistungen der Abteilung X als eine Gesellschaft bzw. als eine Person dargestellt hätten. Ein derartiges Verhalten erfülle den Tatbestand der Bestechlichkeit des § 299 Abs. 1 StGB. Desweiteren liege der Vermögensschaden der Beklagten (§ 263 StGB) in der Gewährung des der Klägerin nicht zustehenden Leistungsbonus. Sie habe sämtliche der im Geschäftsverkehr zu wahrenden Grenzen in der Auftraggeber- und Lieferantenbeziehung überschritten und eine unheilvolle Verbindung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Interessen mit den geschäftlichen Interessen von Herrn Dr. V. herbeigeführt. Es liege auf der Hand, dass die Kosten für externe Berater wesentlich höher seien als die von internen Beratern.

Das Gesamtverhalten der Klägerin dürfe nicht in einzelne Pflichtwidrigkeiten aufgelöst werden; maßgeblich sei der Gesamtzusammenhang. Denn erst mit dem Zusammenhang der einzelnen Pflichtwidrigkeiten werde das gesamte Ausmaß des Verhaltens der Klägerin deutlich. Dabei gehe es vorliegend generell nicht um Leistungsdefizite der Klägerin, sondern insgesamt um Pflichtwidrigkeiten im Vertrauensbereich. Der Klägerin sei vorzuwerfen, die Leistungen von Herrn Dr. V. auch deshalb in Anspruch genommen zu haben, um einen ihr nicht zustehenden Anspruch auf einen Leistungsbonus zu sichern. Der von der Klägerin verursachte Schaden liege im Bereich von fünf- bzw. sechsstelligen Euro-Beträgen. Die Vielzahl der von der Klägerin in den Jahren 2000 bis 2002 begangenen Pflichtverletzungen im Vertrauensbereich hätten das Vertrauensverhältnis mit der Beklagten irrreparabel zerstört. Sie habe eine besondere Vertrauensstellung und gegenüber dem Unternehmen eine gesteigerte Treuepflicht innegehabt, insbesondere als leitende Angestellte. Darüber hinaus habe sie als Vorgesetzte von 15 Mitarbeitern eine besondere Vorbildfunktion gehabt. Hinzu komme, dass sie in einer Abteilung gearbeitet habe, deren Aufgabe es unter anderem sei, "Grundwerte und Leitlinien" zu verantwortungsbewusstem und integriertem Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten zu erarbeiten.

Wenn aber entgegen der Auffassung der Beklagten die streitgegenständliche Kündigung unwirksam sein sollte, dann sei das Arbeitsverhältnis zumindest gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Denn die schwerwiegenden Verfehlungen der Klägerin ließen eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen ihr und der Beklagten nicht zu. Sie habe im Laufe des Rechtsstreits zu erkennen gegeben, dass sie aufgrund ihrer Persönlichkeit für die ihr gestellten Aufgaben als betriebliche Führungskraft völlig ungeeignet sei. Ihr prozessuales und außerprozessuales Verhalten habe das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerrüttet und der Beklagten eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar gemacht.

Mit Schreiben vom 13.06.2003 habe sich die Klägerin an den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, Herrn Prof. S. gewandt. Sie habe diesem mitgeteilt, dass die für den 01.07.2003 anberaumte Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen eine Vielzahl von Organisations- und Führungsfehlern sowie persönlichen Konflikten innerhalb zentraler Abteilungen des Unternehmens publik machen werde, die geeignet seien, die Reputation der Beklagten in den Augen der Öffentlichkeit und der Belegschaft nachhaltig zu beschädigen. Da das erkennende Gericht voraussichtlich auch Herrn Prof. S. sowie Mitglieder des Aufsichtsrates, des Vorstandes und der oberen Führungsebenen der Beklagten als Zeugen laden und ggf. auch eidlich vernehmen werde, sei auch mit einer Teilnahme von Pressevertretern an der - möglicherweise mehrtägigen - öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts zu rechnen. Diese Ankündigung der Einschaltung interessierter Pressekreise in die streitgegenständliche Angelegenheit überschreite das Maß des Erträglichen. Die Klägerin habe sich desweiteren in demselben Schreiben nicht gescheut, Strafanzeige und Strafantrag wegen des angeblichen Verdachts auf falscher Verdächtigung sowie versuchten Prozessbetrug anzudrohen, weil die Prozessvertreter der Beklagten dem Gericht angeblich unter Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht wesentliche Tatsachen verschwiegen hätten. Auch diese Drohung habe mit der Wahrnehmung berechtigter Interessen nichts mehr zu tun. Mit einer Führungskraft, die solche Drohungen ausspreche, sei eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit unmöglich. Die Klägerin habe sich darüber hinaus in demselben Schreiben dazu verstiegen, der Beklagten eine Hausdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft Ludwigshafen zur Beitreibung angeblich verheimlichter Beweise anzudrohen. Auch dadurch werde nicht nur die Grenze des guten Geschmacks überschritten.

Aber auch im weiteren Verlauf des Verfahrens sei deutlich geworden, dass eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden könne. Der Klägerin sei kündigungsbegründend unter anderem zum Vorwurf gemacht worden, vertrauliche Unterlagen an Dritte weitergegeben zu haben. Mit der Vertraulichkeit von Unterlagen nehme es die Klägerin offenbar nach wie vor nicht sehr ernst. Auf Seite 12 ihres Schriftsatzes vom 27.05.2003 habe sie freimütig eingeräumt, eine Kopie des Entwurfs des Revisionsberichts vom 02.10.2002 in den Händen zu halten. Dies, obwohl die Zeugin Frau Dr. R. der Klägerin am 07.10.2002 den Entwurf des Revisionsberichts ausdrücklich zum Lesen gegeben und sie gebeten habe, keine Kopie anzufertigen. Dennoch habe sich die Klägerin entgegen dieser dienstlichen Anweisung eine Kopie angefertigt und diese unter Verstoß gegen ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen an sich genommen. Auf Seite 14 ihres Schriftsatzes vom 27.05.2003 trage die Klägerin vor, der Zeuge Q., ihr damaliger Vorgesetzter, neige zu emotionalen Ausfällen und gelte als nachtragend. Es entspreche einer für Herrn Q. typischen Verhaltensweise, Gesprächsvermerke nachträglich und einseitig zu erweitern, ohne dass die jeweiligen Zusätze mit dem jeweils betroffenen Mitarbeiter besprochen worden wären. Diese unzutreffende Tatsachenbehauptung erfülle den Tatbestand einer üblen Nachrede bzw. Verleumdung und stelle im Übrigen eine ehrverletzende Äußerung gegenüber Herrn U. dar und rechtfertige als solche bereits den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag.

