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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 02.04.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 803/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, TVAL II


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 1
TVAL II § 45
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 15.11.2007 - AZ: 8 Ca 1158/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer vorsorglich ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

Der am 31.03.1974 geborene Kläger war seit dem 01.03.2003 bei den V-Stationierungsstreitkräften, zuletzt bei der Dienststelle Commissary Z als Lager- und Verkaufsangestellter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) Anwendung.

Mit Kenntnis und Genehmigung der V-Streitkräfte übt der Kläger eine Nebentätigkeit aus bei dem Lebensmittelhersteller Y, für den er im V-Lebensmittelmarkt Commissary W Regale auffüllt.

Wegen eines Umzuges hatte der Kläger am 16.07.2007 einen Tag frei. Am 19.07.2007 bat er diesbezüglich für den 20.07.2007 um einen weiteren Tag Dienstbefreiung. Dies wurde ihm nicht genehmigt und angeboten, stattdessen einen Tag Urlaub zu nehmen. Der Kläger lehnte dieses Angebot ab mit der Bemerkung, er werde dann arbeiten.

Am Vormittag des 20.07.2007 erklärte der Kläger gegenüber seinem Vorgesetzten, er fühle sich krank, meldete sich bei seiner Dienststelle ab und begab sich zum Arzt. Mit ärztlicher Bescheinigung vom 20.07.2007 (Bl. 33 d. A.) wurde er sodann bis einschließlich 25.07.2007 arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Im Zeitraum vom 21.07. bis 23.07. 2007 hatte der Kläger gemäß dem Dienstplan seiner Dienststelle frei. Er arbeitete jedoch am 20.07., 21.07., 24.07. und 25.07 - jeweils nachts - für die Fa. Y. Darüber hinaus erschien er im betreffenden Zeitraum auch mehrmals bei seiner Dienststelle. Diesbezüglich ist zwischen den Parteien streitig, ob der Kläger dabei auch Arbeitsleistungen erbracht hatte.

Am 26.07.2007 erkundigte sich der Kläger bei seiner Dienststelle, ob er die Anwesenheitszeiten während seiner Arbeitsunfähigkeit zusätzlich vergütet bekomme. Im Rahmen der daraufhin eingeleiteten und durchgeführten Ermittlungen erfuhr die Dienststellenleitung davon, dass der Kläger während der Zeit seiner ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit für die Firma Y gearbeitet hatte.

Mit Schreiben vom 06.08.2007 kündigten die V-Streitkräfte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie mit Schreiben vom 20.08.2007 vorsorglich auch ordentlich zum 30.11.2007. Gegen diese Kündigungen richtet sich die vom Kläger am 06.08.2007 eingereichte und am 27.08.2007 erweiterte Klage.

Der Kläger hat erstinstanzlich ein ärztliches Attest vom 09.10.2007 (Bl. 62 d. A.) zu den Akten gereicht, in welchem ausgeführt wird: "Der Patient sollte wegen der Erkrankung im Juli 2007 keinen Umgang mit Lebensmitteln (Fleisch) haben. Daher war er von mir vom 20.07.07 bis 25.07.07 krank geschrieben."

Der Kläger hat erstinstanzlich u. a. vorgetragen, am Vormittag des 20.07.2007 habe er unter starken Magenschmerzen und Übelkeit gelitten. Die ihn behandelnde Ärztin habe einen schweren Magen-Darm-Infekt festgestellt. Wegen der damit verbundenen Ansteckungsgefahr habe er den Kontakt zu frischen Lebensmitteln meiden sollen. Nach der Einnahme von Medikamenten habe er sich am späten Abend des 20.07.2007 wieder besser gefühlt und daher seine Arbeit für die Fa. Y im Commissary W aufgenommen. Dort habe er keinerlei Kontakt mit frischen Lebensmitteln, da sich seine dortige Tätigkeit darauf beschränke, Büchsen und Dosen in Regale einzuräumen. Demgegenüber sei er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses bei den V-Streitkräften nicht nur mit der täglichen Bestellung von Lebensmitteln, sondern insbesondere auch mit der Entgegennahme und dem Einsortieren frischer Lebensmittel (Fleisch, Geflügel) betraut. Zwar treffe es zu, dass die frischen Lebensmittel vakuumverpackt seien. Zahlreiche der gelieferten Verpackungen seien jedoch beschädigt mit der Folge, dass Blut austrete. Von diesen Waren seien sodann die Verpackungen zu entfernen und die Lebensmittel an das Lieferunternehmen zurückzuschicken, damit diese sodann erneut vakuumverpackt an die Dienststelle geliefert werden könnten. Geflügel, welches in beschädigten Verpackungen angeliefert worden sei, verpacke er selbst mit einer Maschine neu. Er komme daher zwangsläufig Tag für Tag in unmittelbaren Kontakt mit frischen Lebensmitteln. Gleichwohl sei er in der Zeit vom 21. bis 25.07.2007 stets zur Dienststelle gefahren, um dort - soweit möglich - seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, nämlich die täglichen Lebensmittelbestellungen vorzunehmen. Dabei habe er keinen Kontakt mit Lebensmitteln gehabt. Es sei für ihn völlig unverständlich, dass ihm nunmehr angekreidet werde, dass er trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit seine Arbeitsleistung teilweise erbracht habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis bei den V-Stationierungsstreitkräften nicht durch die Kündigung vom 06.08.2007 beendet worden ist,

2. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis bei den V-Streitkräften nicht durch die mit Schreiben vom 20.08.2007 ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 30.11.2007 aufgelöst wird. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich u. a. vorgetragen, der Kläger habe das Bestehen seiner Arbeitsunfähigkeit vom 20.07. bis 25.07.2007 vorgetäuscht. Dies ergebe sich daraus, dass er in dem betreffenden Zeitraum für die Fa. Y gearbeitet habe. Warum der Kläger sich trotz seiner behaupteten Arbeitsunfähigkeit in dieser Zeit mehrfach zu seiner Dienststelle begeben habe, sei nicht bekannt. Arbeitsleistungen habe er dabei jedenfalls nicht erbracht. Die Lebensmittel in der Commissary X seien vakuumverpackt und der Kläger komme daher gerade nicht in Berührung mit frischen Lebensmitteln. Es sei nicht zulässig, bei beschädigten Verpackungen die Ware neu zu verpacken. Dies geschehe auch nicht.

Von einer weitergehenden wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 15.11.2007 (dort S. 2-5 = Bl. 83-86 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 15.11.2007 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 8 dieses Urteils (= Bl. 87-89 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 29.11.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.12.2007 Berufung eingelegt und diese am 29.01.2008 begründet.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt. Dem Kläger falle ein Entgeltfortzahlungsbetrug zur Last. Der Beweiswert der von ihm vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert. Dies ergebe sich bereits daraus, dass er in der Zeit der von ihm behaupteten Arbeitsunfähigkeit Arbeitsleistungen für die Fa. Y erbracht habe. Die dabei vom Kläger im Commissary W erbrachten Arbeitsleistungen seien nahezu identisch mit denjenigen, die er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit den V-Streitkräften zu erbringen habe. Es werde bestritten, dass der Kläger unter einem Magen-Darm-Infekt gelitten habe. Es treffe auch nicht zu, dass er in dem betreffenden Zeitraum Arbeitsleistungen in der Dienststelle erbracht habe. Soweit der Kläger behaupte, Lebensmittelbestellungen vorgenommen zu haben, so stehe dem der Umstand entgegen, dass er sich nicht unter seinem Passwort in das Computersystem der Dienststelle eingeloggt habe. Ebenso wenig treffe es zu, dass er bei seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit mit Fleisch in Kontakt komme. Das Fleisch sei grundsätzlich ordnungsgemäß verschweißt und versiegelt. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung auch die sonstigen, bereits erstinstanzlich vorgetragenen Umstände, die gegen die vom Kläger behauptete Arbeitsunfähigkeit sprächen, unberücksichtigt gelassen. Gehe man zu Gunsten des Klägers davon aus, er sei seinerzeit tatsächlich krank gewesen, so sei die außerordentliche Kündigung gleichwohl gerechtfertigt, da der Kläger durch das nächtliche Arbeiten für die Fa. Y den Heilungsprozess gefährdet habe. Das Arbeitsverhältnis sei jedoch jedenfalls durch die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung aufgelöst worden.

Zur näheren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 29.01.2008 (Bl. 110-118 d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 26.03.2008 (Bl. 156-161 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zur Darstellung seines Vorbringens im Berufungsverfahren im Einzelnen wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 04.03.2008 (Bl. 141-146 d. A.) sowie auf den Schriftsatz vom 31.03.2008 (Bl. 163-165 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage vielmehr zu Recht insgesamt stattgegeben.

