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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 486/05
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, KSchG, BetrVG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 134
BGB § 626 Abs. 1
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 1
BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 3
ZPO §§ 512 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 486/05

Entscheidung vom 16.11.2005

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17.05.2005, Az.: 8 Ca 347/05 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 22.02.2005 aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat 1/10 und die Beklagte hat 9/10 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.280,00 EUR festgesetzt.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen sowie einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17.05.2005 (dort S. 2 bis 7 = Bl. 152 bis 157 d.A.) Bezug genommen.

Allerdings ist der unstreitige Tatbestand, aufgrund weitergehenden Parteivortrages im zweitinstanzlichen Verfahren wie folgt zu ergänzen.

Am 03.12.2003 entwendete Herr X, der für eine den Baumarkt der Beklagten beliefernde Spedition arbeitet, aus der Lagerhalle der Firma W in V eine größere Anzahl von Digitalkameras und Handycams. Anlässlich einer Warenauslieferung bei der Beklagten fragte Herr X den Kläger, ob dieser Interesse an gestohlenen Sony-Digitalkameras habe. Der Kläger bejahte dies, woraufhin Herr X seine Telefonnummer hinterließ. Am 03.12.2003 gegen 19.00 Uhr rief der Kläger Herrn X an und verabredete ein Treffen für den 06.12.2003, 11.00 Uhr auf dem Parkplatz der Firma U in D.

Beide trafen sich dann wie vereinbart auf dem Parkplatz der Beklagten. Der Kläger erwarb acht gestohlene Digitalkameras zu einem Preis von 1.000,00 EUR, wobei er wusste, dass es sich um Diebesgut handelt. Ob das Geschäft auf dem Parkplatz der Beklagten oder - nach einem zwischenzeitlichen Ortswechsel - auf einem anderen Parkplatz abgewickelt wurde, ist streitig.

Das Amtsgericht Kaiserslautern hat gegen den Kläger per Strafbefehl (Bl. 198 ff. d.A.) eine Geldstrafe in Höhe von 2.700,00 EUR wegen Hehlerei verhängt.

Mit Schreiben vom 12.07.2005 (Bl. 201 ff. d.A.) machte die Beklagte dem bei ihr errichteten Betriebsrat eine ergänzende Mitteilung über weitere Gründe zu der bereits fristlos sowie hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung und schilderte dabei den oben dargelegten Sachverhalt.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat mit Urteil vom 17.05.2005 (Bl. 151 ff. d.A.) festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 22.02.2005 noch durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 02.03.2005 zum 31.05.2005 aufgelöst worden ist. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es fehle sowohl an einem wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB für die fristlose als auch an einer sozialen Rechtfertigung im Sinne von § 1 KSchG für die ordentliche Kündigung. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne die beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auf den Verdacht des unrechtmäßigen Erwerbs oder der Entwendung von Ware, die im Sortiment der Beklagten geführt werde, gestützt werden. Hierfür reiche allein die Tatsache, dass der Kläger Gegenstände in seinem Besitz habe, die auch von der Beklagten verkauft würden, nicht aus, zumal die Beklagte noch nicht einmal behaupte, dass bei ihr entsprechende Ware verschwunden sei.

Soweit die Beklagte ihre Kündigungen auf den Umstand stützen wolle, dass unrechtmäßig reduzierte Ware erworben worden sei, habe sich der Kläger an ein Verfahren gehalten, das die Beklagte langjährig zumindest geduldet habe. Bevor sie eine Kündigung auf dieses Verfahren stützen könne, hätte die Beklagte zuvor dessen Änderung bekannt geben müssen.

Des Weiteren seien die Kündigungen auch nach § 102 BetrVG unwirksam, da die Beklagte dem bei ihr errichteten Betriebsrat im Rahmen der Anhörung solche Informationen nicht gegeben habe, die den Kläger entlasten würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 8 ff. des Urteils vom 17.05.2005 (= Bl. 158 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte, der das Urteil des Arbeitsgerichts am 30.05.2005 zugestellt worden ist, hat am 17.06.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 15.08.2005 ihr Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 15.08.2005 verlängert worden war.

Die Beklagte macht geltend, die fristlose Kündigung beruhe auf einem wichtigen Grund, da der Kläger eine Güde-Tischkreissäge, welche einen Verkaufspreis von 179,00 EUR gehabt habe, für nur 10,00 EUR erworben habe. Diese Tischkreissäge sei voll funktionsfähig gewesen, so dass es keinen vernünftigen Anlass für die Beklagte gegeben hätte, diesen Artikel lediglich für 10,00 EUR zu verkaufen. Der Kläger habe diese Tischkreissäge manipulativ auf einem Abschriftenbeleg als Bruch abgezeichnet und sich den Kaufpreis auf dem sogenannten Zuschnittauftrag vom 24.08.2004 mit 10,00 EUR bestätigen lassen. Der Zuschnittauftrag sei von dem wegen dringenden Tatverdachts der Manipulation ebenfalls entlassenen Kollegen des Klägers, Herrn T unterzeichnet worden. Der Kläger habe dann die Kenntnis ausgenutzt, dass der weitere den Zuschnittsauftragsbeleg "i.A." unterzeichnende Mitarbeiter, Herr S, die Unterschrift ohne Begutachtung der Säge geleistet habe und damit das bei der Beklagten gültige Vier-Augen-Prinzip nicht eingehalten habe.