Kern des kündigungsbegründenden Vorwurfs gegen die Klägerin sei die unzulässige Verquickung eigener Interessen mit solchen der Firma W. bzw. des Herrn Dr. V.. In diesem Zusammenhang habe die Klägerin mehrfach im laufenden Rechtsstreit zum Ausdruck gebracht, dass es ihr Eindruck sei, dass Herr Dr. V. einem Mitarbeiter der Klägerin in der Abteilung X gleichgestanden habe. Von einer betrieblichen Führungskraft müsse die Beklagte erwarten können, dass diese in der Lage sei, zwischen internen und externen Mitarbeitern rechtlich wie tatsächlich zu differenzieren. Eine betriebliche Führungskraft, die bis heute glaube, Mitarbeiter einer Fremdfirma nach eigenem Ermessen in beliebigem Umfang zu beliebigen Themen in Anspruch nehmen zu können, sei für die Beklagte untragbar.

Die herausgehobene Position und leitende Funktion der Klägerin in der von ihr geleiteten Einheit erforderten in besonderer Weise ein konstruktives und verantwortungsvolles Verhalten. Dies sei von der Klägerin auch ansatzweise nicht mehr zu erwarten. Die Beklagte sei daher berechtigt, dass Arbeitsverhältnis - wenn auch gegen Zahlung einer Abfindung - zumindest aufzulösen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Az: 3 Ca 126/03, vom 07.10.2003 abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber Euro 118.437,60 nicht überschreitet, zum Ablauf des 31.12.2003 aufgelöst.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten ebenso wie den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor,

die Kündigungen der Beklagten seien rechtsunwirksam und eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses komme nicht in Betracht.

Die Klägerin habe mit der Beauftragung des Herrn Dr. V. stets im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beklagten und der Firma W. gehandelt und sämtliche Handlungen mit Kenntnis und in Abstimmung mit ihren Vorgesetzten vorgenommen. Selbst wenn ihr dabei Fehler unterlaufen sein sollten, habe sie weder Täuschungshandlungen begangen, noch einen Schaden verursacht, so dass der Vertrauensbereich nicht berührt sei. Zudem habe die Beklagte selbst dann, wenn die Klägerin Fehler gemacht haben sollte, keine Abmahnung ausgesprochen. In der Gesprächsnotiz vom 29.03.1999 sei jedenfalls keine Abmahnung zu sehen. Desweiteren sei die Kündigung erst nach Ablauf der 2-Wochen-Frist ausgesprochen worden, die Sprecherausschussanhörung fehlerhaft beteiligt und zudem die ordentliche Kündigung vor Ablauf der Wochenfrist des § 31 Sprecherausschussgesetz ausgesprochen worden. Zur weiteren Begründung der Auffassung der Klägerin wird auf ihre Berufungserwiderung vom 01.06.2004 (Bl. 875 bis 900) Bezug genommen.

Auch seien die nunmehr im Berufungsverfahren desweiteren gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwürfe nicht geeignet, einen Auflösungsantrag zu begründen. Zwar sei das Schreiben des damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Herrn Rechtsanwalt P., an Herr Prof. S. mit einer gewissen Schärfe formuliert. Beleidigende oder ehrverletzende Äußerungen enthalte es jedoch nicht. Es sei keineswegs angekündigt worden, die Presse einzuschalten. Es sei lediglich darauf hingewiesen worden, dass bei einer öffentlichen Sitzung mit einer Teilnahme von Pressevertretern gerechnet werden müsse.

Auch habe Herr Rechtsanwalt P. nicht mit einer Strafanzeige gedroht. Zudem sei das Schreiben an Herrn Prof. S. mit dem Vermerk "persönlich/vertraulich" gekennzeichnet gewesen. Herr Prof. S. habe die Klägerin aus seiner Tätigkeit als Ressortleiter persönlich gekannt. Er habe sie als Mitarbeiterin geschätzt. Ziel sei eine Einschaltung des Herrn Prof. S. als Person gewesen, weil die Klägerin von ihm erwartet habe, dass er eine außergerichtliche Beilegung des Konflikts im Sinne einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen werde. Die Beklagte selbst habe diesem Schreiben zudem über einen langen Zeitraum auch keine rechtserhebliche Bedeutung beigemessen, denn erst nach einem Zeitraum von mehr als einem Jahr, nachdem auch erstinstanzlich darauf kein Auflösungsantrag gestützt worden sei, solle nunmehr dieses Schreiben eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Auch das prozessuale Verhalten der Klägerin rechtfertige keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Soweit das Verhalten von Herrn Q. beschrieben werde, handele es sich um Ausführungen, die ausschließlich gegenüber dem Gericht und der Beklagten selbst, nicht aber in der Öffentlichkeit erfolgt seien. Sie seien auch notwendig gewesen, um das Verhalten der Klägerin zu erklären, die ein Dokument unterzeichnet habe, ohne den Inhalt richtig verstanden zu haben. Insofern sei die Beschreibung des Herrn Q. zur Wahrnehmung ihrer eigenen rechtlichen Interessen notwendig gewesen.

Was Herrn V. betreffe, habe sie niemals zum Ausdruck gebracht, dass es ihrem Verständnis entspreche, dass dieser einem Mitarbeiter der Klägerin in der Abteilung X gleichzusetzen sei. Sie habe diese Auffassung lediglich bezogen auf bestimmte Projekte, an denen Herr Dr. V. in Erfüllung der in Erfüllung der Rahmenvereinbarung beteiligt gewesen sei, und innerhalb dieser Projekte nur auf bestimmte Punkte der Zusammenarbeit bezogen, vertreten. Von daher sei sie ohne weiteres in der Lage, zwischen internen und externen Mitarbeitern rechtlich und tatsächlich zu differenzieren.

