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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 09.05.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 68/05
Rechtsgebiete: BGB, StGB, ArbGG, ZPO, BAT, GewO, HGB


Vorschriften:

BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
StGB § 184
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
BAT § 8 Abs. 1 Satz 1
BAT § 53 Abs. 3
BAT § 54 Abs. 1
BAT § 55 Abs. 1
GewO § 123
GewO § 124
HGB § 71
HGB § 72
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 Sa 68/05

Entscheidung vom 09.05.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.11.2004 - 8 Ca 1923/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten vom 29.06.2004.

Der am 08.08.1951 geborene Kläger ist seit dem 10.07.1972 bei der Beklagten beschäftigt. Er hat zuletzt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.047,00 Euro erhalten. Der Kläger ist verheiratet und hat ein unterhaltspflichtiges Kind. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der BAT Anwendung.

Dem Kläger steht an seinem Arbeitsplatz ein PC mit Internetzugang zur Verfügung. Der Internetzugang darf nach ZDv 54/100 (Nr. 323) nicht zu privaten Zwecken genutzt werden. Auf diese Regelung weist die Beklagte alle Internetnutzer in regelmäßigen Abständen von 2 Jahren hin. Der Kläger hat die Kenntnisnahme zuletzt im Dezember 2003 mit seiner Unterschrift bestätigt. Diese Sicherheitsbelehrung enthält auch einen ausdrücklichen Hinweis auf arbeitsrechtliche Konsequenzen im Falle des Verstoßes.

Am 13.05.2004 wurde der PC des Klägers beschlagnahmt. Am 14.05.2005 wurde der Präsident darüber informiert, dass von dem PC des Klägers aus am 11.05.2004 eine Internetseite aufgerufen worden war, auf der Sex mit Tieren dargestellt wird. Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften eingeleitet, das zwischenzeitlich eingestellt wurde.

Am 04. und am 07.06.2004 wurde der Kläger angehört. Mit Schreiben vom 07.06.2004 wurde der Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers angehört. Mit Schreiben vom 09.06.2004 (Blatt 88 d.A.) teilte der Personalrat mit, dass er der außerordentlichen Kündigung des Klägers nicht zustimme. Am 09.06.2004 übermittelte der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter an die Beklagte. Mit Bescheid vom 20.09.2004 (Blatt 82 d.A.) wurde ein Grad der Behinderung von 30 % anerkannt. Am 09.06.2004 wurde die Vertrauensfrau der Schwerbehinderten beteiligt. Ihre Stellungnahme erfolgte mit Schreiben vom 11.06.2004 (Blatt 45 d.A.). Am 11.06.2004 bat die Beklagte das Integrationsamt um Zustimmung zur Kündigung. Diese wurde mit Datum vom 24.06.2004 erteilt.

Mit Schreiben vom 29.06.2004, dem Kläger zugegangen am gleichen Tage, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger daraufhin außerordentlich gekündigt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 06.07.2004 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen, am 13.07.2004 erhobenen Klage.

Der Kläger hat vorgetragen,

er bestreite, im Umfang von 50 Stunden zu privaten Zwecken im Internet gesurft zu haben. Er habe zu keinem Zeitpunkt Dateien heruntergeladen, er habe sich vielmehr nur Dateien im Internet angeschaut. Zu keinem Zeitpunkt habe er Seiten mit kinderpornographischem Inhalt aufgerufen. Da den Logdateien konkrete Dateinamen nicht zu entnehmen seien, könne er nicht detailliert Stellung nehmen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass 394 Minuten auf die 15-minütige Frühstückspause und die 45-minütige Mittagspause entfallen würden; wegen der Zeiten im Einzelnen wird auf die Aufstellung Blatt 67 d.A. Bezug genommen. Außerdem habe er sein Passwort auf dem PC abgespeichert und den Raum nicht abgeschlossen, wenn er seinen Arbeitsplatz nur kurz verlassen habe. Das Personalteam sei zudem zur Auswertung der Dateien nach der Zentralen Dienstvorschrift für IT-Sicherheit nicht berechtigt gewesen.

Im Hinblick auf seine langjährige Betriebszugehörigkeit, während der, was zwischen den Parteien unstreitig ist, das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei verlaufen sei, sei eine außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt. Noch im Jahr 2003 sei ihm auf Grund seiner positiven Leistungen eine Leistungsprämie in Höhe von 2.000 Euro gewährt worden. Es handele sich weder um eine schwerwiegende, noch um eine hartnäckige Pflichtverletzung, so dass der Ausspruch einer Abmahnung nicht entbehrlich gewesen sei. Es liege auch kein das Ansehen der Beklagten schädigendes Verhalten vor. Es sei ihm nicht anzulasten, wenn die Beklagte ohne jeden vernünftigen Anlass die Kriminalpolizei einschalte. Es sei nicht davon auszugehen, dass eine Abmahnung fruchtlos gewesen wäre. Denn er habe sich an die Fachdienste für Arbeit und Integration gewandt. Er habe auch die Klärung seiner privaten Probleme in Angriff genommen. Die Beklagte beschäftige im Übrigen auch einen Beamten weiter, der in ähnlicher Weise Verfehlungen begangen habe.

Die 2-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten worden. Mangels anerkannter oder offensichtlicher Schwerbehinderung sei die Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes gar nicht erforderlich gewesen. Es sei ihm auch nicht verwehrt, sich auf die Nichteinhaltung der 2-Wochenfrist zu berufen, da er lediglich seine Rechte wahrgenommen habe. Es sei der Beklagten unbenommen gewesen, eine Kündigung vor Zustimmung des Integrationsamtes auszusprechen. Es werde auch bestritten, dass die Auswertung des Sachverhalts erst am 03.06.2004 erfolgt sei.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 29.06.2004, ihm zugegangen am 29.06.2004, nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

es sei ihr nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger weiter fortzusetzen. Der Kläger habe in dem Zeitraum 08.03.2004 bis 13.05.2004 fast täglich, insgesamt in einem Umfang von ca. 50 Stunden, das Internet während seiner Arbeitszeit privat, insbesondere zum Besuch pornographischer Seiten, genutzt; wegen der Zeiten im Einzelnen wird auf die Aufstellungen Blatt 30 d.A. Bezug genommen und wegen der Namen der Webseiten im Einzelnen wird auf die Logdateien verwiesen. Es seien nur die Internetseiten berücksichtigt worden, die sich ohne Zweifel einer alleinigen privaten Nutzung zuordnen ließen. Es seien auch 11 temporäre Dateien mit kinderpornographischen Darstellungen dabei gewesen. Da jedoch nicht geklärt habe werden können, ob diese Dateien bewusst durch den Kläger angelegt worden seien, sei eine eventuelle Straftat bei der Kündigung nicht berücksichtigt worden. Der Kläger habe die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen zunächst in einem persönlichen Gespräch mit der personalbearbeitenden Teamleiterin am 04.06.2004 bestritten, am 07.06.2004 dann jedoch eingeräumt. Zur Darstellung des Verfahrensablaufs insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 7 der angefochtenen Entscheidung (= Blatt 157 d.A.) Bezug genommen. Die Dienstvereinbarung über die Arbeitszeit sehe keine Frühstückspause vor. Die Arbeitszeit kann erst ab 11.30 Uhr für die Mittagspause unterbrochen werden. Selbst wenn man die Mittagspause von den ermittelten 51 Stunden und 25 Minuten abziehen würde, verblieben 49 Stunden und 34 Minuten. Bei der Ermittlung des Umfangs der privaten Internetnutzung sei sie gemäß ZPv 154/100 vorgegangen. Zunächst seien die Ermittlungen durch den IT-Sicherheitsbeauftragten RAR X zusammen mit dem zuständigen Referenten ROAR W vorgenommen worden. Entsprechend Nummer 6 der Belehrung für Internetnutzer seien die Erkenntnisse dem dafür zuständigen Personalführungsteam Z 4.6 zur Auswertung bezüglich der arbeitsrechtlichen Konsequenzen zur Verfügung gestellt worden. Insgesamt sei ein wichtiger Grund gegeben. Zur ausführlichen Darstellung der Beklagten wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 8 der angefochtenen Entscheidung (= Blatt 158 d.A.) Bezug genommen. Auch der Hinweis auf den vermeintlich vergleichbaren Fall eines Beamten rechtfertige kein anderes Ergebnis. Denn das Bundesdisziplinargesetz sehe andere, abgestufte Revisionsmaßnahmen vor. Zudem habe es sich nicht um einen Sachverhalt, der die Einschaltung der Kriminalpolizei notwendig gemacht habe, gehandelt.