II. Die Kündigungsschutzklagen sind begründet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers bei den V-Streitkräften ist weder durch die außerordentliche Kündigung vom 06.08.2007 noch durch die ordentliche Kündigung vom 20.08.2007 zum 30.11.2007 aufgelöst worden.

1. Die streitbefangene fristlose Kündigung ist in Ermangelung eines wichtigen Grundes i. S. v. §§ 626 Abs. 1 BGB, 45 TVAL II rechtsunwirksam.

Ein wichtiger Grund i. S. v. §§ 626 Abs. 1 BGB, 45 TVAL II ist nach der gesetzlichen bzw. tariflichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d. h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

Vorliegend fehlt es bereits an einem Sachverhalt, der grundsätzlich den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigen könnte.

Die Beklagte stützt die streitbefangene außerordentliche Kündigung in erster Linie auf das Vortäuschen einer Krankheit. Diesbezüglich ist allgemein anerkannt, dass ein Arbeitnehmer, der nachgewiesenermaßen seine Krankheit nur vortäuscht, dadurch eine schwere Vertragsverletzung begeht, die je nach den Umständen des Einzelfalles eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.

Stützt der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess die Kündigung auf die Behauptung, der Arbeitnehmer habe eine Krankheit lediglich vorgetäuscht, so trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast, dass der Arbeitnehmer tatsächlich nicht arbeitsunfähig erkrankt war. Legt der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vor, so begründet dieses in der Regel den Beweis für die Arbeitsunfähigkeit. Bezweifelt der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, dann muss er die Umstände, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, näher darlegen und notfalls beweisen, um dadurch die Beweiskraft des Attestes zu erschüttern. Ist dies dem Arbeitgeber gelungen, so tritt hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast wieder der selbe Zustand ein, wie er vor Vorlage des Attests bestand. Es ist dann wiederum Sache des Arbeitnehmers, nunmehr angesichts der Umstände, die gegen eine Arbeitsunfähigkeit sprechen, weiter zu substantiieren, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat, welche Medikamente z. B. bewirkt haben, dass er zwar immer noch nicht die geschuldete Arbeit bei seinem Arbeitgeber verrichten konnte, aber zu anderweitigen Tätigkeiten in der Lage war. Kommt der Arbeitnehmer insoweit seiner Substantiierungspflicht nach, so muss der Arbeitgeber aufgrund der ihm obliegenden Beweislast den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers widerlegen (BAG v. 26.08.1993 - 2 AZR 154/93 - AP-Nr. 112 zu § 626 BGB).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 20.07. bis 25.07.2007 lediglich vorgetäuscht hat. Dies gilt auch dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten davon ausgeht, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 20.07.2007 dadurch erschüttert worden ist, dass der Kläger im attestierten Krankheitszeitraum Arbeitsleistungen für die Fa. Y erbracht hat. Der Kläger hat nämlich substantiiert und nachvollziehbar dargetan, aus welchen Gründen er sich in der Lage sah, zwar seine Nebentätigkeit, jedoch nicht die im Rahmen seines Arbeitsvertrages mit den V-Streitkräften geschuldeten Tätigkeiten in vollem Umfang auszuüben. So hat der Kläger vorgetragen, dass seine Krankschreibung für die Zeit vom 20.07. bis 25.07.2007 nicht etwa deshalb erfolgte, weil er seine vertragliche geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben konnte oder weil durch die Ausübung der Tätigkeit die Heilung verhindert oder verzögert werden konnte, sondern vielmehr wegen der mit seiner Erkrankung (Magen-Darm-Infekt) im Zusammenhang mit dem Umgang mit frischen Lebensmitteln verbundenen Ansteckungsgefahr. Der diesbezügliche Sachvortrag des Klägers wird durch den Inhalt des ärztlichen Attestes vom 09.10.2007 bestätigt, in welchem die behandelnde Ärztin ausdrücklich hervorhebt, dass die Krankschreibung deshalb erfolgte, weil der Kläger wegen der Erkrankung keinen Umgang mit Lebensmitteln (Fleisch) haben sollte. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Fa. Y kommt der Kläger - nach seiner Behauptung - nicht mit frischen Lebensmitteln in Kontakt, sondern hat vielmehr lediglich die Aufgabe, Büchsen und Dosen in Regale einzuräumen. Die Beklagte hat dieses Vorbringen des Klägers zwar (pauschal) bestritten, jedoch diesbezüglich keinerlei Beweismittel angeboten. Im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit den V-Streitkräften hantiert der Kläger unstreitig auch mit frischen - wenn auch vakuumverpackten - Fleisch- und Geflügelwaren. Die Behauptung des Klägers, die betreffenden Frischwaren seien in manchen Fällen nicht ordnungsgemäß vakuumverpackt bzw. die Verpackungen wiesen Risse auf, mit der Folge, dass er in unmittelbaren Kontakt mit den Lebensmitteln komme, hat die Beklagte nur unzureichend bestritten. So hat die Beklagte diesbezüglich im Schriftsatz vom 26.03.2008 (dort S. 2 = Bl. 157 d. A.) vorgetragen, es treffe nicht zu, dass "zahlreiche" Verpackungen beschädigt seien, vielmehr sei das Fleisch "grundsätzlich" ordnungsgemäß verschweißt und versiegelt. Bereits aus diesem Vorbringen der Beklagten, ("grundsätzlich") ergibt sich, dass es wohl Fälle gibt, in denen nicht ordnungsgemäß verpackte bzw. verschweißte Frischwaren angeliefert werden, die der Kläger einzusortieren hat. Darüber hinaus hat die Beklagte die Behauptung des Klägers, er habe Geflügel, welches in beschädigten Verpackungen angeliefert werde, selbst mit einer Maschine neu zu verpacken, zwar bestritten und erklärt, eine diesbezügliche Verfahrensweise sei nicht zulässig, jedoch hierfür keinerlei Beweis angetreten.