Nicht unberücksichtigt bleiben könne zudem, dass die Klägerin in der 47-seitigen Klageerwiderung vom 21.03.2003 13 mal mit dem Vorwurf des Betruges/der Täuschung, 9 mal mit dem Vorwurf der Bestechlichkeit, 9 mal der persönlichen Vorteilsnahme, 14 mal der Inkompetenz und Unfähigkeit, 10 mal des Verstoßes gegen arbeitsvertragliche Pflichten und der Treuepflicht, und schließlich 12 mal der Schädigung des Unternehmens und Handelns ohne Auftrag überzogen worden sei. Angesichts dieser Art des Sachvortrages der Beklagten zur Rechtfertigung einer die wirtschaftliche Existenz der Klägerin bedrohenden Kündigung sei ihr Verhalten, auch wenn gewisse Schärfen zuzugeben seien, letztlich nicht zu beanstanden und insbesondere nicht geeignet, die Auflösung des langjährig bestehenden Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Der in der Berufungsinstanz gestellte Auflösungsantrag der Beklagten gemäß § 9 KSchG ist aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz möglich und damit vorliegend zulässig.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zum einen sind die streitgegenständlichen ausgesprochenen Kündigungen der Beklagten rechtsunwirksam; dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die Kammer folgt dem sowohl im Ergebnis, als auch in der Begründung.

Zum zweiten ist der Auflösungsantrag der Beklagten unbegründet, weil nach Maßgabe der gesetzlichen Voraussetzungen eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen ist.

Die zunächst erklärte außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 BGB ist rechtsunwirksam.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann. Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG AP-Nr. 4, 42, 63 zu § 626 BGB). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 1. Auflage 2004 (APS-Dörner), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 4. Auflage 2004, D Rz. 656 ff.).

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an. Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein (BAG EzA § 626 BGB Nr. 11, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 7).

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig:

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner, § 626 BGB a.a.O.; DLW-Dörner a.a.O.).

Entscheidender Zeitpunkt ist der des Ausspruchs der Kündigung.

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG SAE 1986, S. 5).

Systematisch kann nach Störungen im Leistungsbereich, im betrieblichen Bereich der Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich der Vertragspartner und im Unternehmensbereich unterschieden werden (APS-Dörner, a.a.O.; DLW-Dörner a.a.O.)

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, weil die Kammer mit dem Arbeitsgericht davon ausgeht, dass die Klägerin vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung durch die Beklagte einschlägig hätte abgemahnt werden müssen; noch weitergehend kann man vorliegend auch durchaus die Auffassung vertreten, dass es Sache der Beklagten gewesen wäre, überhaupt nach Kenntnis der maßgeblichen Umstände einmal hinsichtlich der Einschaltung insbesondere von Herrn Dr. V. und seiner Firma für klare Verhältnisse zu sorgen, insbesondere Regelungen mit der Klägerin zu treffen, was denn nun arbeitsvertraglich gestattet sein soll und was nicht.

Für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip die grundsätzliche Notwendigkeit einer Abmahnung vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Dies ergibt sich desweiteren aus § 314 Abs. 2 BGB Neue Fassung.

Abmahnung bedeutet, dass der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringt und damit unmissverständlich - wenn auch nicht expressis verbis - den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet. Die Abmahnung ist daher Vorstufe der Kündigung, und kann mit dem Arbeitsgericht als Kündigungsandrohung bezeichnet werden. Die Anforderung an eine wirksame Abmahnung im Rahmen der Beurteilung einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung und einer außerordentlichen Kündigung sind gleich. Es ist vor allem das nach der Abmahnung liegende Verhalten, das eine Prognose für die zukünftige Entwicklung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Wird die Pflichtverletzung trotz Abmahnung erneut begangen, ergibt sich daraus der nachhaltige Wille des Arbeitnehmers, den vertraglichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß nachkommen zu wollen. Zur Begründung dieser Prognose muss ein hinreichend langer Zeitraum abgewartet werden, damit die gerügten Leistungs- oder Verhaltensmängel korrigiert werden können. Dabei müssen im Sinne einer Gleichartigkeit der erneuten Pflichtwidrigkeit die gezeigten Pflichtverletzungen vergleichbar sein.

Pflichtwidrigkeiten im Leistungs- und Verhaltensbereich muss grundsätzlich eine Abmahnung vorausgehen, ehe sie zum Anlass einer fristlosen Kündigung genommen werden können. Es bedarf eines Ausspruches einer Abmahnung nicht, wenn dem Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Kannte der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens und setzte er trotzdem seine Pflichtverletzungen hartnäckig und uneinsichtig fort, läuft die Warnfunktion der Abmahnung leer. Da der Arbeitnehmer dann erkennbar nicht gewillt ist, sein Verhalten zu ändern, müsste der Arbeitgeber auch bei Ausspruch einer Abmahnung mit weiteren Pflichtverletzungen rechnen; dies kann ihm nicht zugemutet werden. Besonders schwere Verstöße bedürfen keiner früheren Abmahnung, weil dann der Arbeitnehmer von vornherein nicht ernsthaft mit der Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber rechnen kann und sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Dabei wird inzwischen zutreffend der Differenzierung zwischen Leistungs- und Vertrauensbereich für das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher einmal beigemessen. Es gelten vielmehr weitgehend gleiche Maßstäbe. Deshalb berechtigt auch ein Fehlverhalten im Vertrauensbereich nicht grundsätzlich ohne vorherige Abmahnung zum Ausspruch einer Kündigung, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen. Besteht die Störung im Vertrauensbereich in einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers und lassen Tatsachen eine Wiederherstellung des Vertrauens erwarten, ist gerade eine Abmahnung erforderlich. Lediglich bei besonders schwerwiegenden Verstößen, bei denen mit einer Billigung des Verhaltens durch den Arbeitgeber ernsthaft nicht gerechnet werden kann, wird das Gewicht der Pflichtverletzung das Erfordernis des vorherigen Ausspruchs einer Abmahnung vor der Kündigung entfallen lassen.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung hinsichtlich der gegenüber der Klägerin von der Beklagten erhobenen Vorwürfe allenfalls die Darstellung des Sachkomplexes Einbindung der Firma W. bzw. Herrn Dr. V. im Zusammenhang mit den Zielvereinbarungen der Klägerin die Basis einer außerordentlichen Kündigung ohne Ausspruch einer Abmahnung hätte sein können. Die Kammer teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass bezogen auf alle sonstigen angesprochenen Kündigungsgründe der Klägerin durch Ausspruch einer Abmahnung ohne weiteres und sehr deutlich vor Augen hätte geführt werden können - und müssen -, in welchem Bereich sie Leistungsdefizite hatte. Zudem wäre die Möglichkeit gegeben gewesen, bei den jährlichen Sonderzuwendungen entsprechende Einstufungen aufgrund der angeblich gezeigten Leistungsdefizite vorzunehmen. Die Kammer teilt aber auch die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass selbst im Hinblick auf die Beteiligung der Firma W. sowie Herrn Dr. V. anlässlich der Vorbereitungen bzw. Inhalte der Zielvereinbarungsabsprachen mit der Klägerin vor Kündigungsausspruch die Erteilung einer Abmahnung notwendig war.