Die 2-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Darstellung in der angefochtenen Entscheidung auf den Seiten 9, 10 (= Blatt 159, 160 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin durch Urteil vom 16.11.2004 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 29.06.2004 aufgelöst wurde. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 153 bis 165 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 28.12.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 25.01.2005 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 25.02.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die vorzunehmende umfassende Interessenabwägung könne vorliegend nicht zu einem Überwiegen des Interesses des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führen. Die Belange der Beklagten seien nur unzureichend berücksichtigt und falsch gewichtet worden. Überhaupt nicht berücksichtigt werde zudem die Stellung der Beklagten und die für sie drohende konkrete Gefahr einer Rufschädigung. Der Einschätzung, diese Gefahr könne nur als sehr abstrakt eingestuft werden, könne nicht gefolgt werden. Zum einen unterlasse jede Nutzung des Internets eine Spur, die es sachkundigen Dritten möglich mache, festzustellen, von welchem Internetzugang aus auf eine bestimmte Homepage zugegriffen worden sei. Durch das Aufrufen bestimmter Webpages könne das Ansehen desjenigen, der den Internetzugang zur Verfügung stelle, erheblich leiden. Zum anderen hätten die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen tatsächlich stattgefunden. Die Gefahr der Rufschädigung sei spätestens zum Zeitpunkt der Aufnahme der Ermittlungen durch die Kriminalpolizei konkret geworden. Der Kläger habe durch das Aufrufen bestimmter Internetseiten den automatischen Download ausgelöst und der Verdacht einer Straftat gemäß § 184 StGB habe bestanden. Im Falle des Verdachts einer während der Dienstzeit begangenen Straftat sei die Beklagte als Bundesbehörde verpflichtet, den Sachverhalt den zuständigen Stellen entsprechend anzuzeigen. Zahlreiche Personen seien in die Aufklärung des Sachverhalts eingebunden gewesen. Es bedürfe daher nicht erst des Forums einer Hauptverhandlung, um die unstreitigen Vorfälle zu verbreiten und eine konkrete Gefahr für die Rufschädigung der Beklagten zu schaffen. Hinzu komme die in jedem Fall bereits jetzt gegebene Schädigung des Ansehens der Verwaltung innerhalb der Behörde selbst. Das Verhalten des Klägers sei geeignet, das Ansehen der Beklagten in der Öffentlichkeit erheblich zu beschädigen. Es sei verfehlt, allein von einer abstrakten Gefahr auszugehen. Sie habe insoweit eine Vorbildfunktion zu erfüllen. Auch das Verhalten des Klägers nach Ausspruch der Kündigung sei zu berücksichtigen. Er habe sich nicht einsichtig gezeigt und damit jegliche Basis für ein zukünftiges Vertrauensverhältnis entzogen. Zu berücksichtigen sei im Übrigen auch, dass sich kinderpornographische Darstellungen auf dem Rechner des Klägers befunden hätten, was zur Einschaltung der Kriminalpolizei geführt habe. Der Ermittlungsbericht des Polizeipräsidiums A-Stadt vom 22.07.2004 bestätige, dass sich im temporären Verzeichnis des Internetexplorers unter anderem 11 kinderpornographische Bilder befunden hätten. Aufgrund all dieser Umstände sei die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.11.2004 - Az.: 8 Ca 1923/04 - wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, er habe zwar Dateien im Internet angeschaut, nicht aber heruntergeladen. Es habe sich auch nicht um Dateien mit kinderpornographischem Inhalt gehandelt. Er habe zudem den dienstlichen Internetzugang in einem geringeren Umfang, als von der Beklagten behauptet, genutzt. Es bestehe auch für die Beklagte keine mit dem Verhalten des Klägers verbundene erhebliche Gefahr der Rufschädigung. Zwar hätten staatsanwaltschaftliche Ermittlungen vorliegend stattgefunden, diese seien jedoch auf Initiative der Beklagten durchgeführt worden. Zudem sei das Verfahren gegen den Kläger eingestellt worden. Die Kriminalpolizei habe im Falle des Klägers keine kinderpornographischen Dateien gesichtet. Soweit betriebsinterne Personen mit der Aufklärung betraut gewesen seien, müsse berücksichtigt werden, dass alle diese Personen einer Schweigepflicht unterliegen. Von daher sei von einem Überwiegen der Interessen des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Er habe auch durch sein späteres Verhalten das Vertrauensverhältnis nicht zerstört. Denn er habe eingeräumt, den dienstlichen Internetzugang privat genutzt zu haben und Pornographieseiten aufgerufen zu haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 09.05.2005.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis, als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat.

Denn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 BGB sind vorliegend nach Auffassung der Kammer nicht gegeben.

Der Begriff des wichtigen Grundes in § 55 Abs. 1 BAT entspricht dem des § 54 Abs. 1 BAT, dieser entspricht wiederum dem des § 626 BGB.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann. Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG AP-Nr. 4, 42, 63 zu § 626 BGB). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass.

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an. Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein (BAG EzA § 626 BGB Nr. 11, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 7).

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig:

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Entscheidender Zeitpunkt ist der des Ausspruchs der Kündigung.

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG SAE 1986, S. 5).

Systematisch kann nach Störungen im Leistungsbereich, im betrieblichen Bereich der Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich der Vertragspartner und im Unternehmensbereich unterschieden werden.

Vorliegend ist insoweit zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger gemäß § 53 Abs. 3 BAT unkündbar ist. Er hat das 40. Lebensjahr vollendet und ist bereits seit über 15 Jahren bei der Beklagten beschäftigt.

Bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer zwar an sich ein besonders strenger Maßstab anzulegen und zwar auch bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen (BAG 20.04.1977 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 55; KR-Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB Rz. 301). Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung und die daraus folgende Dauer der weiteren Vertragsbindung im Falle ihrer Unwirksamkeit stellen vielmehr Umstände dar, die bei einer außerordentlichen Kündigung im Rahmen der einzelfallbezogenen Interessenabwägung entweder zugunsten oder zu Ungunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Welche Betrachtungsweise im Einzelfall den Vorrang verdient, ist unter Beachtung des Sinns und Zwecks des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung, sowie insbesondere unter Berücksichtigung der Art des Kündigungsgrundes zu entscheiden (BAG 22.07.1992, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 96; KR-Fischermeier, a.a.O.). Insoweit ist bei verhaltensbedingten Gründen (vgl. KR-Fischermeier, a.a.O., Rz. 301 b) zu unterscheiden: Pflichtverletzungen können so gravierend sein, dass sie die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf Zeit schlechthin unzumutbar machen. In diesen Fällen kann auch ein tariflicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung zu keiner anderen Interessenabwägung führen (BAG 10.10.2002 EzA § 626 BGB Unkündbarkeit Nr. 1). Bei Pflichtverletzungen mit Wiederholungsgefahr, die im konkreten Fall bei ordentlicher Kündbarkeit nur eine fristgerechte Kündigung sozial rechtfertigen würden, kann bei Ausschluss dieser Kündigungsmöglichkeit gerade wegen der langen Vertragsbindung eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Bei einmaligen Pflichtverletzungen, die zwar unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile keine fristlose Kündigung rechtfertigen, aber immerhin so gravierend sind, dass trotz fehlender Wiederholungsgefahr wegen der fortwährenden Belastung des Arbeitsverhältnisses eine ordentliche Kündigung als sozial gerechtfertigt anzusehen wäre, kann sich dagegen der Ausschluss der ordentlichen Kündigung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Unkündbarkeit zugunsten des Arbeitnehmers auswirken und einer außerordentlichen Kündigung entgegenstehen, obwohl die lange Vertragsbindung sonst eher die Unzumutbarkeit im Sinne von § 626 BGB begründe (KR-Fischermeier, a.a.O.).

