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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 20.05.2005
Aktenzeichen: 8 TaBV 21/05
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 111
BetrVG § 111 S. 3 Ziff. 1
BetrVG § 112 a
KSchG § 17
ArbGG § 98 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 TaBV 21/05

Entscheidung vom 20.05.2005

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 15.03.2005 - 6 BV 3/05 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Errichtung und Besetzung einer Einigungsstelle.

Der Antragsteller ist der ca. 133 Beschäftigte vertretende Betriebsrat der Antragsgegnerin im Supercenter L .

Im am 22.02.2005 vom Betriebsrat eingeleiteten Verfahren bestellte das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - mit Beschluss vom 15.03.2005 - 6 BV 3/05 - den Richter am Arbeitsgericht Mannheim Herr W. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle wegen Nachteilsausgleichverhandlungen gem. § 111 BetrVG unter evtl. Sozialplanverhandlungen gem. § 112 a BetrVG und legte die Anzahl der Beisitzer für jede Seite auf drei fest, wobei nur ein externer Beisitzer herangezogen werden dürfte.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig sei. Aus einer in englischer Sprache abgefassten Übersicht ergebe sich, dass im Jahr 2005 5, 2006 5,1 und 2007 6,2 Vollzeitstellen eingespart werden sollten. Nach Angaben des Betriebsrats würde ein personeller Abbau zwischen 30 und 32 Teilzeitbeschäftigten in den Jahren 2005 - 2007 angekündigt. Da in dem Betrieb 133 Arbeitnehmer beschäftigt seien, würde dies durch den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen zu einem erzwingbaren Sozialplan führen. Die erste Stufe des geplanten Stellenabbaus von 5 Vollzeitstellen sei bereits durch den Ausspruch von 11 betriebsbedingten Kündigungen von Teilzeitarbeitsplätzen umgesetzt worden. Bereits heute läge eine Unternehmerentscheidung vor, die wesentliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben könne. Auch könne die Entscheidung im genannten Umfang Personal abzubauen, eine Betriebsänderung darstellen. Eine Änderung der Betriebsorganisatin könne darin gesehen werden, dass Aushilfskräfte durch externe Dienstleister ersetzt würden. Gründe, die gegen die Person des Vorsitzenden einer Einigungsstelle sprächen, seien seitens der Arbeitgeberin nicht dargelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe im angefochtenen Beschluss (Bl. 44-45 d. A.) verwiesen.

Gegen den am 26.03.2005 der Arbeitgeberin zugestellten Beschluss richtet sich deren, am 11.04.2005 eingelegte und gleichzeitig begründete, Beschwerde.

Zur ihrer Begründung führt die Arbeitgeberin im Wesentlichen aus, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig, da unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in Frage käme. Die Grenzwerte des § 112 a BetrVG würden nicht erreicht. Die in englischer Sprache gehaltene Übersicht über die geplante Entwicklung von sales auf der einen und Personalkosten auf der anderen Seite ließen nicht den Schluss auf einen sozialplanpflichtigen Personalabbau zu. Bei der für notwendig erachteten Reduzierung der Personalkosten in den folgenden drei Jahren auf 10,8 % handele es sich um eine Unternehmerkennzahl, die als solche noch keine Betriebsänderung darstelle. Diese Kennzahl stelle ein betriebliches Steuerungs- und Prüfungsinstrument dar. Auch sei die Behauptung des Betriebsrats zum Vorliegen eines Konzepts zur Kostenreduzierung falsch. Ob sich die Planzahl zum Personalabbau realisieren ließe, sei zur Zeit nicht absehbar. Durch Renteneintritt oder Eigenkündigungen, personen- oder verhaltensbedingte Kündigungen bedingte Austritte kämen für die Begründung eines sozialplanpflichtigen Personalabbaus nicht in Betracht. Es bestünde nach dem Grenzwert des § 111 S. 3 Ziff. 1 BetrVG i. V. m. § 17 KSchG keine Interessenausgleichspflicht, da 10 % der Belegschaft (13,3 Arbeitnehmer) oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer entlassen werden müssten. Dies sei bei elf betriebsbedingten Kündigungen nicht gegeben. Im Übrigen sei ihr - der Arbeitgeberin - der vom Arbeitsgericht bestellte Vorsitzende der Einigungsstelle unbekannt. Insoweit sei der Auffassung der Landesarbeitsgerichte Frankfurt, Hamburg und Schleswig-Holstein (LAG Frankfurt vom 23.06.1988, LAGE § 98 ArbGG, 2 LAG Hamburg LAGE § 98 Nr. 29 ArbGG, LAG Schleswig-Holstein, LAGE, Nr. 17 zu § 89 ArbGG) zu folgen.