Der Beklagten war, auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, seit dem 23.03.1999 nach ihrem eigenen Sachvortrag bekannt, dass der Eindruck bestanden hatte, die Klägerin habe die Firma W. wesentlich zu Zielvereinbarungen bzw. Funktionsbeschreibungen hinzugezogen. Insoweit hat Herr U. als Vorgesetzter der Klägerin mit der Klägerin ein Mitarbeitergespräch am 19.03.1999 geführt. Unter dem Punkt Funktionsbeschreibung - Zielvereinbarung hat Herr Dr. U. mit Notiz vom 23.03.1999 nachfolgendes ausgeführt:

"Sie ist sich der möglichen Konsequenzen mit Blick auf ihr Führungsverhalten aber auch mit Blick auf Revisionsfragen bewusst. ..."

Wenn die Beklagte, wie durch diese Notiz ohne weiteres belegt, auf Führungsebene um das Verhalten der Klägerin wusste, wenn diesem vermeintlichen Fehlverhalten tatsächlich kündigungsrechtliche Relevanz hätte beigemessen werden sollten, so hätte der vorgesetzte der Klägerin diesbezüglich einschlägig, eindeutig und unmissverständlich abmahnen müssen. Der Hinweis "sie ist sich der möglichen Konsequenzen mit Blick auf ihr Führungsverhalten, aber auch mit Blick auf die Revisionsfragen bewusst" zeigt lediglich auf, dass vorliegend eine Zielvereinbarung getroffen worden ist. Dies wird deutlich auch durch den Hinweis "Frau C. wird jede Aktion unterlassen, die auch nur den Anschein einer Involvierung Dritter in Zielvereinbarungen bzw. Funktionsbeschreibungen von A-Mitarbeitern vermuten lässt". Das Arbeitsgericht hat damit zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beklagten tatsächliche Umstände, die Basis einer "Grauzone" bekannt waren, die die Einbeziehung der Firma eines früheren Mitarbeiters in interne Belange betraf. Dann war es aber ihre Angelegenheit, klare Verhältnisse zu schaffen und insbesondere hinsichtlich der Rechtsbeziehungen zur Klägerin dafür zu sorgen, dass klar und eindeutig festgelegt war, was nach Maßgabe der Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien hinsichtlich der Klägerin und Herrn Dr. V. erlaubt war und was nicht. An einer derartigen Klarstellung fehlt es, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat. Erst recht fehlt es an einer einschlägigen, aber, wie bereits dargelegt, notwendigen Abmahnung.

Das Arbeitsgericht hat auch zu recht darauf hingewiesen, dass der Sinn und Zweck von Zielvereinbarungen gerade darin besteht, das Leistungsverhalten der Mitarbeiter zu steuern und anzuregen. Wenn Zielvereinbarungen nicht umgesetzt werden, hat dies arbeitsrechtliche Konsequenzen, insbesondere im Hinblick auf die Jahresleistung. Leitende Mitarbeiter werden über das Erreichen vereinbarter Ziele hinaus auch in ihrem Führungsverhalten bewertet. Es mag sein, dass die Klägerin die mit ihrem Vorgesetzten U. vereinbarten Ziele und getroffenen Absprachen nicht hat umsetzen können bzw. nicht erreicht hat. Das Nichterreichen der Ziele kann aber, auch insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht ausdrücklich, nicht ohne vorherige Abmahnung zum Ausspruch einer außerordentlichen bzw. ordentlichen Kündigung führen. Denn die Klägerin wusste zwar um die Wertigkeit, die die Beklagte mit der Involvierung Dritter in Zielvereinbarungen bzw. Funktionsbeschreibungen verbindet. Keinesfalls musste die Klägerin aber davon ausgehen, dass bei Nichterreichen dieser Zielvereinbarungen bzw. dieser Vorgaben nicht nur ihre Stellung, sondern auch der Bestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten gefährdet sei. Erst wenn diese Erkenntnis mit Händen greifbar gewesen wäre, hätte vom Erfordernis des Ausspruchs einer Abmahnung vor Kündigung des Arbeitsverhältnisses abgesehen werden können. Ist dieses aber, wie vorliegend, nicht greifbar, und ohne weiteres erkennbar, so muss die betreffende Arbeitskraft abgemahnt werden.