Die Beklagte hat somit die vom Kläger substantiiert vorgetragenen Umstände, aus denen sich ergibt, warum er zwar seine Nebentätigkeit, jedoch nicht seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit in vollem Umfang erbringen konnte, nicht widerlegt. Umstände, die als so gravierend anzusehen wären, dass sie ein starkes Indiz für die Behauptung der Beklagten darstellen könnten, die Krankheit sei nur vorgetäuscht gewesen, mit der Folge, dass der Kläger diese Indizien entkräften müsste, sind nicht ersichtlich. Lediglich klarstellend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass bei einer ansteckenden Krankheit auch dann Arbeitsunfähigkeit gegeben ist, wenn der Betroffene seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen könnte (vgl. Dörner, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Auflage, § 3 EFZG, Rz. 10).

Soweit die Beklagte weitere Umstände anführt, die gegen das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sprechen könnten, wie etwa das unstreitig erfolglos gebliebene Ansinnen des Klägers auf Dienstbefreiung für den 20.07.2007 und die - zwischen den Parteien streitige - Weigerung des Klägers, sich bei der Fa. Y in die Anwesenheitsliste einzutragen, so begründen diese Umstände allenfalls den Verdacht, der Kläger sei in Wahrheit nicht arbeitsunfähig gewesen. Eine Verdachtskündigung haben die V-Streitkräfte vorliegend indessen nicht ausgesprochen; die Beklagte hat sich im Laufe des Rechtsstreits auch nicht darauf berufen, die Kündigung sei gerade in Ansehung eines gegen den Kläger bestehenden dringenden Verdachts gerechtfertigt. Letztlich würde der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ohnehin entgegen stehen, dass die Betriebsvertretung im Rahmen der vor beiden Kündigungen durchgeführten Anhörungsverfahren, deren Ordnungsgemäßheit der Kläger gerügt hat, nicht zu einer Verdachts-, sondern vielmehr ausschließlich zu einer Tatkündigung angehört worden ist, wie sich aus den Anhörungsschreiben vom 01.08.2007 (Bl. 39 ff. d. A.) und vom 03.08.2007 (Bl. 45 ff. d. A.) ergibt.

Die streitbefangene außerordentliche Kündigung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines genesungswidrigen Verhaltens des Klägers gerechtfertigt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Fa. Y geeignet war, die auf einer Ansteckungsgefahr beruhende Arbeitsunfähigkeit zu verlängern bzw. den Genesungsprozess zu verzögern.

2. Die streitbefangene ordentliche Kündigung vom 20.08.2007 erweist sich als sozial ungerechtfertigt und somit als rechtswirksam (§ 1 Abs. 1, 2 KSchG).

Die ordentliche Kündigung ist nicht aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen unter II.1. ergibt, ist kein kündigungsrelevantes Fehlverhalten des Klägers gegeben.

III. Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in §§ 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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