Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.08.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 122/08
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 1004
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern -Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 23.01.2008 - 4 Ca 669/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Entfernung eines Abmahnungsschreibens aus seiner Personalakte. Der Kläger ist bei der Beklagten seit November 1993 als Kraftfahrer beschäftigt. Mit Schreiben vom 17.09.2007 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung folgenden Inhalts: "Abmahnung Sehr geehrter Herr A., am Freitag, 14. September 2007 haben Sie bei Arbeitsende versäumt das Schaublatt aus dem Kontrollgerät zu entfernen. Der nachfolgende Fahrer H. J. Schmidt hat dies in der Nacht zum 17.09.2007 bemerkt und das Schaublatt bei Herrn G. abgegeben. Wie Sie wissen, sind die Schaublätter fahrerbezogen und müssen bei Fahrzeugwechsel oder Arbeitsende grundsätzlich aus dem Kontrollgerät entfernt werden. Der Kraftfahrer hat seine Schaublätter für die laufende Woche sowie die dieser vorangehenden 15 Tage mitzuführen. Durch arbeitsvertragliche Vereinbarung sind Sie verpflichtet, Ihre Arbeit sorgfältig und gewissenhaft zu erledigen. Wir haben Veranlassung, Sie an die Erfüllung Ihrer Pflichten zu erinnern. Für Ihre Schlechtleistung erteilen wir Ihnen, unbeschadet der bereits ausgesprochenen Kündigung, hiermit letztmals eine Abmahnung. Lediglich vorsorglich machen wir Sie darauf aufmerksam, dass bei zukünftigen Wiederholungen das Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Mit freundlichen Grüßen W. Dienstleistungs & Logistik GmbH

Pirmasens Armin B.

Fuhrparkleiter" Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger - wie im ersten Satz des Abmahnungsschreibens wiedergegeben - es am 14.09.2007 bei Arbeitsende versäumte, das Schaublatt (Tachoscheibe) aus dem Kontrollgerät des von ihm zuvor benutzten Kraftfahrzeuges zu entnehmen. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 17.09.2007 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.01.2008 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seite 6 dieses Urteils (Bl. 47 d. A.) verwiesen. Gegen das ihm am 18.02.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.03.2008 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 16.04.2008 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 25.04.2008 begründet. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, es existiere keine hinreichend eindeutige vertragliche Verpflichtung, bei Fahrzeugwechsel oder Arbeitsende die Schaublätter aus dem Kontrollgerät zu entfernen. Soweit das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung auf die "Fahreranweisung Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr des Kraftfahrtbundesamtes" verwiesen habe, so sei nicht ersichtlich, wie diese Regelungen einer Bundesbehörde zum Inhalt seiner vertraglichen Pflichten geworden sein sollen. Auch aus der von der Beklagten vorgelegten Arbeitsanweisung "IM-AA 03.1: Fuhrpark (Fahrer)" ergebe sich eine diesbezügliche Verpflichtung nicht. Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 17.09.2007 erteilte Abmahnung aus seiner Personalakte zu entfernen. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil. Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die von den Parteien im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Entfernung des Abmahnungsschreibens vom 17.09.2007 aus seiner Personalakte. Mit einer Abmahnung übt ein Arbeitgeber seine arbeitsvertraglichen Gläubigerrechte aus. Er weist den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertraglichen Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge- und Dokumentationsfunktion). Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, weil ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion). Da eine zur Personalakte genommene Abmahnung geeignet ist, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen, darf ein verständiger Arbeitgeber nicht ohne ausreichenden Anlass eine Abmahnung erteilen und sie nur für einen angemessenen Zeitraum aufbewahren. Der Arbeitnehmer kann in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus seinen Personalunterlagen verlangen, wenn das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Ausübung seines Gläubigerrechts fehlt. Ein Arbeitnehmer kann folglich die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht. Soweit dem Arbeitnehmer eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten vorgeworfen wird, kommt es nicht darauf an, ob dieser Pflichtenverstoß dem Arbeitnehmer subjektiv vorwerfbar ist - es reicht aus, wenn der Arbeitgeber einen objektiven Verstoß des Arbeitnehmers gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten rügt. Eine solche Rüge ist nicht nur dann ungerechtfertigt, wenn sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, sondern auch dann, wenn sie auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht (BAG v. 11.12.2001 - AP Nr. 8 zu § 611 BGB Nebentätigkeit). Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Entfernungsanspruch. Die Abmahnung enthält keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen. Der Kläger hat unstreitig am 14.09.2007 nach Arbeitsende das Schaublatt im Kontrollgerät des von ihm zuvor bei seiner Arbeit benutzten Lkw belassen. Die Beklagte ist auch befugt, dieses Verhalten des Klägers als eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen abzumahnen. Die Verpflichtung des Klägers, das Schaublatt nach Arbeitsende aus dem Kontrollgerät des Lkw zu entfernen, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass ihm und auch anderen Fahrern der Beklagten kein festes Fahrzeug zugewiesen ist; vielmehr werden die Lkw von einer Vielzahl von Fahrern genutzt. Schon allein aus dieser Konstellation folgt die für den Kläger erkennbare Notwendigkeit, dass jeder Fahrer die personenbezogene Tachoscheibe, die der Aufzeichnung von Lenkzeiten usw. eines bestimmten Fahrers dient, nach Arbeits- bzw. Fahrtende aus dem Kontrollgerät des jeweiligen Lkw zu entfernen hat. Darüber hinaus hat die Beklagte den Kläger - wie auch alle anderen Fahrer - auf diese Verpflichtung auch hingewiesen. Sie hat unstreitig die "Fahreranweisung Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr" (Bl. 16 ff. d. A.) am Schwarzen Brett ausgehängt. In dieser schriftlichen Fahreranweisung, in welcher ausführlich beschrieben wird, wie mit den Tachoscheiben umzugehen ist, wird sowohl auf Seite 7 (= Bl. 22 d. A.) als auch auf Seite 10 (= Bl. 25 d. A.) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Tachoscheiben nach Ende der Fahrt bzw. bei Fahrzeugwechsel mitzunehmen, also aus dem Kontrollgerät des Fahrzeugs zu entfernen sind. Der Kläger hat somit durch sein Verhalten am 14.09.2007 gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Die Abmahnung ist auch nicht unverhältnismäßig. Es entspricht dem anerkennenswerten Interesse der Beklagten, für einen ordnungsgemäßen Umgang ihrer Fahrer mit den Tachoscheiben zu sorgen und daher auch, diesbezüglichen Pflichtenverstößen von Arbeitnehmern mit dem Mittel einer Abmahnung zu begegnen. Der im streitgegenständlichen Abmahnungsschreiben dokumentierte Pflichtenverstoß des Klägers erweist sich auch nicht als derart geringfügig, dass die Erteilung einer Abmahnung als unverhältnismäßig erachtet werden könnte. Sonstige Umstände, die den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück