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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.07.2004
Aktenzeichen: 9 Sa 201/04
Rechtsgebiete: MTV, TVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

MTV § 15
MTV § 15 Abschnitt E
MTV § 15 Satz 5
TVG § 4 Abs. 5
ArbGG §§ 64 ff.
ZPO § 512 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 201/04

Verkündet am: 14.07.2004

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilanerkenntnis-Schlussurteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 05.02.2004, Az.: 2 Ca 1660/03 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.621,54 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus 1.145,80 EUR seit dem 28.02.2003 und aus 1.201,20 EUR brutto seit dem 31.03.2003 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat 47/100 und die Beklagte hat 53/100 der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen.

4. Der Wert des erstinstanzlichen Streitgegenstandes wird auf 4.916,14 EUR festgesetzt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Leistung von tarifvertraglicher Auslösung.

Der Kläger war bei der Beklagten, die mit der Montage von Industrieanlagen befasst ist und ihren Betriebssitz in A-Stadt hat, auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.09.1998 (vgl. Bl. 8 ff. d.A.) seit dem 01.08.1990 als Schlosser beschäftigt. Nach § 1 des Arbeitsvertrages gilt unter anderem folgendes:

"Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das Metallhandwerk jeweils gültigen Bestimmungen

- des Rahmen- bzw. Manteltarifvertrages

- des Lohn- bzw. Akkordtarifvertrages

- des tariflichen Arbeitszeitabkommens

- sowie ggfls. Weiterer einschlägiger Tarifverträge

- bei tariflosem Zustand gelten die vereinbarten Tarifverträge weiter"

Der Kläger war ständig mit Montagearbeiten in D-Stadt für die Beklagte tätig. Während der Monate Februar und März 2003 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingereichten Klage hat er die Zahlung von Fernauslösung gemäß § 15 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer des Schlosser-, Maschinenbauer-, und Mechanikerhandwerks Pfalz und des Schmiedehandwerks Rheinhessen-Pfalz vom 07.03.1972 (im Folgenden: MTV; vgl. Bl. 112 ff. d.A.) geltend gemacht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten,

gemäß § 15 MTV stehe ihm für die Zeit vom Oktober 2002 bis Januar 2003 aufgrund seiner auswärtigen Tätigkeit in D-Stadt eine Fernauslösung in Höhe von 2.621,54 EUR brutto zuzüglich Zinsen zu. Auch für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit habe die Beklagte nach § 15 Abschnitt E MTV Fernauslösung zu leisten, so dass für den Monat Februar 2003 1.093,40 EUR brutto und für den Monat März 2003 1.201,20 EUR brutto zuzüglich der jeweiligen gesetzlichen Zinsen zu zahlen seien.

Die Beklagte hat die Auslösungsforderung für die Zeit vom Oktober 2002 bis Januar 2003 in Höhe von 2.621,54 EUR zuzüglich der geltend gemachten Zinsen anerkannt.

Der Kläger hat daraufhin beantragt,

in Höhe eines Teilbetrages von 2.621,54 EUR Anerkenntnisurteil zu erlassen.

1. Die Beklagte zu verurteilen, über den anerkannten Betrag hinaus Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus 1.145,80 EUR brutto seit dem 28.02.2003 und 1.201,20 EUR brutto seit dem 31.03.2003 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für Februar 2003 weitere 1.093,40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2003 zu zahlen.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.201,20 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage - soweit nicht anerkannt - abzuweisen.

