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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 18.04.2007
Aktenzeichen: 8 Sa 786/06
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Sa 786/06

Entscheidung vom 18.04.2007

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.04.2006, Az.: 8 Ca 3092/04, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Die am 25.08.1951 geborene, ledige und keiner Person zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war bei der Beklagten seit dem 02.07.1973 als Kommissioniererin beschäftigt. Die Beklagte, die einen Arzneimittelgroßhandel betreibt, beschäftigt über 100 Arbeitnehmer.

In den Jahren 1990 bis 2000 war die Klägerin an insgesamt 594 Arbeitstagen arbeitsunfähig krank. Im Jahre 2001 fehlte sie wegen unterschiedlichen Erkrankungen an insgesamt 48 Arbeitstagen, im Jahr 2002 an 36 Arbeitstagen, im Jahr 2003 an 62 Arbeitstagen und im Jahr 2004 (bis einschließlich Oktober 2004) an 48 Arbeitstagen. Zur Darstellung der Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin seit dem Jahr 2001 im Einzelnen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (dort: Seite 3 f. = Bl. 201 f. d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 28.10.2004, welches der Klägerin noch am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.10.2005. Gegen diese Kündigung richtet sich die von der Klägerin am 05.11.2004 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. Oktober 2004 nicht beendet wird;

2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichenBedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.04.2006 (Bl. 201-207 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des Hausarztes der Klägerin als sachverständigem Zeugen sowie durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Zeugenaussage vom 15.06.2005 (Bl. 102 -104 d.A.) sowie auf das Sachverständigengutachten vom 30.01.2006 (Bl. 152 -168 d.A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.04.2006 abgewiesen. Wegen der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 9 -18 dieses Urteils (=Bl. 207-216 d.A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 20.09.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.10.2006 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 20.01.2006 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 20.12.2006 begründet.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor,

entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts könne nicht von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen werden. Das Arbeitsgericht habe medizinische Sachverhalte beurteilt, ohne über die dazu erforderliche Sachkenntnis zu verfügen und ohne sich insoweit ausreichend auf die Angaben in der schriftlichen Zeugenaussage sowie im Sachverständigengutachten stützen zu können. Die Beweisfage sei durch das eingeholte Gutachten nicht hinreichend konkret bzw. differenziert beantwortet worden. Das Gutachten sei aus mehreren Gründen nicht als Grundlage für eine Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits geeignet. Es hätte daher der Einholung eines weiteren Gutachtens bedurft. Bei der Interessenabwägung habe das Arbeitsgericht ihre sehr lange Betriebstreue von 31 Jahren nicht angemessen berücksichtigt. Entsprechendes gelte hinsichtlich der erlittenen Schicksalsschläge (Tod des Vaters und des Bruders) sowie weiterer vermeidbarer Beeinträchtigungen, wie etwa Arbeitszeitende erst um 19.00 Uhr mit anschließender Wartezeit auf öffentliche Verkehrsmittel ab 20.45 Uhr. Damit habe das Arbeitsgericht die persönliche Situation der Klägerin fast völlig außer Acht gelassen und auch die Mitverantwortung der Beklagten nicht gewürdigt. Bei langen Wartezeiten an Bushaltestellen sei jedenfalls im Winterhalbjahr nicht damit zu rechnen, dass man sich Erkältungskrankheiten mit Erfolg entziehen könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.04.2006 - 8 Ca 3092/04 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.10.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die von den Parteien im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung abgewiesen.

Die Klage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene ordentliche Kündigung aufgelöst worden. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG.

Das Berufungsgericht folgt den sehr ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin erscheinen lediglich folgende ergänzende Darstellungen angezeigt:

Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt des Ausspruchs der streitbefangenen Kündigung die Besorgnis zukünftiger krankheitsbedingter Fehlzeiten der Klägerin im bisherigen Umfang gegeben war und somit eine negative Zukunftsprognose bestand. Dies ergibt sich aus den krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin in der Vergangenheit, der Art der jeweiligen Erkrankungen sowie auch dem Ergebnis der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme. Das Arbeitsgericht hat das Ergebnis der Beweisaufnahme zutreffend gewürdigt. Dieser Würdigung schließt sich das Berufungsgericht uneingeschränkt ein. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das Arbeitsgericht auch keine eigenen medizinischen Erwägungen in seine diesbezüglichen Ausführungen einfließen lassen. Das Arbeitsgericht hat vielmehr ausschließlich die Bekundungen des sachverständigen Zeugen sowie den Inhalt des eingeholten Sachverständigengutachtens verwertet. Hinsichtlich des Bestehens einer negativen Gesundheitsprognose zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs ist den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen (ansonsten) nicht hinzuzufügen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das Arbeitsgericht bei der Durchführung der im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung auch zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die infolge der prognostizierten Fehlzeiten der Klägerin eintretenden wirtschaftlichen Beeinträchtigungen von der Beklagten billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. Zwar sind zugunsten der Klägerin sowohl ihr Lebensalter von 53 Jahren (bei Kündigungsausspruch) als auch insbesondere ihre sehr lange Betriebszugehörigkeit (31 Jahre) zu berücksichtigen. Auch kann die schlechte Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Die Klägerin kann sich im Rahmen der Interessenabwägung jedoch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte trage im Hinblick auf das späte Arbeitszeitende und die damit für sie - die Klägerin - verbundene lange Wartezeit auf öffentliche Verkehrsmittel eine Mitverantwortung bezüglich der häufig eingetretenen Erkältungskrankheiten. Diesbezüglich hat bereits der Sachverständige in seinem Gutachten (dort S. 4 = Bl. 165 d.A.) zutreffend ausgeführt, dass erheblich bezweifelt werden muss, dass auch in den Sommermonaten wiederholt extreme Witterungsverhältnisse vorlägen, die beim Aufenthalt an Bushaltestellen zu Infekten der oberen Luftwege führen könnten. Gleichwohl liegen die auf Infektionen der Atemwege beruhenden Ausfallzeiten der Klägerin in der Vergangenheit auch in den Monaten Mai bis August. Die Ursachen der Erkrankungen der Klägerin liegen nicht im betrieblichen Bereich begründet, sondern finden zumindest eine Mitursache - wie der Sachverständige in seinem Gutachten ausführt - in ihren Lebensgewohnheiten. Zugunsten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin während der letzten 14 Jahre des Beschäftigungsverhältnisses nahezu in jedem Jahr mehr als sechs Wochen von der Arbeit krankheitsbedingt fern geblieben ist und die Beklagte jeweils Entgeltfortzahlungskosten von mehr als sechs Wochen zu tragen hatte. Das Arbeitsverhältnis ist bereits seit vielen Jahren von erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin geprägt. Eine weitere Belastung mit Entgeltfortzahlungskosten in einer Höhe, wie sie in der Vergangenheit anfielen, ist der Beklagten billigerweise nicht mehr zuzumuten. Insgesamt überwiegt das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Klägerin an dessen Fortbestand.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin nebst der sich aus §§ 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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