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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 24.07.2007
Aktenzeichen: 7 Ta 148/07
Rechtsgebiete: GVG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 b
ArbGG § 48 Abs. 1
ArbGG § 78 Satz 1
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3
ZPO §§ 567 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 Ta 148/07

Entscheidung vom 24.07.2007

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.05.2007, Az: 2 Ca 2767/06, abgeändert und der zu den Arbeitsgerichten beschrittene Rechtsweg für zulässig erklärt.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte schloss mit der Firma L, welche von der Klägerin betrieben wird, am 04.01.2006 einen als "Dienstleistungsvertrag" bezeichneten Vertrag, aufgrund dessen sich die Firma L. im Wesentlichen zur Kommissionierung, Lagerung und zum Verpacken bestimmter von der Beklagten produzierter Warengruppen (Türen, Möbelfronten, Arbeits-/Diagonal-Sägeböcke, Selbstbaumöbel, Allzweckkisten) verpflichtete. Als Vergütung war die Bezahlung von 0,065 EUR pro kommissioniertem Kilogramm der durch das Warenwirtschaftssystem der Beklagten ermittelten Monatstonnage vereinbart.

Die Durchführung der Arbeiten erfolgte vertragsgemäß in den Betriebsräumen der Beklagten. Die Klägerin erledigte die vereinbarten Aufgaben zusammen mit neun von ihr beschäftigten Arbeitnehmer/innen. Mit Schreiben vom 09.11.2006 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 28.02.2007. Die Klägerin hat daraufhin am 24.11.2006 eine Klage beim Arbeitsgericht Koblenz eingereicht mit dem An trag, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 28.02.2007 hinaus fortbesteht.

Zur Klagebegründung macht die Klägerin unter anderem geltend, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, zumal sie in den Betriebsablauf der Beklagten eingegliedert gewesen sei und in deren Betriebsräumen sowie mit deren Arbeitsgerät die vereinbarte Kommissionierungstätigkeit ausgeführt habe. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei unwirksam, da es an einem Kündigungsgrund fehle und der Betriebsrat der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört worden sei.

Die Beklagte, die einen Klageabweisungsantrag angekündigt hat, ist der Auffassung, sie habe mit der Firma L. GmbH einen Werkvertrag geschlossen, bei dessen Erfüllung die Firma L. GmbH zwar in den Betriebsablauf integriert gewesen sei, aber trotzdem über einen erheblichen Gestaltungsspielraum verfügt habe. Die Klägerin habe nicht - wie dies aber bei Arbeitnehmern der Fall sei - die geschuldete Tätigkeit höchstpersönlich ausgeführt, sondern sich eigener Arbeitnehmer bedient, um den Werkvertrag zu erfüllen. Unabhängig hiervon sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet.

Mit Beschluss vom 11.05.2007 hat das Arbeitsgericht Koblenz festgestellt, dass der zu den Arbeitsgerichten beschrittene Rechtsweg unzulässig ist; des Weiteren hat es den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Koblenz verwiesen.

Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei unter Beachtung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG nicht eröffnet, da die Prozessparteien keine Rechtsstreitigkeit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses führen würden. Rechtliche Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sei, dass eine Person aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages über entgeltliche Dienste für einen anderen in persönlicher Abhängigkeit tätig werde. Vorliegend würden zwar einige Umstände für einen gewissen Grad von Fremdbestimmung der Arbeit sprechen, wie etwa die Vorgabe des Computersystems durch die Beklagte, die Bereitstellung von Arbeitsgeräten durch diese und die Tatsache, dass die Klägerin auf dem Betriebsgelände der Beklagten die Kommissionierungstätigkeit durchführe. Jedoch würden letztlich jene Kriterien überwiegen, die für das Vorliegen eines Dienstvertrages und nicht eines Arbeitsvertrages sprechen würden. Insbesondere sei die Klägerin nach dem Dienstleistungsvertrag vom 04.01.2006 befugt, sich weiterer Personen, die sie in einem Arbeitsverhältnis einstelle, zur Durchführung der Aufträge zu bedienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 2 ff. des Beschlusses vom 11.05.207 (Bl. 80 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin, der die Entscheidung des Arbeitsgerichtes Koblenz am 21.05.2007 zugestellt worden ist, hat am 23.05.2007 Beschwerde eingelegt.

Die Klägerin führt aus,

der Rechtsweg zum Arbeitsgericht sei schon deshalb eröffnet, weil es sich bei ihr zumindest um eine arbeitnehmerähnliche Person handele. Im Übrigen könne die Arbeitnehmereigenschaft gegeben sein, trotz der Tatsache, dass man eigene Arbeitnehmer beschäftige. Die für die Klägerin tätigen Arbeitnehmer seien im Übrigen auch in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert gewesen. Sie hätten die Stempeluhr der Beklagten bedienen müssen, seien in das Organigramm der Beklagten aufgenommen worden und hätten über entsprechende E-Mail-Adressen verfügt. Den Urlaub dieser Arbeitnehmer sowie die Höhe von deren Gehalt habe die Klägerin mit der Beklagten abstimmen müssen. Die Beklagte habe auch allein entschieden, welcher Arbeitnehmer sich die Klägerin zur Erfüllung ihrer Aufträge bedienen könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 22.05.2007 (Bl. 45 ff. d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat der Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 78 Satz 1, 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 567 ff. ZPO zulässig.

Darüber hinaus ist das Rechtsmittel auch begründet, da der zum Arbeitsgericht von der Klägerin beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Mit dem angekündigten Klageantrag begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 28.02.2007 hinaus fortbesteht. Infolgedessen handelt es sich um einen so genannten sic-non-Fall im Sinne der Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichtes. In einem solchen Fall hängt der Erfolg der Klage nach der Antragstellung auch von Tatsachen ab, die zugleich für die Bestimmung des Rechtweges entscheidend sind. Die beantragte Feststellung setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien tatsächlich bestanden hat. Andernfalls ist der Antrag schon deshalb unbegründet (vgl. BAG, Beschluss vom 11.06.2003 - 5 AZB 43/02 - = AP Nr. 85 zu § 2 ArbGG 1979, m.w.N.).

Auch die von der Klägerin in der Klageschrift geltend gemachten Gründe für eine Unwirksamkeit der Kündigung vom 09.11.2006 greifen nur beim Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses: Ein fehlender Kündigungsgrund kann im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes nur im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden, ebenso die fehlende Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigung. Angesichts der Doppelrelevanz der Frage, ob tatsächlich ein Arbeitsverhältnis besteht, kann der vorliegende Rechtsstreit nicht an das Landgericht verwiesen werden. Vielmehr genügt für die Zulässigkeit des gestellten Klageantrages, dass sich die Klägerin auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses berufen hat. Das Arbeitsgericht wird dementsprechend im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen haben, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Nach alledem war der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichtes abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Berücksichtigung von §§ 78 Satz 1, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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