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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.01.2009
Aktenzeichen: 8 Sa 656/08
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, TVG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 133
BGB § 157
BGB §§ 305 ff.
BGB § 305 c
BGB § 310 Abs. 4
TVG § 3
TVG § 4 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 07.10.2008, Az: 8 Ca 877/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten über Arbeitsentgeltansprüche des Klägers.

Der Kläger ist seit dem 01.09.1997 bei der Beklagten als Sicherheitsmitarbeiter beschäftigt. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Wach- und Sicherheitsunternehmen, welches ausschließlich den bewaffneten Schutz von US-amerikanischen Liegenschaften in der Bundesrepublik Deutschland durchführt. Der zwischen den Parteien am 27.08.1997 geschlossene Arbeitsvertrag enthält u. a. folgende Bestimmung:

"3. Entlohnung: [ DM 3.190,00] monatlich

Weitere Arbeitskonditionen werden geregelt mit dem Tarifvertrag zwischen dem Arbeitgeber und der Gewerkschaft ÖTV für Arbeitnehmer, die im Rahmen des Bewachungsauftrages mit HQ-USAREUR; 7th Army - derzeitige Vertragsnummer DAJA22-97-C-0045- beschäftigt werden."

Der in Ziffer 3 des Arbeitsvertrages genannte Tarifvertrag enthält u. a. folgende Regelung:

"§ 2 Arbeits- und Einkommensbedingungen

Es gelten die Bestimmungen für das Wachpersonal gemäß des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland - TVAL II - nebst Anhängen, in der jeweils gültigen Fassung soweit im Folgenden nichts Abweichendes geregelt ist."