Der Kläger habe bei diesem Vorgang zumindest mit bedingtem Vorsatz ausgenutzt, dass eine fehlerhaft reduzierte Ware an ihn verkauft worden sei. Er habe nicht davon ausgehen können, dass die Mitnahme von Ware, die versehentlich preisreduziert worden sei, von der Beklagten geduldet werde.

Die Anhörung des Betriebsrates sei ordnungsgemäß erfolgt, zumal bei der Beurteilung einer Betriebsratsanhörung der Grundsatz der subjektiven Determination zu beachten sei.

Unabhängig hiervon sei der Beklagten am 05.07. und 06.07.2005 ein weiterer Kündigungsgrund bekannt geworden, da zu diesem Zeitpunkt Herr R, ein Mitarbeiter der Beklagten durch Einsichtnahme in die Ermittlungsakte erstmals von dem gegen den Kläger verhängten Strafbefehl und dessen Rechtskraft Kenntnis bekommen habe.

Bei seinem Treffen mit Herrn X habe der Kläger am 06.12.2003 auf dem Parkplatz der Beklagten die acht Digitalkameras gekauft.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 15.08.2005 (Bl. 192 ff. d.A.), 31.10.2005 (Bl. 219 ff. d.A.) und 10.11.2005 (Bl. 234 f. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17.05.2005, Az.: 8 Ca 347/05 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus, die von ihm erworbene Tischkreissäge hätte auf Weisung des Abteilungsleiters Werkzeuge entsorgt werden sollen. Es sei bei der Beklagten üblich gewesen, dass Waren mit Mängeln aussortiert werden und Mitarbeiter die Gelegenheit erhielten, derartige Ware zu reduzierten Preisen zu erwerben. Er, der Kläger habe die Unterschrift des Abteilungsleiters Werkzeuge, also des Herrn T nicht erschlichen.

Hinsichtlich des Vorgangs der Hehlerei habe die Beklagte bereits weit früher Kenntnis von dem Sachverhalt erlangt als am 05. oder 06.07.2005. Bereits im März 2004 seien mehr als ein Duzend Polizeibeamte auf dem Betriebsgelände der Beklagten erschienen und hätten eine Durchsuchung vorgenommen unter Hinweis darauf, dass gegen den Mitarbeiter C. der Verdacht der Hehlerei bestünde. Hiervon hätte selbstverständlich auch der Geschäftsleiter gewusst. Am 11.02.2005 habe die Beklagte ein ihr von der Polizei überlassenes Video dem Kläger in Gegenwart des Betriebsrates vorgeführt. Dabei habe der Kläger darauf hingewiesen, dass dieses Video nicht wegen Vorwürfen der Unterschlagung von Ware der Beklagten aufgenommen worden sei; es sei gegen ihn vielmehr wegen Hehlerei von Kameras ermittelt worden und er habe damals eine "große Dummheit" begangen und dafür "seine Strafe" bekommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 19.09.2005 (Bl. 213 ff. d.A.), 03.11.2005 (Bl. 227 ff. d.A.) und 14.11.2005 (Bl. 238 f. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zulässig und darüber hinaus auch teilweise begründet.

A.

Unbegründet ist die Berufung allerdings, soweit sie sich gegen die Feststellung richtet, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 22.02.2005 nicht aufgelöst worden ist.

Die zulässige Feststellungsklage ist insoweit begründet, da die fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 1, 134 BGB nichtig ist. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Die erforderliche Überprüfung gemäß § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich zweistufig: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. DLW/Dörner, 3. Aufl., D/Rdnr. 626).

Im vorliegenden Fall macht die Beklagte als wichtige Gründe geltend, der Kläger habe eine Tischkreissäge aus ihrem Warensortiment zu einem zu Unrecht reduzierten Preis erworben (I.) und er habe auf dem Firmenparkplatz eine Hehlerei begangen (II.).

I.

Der Sachvortrag der Beklagten, der Kläger habe eine Tischkreissäge der Marke Güde zu einem Preis von 10,00 EUR, trotz eines regulären Verkaufspreises von 179,00 EUR, mithin pflichtwidrig erworben, ist schon an sich nicht geeignet, einen wichtigen Grund zu bilden. Es fehlt insoweit an einem arbeitsvertragswidrigen Verhalten des Klägers.