Die Beklagte stützt die außerordentliche Kündigung vorliegend auf die private Internetnutzung durch den Kläger. Insoweit liegen fortgesetzte Pflichtverletzungen vor, die, insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht, an sich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Denn der Kläger hat seine arbeitsvertragliche Pflicht jedenfalls insoweit verletzt, als er gegen das ausdrückliche und ihm auch bekannte Verbot der Privatnutzung verstoßen hat. Dass der Kläger seine Arbeitspflicht daneben zusätzlich verletzt hat, weil er die ihm übertragenen Aufgaben nicht, nicht ordnungsgemäß oder nicht in der regulären Arbeitszeit erledigt hat, hat die Beklagte nicht dargelegt.

Die Kammer folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass der vorherige Ausspruch einer einschlägigen Abmahnung entbehrlich war. Zwar setzt die außerordentliche ebenso wie die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung grundsätzlich voraus, dass der Arbeitnehmer bereits zuvor wegen einer vergleichbaren Pflichtverletzung abgemahnt worden ist, damit dann die notwendige Wiederholungsgefahr begründet ist. Entbehrlich ist allerdings eine Abmahnung, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden kann. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens kennt, seine Pflichtverletzung aber gleichwohl hartnäckig und uneinsichtig fortsetzt (BAG 18.05.1994 NZA 1995, 65). Vorliegend ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass der Kläger fast täglich gegen das ausdrückliche Verbot, das Internet zu privaten Zwecken zu nutzen, verstoßen hat. Zwar hat der Kläger den Umfang der behaupteten verbotswidrigen Internetnutzung insgesamt bestritten. Abgesehen davon, dass er sich insoweit durchaus widersprüchlich eingelassen hat, ist dieses Bestreiten als unsubstantiiert anzusehen und daher unbeachtlich. Der Kläger hat nicht im Einzelnen dargelegt, in welcher der berücksichtigten Zeiten die Internetnutzung nicht durch ihn oder nicht zu privaten Zwecken erfolgt sein soll. Da er das Verbot zuletzt im Dezember 2003 unterschrieben hatte, muss davon ausgegangen werden, dass die Nutzung des Internets zu privaten Zwecken in Kenntnis des Verbots hartnäckig und uneinsichtig erfolgte. Somit war eine Abmahnung entbehrlich. Dennoch führen die anzunehmenden Pflichtverletzungen bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht zum Überwiegen der berechtigten Interessen der Beklagten an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Auch insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht.

Dabei sind Art und Schwere der Pflichtverletzung zu berücksichtigen. Der Kläger hat in dem Beobachtungszeitraum fast täglich das Internet privat genutzt und zwar in einem Umfang zwischen 14 Minuten pro Tag bis 2 Stunden und 40 Minuten pro Tag, insgesamt 51 Stunden und 25 Minuten. Davon ist mit dem Arbeitsgericht auszugehen, denn der Sachvortrag des Klägers zu den detaillierten Angaben der Beklagten ist insoweit pauschal und nicht hinreichend substantiiert, weil der Kläger als unmittelbar Beteiligter insoweit über die nötige Sachnähe verfügt, um präzise Angaben machen zu können, dann aber auch machen zu müssen. Deshalb handelt es sich um einen hartnäckigen und uneinsichtigen Verstoß. Mit dem Arbeitsgericht ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger sich überwiegend pornographische Darstellungen angesehen hat. Allerdings begründet allein dieser Umstand nicht bereits einen zusätzlichen, gegen den Kläger zu berücksichtigenden Umstand im Rahmen der Interessenabwägung. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Privatnutzung des Internetzugangs nicht mehr oder weniger schwer wiegt, je nachdem welche Seiten angesehen bzw. heruntergeladen worden sind, soweit nicht dadurch strafrechtliche Vorschriften verletzt worden sind. Dieser Umstand ist vorliegend gerade nicht gegeben, weil ein zunächst eingeleitetes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingestellt worden ist. Auch ist vorliegend nicht erkennbar, dass der Beklagten ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist; einen solchen hat sie nicht substantiiert vorgetragen. Daher ist davon auszugehen, dass durch die private Internetnutzung keine zusätzlichen Kosten entstanden sind, ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht ordnungsgemäß gearbeitet hat. Zugunsten des Klägers ist zudem zu berücksichtigen, dass er aufgrund seiner Schwerbehinderung und seines Alters auf dem Arbeitsmarkt wohl keine adäquate neue Beschäftigung finden würde. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seit mehr als 30 Jahren beschäftigt ist, ohne dass es in der Vergangenheit in irgendeiner Form Grund für Beanstandungen gegeben hat. Unter Zugrundelegung des besonders strengen Maßstabes der tarifvertraglich zugesicherten Dauerstellung und insbesondere der langen unbeanstandeten Tätigkeit des Klägers ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der ordentlichen Beendigung zumutbar wäre.

Etwas anderes könnte sich allenfalls aus einer erheblichen Ansehensschädigung der Beklagten ergeben. Das Arbeitsgericht ist insofern allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass dieser Umstand nicht besonders schwer zu Lasten des Klägers und zu Gunsten der Beklagten liegt, da diese Gefahr als sehr abstrakt einzustufen ist, da sie lediglich darin besteht, dass es theoretisch möglich ist, festzustellen, dass die Zugriffe aus dem Bereich der Beklagten erfolgen. Da es nicht zu einem Strafverfahren gekommen ist, ist auch die mit dem Auffinden der temporären Dateien mit kinderpornographischen Darstellungen - deren Vorhandensein der Kläger bestritten hat - unter Umständen verbundene Gefahr der Rufschädigung als gering einzustufen.

Auch das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren darauf abstellt, dass staatsanwaltschaftliche Ermittlungen tatsächlich durchgeführt worden sind, ist zu berücksichtigen, dass sie selbst diese Gefahr der Rufschädigung durch Einschaltung der Kriminalpolizei ausgelöst hat. Das Verfahren gegen den Kläger ist eingestellt worden. Der Kläger hat zudem insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die hausinternen mit der Aufklärung des Sachverhalts befassten Personen allesamt der Verschwiegenheitspflicht unterliegen; dies gilt erst recht für die handelnden Beamten und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft. Von daher ist nicht recht erkennbar, inwieweit hier überhaupt das Ansehen der Beklagten in der Öffentlichkeit beeinträchtigt sein könnte. Auch der Hinweis auf die Beklagte als Behörde der Bundesrepublik Deutschland und eine damit verbundene Vorbildfunktion rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar muss sich gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT der Angestellte des öffentlichen Dienstes innerhalb und außerhalb des Dienstes so verhalten, dass das Ansehen des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird. Diese Regelung führt allerdings nicht dazu, dass eine abstrakte Gefährdung des Ansehens genügt; nach Auffassung der Kammer bedarf es vielmehr einer konkreten Gefährdung, die vorliegend, wovon das Arbeitsgericht zu Recht ausgegangen ist, gerade nicht gegeben ist.

Auch der Hinweis auf das widersprüchliche Verhalten des Klägers nach Ausspruch der Kündigung führt hingegen der Auffassung der Beklagten nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Kündigung ist maßgeblich der Zeitpunkt des Zugangs; von daher vermag der durch den Kläger nicht geteilten Bewertung seines Verhaltens durch den Beklagten keine entscheidungserhebliche Bedeutung, auch nicht im Rahmen der Interessenabwägung zuzukommen.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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