Die Beklagte kündigte diesen Tarifvertrag fristgerecht zum 31.08.2008.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe auch für die Zeit nach dem 31.08.2000 einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt nach Maßgabe der jeweils gültigen Gehaltstabelle ZW des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften (TVAL II). Die Beklagte sei nach wie vor verpflichtet, seine Arbeitsvergütung entsprechend den tariflichen Bestimmungen zu erhöhen. Unter Zugrundelegung des TVAL II belaufe sich seine Vergütung auf 2.182,22 EUR. Da ihm die Beklagte lediglich 1.654,36 EUR zahle, habe er für die Monate Dezember 2007 bis einschließlich Juni 2008 einen Nachzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 3.695,02 EUR brutto. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.695,02 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2008 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Von einer weitergehenden (wiederholenden) Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 07.10.2008 (Bl. 88 bis 90 d. A.). Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.10.2008 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 bis 6 dieses Urteils (= Bl. 90 bis 92 d. A.) verwiesen. Gegen das ihm am 21.10.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.10.2008 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass der Arbeitsvertrag vom 27.08.1997 nur teilweise auf tarifvertragliche Bestimmungen Bezug nehme. Bei einer solchen Teilverweisung finde die Bestimmung des § 310 Abs. 4 BGB keine Anwendung, d. h. es finde auch insoweit eine Inhaltskontrolle nach dem § 305 ff. BGB statt. Unter Zugrundelegung der Auslegungsregeln der §§ 305 ff. BGB, insbesondere der Unklarheitenregelung des § 305 c BGB sei die vertragliche Vergütungsvereinbarung in Verbindung mit § 2 des Haustarifvertrages vom 22.07.1997 dahingehend auszulegen, dass der TVAL II nebst Anhängen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finde, soweit nichts Abweichendes geregelt sei. Eine abweichende Regelung, wonach im Falle der Aufkündigung des Haustarifvertrages die dynamische Verweisung nicht weiter gelten solle, sei nicht getroffen worden. Auch aus der Inbezugnahme im Arbeitsvertrag als solcher ergebe sich nichts anderes. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte bis zur Kündigung des Haustarifvertrages sein Arbeitsentgelt immer den tariflichen Erhöhungen angepasst habe. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 27.10.2008 (Bl. 98 bis 101 d. A.) sowie auf den Schriftsatz vom 05.12.2008 (Bl. 122 f. d. A.) Bezug genommen. Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.695,02 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2008 zu zahlen. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zur Darstellung ihres Vorbringens im Berufungsverfahren im Einzelnen wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 17.11.2008 (Bl. 112 bis 118 d. A.) Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr zu Recht abgewiesen. II. Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Entgeltdifferenzen für die Monate Dezember 2007 bis Juni 2008, da sich das ihm zustehende Arbeitsentgelt in der Zeit nach dem 31.08.2000 nicht mehr nach Maßgabe der tariflichen Entgeltsteigerungen des TVAL II erhöht hat. Dabei kann offen bleiben, ob Ziffer 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages überhaupt dahingehend auszulegen ist, dass sich (auch) die Arbeitsvergütung des Klägers nach dem dort genannten Firmentarifvertrag, der seinerseits wieder auf den TVAL II Bezug nimmt, richten soll. Gegen diese Annahme könnte sprechen, dass in der betreffenden Vertragsklausel als "Entlohnung" ein konkreter Betrag genannt ist und der Tarifvertrag hinsichtlich "weiterer Arbeitskonditionen" Anwendung finden soll. Ob diese "weiteren Arbeitskonditionen" nach dem Vertragsinhalt auch das Arbeitsentgelt des Klägers umfassen, erscheint zweifelhaft. Für eine solche Annahme könnte jedoch sprechen, dass sich die vertragliche Bezugnahme auf tarifliche Vorschriften im Arbeitsvertrag unter der dortigen Ziffer 3 befindet, die mit dem Begriff "Entlohnung" betitelt ist. Auch hat die Beklagte nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Klägers dessen Arbeitsvergütung bis zum Ablauf des in Ziffer 3 des Arbeitsvertrages genannten Tarifvertrages immer entsprechend den tarifvertraglichen Vorschriften erhöht. Aber auch wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass sich seine Arbeitsvergütung nach Ziffer 3 des Arbeitsvertrages nach den Bestimmungen des dort genannten Tarifvertrages richten soll, so bestand nach dem 31.08.2000 für die Beklagte keine Verpflichtung mehr, das Arbeitsentgelt des Klägers nach Maßgabe der Tarifsteigerungen des TVAL II zu erhöhen. Zwar gelten nach § 2 des Firmentarifvertrages die Bestimmungen für das Wachpersonal gemäß dem TVAL II nebst Anhängen in der jeweils gültigen Fassung. Der Firmentarifvertrag ist jedoch von der Beklagten fristgerecht zum 31.08.2000 gekündigt worden mit der Folge, dass die verweisende Tarifbestimmung (§ 2 des Haustarifvertrages) ab diesem Zeitpunkt nur noch gemäß § 4 Abs. 5 TVG nachwirkte. Inhaltlich beschränkt sich die Nachwirkung einer Tarifregelung darauf, dass der Zustand bis zum Abschluss einer anderen Abmachung erhalten bleibt, der bei Beendigung des Tarifvertrags bestanden hat. Dies gilt auch dann, wenn die nachwirkende Tarifnorm auf eine fremde Regelung verweist, die ihrerseits während der Zeit der Nachwirkung der verweisenden Tarifbestimmung inhaltlich verändert wird. Bei einer dynamischen Verweisung in einem Tarifvertrag auf eine andere tarifliche Regelung ist der verweisende Tarifvertrag selbst unvollständig. Er wird erst durch die in Bezug genommenen Regelungen vervollständigt. Diese sind der Sache nach Teil der Normen des verweisenden Tarifvertrages (BAG v. 29.01.2008 - 3 AZR 426/06 - AP Nr. 49 zu § 4 TVG Nachwirkung). Daher gelten im Bereich des verweisenden Tarifvertrages die in Bezug genommenen Tarifnormen in der bei Ablauf der Verweisungsnorm geltenden Fassung weiter, selbst wenn die in Bezug genommenen Tarifnormen geändert werden. Das Einfrieren der bei Kündigung des Tarifvertrags bestehenden Situation entspricht der Überbrückungsfunktion der Nachwirkung (BAG v. 24.11.1999 - 4 AZR 666/98 - AP Nr. 34 zu § 4 TVG Nachwirkung). Somit lässt sich aus § 2 des zum 31.08.2000 gekündigten Firmentarifvertrages kein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Arbeitsvergütung entsprechend der nach diesem Zeitpunkt eingetretenen Erhöhungen der Gehaltstabelle ZW des TVAL II herleiten. Die in Ziffer 3 des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien getroffene Abrede ist auch nicht dahingehend auszulegen, dass der im arbeitsvertraglich vereinbarten Firmentarifvertrag in Bezug genommene TVAL II in der jeweils gültigen Fassung unabhängig vom Außerkrafttreten des Firmentarifvertrages zum Vertragsinhalt geworden ist. Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des BAG ist die Bezugnahme in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge in der jeweiligen Fassung regelmäßig als Gleichstellungsabrede auszulegen, wenn andere für die Auslegung der vertraglichen Bezugnahme gemäß §§ 133, 157 BGB bedeutsame Umstände dem nicht entgegenstehen. Diese Auslegungsregel ist auf dynamische Verweisungsklauseln die - wie im vorliegenden Fall - vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 01.01.2002 vereinbart worden sind, weiterhin anzuwenden (BAG v. 18.04.2007 - 4 AZR 653/05 - AP Nr. 54 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). Ziffer 3 des Arbeitsvertrages der Parteien beinhaltet daher eine sogen. Gleichstellungsabrede. Da die Beklagte selbst an den Firmentarifvertrag gebunden war, sollte durch diese Verweisungsklausel erreicht werden, dass für alle Arbeitnehmer unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit gleiche Arbeitsbedingungen gelten. Die vertragliche Bezugnahme sollte eine Gleichstellung der nicht organisierten mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern bewirken. Ohne die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft überprüfen zu müssen, sollte die Beklagte jeweils den Firmentarifvertrag anwenden können, an den sie gebunden war. Die Bezugnahme ersetzte lediglich die fehlende Mitgliedschaft des Klägers in der tarifschließenden Gewerkschaft und stellte ihn so, als wäre er tarifgebunden. Aus dem Wortlaut des Arbeitsvertrages der Parteien lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, die auf einen über die Gleichstellung aller Arbeitnehmer hinausgehenden Regelungswillen der Vertragsparteien hindeuten. Die vorliegende vertragliche Bezugnahme hat daher keine weitergehende Tarifgeltung bewirken sollen als in der Beziehung zwischen den nach § 3 TVG tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien. Eine solche Gleichstellungsabrede begründet keine Rechtsposition, die über die bei Tarifgebundenheit hinausgeht (BAG v. 29.08.2001 - 3 AZR 426/06 - AP Nr. 49 zu § 4 TVG Nachwirkung). Somit gilt zwischen den Parteien der im arbeitsvertraglich vereinbarten Firmentarifvertrag in Bezug genommene TVAL II nur noch in der im Zeitpunkt des Ablaufs des Firmentarifvertrages (31.08.2000) geltenden Fassung. III. Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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