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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.01.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 284/04
Rechtsgebiete: BGB, StPO, ArbGG, ZPO, MTArb, LPersVG


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
StPO § 170 Abs. 2
ArbGG §§ 64 ff.
ZPO §§ 512 ff.
MTArb § 58
MTArb § 59 Abs. 1
MTArb § 59 Abs. 2
LPersVG § 82 Abs. 3 S. 1
LPersVG § 82 Abs. 3 S. 2
LPersVG § 82 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 284/04

Entscheidung vom 26.01.2005

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 18.02.2004, AZ: 4 Ca 3269/03 abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während des Rechtsstreits.

Der am 15.10.1957 geborene Kläger, der verheiratet ist, war seit dem 15.01.1987 bei der Beklagten, die mit in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmern ausschließlich der Auszubildenden an der Universität E unter anderem die Mensa betreibt, als Küchenhelfer gegen Zahlung einer monatlichen Arbeitsvergütung in Höhe von 1.700,00 EUR brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder vom 06.12.1995 (im Folgenden: MTArb) Anwendung.

Am 27.10.2003 gegen 13.00 Uhr kam es im Bereich der Mensa-Küche zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und Herrn B., der ebenfalls als Küchenhelfer für die Beklagte arbeitet. Die herbeigerufene Polizei entsandte zwei Beamte, die in dem schriftlichen Bericht vom 28.10.2003 (Bl. 64 ff. d.A.) die Angaben des Klägers und des Herrn B. kurz nach dem Vorfall protokollierten.

Mit zwei Schreiben vom 28.10.2003 (Bl. 4 f. und Bl. 6 des Anlagenordners) teilte die Beklagte dem bei ihr errichteten Personalrat mit, sie beabsichtige das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung und hilfsweise außerordentlich unter Einhaltung einer Auslauffrist zum 30.06.2004 zu kündigen.

Sodann kündigte die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis mit Schreiben vom 03.11.2003 (Bl. 2 des Anlagenordners), das dem Kläger am 04.11.2003 zuging, mit sofortiger Wirkung.

Der Kläger hat am 13.11.2003 eine gegen diese Kündigung gerichtete Feststellungsklage beim Arbeitsgericht Mainz eingereicht und dabei seine Weiterbeschäftigung während des nachfolgenden Rechtsstreits verlangt.

Der Kläger hat geltend gemacht, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung. Er sei am 27.10.2003 im Selbstbedienungsbereich der Mensa von der Wirtschafterin Frau X angewiesen worden, ein Stockwerk tiefer zu gehen und dort Tabletts und Geschirr zu holen. Anschließend sei er die Treppe nach unten gegangen und habe neben dem Aufzug den aufgefüllten Tablettwagen stehen gesehen. Daraufhin habe er Herrn B. gefragt, warum dieser denn den Tablettwagen nicht nach oben befördert habe. Es sei nämlich nicht seine Aufgabe gewesen, den Tablettwagen zu holen; hierfür sei unter anderem Herr B. zuständig gewesen. Herr B. habe sich über die Worte des Klägers geärgert und ein Tablett in Richtung des Klägers geworfen. Dabei habe er den Kläger an der Brust getroffen. Anschließend habe Herr B. einen cirka 30 kg schweren Metalldeckel (Abschluss des Geschirrwagens zum Warmhalten von Speisen) genommen und sei damit auf den Kläger losgegangen. Der Kläger habe diesen Metalldeckel Herrn B. entrissen, wobei Herr B. und der Kläger gestolpert und zu Boden gestürzt seien. Um Herrn B. zu bändigen und weitere Gewalthandlungen zu verhindern, habe er mit der Faust auf die Brust des am Boden liegenden Herrn B. geschlagen; weitere Handlungen des Klägers gegen Herrn B. habe es nicht gegeben. Herr B. habe von dem Faustschlag auch keinerlei Verletzungen davon getragen. Dass Herr B. am Nachmittag des 27.10.2003 von einem Fahrer der Beklagten in die Universitätsklinik gebracht worden sei, bestreite er mit Nichtwissen. Gleiches gelte für die Behauptung der Beklagten, Herr B. sei wegen einer Verletzung am Knie ambulant behandelt und am 04.11.2003 operiert worden. Es müsse auch bestritten werden, dass ein möglicher Kniegelenksschaden überhaupt etwas mit dem Vorfall vom 27.10.2003 zu tun habe. Entgeltfortzahlungskosten wegen einer Arbeitsunfähigkeit des Herrn B. während der Zeit vom 28.10.2003 bis zum 08.12.2003 in Höhe von angeblich 4.102,19 EUR würden sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten.

Die Angaben des Herrn B. zu dem Vorfall seien nicht glaubhaft (vgl. zu den Einzelheiten den Schriftsatz des Klägers vom 03.02.2004, Seite 2 ff. = Bl. 20 ff. d.A.).

Die ordnungsgemäße Anhörung des bei dem Beklagten bestehenden Personalrates werde mit Nichtwissen bestritten.

Die Nichteinhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB werde geltend gemacht.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 03.11.2003 nicht beendet wird,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht,

3. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Küchenhelfer weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ausgeführt,

es gebe keine Person, insbesondere auch nicht Herrn B., der ausschließlich dafür zuständig wäre, die Tablettwagen zu befördern. Am 27.10.2003 habe Herr B. den Kläger gefragt, weshalb dieser zwei vor dem Aufzug bereitstehende Tellerwagen nicht mit nach oben genommen habe. Daraufhin habe der Kläger den Deckel eines Tellerwagens, welcher höchstens 3 kg gewogen habe, genommen und damit auf Herrn B. eingeschlagen. Selbst als dieser zu Boden gefallen sei, habe der Kläger weiterhin auf den Kopf und die Brust von Herrn B. geschlagen. Schließlich habe der Kläger auch noch gegen das Knie und die Ferse seines Arbeitskollegen getreten. Eine Arbeitskollegin habe beobachtet, wie der Kläger Herrn B. mit dem Tellerwagendeckel angegriffen habe.

Herr B. sei dann am Nachmittag des 27.10.2003 von einem Fahrer des E in die Universitätskliniken gebracht worden und dort wegen einer Verletzung am Knie zunächst ambulant behandelt worden. Am 04.11.2003 habe er sich einer Operation am rechten Kniegelenk unterziehen müssen. Aufgrund des Angriffs des Klägers sei Herr B. während der Zeit vom 08.10.2003 bis 08.12.2003 arbeitsunfähig gewesen; hierdurch seien der Beklagten Lohnausfallkosten in Höhe von 4.102,19 EUR entstanden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages beider Parteien wird auf die beim Arbeitsgericht eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat Beweis erhoben zu den Behauptungen der Beklagten über den Ablauf der Auseinandersetzung vom 27.10.2003 durch Vernehmung der Zeuginnen A. und C. sowie des Zeugen B.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 18.02.2004 (Bl. 35 ff. d.A.) Bezug genommen.

Sodann hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 18.02.2004 (Bl. 40 ff. d.A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 03.11.2003 nicht beendet wurde; des weiteren hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten vertraglichen Bedingungen als Küchenhelfer weiterzubeschäftigen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche, außerordentliche Kündigung sei rechtsunwirksam, da der Beklagten der Nachweis eines wichtigen Kündigungsgrundes nicht gelungen sei. Die Zeuginnen A. und C. hätten die Vorgänge, die sich vor dem Zeitpunkt ereignet hätten, zu dem der Kläger und Herr B. am Boden gelegen hätten, nicht im Einzelnen gesehen oder auch nicht sehen können. Aus den Aussagen dieser beiden Zeuginnen ergebe sich nur, dass es eine Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern gegeben habe und dass man anschließend miteinander gerungen habe. Beide Zeuginnen hätten einen verängstigten und unsicheren Eindruck gemacht; die erkennende Kammer hätte daher ihren Aussagen kein entscheidendes Gewicht beimessen können. Das gleiche gelte für die Aussage des Zeugen B.. Gegen dessen Glaubwürdigkeit spreche, dass er der Verletzte sei und dass seine Aussage wie auswendig gelernt gewirkt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 4 ff. des Urteils vom 18.02.2004 (Bl. 43 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts Mainz am 05.04.2004 zugestellt worden ist, hat am 19.04.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 01.06.2004 ihr Rechtsmittel begründet.