Im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das sowohl für den Ausspruch der Kündigung, als auch für den Ausspruch einer Abmahnung gilt, ergibt sich dies desweiteren, wie vom Arbeitsgericht zutreffend angenommen, auch daraus, dass die Aktennotiz vom 23.03.1999 nicht einmal zur Personalakte der Klägerin gelangt ist, sondern von Herrn U. persönlich in seinem Schreibtisch verwahrt wurde. Es ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass dadurch die von der Klägerin zur Kenntnis genommene und unterzeichnete Erklärung den Charakter einer internen Absprache hat, die ihr zwar ein Verhalten aufzeigen, ansonsten die Klägerin aber arbeitsvertragsbezogen - im Sinne der Vorbereitung einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses - nicht weiter betreffen sollte. Diese Notiz kann daher weder gegen das Erfordernis einer Abmahnung sprechen, noch als Abmahnungsersatz bzw. Abmahnung selbst angesehen werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Sachvortrag der Parteien vorliegend nicht einmal im Ansatz wirklich klar ist, was der Klägerin an Inanspruchnahme der Firma W. arbeitsvertraglich gestattet war und was nicht. Denn der Hinweis der von der Beklagten vorgelegten schriftlichen Anfragen bzw. Antworten spricht zwar teilweise dafür, dass die Klägerin nicht nur eine vorbereitende Abklärung von dieser Firma gewünscht hat. Dass aber eine "leitende" Angestellte, die für einen bestimmten Aufgabenbereich definitiv zuständig ist, vor Zielvereinbarungen auch mit Außenstehenden abklärt, inwieweit Ziele tatsächlich im Rahmen der vorgegebenen vertraglichen Beziehungen durchführbar sind, erscheint mit dem Arbeitsgericht zweckmäßig und zumindest nicht derart vertragswidrig, dass insoweit ein über 20 Jahre lang bestehendes Arbeitsverhältnis ohne Ausspruch einer einschlägigen Abmahnung hätte aufgekündigt werden können. Dem ist ergänzend hinzuzufügen, dass gerade deshalb, weil beiden Vertragsparteien klar war, dass ein Problem mit der Einbeziehung der Firma W. bestand, eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses nicht bereits dann angenommen werden kann, wenn Vorkommnisse auftreten, die aus der Sicht einer Vertragspartei nicht akzeptabel sind, sondern nur dann, wenn zuvor zwischen den Parteien klargestellt ist, was Gegenstand der vertraglichen Abreden ist, und wo insbesondere die Grenzen einer derartigen Involvierung Dritter bestehen. Dies wäre Sache der Beklagten gewesen, durch entsprechende Abreden für Klarheit zu schaffen, ggf. auch durch Ausspruch einer Abmahnung.

Da es an entsprechenden klarstellenden Vereinbarungen, nachfolgenden Verstößen der Klägerin dagegen, an entsprechenden Abmahnungen und weiterem Fehlverhalten der Klägerin fehlt, ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass die außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB rechtsunwirksam ist.

Nichts anderes gilt für die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten, da insoweit, was das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung anbelangt, die gleichen Grundsätze gelten. Auch davon ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen.

Hinsichtlich des zutreffend zuerkannten Weiterbeschäftigungsanspruchs wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 22 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 787 d. A.) Bezug genommen.

Das Berufungsverfahren der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhaltes.

In der Berufungsbegründungsschrift vom 19.03.2004 (Bl. 801 ff. d. A.) wird zunächst umfänglich das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten wiederholt, ohne dass neue Tatsachenbehauptungen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, vorgetragen werden. Das Vorbringen macht insbesondere deutlich, dass bei der Beklagten Unbehagen über die Einbeziehung der Firma des früheren Mitarbeiters, Herrn Dr. V., herrscht, ohne dass allerdings erkennbar wäre, inwieweit insoweit ein Fehlverhalten der Klägerin gegeben sein könnte. Die geschäftlichen Kontakte mit diesem Unternehmen waren der Beklagten bekannt, es gab eine Rahmenvereinbarung, und insoweit war es alleine Sache der Beklagten, bei Missfallen entsprechende Klärungen vorzunehmen. Das es daran fehlt, kann nicht zulasten der Klägerin gehen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Darstellung der Beklagten, es müsse zunächst der interne Sachverstand ausgeschöpft werden. Wenn dem so ist, was aus wirtschaftlichen Gründen beim Vorhandensein qualifizierter Mitarbeiter, die ein entsprechendes Arbeitsentgelt von der Beklagten beziehen, nahe liegend ist, dann ist es allein Sache der Beklagten, Grundsätze, Kriterien und Maßstäbe aufzustellen, die in Kenntnis der Zusammenarbeit aufgrund einer Rahmenvereinbarung mit dieser Firma Grenzen setzen und deren Einhaltung mit der Klägerin zusammen zu erarbeiten bzw. sie letztlich auch zu überwachen. Dass das Verhalten der Klägerin insoweit den strafrechtlichen Tatbestand der Bestechlichkeit erfüllen soll, ist für die Kammer überhaupt nicht nachvollziehbar. Gleiches gilt für die Behauptung, die Voraussetzungen des Betrugstatbestandes des Strafgesetzbuches seien erfüllt. Noch weniger ist verständlich, dass ein strafrechtlich relevanter Vermögensschaden der Beklagten in der Gewährung eines der Klägerin nicht zustehenden Leistungsbonus sein solle. Wenn die Beklagte Probleme mit der Einbeziehung der Firma W. hatte, dann war es ihre Sache, diese Einbindung nachzuvollziehen, zu überprüfen, und im Einvernehmen mit der Klägerin für klare arbeitsvertragliche Verhältnisse zu sorgen. Wenn dies unterbleibt, kann der Arbeitnehmer, wie vom Arbeitsgericht völlig zutreffend festgestellt, bis zum Ausspruch einer Abmahnung davon ausgehen, dass sein Verhalten vertragsmäßig ist. Die gesamte Tätigkeit der Firma W. wurde der Beklagten in Rechnung gestellt. Die Klägerin hat die Einbeziehung dieses Unternehmens zu keinem Zeitpunkt vor der Beklagten verheimlicht.

Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren desweiteren die Auffassung vertreten hat, aus dem Zusammenspiel der Klägerin mit Herrn Dr. V. dränge sich zumindest der Tatverdacht für die Begehung derartiger Straftaten auf, so dass die streitgegenständlichen Kündigungen auch unter dem Gesichtspunkt einer Verdachtskündigung zu prüfen seien, folgt die Kammer dem nicht.