Wegen der weiteren Ausführungen der Arbeitgeberin wird auf die Beschwerdeschrift vom 11.04.2005 (Bl. 62-66 d. A.) Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 15.03.2005 - 6 BV 3/05 - wird abgeändert und der Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Zurückweisung der Beschwerde

und führt aus,

zwischen den Parteien hätte unstreitig am 09.02.2005 ein Gespräch stattgefunden, in welchem der Betriebsratseite eine in englischer Sprache verfasste Übersicht über geplanten Personalabbau im Bereich des Stammpersonals zugeleitet worden sei. Angesichts dieser Übersicht sollten im Jahre 2005 5 Vollzeitstellen, im Jahre 2006 5,1 Vollzeitstellen sowie im Jahre 2007 6,2 Vollzeitstellen eingespart werden. Auf Nachfrage der Betriebsratsvorsitzenden, ob der auf 16,3 Vollzeitkräfte hochgerechnete Personalabbau sich auf etwa 30-32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirken würde, die Teilzeitkräfte seien, habe dies die Arbeitgeberseite entsprechend bejaht. Der Betriebsrat sei dem mit Schreiben vom 17.02.2005 zu 11 betriebsbedingten Kündigungen angehört worden, die mittlerweile auch ausgesprochen worden seien. Vorstellbar sei, dass durch die Ersetzung eigener Auffüllkräfte durch externe Dienstleister eine Änderung der Betriebsorganisation eintreten könne. Insofern könne von einer offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht ausgegangen werden. Nachvollziehbare subjektive Vorbehalte gegen den vom Arbeitsgericht bestellten Vorsitzenden der Einigungsstelle seien nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebeantwortung wird auf den Schriftsatz vom 12.05.2005 (Bl. 82-84 d. A.) Bezug genommen.

Im Weiteren wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift der Anhörung vom 20.05.2005 vor dem Landesarbeitsgericht (Bl. 85 ff. d. A.) sowie den weiteren Akteninhalt einschließlich der vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die vom Betriebsrat begehrte Einigungsstelle eingerichtet.

Entgegen der von der Arbeitgeberin vertretenen Auffassung hält auch die Beschwerdekammer die Einigungsstelle nicht für offensichtlich unzuständig. Gem. § 98 Abs. 1 S. 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Dies wird von Rechtsprechung und Literatur dann angenommen, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einem mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (vgl. Eisemann in Erfurter Kommentar, 5. Auflage, ArbGG 60, § 98 Rz 3; LAG Hamm, Beschluss vom 07.07.2003 - 10 TaBV 85/03 - = NZA-RR 2003, 637 sowie Beschluss vom 26.07.2004 - 10 TaBV 64/04 -). Diesem Rechtsmaßstab halten die Ausführungen des Arbeitsgerichts stand. Die Kammer nimmt deshalb Bezug auf die diesbezüglichen Feststellungen und sieht hier unter Übernahme der Entscheidungsgründe von einer weiteren Darlegung ab.

Lediglich wegen der Angriffe der Beschwerde besteht Veranlassung zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

1.

Soweit die Beschwerde ausführt, der Grenzwert des § 112 a BetrVG würde nicht erreicht, steht dem der Inhalt des am 09.02.2005 zwischen Betriebsrats- und Arbeitgeberseite geführte Gesprächs über die stufenweise Entlassung von Vollzeitkräften, die auf Teilzeitkräfte umgerechnet werden können, entgegen. Die mitgeteilten Zahlen für 2005 von 5 Vollzeitkräften, für 2006 von 5,1 Vollzeitkräften und 2007 von 6,2 Vollzeitkräften lässt die Absicht eines stufenweise Personalabbaus und damit die Möglichkeit eines erzwingbaren Sozialplanes mit der von der Arbeitgeberin gegebene Begründung nicht ausschließen. Auf die Frage, ob es sich bei den Angaben zur Reduzierung der Personalkosten in der Übersicht um eine betriebswirtschaftliche Unternehmerkennzahl handelt, kommt es nicht entscheidungserheblich an, dies auch deshalb nicht, weil die Beklagte unstreitig mit der Entlassung von 11 - nach dem Stand der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht 12 - Arbeitnehmern bereits begonnen hat.

2.

Soweit die Beschwerde das Vorliegen der Grenzwerte des § 111 S. 3 Ziff. 1 BetrVG i. V. m. § 17 KSchG bezweifelt, kann dem unter Berücksichtigung des oben aufgezeigten Rechtsmaßstabs ebenfalls nicht gefolgt werden. Nach dem Stand der Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG Urteil vom 08.06.1999 - 1 AZR 694/98 -) kann eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung durch Betriebseinschränkung auch im bloßen Personalabbau liegen. Voraussetzung für die Annahme einer wesentlichen Einschränkung ist, dass der Personalabbau eine relevante Zahl von Arbeitnehmern erfasst. Nicht maßgebend ist jedoch der in § 17 vorgesehene Zeitraum von 30 Kalendertagen innerhalb, derer Entlassungen den Schwellenwert überschreiten müssen. Entscheidend ist vielmehr, wie viele Arbeitnehmer voraussichtlich von der geplanten unternehmerischen Maßnahme betroffen werden, mag ihre Durchführung auch stufenweise erfolgen und sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. Auch dann bleibt sie eine einheitliche Maßnahme, die insgesamt auch nur einheitlich beurteilt werden kann (BAG Urteil vom 22.05.1979 - 1 ABR 17/77).

Soweit sich die Beschwerde gegen die vom Arbeitsgericht zum Vorsitzenden der Einigungsstelle bestimmte Person richtet und hierbei die in der oben dargestellten Beschwerdebegrünung angeführten Entscheidungen zu subjektiven Vorbehalten gegen die Person des Vorsitzenden bezieht, fehlt es in Übereinstimmung mit dem Betriebsrat an der Darstellung solch nachvollziehbarer subjektiver Vorbehalte.

Ende der Entscheidung

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