Die Beklagte macht geltend, durch die Zeugenaussagen sei der streitige Vorfall exakt so bestätigt worden, wie sie ihn dargestellt habe. Die Vernehmung des Zeugen B. habe ergeben, dass der Kläger den Zeugen, aufgrund einer verbalen Auseinandersetzung über die Verpflichtung, den Tablettwagen wegzubringen, tätlich angegriffen, nämlich ihn am Hemd, an der Brust angefasst und ihm mit der Faust auf die Stirn geschlagen habe. Außerdem habe der Kläger einen Tellerwagendeckel, über dessen Gewicht Streit bestehe, der aber cirka 3 kg gewogen habe, ergriffen, sei mit diesem Deckel auf Herrn B. losgegangen und habe ihn auf den rechten Oberschenkel im Bereich des Knies geschlagen. Ferner habe er Herrn B. getreten, wobei der Zeuge gestürzt sei. Aufgrund des Angriffes oder des Sturzes habe Herr B. eine schwerwiegende Knieverletzung erlitten, die sogar habe operiert werden müssen. Dass ein Verletzter immer ein Interesse am Ausgang des Prozesses habe, sei eine generalisierende Einschätzung, die dazu führe, dass niemals einem unmittelbar Verletzten bei einer Zeugenaussage Glauben geschenkt werden könne. Es sei nicht nachvollziehbar, wie das Arbeitsgericht zu der Auffassung habe gelangen können, dass die Aussage des Herrn B. "wie auswendig gelernt" gewirkt habe. Zunächst sei die Zeugenvernehmung in deutscher Sprache versucht worden; sodann sei ein Dolmetscher hinzugezogen worden. Es gebe keinen objektiven Anhaltspunkt dafür, dass die Zeugenaussage des Herrn B. wie auswendig gelernt gewirkt habe. Frau A. habe bei ihrer erstinstanzlichen Vernehmung sich eindeutig dahingehend geäußert, dass nicht Herr B., sondern der Kläger den schweren Metalldeckel in die Hand genommen habe und auf Herrn B. losgegangen sei. Damit sei die Darstellung des Klägers, Herr B. habe den Metalldeckel genommen und sei auf ihn losgegangen, widerlegt.

Der Kläger habe versucht, die Zeugin A. zu beeinflussen. Er habe diese am 28.10.2003 gegen 06.30 Uhr am Bahnhof getroffen und sie dabei gebeten, sie möge für ihn doch lügen. Das habe die Zeugin abgelehnt.

Zudem würden die Angaben des Herrn B. im vorliegenden Verfahren mit jenen übereinstimmen, die er, ausweislich der polizeilichen Ermittlungsakte am 02.12.2003 gegenüber der Polizei gemacht habe (vgl. das Vernehmungsprotokoll vom 02.12.2003; Bl. 67 ff. d.A.). Demgegenüber habe der Kläger bei seiner Vernehmung vom 27.10.2003 - also kurz nach dem Angriff - den gesamten Vorfall schlichtweg abgestritten. Die Darstellung des Klägers sei auch deshalb unglaubwürdig, weil er dem Zeugen B. körperlich weit überlegen sei. Der Kläger sei 1,90 m groß und wiege 110 bis 120 kg, während Herr B. von kleinerer Statur, nämlich 1,70 m groß und vermutlich noch nicht einmal 60 kg schwer sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 28.05.2004 (Bl. 55 ff. d.A.) und 03.08.2004 (Bl. 96 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 18.02.2004, Az.: 4 Ca 3269/03 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus, hinsichtlich des Gewichtes des Metalldeckels, der bei dem Streit verwendet worden sei, sei richtig zu stellen, dass dieser nicht etwa 30 kg, sondern cirka 3 kg gewogen habe. Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichtes hinsichtlich der Aussage des Zeugen B. sei nicht zu beanstanden, da dieser insoweit unmittelbar betroffen sei, als von seiner Aussage das Verbleiben seines Kollegen im Betrieb abhängen könne. Er sei selbst Geschädigter und erwarte im Falle eines positiven Ausgangs des vorliegenden Rechtsstreites mit Sicherheit Vorteile für eigene Ansprüche gegenüber dem Kläger. Zudem bestehe eine Abhängigkeit gegenüber der Beklagten, mit der in einem Arbeitsverhältnis stehe. Die Zeuginnen C. und A. hätten die entscheidenden Vorgänge nicht miterlebt und die Darstellung der Beklagten deshalb nicht bestätigen können.

Der Kläger habe nie versucht, die Zeugin A. zu beeinflussen. Er habe nach seiner Erinnerung mit Frau A. im Pausenraum gesprochen und dabei die Zeugin gebeten, nicht zu lügen.

Soweit er, ausweislich des Berichtes des Polizeipräsidiums vom 28.10.2003 zunächst angegeben habe, er wisse nicht, um was es gehe, seien die vorausgegangenen Gesamtumstände zu berücksichtigen. Nach dem Vorfall habe es zwei Stunden gedauert bis die Polizei eingetroffen sei. Während dieser Zeit habe sich der Kläger an W, die Abteilungsleiterin gewandt, und ihr gegenüber geäußert, er wolle sich auch zu dem Vorfall äußern. Darauf habe W geantwortet: "Sie lügen sowieso, gehen sie wieder an ihre Arbeit!". Der Kläger sei deshalb verunsichert gewesen und habe zunächst nicht gewusst, wie er sich bei der Befragung durch die Polizei verhalten solle. Deshalb habe er zunächst geäußert, er wisse von nichts.

Im Übrigen belaufe sich seine Körpergröße auf 1,78 m und sein Körpergewicht habe zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vorfalles cirka 105 kg betragen.

Weiterhin bestritten bleibe, dass die Arbeitsunfähigkeit des Herrn B. durch Verletzungen herbeigeführt seien, die ihm der Kläger zugeführt habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 05.07.2004 (Bl. 81 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 14.07.2004 teilte die Staatsanwaltschaft Mainz mit, sie habe das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (vgl. Bl. 92 d.A.).

Das Berufungsgericht hat entsprechend seinem Beschluss vom 03.11.2004 (Bl. 104 d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen C. und A. sowie des Zeugen B.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 26.01.2005 (Bl. 112 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zulässig.

Darüber hinaus ist das Rechtsmittel der Beklagten auch begründet. Die zulässige Klage war abzuweisen, da die außerordentliche Kündigung vom 03.11.2003 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristlos zum 04.11.2003 beendet hat. Die vom Kläger geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe sind nicht gegeben.

I.

Zunächst einmal ist die außerordentliche Kündigung nicht wegen eines Verstosses gegen § 59 Abs. 1 MTArb unwirksam. Hiernach sind Arbeitgeber und Arbeiter berechtigt, das Arbeitsverhältnis aus einem wichtigen Grunde fristlos zu kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Überprüfung des § 59 Abs. 1 MTArB vollzieht sich - wie jene nach § 626 Abs. 1 BGB - zweistufig: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der - ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles - überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Auf der zweiten Stufe muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. DLW/Dörner, 4. Aufl., D/Rdnr. 626 m.w.N.). Der tarifliche Ausschluss einer ordentlichen Kündigung und die dadurch bedingte langfristige Vertragsbindung stellen im Rahmen der Einzelfallprüfung Umstände dar, die bei einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers im Rahmen der Interessenabwägung entweder zu Gunsten oder zu Ungunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Welche Betrachtungsweise im Einzelfall den Vorrang verdient, ist insbesondere unter Beachtung von Sinn und Zweck des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung sowie unter Berücksichtigung der Art des Kündigungsgrundes zu entscheiden (vgl. BAG, Urt. v. 14.11.1984 = EzA § 626 BGB n.F. Nr. 93; Urt. v. 28.03.1985 = EzA § 626 BGB n.F. Nr. 96). Ein an sich zur ordentlichen Kündigung geeigneter Umstand ist der tätliche Angriff eines Arbeitnehmers auf einen Arbeitskollegen. Denn jeder Arbeitnehmer, der sich mit Angriffswillen an einer tätlichen Auseinandersetzung unter Kollegen beteiligt, ohne dass eine eindeutige Notwehrlage bestanden hat, bewirkt oder fördert eine ernstliche Störung des Betriebsfriedens und der betrieblichen Ordnung (vgl. Dörner/DLW, 4. Aufl., D Rdnr. 702 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist vorliegend zunächst einmal festzustellen, dass ein an sich zur Kündigung geeigneter Sachverhalt gegeben ist, da nach Durchführung der Beweisaufnahme zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer feststeht, dass der Kläger seinen Arbeitskollegen B. am 27.10.2003 gegen 14.00 Uhr tätlich angegriffen hat (1.). Im Rahmen einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung war des Weiteren festzustellen, dass das Interesse der Beklagten an einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Fortsetzungsinteresse des Klägers überwog (2.).

1.

Nach Durchführung der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme geht die Berufungskammer von folgendem Sachverhalt aus:

Am 27.10.2003 gegen 13.00 Uhr kam es im Spülmaschinenraum der Mensa zu einer Aufforderung des Klägers gegenüber dem Zeugen B., einen Tablettwagen ein Stockwerk höher in den Selbstbedienungsbereich zu bringen. Nachdem der Zeuge hierauf nicht reagierte, hat der Kläger ihn tätlich angegriffen, indem er ihn am Hemd packte, ihn mit einem Tellerwagendeckel schlug und ihm mit der Faust auf Stirn und Brust schlug. Infolge des Angriffs stürzte der Zeuge B. zu Boden.

Dieser Sachverhalt ergibt sich insbesondere aus den Bekundungen des Zeugen B., die der Kammer glaubhaft erschienen, da der Zeuge widerspruchsfrei und bestimmt den Ablauf des tätlichen Ablaufs schilderte. Dessen Darstellung stimmte zumindest in den wesentlichen Punkten, die in der obigen Feststellung des Sachverhaltes wiedergegeben sind, mit den Angaben des Zeugen bei seiner polizeilichen Vernehmung unmittelbar nach dem Vorfall am 27.10.2003, bei seiner Vernehmung im Polizeipräsidium vom 02.12.2003 und seiner erstinstanzlichen Vernehmung vor dem Arbeitsgericht überein.

Soweit der Zeuge bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 02.12.2003 den Beginn der tätlichen Auseinandersetzung dahingehend wiedergab, dass der Kläger mit einem Metalldeckel vom Tellerwagen gegen sein rechtes Knie geschlagen habe, weicht dies zwar von der Reihenfolge der einzelnen Tätlichkeiten ab, die er gegenüber der Berufungskammer bekundete. Dies ist aber, angesichts des zeitlichen Abstandes zu dem Vorfall von über einem Jahr nicht weiter verwunderlich und ändert im Übrigen nichts an der Übereinstimmung der Schilderung des Inhaltes der einzelnen Tätlichkeiten.

Im Übrigen hat der Zeuge klargestellt, dass der Kläger ihn sowohl mit Schlägen attackierte als er noch stand sowie auch als er bereits am Boden lag. Als der Zeuge B. vom Berufungsgericht auf Abweichungen in der gegenüber der erkennenden Kammer gemachten Aussage gegenüber seiner polizeilichen Vernehmung hingewiesen wurde, hat er dies damit begründet, dass er die Angaben gegenüber der Polizei so kurz gehalten habe, weil er Schmerzen gehabt habe und so schnell wie möglich habe ins Krankenhaus kommen wollen. Hierbei hat er offenbar die polizeiliche Vernehmung vom 27.10.2003 - unmittelbar nach dem Vorfall - mit jener im Polizeipräsidium vom 02.12.2003 verwechselt. Auch dies spricht nicht entscheidend gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage.

Die Aussage des Zeugen war insbesondere deshalb glaubhaft, weil sie in wesentlichen Punkten mit den Angaben der Zeuginnen A. und C. übereinstimmte. Die Zeugin A. bestätigte - wenn auch erst nach verschiedenen Vorhalten seitens der Berufungskammer -, dass sich der Zeuge B. weigerte den Tablettwagen - entsprechend dem Ansinnen des Klägers - ein Stockwerk höher zu bringen. Des Weiteren, das im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung der Kläger mit dem Tellerwagendeckel in der Hand den Zeugen B. "geschoben und gestumpt" habe. Die Zeugen C. sagte aus, sie habe gesehen, dass sich die beiden Männer an den Händen gehalten hätten und sie später den Kläger in gebeugter Haltung und den Zeugen B. am Boden liegend angetroffen habe. Der Zeuge B. habe an der Stirn eine gerötete Stelle gehabt. Diese Angaben passen zu der Darstellung des Zeugen B.; lediglich die Angabe der Zeugin C., beide Männer hätten sich an den Händen gehalten, weicht ab. Allerdings gehen körperliche Auseinandersetzungen in der Regel so schnell von statten, dass viele verschiedene Bewegungssituationen vorkommen. Infolgedessen erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die beiden Männer während der Auseinandersetzung auch einmal sich mit den Händen haltend gerungen haben. Dies schließt aber alles weitere, was oben festgestellt wurde, zumindest nicht aus.

Keiner der vernommenen Zeugen vermochte im Übrigen den vom Kläger behaupteten Wurf mit einem Tablett, ausgeführt vom Zeugen B. und gegen den Kläger gerichtet, zu bestätigen. Eine solche Attacke seitens des Klägers ist nach dem Dafürhalten der Berufungskammer auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Ansonsten hätte der Kläger bei seiner Vernehmung durch die Polizei kurz nach dem Vorfall hiervon berichtet. Stattdessen erklärte er gegenüber den Polizeibeamten, als diese ihm die Schilderung des Zeugen B. vorhielten, er wisse nicht, um was es gehe. Dass er diese objektiv falschen Angaben gemacht hat, weil er, aufgrund einer vorausgegangenen Äußerung der Abteilungsleiterin W ("Sie lügen sowieso, gehen sie wieder an ihre Arbeit!") bei der Befragung durch die Polizisten verunsichert gewesen sei, ist nicht nachvollziehbar. Der Vorwurf, zu lügen, musste für den Kläger doch eigentlich Anlass sein, das Gegenteil zu beweisen und gegenüber der Polizei die Wahrheit zu sagen. Dementsprechend hätte er im Falle einer Attacke durch den Zeugen B., dies der Polizei sofort mitgeteilt.

Die Zeuginnen A. und C. machten glaubhafte Angaben, zumal diese konkret waren und mit ihren früheren Aussagen im Wesentlichen übereinstimmten. Darüber hinaus sind die beiden Zeuginnen auch glaubwürdig. Bei der Zeugin C. zeigte sich dies aus Sicht des Berufungsgerichtes bereits daran, dass die Zeugin den Kammervorsitzenden bei der Aufnahme ihrer Aussage in das Sitzungsprotokoll auf Detailungenauigkeiten hinwies. Die Zeugin A. wirkte - wie offenbar bereits bei der erstinstanzlichen Vernehmung - etwas verängstigt und wich den Fragen nach der Aufnahme des Metalldeckels durch den Kläger - nach dem Eindruck der erkennenden Kammer - zunächst aus. Nach Überzeugung der Kammer dürfte dies aber nicht zuletzt auch mit der vom Kläger am 28.10.2003 ihr gegenüber geäußerten Bitte, zu lügen, zusammenhängen. Zu dieser Bitte waren die Angaben der Zeugin klar und widerspruchsfrei und widerlegten die vom Kläger angegebene Aufforderung, nicht zu lügen. Berücksichtigt man die Drucksituation, der sich die Zeugin daher durch das Verhalten des Klägers ausgesetzt fühlen musste, ist es verständlich, dass sie bei ihrer Vernehmung erst nach einigem Hin und Her bekundete, der Kläger habe den Zeugen B. mit dem Tellerwagendeckel "gestumpt". Für die Glaubwürdigkeit beider Zeuginnen spricht, dass sie kein unmittelbares Interesse am Ausgang des vorliegenden Verfahrens haben. Die Tatsache, dass sie bei der Beklagten beschäftigt sind, begründet zwar ein Abhängigkeitsverhältnis. Dies hat sich aber nach dem Eindruck, den die Berufungskammer während der Vernehmung gewonnen hat, nicht auf den Inhalt ihrer Aussagen ausgewirkt.

Auch der Zeuge B. war nach Überzeugung der Kammer glaubwürdig. Zwar ist er als Geschädigter sicherlich gegenüber dem Kläger voreingenommen. Die Kammer gewann aber nicht den Eindruck, dass er deshalb falsche Angaben machte. Im Gegensatz zum Kläger gab er bei seinen verschiedenen Vernehmungen von Anfang an im Wesentlichen den gleichen Sachverhalt wieder, der in verschiedenen Punkten mit den Angaben der an der Auseinandersetzung unbeteiligten Zeuginnen A. und C. übereinstimmte. Alle weiteren Umstände, die von beiden Parteien zur Glaubwürdigkeit bzw. Unglaubwürdigkeit des Klägers bzw. der vernommenen Zeugen dargelegt wurden, fehlte es an einem unmittelbaren Bezug zu der streitgegenständlichen Auseinandersetzung. Ihnen kam daher aus Sicht der Berufungskammer keine wesentliche Bedeutung zu.