Zwar folgt die Kammer nicht aus Überzeugung, sondern aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit, der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht (vgl. zuletzt 26.09.2002 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlungen Nr. 1 = NZA 2003 951 Leitsatz; 27.03.2003 EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 1; vgl. ausführlich Ascheid/Preiss/Schmidt, a.a.O. (APS-Dörner) § 626 BGB Rz. 345 ff.), 2. Auflage 2004, dass auch der Verdacht einer Straftat oder eines sonstigen Fehlverhaltens ein an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Umstand sein kann. Voraussetzung ist aber, dass ein dringender Tatverdacht gegeben ist (APS-Dörner, a.a.O., Rz. 357 m.w.N.). Das setzt voraus, dass der Verdacht dringend ist, d. h. es muss eine große, zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat, obwohl der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Sachverhaltsaufklärung unternommen hat.

Aus den im Einzelnen dargestellten Umständen erfolgt aber vorliegend ohne weiteres, dass auch von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit statt von einer vollständigen Gewissheit unter Ausschluss letzter Zweifel vorliegend, was das Vorliegen eines entsprechenden Fehlverhaltens der Klägerin angeht, überhaupt nicht ausgegangen werden kann. Von daher kommt auch eine Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer außerordentlichen oder ordentlichen Verdachtskündigung nicht in Betracht.

Dies hängt im Übrigen entgegen der Darstellung der Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht damit zusammen, dass vorliegend eine Gesamtwürdigung des Verhaltens der Klägerin durch die Überprüfung von Einzelakten ihres Verhaltens verstellt werde bzw. verstellt worden sei. Denn das Vorliegen eines Fehlverhaltens setzt denknotwendig die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht voraus. Wenn aus den im Einzelnen dargestellten Umstände aber gerade nicht hinreichend klar war, wo die Grenze zwischen noch pflichtgemäßem Verhalten und einer objektiven Pflichtwidrigkeit verlief, ist eine Trennung zwischen Einzelakten und einem Gesamtverhalten weder möglich, noch überhaupt sachgerecht. Wollte die Beklagte einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses näher treten, hätte sie neben entsprechenden Zielvereinbarungen klare Verhältnisse schaffen müssen. Dies ist nicht geschehen, so dass auch unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht kommt. Dabei ist desweiteren zu berücksichtigen, dass es für die hier maßgebliche Entscheidung unerheblich ist, ob die Klägerin als leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsrechts, oder im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes anzusehen ist; das Letztere das nicht gegeben ist, ist zumindest im Berufungsverfahren zwischen den Parteien unstreitig.

Tatsache ist aber, dass die Klägerin aufgrund ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit Gestaltungsspielräume, Entscheidungsspielräume hat. Je anspruchsvoller und differenzierter die Arbeitstätigkeit eines Arbeitnehmers ist, desto klarer müssen dann, wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien bestehen, oder das Arbeitsverhältnis sich nicht so entwickelt, wie vom Arbeitgeber erwartet, Abreden über den Inhalt und die Grenzen der vertraglich geschuldeten Tätigkeit getroffen werden. Wenn es daran, wie vorliegend, im gebotenen Maße fehlt, kommen das Arbeitsverhältnis beendende Maßnahmen erst dann in Betracht, wenn Klarheit geschaffen worden ist, entsprechende Abreden getroffen worden sind und danach trotz einschlägiger Abmahnung oder des ausnahmsweise entbehrlichen Ausspruchs einer Abmahnung eine schuldhafte Abweichung des tatsächlichen vom vertraglich geschuldeten Verhaltens durch den Arbeitnehmer gegeben ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend, was das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht gegeben.

Von daher ist vorliegend sowohl die außerordentliche, als auch die ordentliche Kündigung der Beklagten rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung und gegen den Willen der Klägerin nicht gegeben.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Arbeitsgericht, wenn es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche - vorliegend war neben der streitgegenständlichen außerordentlichen, auch eine vorsorgliche ordentliche Kündigung gegeben - Arbeitgeberkündigung nicht aufgelöst worden ist, auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis dann aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Notwendige Voraussetzung ist die - vorliegend geschehene - Feststellung der Sozialwidrigkeit der ausgesprochenen Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

Anders als beim Auflösungsantrag des Arbeitnehmers ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des BAG (09.10.1979 EzA § 9 KSchG Neue Fassung Nr. 9; ebenso LAG Köln 11.03.1999 ZDR 1999, 478; vgl. dazu Hertzfeld NZA 2004, 298 ff.) der Auflösungsantrag des Arbeitgebers dann unzulässig, wenn die Kündigung aufgrund des konkret geltend gemachten Kündigungssachverhaltes nicht nur als sozialwidrig, sondern auch aus anderen Gründen unwirksam ist. Unschädlich ist es allerdings, wenn der Arbeitgeber zusätzlich weitere Kündigungssachverhalte geltend macht, die aus anderen Gründen die Unwirksamkeit der Kündigung begründen (BAG 21.09.2000 EzA § 9 KSchG Neue Fassung Nr. 44). Daraus, dass an den Auflösungsantrag des Arbeitsgebers damit strengere Anforderungen zu stellen sind, als an den des Arbeitnehmers, folgt andererseits nicht, das für ihn nur solche Umstände als Auflösungsgründe in Betracht kommen, die dazu geeignet sind, eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB zu rechtfertigen (zutreffend LAG Schleswig-Holstein 26.11.2002 - 5 Sa 285e/02 - EzA 1/03 Seite 7). Als Auflösungsgründe kommen insbesondere Beleidigungen, sonstige verletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen in Betracht. Auch ein entsprechendes Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann einen Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses darstellen, sofern es von ihm veranlasst oder gebilligt worden ist (BAG 30.06.1959 AP-Nr. 56 zu § 1 KSchG, BAG 07.03.2002 EzA § 9 KSchG Neue Fassung Nr. 45). Dabei dürfen Meinungsäußerungen des Arbeitnehmers, auf die sich der Arbeitgeber als Auflösungsgrund beruft, nicht isoliert bewertet werden; es kommt vielmehr auf die näheren Umstände an, unter denen die Äußerung gefallen ist (BAG 13.06.2002 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57). Auch das Verhalten dritter Personen ist als Grund für den Auflösungsantrag des Arbeitgebers nur dann geeignet wenn der Arbeitnehmer dieses Verhalten durch eigenes Tun entscheidend veranlasst hat oder es ihm anzurechnen ist (BAG 14.05.1987 EzA § 9 KSchG Neue Fassung Nr. 20).

Die Gründe, eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere auch nicht im verschuldeten Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Der Arbeitgeber darf aber auch im Rahmen seines Auflösungsantrages nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG Spannungen zwischen Arbeitnehmern oder zwischen einem Arbeitnehmer und Vorgesetzten nicht ohne Beachtung der Verantwortungsanteile zulasten des gekündigten Arbeitnehmers lösen. Die bloße Weigerung von Arbeitnehmern, mit dem Gekündigten zusammenzuarbeiten, stellt noch keinen Auflösungsgrund dar. Dem Arbeitgeber ist es insoweit nicht gestattet, sich auf Auflösungsgründe zu berufen, die entweder von ihm selbst oder von Personen, für die er einzustehen hat, provoziert worden sind.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Wegen dieses zeitlichen Beurteilungsansatzes ist denkbar, dass mögliche Auflösungsgründe ihr Gewicht verlieren können, weil die tatsächlichen und rechtlichen Umstände sich im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung geändert haben. Wegen des zukunftsbezogenen Zwecks der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses kann ein zwischenzeitlich eingetretener Wandel der betrieblichen Verhältnisse - z. B. Austausch des Vorgesetzten oder einer Veränderung in der Belegschaftsstruktur - Berücksichtigung finden und zur Unbegründetheit des Auflösungsantrages des Arbeitgebers führen (BAG 07.03.2002 EzA § 9 KSchG Neue Fassung Nr. 45).

Gemessen daran sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend nicht gegeben.

Denn zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz war nach Auffassung der Kammer davon auszugehen, dass im Hinblick auf die durch zwei Rechtszüge geschärfte Sensibilität der Parteien die Möglichkeit besteht, die aufgetretenen Unklarheiten festzustellen und für die Zukunft Regelungen zu treffen, die erlaubtes und nicht erlaubtes Verhalten der Klägerin vertraglich festlegen und damit vertragsgefährdende Unklarheiten vermeiden.

Soweit die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass zum Zeitpunkt der Beurteilung der Klägerin in den letzten Jahren noch nicht transparent gewesen sei, in welchem Umfang sie sich der Zuarbeit von Herrn Dr. V. bedient habe, ist darauf hinzuweisen, dass es Sache der Beklagten war, bei der schon im Ansatz sicherlich nicht unproblematischen Einschaltung von Drittfirmen ehemaliger Mitarbeiter statt der Inanspruchnahme der hausinternen Ressourcen, die ohne weiteres kostengünstiger ist, klare Verhältnisse zu schaffen. Was im Einzelnen bekannt oder unbekannt war, ist deshalb letzten Endes unerheblich.

Im Übrigen hat die Beklagte, und nur insoweit unterliegt ihr Sachvortrag einer Überprüfung durch die Kammer, den Hilfsantrag ausdrücklich auf folgende Umstände gestützt, die jedoch allesamt eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen:

Die Kammer vermag nicht im Ansatz nachzuvollziehen, warum die Klägerin im Laufe des Rechtsstreits zu erkennen gegeben haben soll, dass sie aufgrund ihrer Persönlichkeit für die ihr gestellten Aufgaben als betriebliche Führungskraft völlig ungeeignet ist. Die Klägerin hat in einer betrieblichen Grauzone ein Verhalten an den Tag gelegt, dass diskussionsfähig und diskussionswürdig ist. Sie hat aber ansonsten lediglich versucht, ihr Verhalten darzustellen und zu erläutern. Die Beklagte mag sich in diesem Zusammenhang Fragen lassen, warum nach einem seit 1980 (!!) weitestgehend beanstandungsfrei bestehenden Arbeitsverhältnis in einem Tätigkeitssegment, dass ein gewisses Niveau zweifelsfrei erfordert, nunmehr erstmals aufgefallen sein soll, dass sie für ihre Aufgaben ungeeignet ist. Die Kammer teilt die Auffassung der Beklagten nicht, dass das prozessuale und außerprozessuale Verhalten der Beklagten das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerrüttet und der Beklagten eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar gemacht haben soll.

