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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 02.12.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 588/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 64 Abs. 6 Satz 1
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 540
BGB § 123
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Sa 588/05

Entscheidung vom 02.12.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 09.06.2005 - 4 Ca 360/05 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Bestandskraft eines Aufhebungsvertrages, um Annahmeverzugsansprüche und einen Weiterbeschäftigungsanspruch.

Der Kläger war bei der Beklagten, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Grundstoffen der pharmazeutischen Industrie sowie der Herstellung von diätetischen Lebensmitteln befasst, seit 01.05.2004 mit einem schriftlichen Arbeitsvertrag als Produktmanager unter Vereinbarung einer monatlichen Bruttovergütung von 4.230,00 € beschäftigt.

Zu den Einzelheiten seiner Tätigkeit, dem Text einer in einem für die Verkaufsabteilung der Beklagten generell zugänglichen Ordner gespeicherten E-Mail an einen Freund des Klägers sowie zum Zustandekommen und Inhalt der Aufhebungsvereinbarung vom 22.11.2004, den erstinstanzlich gestellten Anträgen und dem wechselseitigen Vorbringen wird gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 540 ZPO Bezug genommen auf den umfassenden Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 09.06.2005 - 4 Ca 360/05 -.

Im vorerwähnten Erkenntnis wies das Arbeitsgericht die Klage auf Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages vom 22.11.2004, auf Zahlung von 12.690,00 € und auf Weiterbeschäftigung ab.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe - bezogen auf die erklärte Anfechtung - durch die vorweggenommene Bekanntgabe der Ergebnisse der Studie zur Bioverfügbarkeit des Präparates xxx im Rahmen einer privaten E-Mail gegen die in § 11 des Arbeitsvertrages festgehaltene Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Der Kläger habe gerade nicht beabsichtigt, einen Kunden für das Produkt der Beklagten zu werben, sondern sich hinter deren Rücken Gedanken über eine selbstständige Tätigkeit gemacht. Dadurch habe der Kläger seine ureigenste Aufgabe, den Vertrieb der Produkte im Interesse der Beklagten voranzubringen, verletzt. Ein beim Kläger vorhandenes Unrechtsbewusstsein würde durch den Inhalt der E-Mail deutlich. Durch das Versenden der E-Mail über seinen privaten E-Mail-Account habe er dienstlich bekannt gewordene Informationen privat genutzt. Hierin läge eine Verletzung des Arbeitsvertrages und des Vertrauensverhältnisses. In der Folge bestünden keine Ansprüche auf Annahmeverzugsvergütung oder Weiterbeschäftigung.

Wegen der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 23.09.2005 (Bl. 121 - 124 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat zweitinstanzlich beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 09.06.2005 - 4 Ca 360/05 - aufzuheben,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 22.11.2004 nicht beendet worden ist,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.690,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Diskontsatz der EZB auf 4.230,00 € seit dem 02.02.2005 sowie auf 8.460,00 € seit dem 02.03.2005 und auf die Gesamtsumme ab dem 04.04.2005 zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreites zu den Bedingungen des Dienstvertrags vom 18.03.2004 als Produktmanager weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat

Zurückweisung der Berufung

beantragt und erwidert,

dem Kläger stünde kein Anfechtungsgrund zur Seite. Vor dem Hintergrund der privaten E-Mail vom 28.10.2004 habe sie - die Beklagte - von einem Recht zur außerordentlichen Kündigung ausgehen dürfen. Der Kläger habe - unabhängig von der Frage, ob die Ergebnisse der Studie erst in den USA öffentlich habe bekannt gemacht werden sollten - mit betriebsintern erlangen Informationen eine selbstständige Tätigkeit angedacht bzw. vorbereitet. Insoweit habe es sich um eine vertrauliche, interne Information gehandelt, die der Kläger privat weitergegeben habe. Diesbezüglich hätte kein Einverständnis der Beklagten vorgelegen. Im Übrigen seien sämtliche Informationen, die nach außen gingen, mit dem Informationsbeauftragten der Beklagten abzustimmen. Briefe und Faxe seien immer mit der Geschäftsleitung abzusprechen und mit zwei Unterschriften zu versehen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbeantwortung wird auf den Schriftsatz vom 27.10.2005 (Bl. 138 - 142 d. A.) Bezug genommen. Des Weiteren wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 02.12.2005 sowie den vorgelegten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers ist nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Es ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Es ist somit zulässig.

II.

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung zutreffend darauf erkannt, dass das zwischen den Parteien seit 01.05.2004 bestehende Arbeitsverhältnis durch den am 22.11.2004 geschlossenen Aufhebungsvertrags rechtswirksam zum 31.12.2004 beendet wurde. Die mit Anwaltschreiben vom 27.01.2005 erklärte Anfechtung greift nicht durch. In der Folge besteht weder ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung noch ein solcher auf Annahmeverzugsvergütung.

Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt die Kammer zunächst gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 540 ZPO auf den diesbezüglich begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht hier unter Übernahme der Entscheidungsgründe von einer weiteren Darstellung ab.

Wegen der Angriffe der Berufung besteht Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

1.

Soweit die Berufung zunächst die Auffassung vertritt, die Anfechtung sei begründet, weil die Beklagte den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nur dann hätte ernsthaft in Erwägung ziehen dürfen, wenn durch die private E-Mail des Klägers auch schützenswerte Interessen der Beklagten verletzt worden wären, greift sie den vom Arbeitsgericht zugrunde gelegten Rechtsmaßstab und dessen Sachverhaltsbewertung an. Mit der nach § 123 BGB erklärten Anfechtung könnte der Kläger jedoch nur dann durchdringen, wenn die Beklagte unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles davon hätte ausgehen dürfen, dass die angedrohte Kündigung im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten würde (vgl. BAG, Urteile vom 06.12.2001 - 2 AZR 396/00; vom 09.03.1995 - 2 AZR 644/94 = NZA 1996, 875, 877 und Urteil vom 21.03.1996 - 2 AZR 543/95 = EzA BGB § 123 Nr. 42).

Vorliegend ist zu sehen, dass der Kläger aufgrund seiner Vorbildung als Akademiker in der verantwortlichen Position eines Produktmanagers bei der Beklagten tätig gewesen ist und er schon aus diesen Gründen eine besondere Loyalitätspflicht gegenüber seinem Arbeitgeber hatte. Aus der allein maßgeblichen Sicht der Beklagten durfte nach dem Bekanntwerden des Inhalts der privaten E-Mail, in welcher ein Informationsvorsprung hinsichtlich der Bioverfügbarkeit eines Präparates bereits nach relativ kurzer Betriebszugehörigkeit ausgenutzt werden sollte und Loslösungstendenzen des Kläger erkennbar wurden, durchaus Zweifel an der Loyalität des Klägers zur Beklagten aufkommen. Die Drohung der Beklagten mit einer fristlosen Kündigung anlässlich des Gesprächs, das zum Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 22.11.2004 führte, ist damit nicht als widerrechtlich im Sinne von § 123 BGB zu werten. Es liegt keine Inadäquanz von Mittel und Zweck vor (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.1997 - 10 Sa 622/96).

2.

Aus vorgenannten Gründen kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Behauptungen der Beklagten zur Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie unsubstantiiert waren - so der weitere Angriff der Berufung. Aus Sicht der Beklagten wollte sich der Kläger mit betriebsintern erlangten Informationen erkennbar von der Beklagten lösen. Dies genügt nach dem Stand der für zutreffend gehaltenen Rechtsprechung. Es kommt nicht darauf an - dies hat das Arbeitsgericht zutreffend gesehen - ob die angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte (vgl. BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 327/02 - n.V.), sondern allein auf die Sicht eines "verständigen" Arbeitgebers.

Insoweit greifen auch die weiteren Angriffe der Berufung auf die Feststellung des Arbeitsgerichts zu einem in der E-Mail zum Ausdruck gekommenen Unrechtsbewusstsein des Klägers, zur nicht gegeben Qualifizierung der Ergebnisse der Studie als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder zur nicht gegebenen Verpflichtungen aus § 11 des Arbeitsvertrages, nicht durch. Dies hätte möglicherweise rechtliche Relevanz bei der Überprüfung einer - vorliegend nicht ausgesprochenen - außerordentlichen Kündigung. Der Prüfungsmaßstab bei einer Anfechtung ist soweit deutlich strenger. Hinzu kommt, dass die Beklagte im Berufungsverfahren vorgebracht hat, dass sämtliche Informationen, die nach außen gingen, mit ihrem Informationsbeauftragten abzustimmen, sowie Briefe und Faxe immer mit der Geschäftsleitung abzusprechen und mit zwei Unterschriften zu versehen seien. Die Vorgehensweise des Klägers wird diesen Anforderungen erkennbar nicht gerecht. Von einer Widerrechtlichkeit der Drohung im Sinne von § 123 BGB kann daher insgesamt nicht ausgegangen werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG. Da die bisher entwickelte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausreichende Leitlinien zur Lösung des vorliegenden Falles zur Verfügung stellt und sich auch keine neuen Rechtsfragen stellen, sieht die Kammer von der Zulassung der Revision ab.

Ende der Entscheidung

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