2.

Im Rahmen der unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung überwog das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Fortsetzungsinteresse des Klägers. Dies gilt selbst für den Fall, dass der Kläger wie von ihm behauptet, zwei Unterhaltsverpflichtungen zu erfüllen hat. Dies gilt des Weiteren auch dann, wenn unterstellt wird, dass alle ihm bisher erteilten schriftlichen Abmahnungen zu Unrecht erfolgt sind. Dies gilt auch, wenn man schließlich davon ausgeht, dass der tarifliche Ausschluss einer ordentlichen Kündigung gemäß § 58 MTArb im vorliegenden Fall, aufgrund des tariflich bezweckten Schutzes älterer, langjährig Beschäftigter Arbeitnehmer zu Gunsten des Klägers bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist. Aufgrund der vom Kläger, ohne rechtfertigenden Grund, verursachten tätlichen Auseinandersetzung, wurde nämlich nicht nur der Betriebsfrieden bei der Beklagten empfindlich gestört. Vielmehr führte diese Auseinandersetzung zu einer lang andauernden Arbeitsunfähigkeitszeit des Zeugen B., während deren die Beklagte Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 4.102,19 EUR aufzuwenden hatte. Die vom Kläger pauschal bestrittene Arbeitsunfähigkeitszeit des Zeugen B. ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum vom 27.10.2003 bis 08.12.2003 (Bl. 24 des Anlagenordners). Angesichts der nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeitszeit war auch das pauschale Bestreiten der einzelnen, schriftlich aufgeschlüsselten Entgeltfortzahlungskosten (Bl. 25 f. des Anlagenordners) unerheblich.

Hinzu kommt, dass der Zeuge B., in Folge des Angriffs des Klägers, stürzte und sich hierbei eine Knieverletzung zuzog, die letztlich eine Operation nach sich zog. Dies ergibt sich aus dem Telefonvermerk des Personalratsmitgliedes V vom 28.10.2003 (Bl. 23 des Anlagenordners), wonach der den Zeugen B. behandelnde Arzt Dr. U telefonisch erklärte, die Knieverletzung könne nur durch eine massive äußere Gewalteinwirkung zustande gekommen sein. Dass die vom Kläger ebenfalls bestrittene Operation am Knie des Zeugen B. am 04.11.2003 tatsächlich durchgeführt wurde, ist in dem ausführlichen Bericht des Katholischen Klinikums E vom 10.11.2003 (Bl. 21 des Anlagenordners) beweiskräftig dokumentiert.

Angesichts dieser Gesamtumstände war es der Beklagten, die ihrerseits keinerlei Verschulden an der entstandenen Situation trifft, nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis - und sei es auch nur für kurze Zeit - fortzusetzen.

3.

Das in der Klageschrift enthaltene Bestreiten des Vorliegens einer ordnungsgemäßen Anhörung des Personalrates führt nicht gemäß § 82 Abs. 4 LPersVG Rheinland-Pfalz zu einer Unwirksamkeit der Kündigung. Denn die Beklagte hat die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrates unter Vorlage des Anhörungsschreibens vom 28.10.2002 (Bl. 4 des Anlagenordners) in Übereinstimmung mit § 82 Abs. 3 S. 1 und 2 LPersVG Rheinland-Pfalz vorgetragen. Der Kläger ist dem nicht weiter entgegengetreten, so dass aufgrund des Anhörungsschreibens die Ordnungsgemäßheit der Anhörung des Personalrates feststeht.

III.

Die Kündigungserklärungsfrist aus § 59 Abs. 2 MTArbG ist eingehalten, da die Kündigungserklärung dem Kläger, innerhalb von zwei Wochen nachdem der Kündigungsgrund der Beklagten bekannt wurde, zuging. Der kündigungsbegründende Vorfall datiert nämlich vom 27.10.2003; die außerordentliche Kündigung ging dem Kläger am 04.11.2003 zu.

Nach alledem war das erstinstanzliche Urteil mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO abzuändern.

Gegen die vorliegende Entscheidung findet eine Revision nicht statt, da es für die Zulassung der Revision unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass fehlt.

Gegen die Nichtzulassung der Revision kann von dem Kläger nach Maßgabe des § 72 a AbGG Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.

Ende der Entscheidung

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