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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 13.11.2006
Aktenzeichen: 7 Sa 618/06
Rechtsgebiete: BAT, ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

BAT § 8 Abs. 1 Satz 1
BAT § 53 Abs. 3
BAT § 55
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 Sa 618/06

Entscheidung vom 13.11.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.11.2004 - 8 Ca 1923/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens 2 AZR 386/05 zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Arbeitgeberkündigung vom 29.6.2004, die insbesondere auf die verbotswidrige private Internetnutzung während der Arbeitszeit verbunden mit dem Aufrufen pornografischer Seiten gestützt wird.

Hinsichtlich der Darstellung des erstinstanzlichen unstreitigen Sachvortrages wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Berufungsurteil der Kammer vom 09.05.2005 - 7 Sa 68/05 - (Seite 2, 3 = Bl. 242, 243 d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich des erstinstanzlichen streitigen Sachvortrages des Klägers wird auf Seite 3, 4 dieses Urteils (= Bl. 243, 244 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 29.6.2004, ihm zugegangen am 29.6.2004, nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des streitigen Sachvortrages der Beklagten wird auf Seite 5, 6 des Urteils der Kammer vom 09.05.2005 (a.a.O. = Bl. 245, 246 d. A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich des Verlaufs des ersten Berufungsverfahrens (7 Sa 68/05) wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 6 des Urteils vom 09.05.2005 (= Bl. 266 d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich des streitigen Vorbringens der Beklagten im ersten Berufungsverfahren wird auf Seite 6, 7 dieses Urteils (= Bl. 246, 247 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hat im ersten Berufungsverfahren beantragt,

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.11.2004 - Az.: 8 Ca 1923/04 - wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des streitigen Sachvortrages des Klägers im ersten Berufungsverfahren 7 Sa 68/05 wird auf Seite 8 des Urteils vom 09.05.2005 (a.a.O. = Bl. 248 d. A.) Bezug genommen.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat sodann durch Urteil vom 09.05.2005 - 7 Sa 68/05 - die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.11.2004 - 8 Ca 1923/04 - auf ihre Kosten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Hinsichtlich des Inhalts dieses Urteils wird auf Blatt 242 bis 256 der Akte Bezug genommen.

Das Bundesarbeitsgericht hat ihm daraufhin durchgeführten Revisionsverfahren durch Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 - auf die Revision der Beklagten das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 09.05.2005 - 7 Sa 68/05 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Hinsichtlich des Inhalts dieser Entscheidung wird auf Blatt 265 bis 271 der Akte Bezug genommen.

Im daraufhin eröffneten zweiten Berufungsverfahren wiederholt die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen und hebt insbesondere hervor, vorliegend seien mehrere Pflichtverstöße des Klägers neben der Privatnutzung des Internets während der Arbeitszeit trotz ausdrücklichem fortlaufend wiederholten Verbot gegeben. Der Kläger habe durch das private Surfen seine arbeitsvertragliche Leistungspflicht verletzt. Soweit der Kläger behaupte, er sei durch die Arbeit in seinem Team nicht ausreichend ausgelastet gewesen, habe es, falls dies tatsächlich der Fall gewesen sein sollte, ihm oblegen, dies bei seinem Vorgesetzten vorzubringen. In diesem Fall sei ein schwerpunktmäßiger Einsatz des Klägers in einem anderen Team möglich gewesen. Keinesfalls könne eine möglicherweise mangelnde Auslastung als Rechtfertigung für privates Surfen herangezogen werden. Zudem habe der Kläger Arbeitsmittel für private Tätigkeiten benutzt und sei sowohl eine abstrakte, als auch eine konkrete Rufschädigung der Beklagten gegeben. Denn ca. 96 % der vom Kläger aufgerufenen Internetseiten seien pornografischen Inhalts gewesen (insoweit wird zur Darstellung der besuchten Internetseiten auf Seite 3 - 34 (= Bl. 335 - 366 d. A.) des Schriftsatzes der Beklagten vom 15.09.2006 Bezug genommen). Danach habe der Kläger im März 2004 insgesamt 15 Stunden und 21 Minuten, im April 2004 22 Stunden und 12 Minuten und im Mai 2004 12 Stunden und 17 Minuten während seiner Arbeitszeit auf pornografischen Seiten gesurft. Hinzu komme, dass sich auf der Festplatte des Klägers im temporären Verzeichnis des Internetexplorers 11 kinderpornografische Bilder befunden hätte. Für die Beklagte sei insoweit nicht nachvollziehbar, ob der Kläger diese Dateien bewusst auf seinem Computer abgespeichert habe. Auch durch die Ermittlungen im Hause der Beklagten und das eingeleitete Strafverfahren sei eine konkrete Gefahr der Rufschädigung eingetreten, denn Verfehlungen des Klägers seien einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gebracht worden. Auch habe der Kläger sein Passwort auf dem Computer gespeichert und bei kürzeren Abwesenheitszeiten das Zimmer nicht abgeschlossen, so dass Dritten ein Zugang zum Zimmer und ein Zugriff auf die vom Kläger bewusst oder unbewusst gespeicherten pornografischen Dateien möglich gewesen. Hinzu komme, dass Dritte im Verlaufsprotokoll des Computers jederzeit die zuletzt aufgerufenen Seiten hätten zurückverfolgen können. Des Weiteren sei gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT von einem Angestellten des Bundes zu erwarten, dass er sich nicht monatelang fast täglich mit Pornografie im Internet beschäftige, anstatt seine Dienstpflichten zu erfüllen. Hinzu komme der besondere Sicherheitsaspekt der Beklagten. Als Behörde, die Sicherheitsvorschriften unterliege, habe sie ein besonderes Interesse daran, dass nicht sie oder einer ihrer Arbeitnehmer mit Dingen in Verbindung gebracht würde, die den Verdacht nahe legten, sie seien strafrechtlich relevant.

Die Interessenabwägung müsse zugunsten der Beklagten enden. Bei angemessener Würdigung der Gesamtumstände und zutreffender Berücksichtigung der gesamten vom Kläger begangenen Verfehlungen und der damit verbundenen Belastungen für die Beklagte könne das Gericht allein zu dem Ergebnis kommen, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden könne.

Zur näheren Darstellung der Auffassung der Beklagten im Übrigen wird auf ihre Schriftsätze vom 15.09.2006 (Bl. 333 - 373 d. A.) und vom 30.10.2006 (Bl. 403 - 407 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.11.2004 - Az: 8 Ca 1923/04 - wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger wiederholt sein erst- und zweitinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, seine Arbeitsleistung habe durch die private Inanspruchnahme des Internet im fraglichen Zeitraum nicht gelitten. Insbesondere im Zeitraum März bis Mai 2004 sei der Arbeitsaufwand für den Kläger sehr gering gewesen, da die zu beschaffenden Geräte bereits ausgeliefert gewesen seien und benutzt worden wären. Darüber hinaus seien die technischen Dienstvorschriften bereits fertig gestellt und ebenfalls ausgeliefert worden. Zum Aufgabenbereich des Klägers habe die Bearbeitung von Schadensmeldungen aus dem Truppenbereich und die Veranlassung der Schadensbehebung durch die Entwicklerfirma, die Einleitung des Abschlusses eines auf entwicklungstechnische und technische, logistische Betreuung gerichteten Vertrages sowie die Beschaffung eines festgelegten zweiten Ersatzteilpaketes und die Beantragung der erforderlichen Haushaltsmittel gehört. Diese Aufgaben habe der Kläger vollständig zur Zufriedenheit seines Vorgesetzten ausgeführt, sie hätten jedoch nicht die volle Arbeitszeit des Klägers in Anspruch genommen. Den äußerst geringen Arbeitsanfall auf der Position des Klägers bestätige auch die im Zeitraum vom 02. bis zum 09.08.2005 durchgeführte Organisationsprüfung des Projektteams U33.1. Dort heiße es: "Der DBZ ist seit einem Jahr unbesetzt (...). Unabhängig davon ist die oben genannte Disposition aufgrund laufender interner Optimierungsmaßnahmen nicht mehr notwendig und wird wegfallen. Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass die dezentrale VS-Bearbeitung im BWB unwirtschaftlich ist dezentralisiert werden soll ... ." Mit anderen Worten entfalle der Dienstposten des Klägers mangels Erforderlichkeit, da der betreffende Arbeitnehmer, d. h. der Kläger, beinahe über keine Beschäftigung verfüge. Eine Beeinträchtigung der Arbeitsleistung des Klägers sei durch die Nutzung des Internets folglich nicht erfolgt. Denn der Kläger sei insoweit mangels Arbeitsanfalls ohnehin untätig gewesen.

Im Übrigen sei zu beachten, der Kläger habe keine einzige Internetseite oder Datei pornografischen Inhalts heruntergeladen. Dies sei allenfalls automatisch, d. h. ohne Auslösen eines ausdrücklichen Befehls erfolgt. Ein Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT sei dem Kläger zudem nicht vorzuwerfen.

Die Interessenabwägung müsse vorliegend zugunsten des Klägers enden.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Schriftsätze vom 28.09.2006 (Bl. 379 - 383 d. A.) und vom 30.10.2006 (Bl. 408 - 416 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 13.11.2006.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung der Beklagten ist auch nach der durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27.04.2006 (2 AZR 386/05) erfolgten Aufhebung der Entscheidung der Kammer vom 09.05.2005 - 7 Sa 68/05 - unbegründet.

Denn die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB (§ 54 Abs. 1 BAT) sind vorliegend nicht gegeben.

Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 9 bis Seite 11 (vorletzter Absatz, = Bl. 249 - 251 d. A.) des Urteils vom 09.05.2005 - 7 Sa 68/05 - Bezug genommen.

Im Hinblick auf die Revisionsentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.04.2006 (a.a.O.) geht die Kammer insoweit von folgendem aus:

Der Kläger hat erheblich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, indem er ausdrücklich und fortlaufend das wiederholte Verbot des Arbeitgebers missachtet hat, das Internet privat zu nutzen und innerhalb von mehr als zwei Monaten fast täglich, insgesamt in erheblichem Umfang privat im Internet gesurft hat. Bereits darin besteht ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand. Zu berücksichtigen ist insoweit zudem die vom BAG (a.a.O.) als eher abstrakte Gefahr der Rufschädigung bezeichnete Gefahr, dass allein die Befassung mit pornografischen Darstellungen die Möglichkeit einer Rückverfolgung an den Nutzer mit sich bringt und damit den Eindruck erwecken kann, eine Behörde befasse sich statt mit ihren Dienstaufgaben beispielsweise mit Pornografie. Zudem stellen die vom Kläger angesehenen und nach Behauptung der Beklagten heruntergeladenen Seiten pornografischen Inhalts eine konkrete, als zusätzlichen Pflichtverstoß zu wertende Pflichtverletzung dar. Des Weiteren hat der Kläger die angeordneten Sicherheitsmaßnahmen umgangen, indem er das Passwort auf dem Computer gespeichert und bei kürzeren Abwesenheitszeiten das Zimmer offen gelassen hat. Dadurch war ein Zugriff fremder Personen auf seine Dateien und damit auf die gespeicherten Pornodateien möglich. Hinzu kommt, dass die Beklagte als Behörde, die Sicherheitsvorschriften unterliegt, ein besonderes Interesse daran hat, dass nicht sie oder einer ihrer Arbeitnehmer mit Dingen in Verbindung gebracht wurde, die den Verdacht nahe legen, sie seien strafrechtlich relevant. Schließlich treffen den Kläger gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT, der zur Zeit der Kündigung galt, gegenüber einem normalen Angestellten in der Privatwirtschaft gesteigerte Verhaltenspflichten; werden Verfehlungen, wie vorliegend eingetreten, bekannt und schreitet der öffentliche Dienst dagegen nicht ein, so fällt dies auf die Behörde und damit auf den gesamten öffentlichen Dienst zurück.

Demgegenüber kommt als an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand vorliegend das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme wegen der Gefahr möglicher Vireninfizierung und der Möglichkeit der Rückverfolgung allein nicht in Betracht, weil zwar einige pornografische Dateien auf den Rechner des Klägers heruntergeladen worden waren, die Beklagte aber selbst nicht behauptet, dass dies wissentlich durch den Kläger erfolgt ist. Anhaltspunkte dafür, dass diese Downloads vorsätzlich erfolgt sind, bestehen nicht.

Als an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand kommen auch mögliche zusätzlich entstandene Kosten nicht in Betracht, denn vorliegend sind unstreitig durch das Verhalten des Klägers keine besonderen Kosten angefallen; auch hinsichtlich der unberechtigten privaten Benutzung Betriebsmittel der Beklagten gilt nichts anderes, denn es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten von den zuvor dargestellten Umständen abgesehen ein Nachteil entstanden ist.

Letztlich kann entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend auch nicht davon ausgegangen werden, dass die private Nutzung des Internets durch den Kläger die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung erheblich beeinträchtigt hat. Das ist bei der privaten Internetnutzung während der Arbeitszeit zwar im Normalfall ohne weiteres der Fall; der Arbeitnehmer verletzt dann grundsätzlich seine Hauptleistungspflicht zur Arbeit. Dennoch hat der Kläger aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles, obwohl er mehr als zwei Monate lang fast täglich das Internet in einem Umfang zwischen ca. 15 Minuten und knapp drei Stunden verbotswidrig privat genutzt hat, seine Arbeitspflicht unabhängig von möglichen Pausenzeiten nicht ganz erheblich verletzt. Auch wenn man unter derartigen Umständen davon ausgeht, dass es nicht zur Darlegungslast der Beklagten gehört, dann im Einzelnen vorzutragen ob und inwieweit auch die Arbeitsleistung des Klägers unter seinen Privatbeschäftigungen während der Dienstzeit gelitten hat, muss vorliegend berücksichtigt werden, dass der Kläger im weiteren Berufungsverfahren vor der Kammer im Einzelnen dargelegt hat, dass der Arbeitsaufwand für ihn im streitgegenständlichen Zeitraum März bis Mai 2004 sehr gering war. Er hat im Schriftsatz vom 28.09.2006 seine Aufgabenbereiche dargestellt und unter Bezugnahme auf eine Organisationsprüfung vom 02. bis zum 09.08.2005 als Ergebnis dargelegt, dass auch danach die Dienstposition des Klägers mangels Erforderlichkeit entfällt, weil der betreffende Arbeitnehmer, der Kläger, beinahe über keine Beschäftigung verfügt. Die Beklagte hat dem lediglich lapidar entgegengehalten, selbst wenn der Kläger nicht ausreichend ausgelastet gewesen wäre, habe es ihm oblegen, dies bei seinen Vorgesetzten vorzubringen, weil dann ein schwerpunktmäßiger Einsatz in einem anderen Team möglich gewesen wäre. Diese Darlegung reicht nicht aus, um davon auszugehen, dass der Kläger tatsächlich seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung im Rahmen der ihm von der Beklagten zugewiesenen Aufgaben nach Qualität, Quantität und oder Arbeitstempo vernachlässigt hat. Es wäre insoweit Sache der Beklagten gewesen, im Hinblick auf diesen Tatsachenvortrag des Klägers zu erläutern, inwieweit er tatsächlich seine Arbeitspflicht - wie an sich im Normalfall - verletzt hat. Das wäre auch erforderlich gewesen, denn für den Sachvortrag des Klägers spricht, dass offenbar, wie sich am unstreitigen Fehlen von Ermahnungen oder Abmahnungen insoweit ergibt, auch ein mehrstündiges Surfen im Internet, was ungewöhnlich ist, niemandem aufgefallen ist.

Die Kammer teilt die Auffassung der Beklagten im Übrigen nicht, dass der Kläger in dieser Situation verpflichtet gewesen wäre, sich bei seinen Vorgesetzten zu melden und um Beschäftigung nachzusuchen. Der Kläger hat insoweit einen Beschäftigungsanspruch gegen die Beklagte. Ihm entspricht eine Arbeitspflicht nach Maßgabe des Direktionsrechts im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung. Es ist Sache des Arbeitgebers, durch entsprechende Weisungen sicherzustellen, dass die vergütete Arbeitszeit auch durch entsprechende Arbeitsleistung ausgefüllt wird; der Arbeitnehmer kann dies verlangen, muss es aber nicht.

Im Rahmen der abschließend durchzuführenden Interessenabwägung ist vorliegend entscheidend, ob er einen vergleichbaren Arbeitnehmer ohne den Sonderkündigungsschutz nach § 53 Abs. 3, 55 BAT unter den selben Umständen und bei entsprechender Interessenlage ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist anzunehmen wäre.

Nach Auffassung der Kammer ist dies vorliegend zu verneinen; es ist nicht davon auszugehen, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger unzumutbar ist.

Dabei hat die Kammer zunächst das zeitliche Ausmaß, dass die Beklagte dargestellt hat, zu ihren Gunsten als zutreffend unterstellt. Des Weiteren ist sie davon ausgegangen, dass die Beklagte selbst nicht behauptet, dass der Kläger wissentlich kinder- oder tierpornografische Dateien auf seinen Dienstcomputer heruntergeladen hat. Des Weiteren konnte die Kammer nicht davon ausgehen, dass der Kläger in erheblichem Umfang seine Arbeitspflicht vernachlässigt hat.

Zugunsten der Beklagten ist im Rahmen der Interessenabwägung weiterhin zu berücksichtigen, dass die Gefahr einer Rufschädigung auch konkret, wie zuvor dargestellt, bestand und dass für den Kläger (vgl. § 8 Abs. 1 BAT) insoweit besondere Verhaltenspflichten bestanden.

Zugunsten des Klägers ist demgegenüber zu berücksichtigen, dass aufgrund seiner Schwerbehinderung und seines Alters auf dem Arbeitsmarkt wohl keine adäquate neue Beschäftigung finden würde. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seit mehr als 30 Jahren bei der Beklagten beschäftigt ist, ohne dass es in der Vergangenheit in irgendeiner Form Grund zu Beanstandungen gegeben hat. Auch sind durch die private Internetnutzung keine zusätzlichen Kosten entstanden, ebenso wenig gibt es, wie dargelegt, keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger - anders als im Normalfall - vorliegend nicht ordnungsgemäß gearbeitet hat.

Insgesamt ist die Kammer deshalb zu der Auffassung gelangt, dass das Interesse des Klägers (gerade noch) das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war im Hinblick auf die Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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