Soweit sich die Beklagte auf ein Schreiben vom 13.06.2003 an den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten bezieht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dieses Schreiben unstreitig nicht von der Beklagten, sondern von ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten verfasst worden ist. Das bedeutet anhand des zuvor dargestellten Prüfungsmaßstabes nichts anderes, als dass die Beklagte insoweit hätte darlegen müssen, dass die Klägerin dieses Schreiben inhaltlich im Wesentlichen mit zu verantworten hat, d. h., dass die dort enthaltenen Äußerungen, sofern sie überhaupt auflösungsrelevant sein sollten, von ihr, und nicht von ihrem Prozessbevollmächtigen, letzten Endes zu verantworten sind. An Tatsachenvortrag in diesem Zusammenhang durch die Beklagte fehlt es vollständig. Aber auch unabhängig davon ist dieses Schreiben nicht geeignet, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Der Hinweis auf eine Beeinträchtigung der Reputation der Beklagten ist weder vertragsverletzend noch ehrenrührig, sondern im Grunde genommen selbstverständlich. Alle Verhandlungen vor dem Arbeits- und dem Landesarbeitsgericht finden grundsätzlich öffentlich statt. Es für viele Unternehmen durchaus eine Frage der arbeitsrechtlichen aber auch der gesellschaftlichen Reputation, überhaupt in Verfahren vor den Arbeitsgerichten hereingezogen zu werden; viele gütliche Einigungen erfolgen im betrieblichen Alltag gerade deshalb, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden. Die mündlichen Verhandlungen erfolgen in der Regel öffentlich, d. h. es ist im Prozessalltag normal, dass bei interessanten Fallkonstellationen auch Pressevertreter anwesend sind und über die Sitzungen der - nicht nur Arbeits-Gerichte - berichten. Dementsprechend gibt es regelmäßig Anfragen der Lokalen Presseorgane, mit der Bitte, auf für die Allgemeinheit interessante mündliche Verhandlungen hinzuweisen. Warum in diesem Zusammenhang es eine Verletzung vertraglicher Pflichten oder eine Gefährdung einer den Betriebszwecken dienenden Zusammenarbeit darzustellen und zu einer Gefährdung einer gedeihlichen Zusammenarbeit geführt haben soll, dass die Klägerin auf die Möglichkeit von Presseberichterstattung hingewiesen hat, ist für die Kammer deshalb unverständlich. Soweit die Beklagte gemeint hat, die Klägerin habe sich nicht gescheut, Strafanzeige und Strafantrag anzukündigen und damit eine wesentliche Drohung ausgesprochen, folgt die Kammer dem gleichfalls nicht. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass ihr der Vorstandsvorsitzende der Beklagten persönlich bekannt war. Von daher ist es verständlich, wenn sie - natürlich auch im eigenen Interesse - diesem deutlich machen wollte, dass es sinnvoll sei, sich mit diesem Verfahren zu beschäftigen, um ggf. weiteren Schaden für das Ansehen der Beklagten zu vermeiden. Ebensowenig greift der Hinweis darauf, die Klägerin habe sich dazu verstiegen, der Beklagten eine Hausdurchsuchung anzudrohen. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beklagte sie allein in der 47-seitigen Klageerwiderung vom 21.03.2003 mit einer Fülle von strafrechtlich relevanten Vorwürfen (Betrug, Bestechlichkeit, persönliche Vorteilsnahme) überschüttet hat, gleiches gilt für den immer wieder wiederholten Vorwurf der Inkompetentenz und völligen Unfähigkeit, des Verstoßes gegen arbeitsvertragliche Pflichten und die arbeitsvertragliche Treuepflicht, und desweiteren insbesondere auch der Schädigung des Unternehmens. Schon von daher musste der Klägerin das Recht zugestanden werden, sich zur Wahrung der eigenen persönlichen Interessen auch gegen die ganz massiven Vorwürfe zur Wehr zu setzen, die letzten Endes in der zusammenfassenden Feststellung der Beklagten münden, dass ihre gesamte Arbeitsleistung über die Jahre hinweg völlig wertlos war, weil die Klägerin persönlich für die von ihr ausgeführten Tätigkeiten, die sie über mehr als 20 Jahre lang versehen hat, inkompetent und unzuverlässig war. Von daher konnte die Beklagte nicht ernsthaft erwarten, dass die Klägerin derart nach einer so langen Beschäftigungsdauer zunächst einmal völlig unverständliche Vorwürfe kommentarlos hinnehmen würde.

Auch ihr Verhalten im weiteren Verlauf des Verfahrens rechtfertigt entgegen der Darstellungen der Beklagten nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Soweit es um die Weiterleitung von Unterlagen geht (Seite 16 des am 17.06.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatzes = Bl. 921 d. A.), ist nicht einmal im Ansatz nachzuvollziehen, warum die Klägerin sich anweisungswidrig verhalten haben soll, noch weniger ist verständlich, inwieweit betriebliche Belange berührt sein sollen, wenn ein Arbeitnehmer einen letztlich auch ihn betreffenden vertraulichen Bericht kopiert und an sich nimmt. Tatsachenangaben der Beklagten zur Vertragswidrigkeit dieses Verhaltens fehlen vollständig. Allein der Hinweis auf eine entsprechende Anweisung, deren Rechtmäßigkeit nicht erkennbar ist, genügt insoweit nicht.

Ebensowenig ist verständlich, warum es der Klägerin nicht gestattet gewesen sein soll, das Verhalten eines damaligen Vorgesetzten zu schildern. Der Klägerin steht im Arbeitsverhältnis ebenso wie jedem anderen Arbeitnehmer, aber auch dem Arbeitgeber, in den Grenzen der zivilrechtlichen Generalklauseln das Grundrecht der freien Meinungsäußerung zu. Dies gilt erst recht im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens zur Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen zur Abwendung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin hat insoweit eine nicht unbedingt positive Darstellung gegeben, die andererseits im Hinblick auf den Streitstoff verständlich ist, unabhängig davon, ob sie letztlich zutrifft. Angesichts der Fülle von schwerwiegendsten strafrechtlichen Vorwürfen, die die Beklagte ohne rechtfertigenden Grund gegen die Klägerin erhoben hat, kommen, selbst dann, wenn man die strafrechtliche Wertung durch die Beklagte teilen sollte, diese Umstände nicht als zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geeignet in Betracht.

Nichts anderes gilt für die Darstellung der Beziehungen zwischen der Beklagten, der Klägerin und der Firma W. bzw. Herrn Dr. V.. Es war, wie im Einzelnen und ausführlich dargestellt, letztlich Sache der Beklagten, für klare Verhältnisse zu sorgen. Wenn sie dies unterlassen hat, kann auch der Umstand, dass möglicherweise hier eine zu intensive Verquickung verschiedener Interessen letztlich gegeben war, keineswegs davon ausgegangen werden, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang ihre Verpflichtungen als betriebliche Führungskraft verletzt hat. Hätte die Beklagte z. B. strikt eine entsprechende Zusammenarbeit unterbunden, wären derartige Unklarheiten erst gar nicht aufgetreten.

Von daher ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht kommt. Die Parteien können die aufgetretenen Unstimmigkeiten mit einer entsprechenden positiven Prognose für die zukünftige Entwicklung des Arbeitsverhältnisses durch klare Vorgaben einvernehmlich aus der Welt schaffen und somit die Grundlage für eine konstruktive und gedeihliche Zusammenarbeit selbst schaffen.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten einschließlich des im Berufungsverfahren erstmals gestellten Hilfsantrages zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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