Die Beklagte hat zur Begründung des Klageabweisungsantrags ausgeführt, dem Kläger stünden keine Auslösungsbeträge für solche Tage zu, an denen er wegen Krankheit überhaupt nicht gearbeitet habe. Hierbei sei nämlich ein mit der Auswärtsbeschäftigung verbundener Mehraufwand nicht angefallen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat mit Teilanerkenntnis - Schlussurteil vom 05.02.2004 die Beklagte verurteilt, an den Kläger Fernauslösung für die Zeit vom Oktober 2002 bis Januar 2003 in Höhe von 2.621,54 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus 1.145,80 EUR seit dem 28.02.2003 und aus 1.201,20 EUR brutto seit dem 31.03.2003 zu zahlen. Des Weiteren hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger für den Monat Februar 2003 Fernauslösung in Höhe von 1.093,40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit 28.02.2003 zu zahlen. Schließlich hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger Fernauslösung für den Monat März 2003 in Höhe von 1.201,20 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten seit dem 31.03.2003 zu zahlen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Auslösungsanspruch für die Zeit vom Oktober 2002 bis Januar 2003 in Höhe von 2.621,54 EUR brutto zuzüglich Zinsen sei von der Beklagten anerkannt worden, so dass die Beklagte, ohne weitere Rechtsprüfung, entsprechend zu verurteilen gewesen sei. Auch die weitergehende Klage sei begründet, da die der Höhe nach unstreitigen Auslösungsbeträge für die Monate Februar und März 2003 dem Kläger, aufgrund des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 15 Abschnitt E MTV zustehe. Soweit in dem Manteltarifvertrag für das Metallhandwerk vom 10.04.1997 unter § 14 die Regelung enthalten sei, Bestimmungen über Auswärtsarbeiten würden in einem besonderen Vertrag geregelt, entfalle der Auslösungsanspruch aus § 15 Abschnitt E MTV nicht. Mangels Abschlusses eines besonderen Vertrages durch die Tarifvertragsparteien wirke der bisherige Tarifvertrag nach § 4 Abs. 5 TVG nach.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf S. 4 der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 05.02.2004 (= Bl. 77 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte, der das Urteil des Arbeitsgerichts am 02.03.2004 zugestellt worden ist, hat gegen diese Entscheidung am 18.03.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am Montag, den 03.05.2004 ihr Rechtsmittel begründet.

Die Beklagte macht geltend, die Berufung richte sich nicht gegen den, aufgrund ihres Anerkenntnisses, ausgeurteilten Teilanspruch, sondern nur gegen die weitergehende Forderung für die Monate Februar und März 2003. Da der Kläger während dieser Zeit arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, fehle es an einer Anspruchsgrundlage für die Zahlung von Fernauslösung. Der zuletzt von den Tarifparteien im Bereich des Metallhandwerks abgeschlossene Manteltarifvertrag vom 10.04.1997 sehe keinen Auslösungsanspruch mehr vor, sondern enthalte lediglich unter § 14 die Regelung:

"Bestimmungen über Auswärtsarbeiten werden in einem gesonderten Vertrag geregelt."

Da es zu diesem besonderen Vertrag bis heute nicht gekommen sei, könne der Kläger auch keine Fernauslösung verlangen. Im Übrigen sehe der Manteltarifvertrag vom 10.04.1997 vor, dass mit Inkrafttreten dieses Vertrages der vorausgegangene Manteltarifvertrag vom 09.10.1990/23.04.1996 außer Kraft getreten sei. Aufgrund dessen sei erst Recht der MTV aus dem Jahr 1972, auf den sich der Kläger berufe, nicht mehr in Kraft und es sei darüber hinaus auch eine tarifliche Nachwirkung der Bestimmungen dieses Tarifvertrages ausgeschlossen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 03.05.2004 (vgl. Bl. 99 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 05.02.2004, Az.: 2 Ca 1660/03 die Klage insoweit abzuweisen, als der Kläger über den von der Beklagten anerkannten Teilbetrag von 2.621,54 EUR brutto (nebst Zinsen) hinaus die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 1.093,40 EUR brutto nebst Zinsen sowie zur Zahlung eines Betrages von 1.201,20 EUR brutto nebst Zinsen begehrt.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus, gemäß § 15 Abschnitt E MTV sei auch bei ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeiten in Folge Krankheit während der Montageauslösung weiterzuzahlen. Soweit die Beklagte die Auffassung vertrete, dass diese Tarifregelung nicht nachwirke, sei dies unrichtig. Wenn in dem Manteltarifvertrag für das Metallhandwerk aus dem Jahr 1997 vorgesehen sei, dass Auswärtsarbeiten in einem besonderen Vertrag erledigt werden sollten, es jedoch nicht zu einem solchen Vertrag gekommen sei, so könne auch nicht festgestellt werden, dass die bisher geltenden Auslösungsregelungen durch einen neuen Tarifvertrag abgelöst worden seien. Unabhängig hiervon ergebe sich, unterstellt es sei nicht zu einer Nachwirkung gekommen, der Anspruch des Klägers auf die Fernauslösung auch aus der Regelung des schriftlichen Arbeitsvertrages unter § 1, wonach bei tariflosem Zustand die vereinbarten Tarifverträge weitergelten würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 03.06.2004 (Bl. 108 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zulässig und darüber hinaus auch begründet.

Dem Kläger steht eine tarifliche Fernauslösung für die Monate Februar und März 2003 in Höhe von insgesamt 2.294,60 EUR brutto zuzüglich der geltend gemachten Zinsen nach § 1 Ziffer 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.09.1998 in Verbindung mit § 15 Abschnitt E MTV nicht zu. Zugunsten des Klägers kann dabei unterstellt werden, dass der MTV aufgrund der vereinbarten arbeitsvertraglichen Vereinbarung, wonach bei tariflosem Zustand die vereinbarten Tarifverträge weitergelten, zur Anwendung kommt. Denn die tarifliche Regelung aus § 15 Abschnitt E MTV vermag den vom Kläger für die Monate Februar und März 2003 geltend gemachten Fernauslösungsanspruch nicht zu begründen. Diese tarifliche Regelung lautet:

"Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit

1. Bei ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit während der Montage wird die Auslösung weiterbezahlt. Der Betrieb ist sofort von der Erkrankung in Kenntnis zu setzen. Der Arbeitnehmer ist nach ärztlich festgestellter Transportfähigkeit verpflichtet, unverzüglich nach Hause zu fahren, es sei denn, dass der Arbeitgeber mit dem Verbleib am Montageort einverstanden ist. Die Reisekosten werden erstattet. Während des Aufenthalts im Krankenhaus vermindert sich die Auslösung um 50 Prozent.

2. Bei schweren Krankheitsfällen bzw. Todesfällen werden einem Familienangehörigen die Reise- und Verpflegungskosten - letztere in Höhe des Auslösungssatzes - zum und am Montageort im Höchstfalle bis zu drei Tagen gezahlt.

3. Stirbt ein auf Montage beschäftigter Arbeitnehmer, so trägt der die Montage ausführende Arbeitgeber die Kosten für die Überführung nach der Heimat."

Des Weiteren heißt es in § 15 Satz 5 MTV:

"Die Auslösung ist eine Pauschalerstattung des mit der Auswärtsbeschäftigung entstehenden Mehraufwandes".

Demnach besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterzahlung der Fernauslösung während einer festgestellten Arbeitsunfähigkeit, falls der Arbeitnehmer, aufgrund Transportunfähigkeit, am Montageort verbleiben muss. Ansonsten würde nämlich die tarifliche Regelung für den Fall ärztlich gestellter Transportfähigkeit des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers keinerlei Sinn machen. In diesem Fall soll offenbar der Auslösungsanspruch entfallen, zumal dann auch von einer Auswärtsbeschäftigung im Sinne von § 15 Satz 5 MTV nicht mehr die Rede sein kann und auch kein entsprechender Aufwand im Regelfall anfällt. Soweit die Tarifparteien eine Verminderung der Auslösung um 50% für den Fall geregelt haben, dass der Arbeitnehmer sich in einem Krankenhaus aufhält, muss dies letztlich als Ausnahmeregelung gegenüber dem Grundsatz, dass die Fernauslösung eine Auswärtsbeschäftigung mit entsprechendem Mehraufwand erfordert, angesehen werden.

Wenn der Kläger im vorliegenden Fall geltendmacht, er habe an dem Montageort, also in D-Stadt ein Zimmer gemietet gehabt, das er aufgrund geltender Kündigungsfristen während der streitgegenständlichen Monate nicht habe kündigen können, vermag dies den Anspruch nicht zu begründen. Denn die tarifliche Fernauslösung wird nicht in Höhe eines tatsächlich entstandenen Mehraufwandes gezahlt, sondern als Pauschale für den Fall der Auswärtsbeschäftigung, also unabhängig von beim Arbeitnehmer konkret angefallenen oder nicht angefallenen Kosten. Dies folgt aus der tariflichen Definition der Auslösung in § 15 Satz 5 MTV, wonach es sich hierbei um eine Pauschalerstattung handelt.

Nach alledem war das Urteil des Arbeitsgerichts, soweit es nicht auf dem Teilanerkenntnis der Beklagten beruht, abzuändern.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 91 Abs. 1 ZPO dem Kläger aufzuerlegen.

Für die Zulassung der Revision fehlt es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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