Der Kläger ist im Rahmen eines Personalkaufes Vertragspartner der Beklagten geworden, wobei es den auf Seiten der Beklagten handelnden Personen, also Herrn T und Herrn S unbenommen blieb, den Kaufpreis für die Tischkreissäge höher als auf 10,00 EUR anzusetzen oder die Tischkreissäge, im Falle ihrer vollen Funktionsfähigkeit, überhaupt nicht im Rahmen eines Personalkaufes zu veräußern. Das diese für den Warenverkauf zuständigen Mitarbeiter lediglich 10,00 EUR im Rahmen des Personalkaufs forderten und der Kläger hierauf einging, ist jedenfalls keine Pflichtwidrigkeit des Klägers. Er war im Rahmen dieses Kaufgeschäftes nicht Sachwalter der Beklagten, der zu seinen eigenen Lasten darauf achten müsste, dass die Beklagte nicht benachteiligt wird. Dies war allein Aufgabe der auf Verkäuferseite tätig werdenden Mitarbeiter der Beklagten.

Aus dem Sachvortrag der Beklagten ergibt sich auch nicht schlüssig, dass der Kläger den Abschriftenbeleg vom 16.08.2004 (Bl. 54 d.A.), in welchem die Minderwertigkeit der Firmenkreissäge dokumentiert wurde, "manipulativ", wie von der Beklagten behauptet, erstellt hat. Der Abschriftenbeleg wurde vom Kläger mit dem Vermerk versehen: "Bruch. 16.08.2004"; daneben finden sich auf diesem Beleg die Handzeichen von zwei weiteren Mitarbeitern, unter anderem auch des Herrn T, also des zuständigen Abteilungsleiters für Werkzeuge. Worin, angesichts von drei Unterschriften auf diesem Abschriftenbeleg, konkret die Manipulationshandlung des Klägers liegen soll, ist von der Beklagten weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich. Falls die beiden anderen Mitarbeiter den Abschriftenbeleg, ohne Prüfung oder wissentlich sachwidrig abgezeichnet haben sollten, kann dieses etwaige Fehlverhalten jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers gehen.

II.

Wenn dem Kläger des Weiteren vorgeworfen wird, er habe Diebesgut, nämlich acht Digitalkameras auf dem Firmenparkplatz der Beklagten erworben, ist dies ein generell zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Sachverhalt (vgl. BAG, Urt. v. 06.11.2003 - 2 AZR 631/02 = AP Nr. 39 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).

Allerdings ergibt insoweit - selbst wenn der gesamte Sachvortrag der Beklagten in diesem Zusammenhang als tatsächlich zutreffend unterstellt wird - die vorzunehmende Interessenabwägung anhand der Einzelfallumstände und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der zweimonatigen Kündigungsfrist zuzumuten war.

Der Kläger war nämlich als Wareneingangsleiter gehalten, mit Waren jeglicher Art im Bereich der Beklagten sorgfältig und verantwortungsvoll umzugehen. Hierzu gehört sicherlich, sich im räumlichen Bereich seiner Arbeitgeberin jeglicher Vermögensdelikte und der hierzu gehörenden Vorbereitungshandlungen zu enthalten. Ansonsten musste er von einem Verlust des in ihn als Wareneingangsleiter gesetzten Vertrauens ausgehen, das eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses notwendig macht.

Der Kläger war aber bei der Beklagten bereits sechs Jahre beschäftigt, ohne dass er sich etwas zu schulden kommen ließ. Er hat darüber hinaus sein Fehlverhalten eingesehen und gegenüber der Beklagten als "große Dummheit" bezeichnet; darüber hinaus wurde er mit einer Geldstrafe in Höhe von 2.700,00 EUR belegt. Hinzu kommt, dass er seiner Ehefrau und drei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, die Kündigungsfrist lediglich zwei Monate beträgt und die Beklagte letztlich nicht das Opfer des Vermögensdeliktes war. Bei einer Gesamtwertung all dieser Umstände erscheint der Kammer eine fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht angemessen.

B.

Die Berufung ist jedoch begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Beschäftigungsverhältnis durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 02.03.2005 nicht zum 31.05.2005 aufgelöst worden ist. Die ordentliche Kündigung ist nämlich nicht nach § 1 KSchG oder § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam und beendete mithin das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2005.

I.

Nach § 1 Abs. 1 des vorliegend vollumfänglich anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes ist eine ordentliche Kündigung unwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung unter anderem dann, wenn sie nicht durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist.

Ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers in diesem Sinne kann sich auch daraus ergeben, dass er betriebliche Begebenheiten nutzt, um Straftaten zu begehen. Hierin liegt regelmäßig eine beachtliche Nebenpflichtverletzung, da kein Arbeitgeber zu dulden braucht, dass seine Räume für strafbare Privatgeschäfte von Mitarbeitern genutzt werden (vgl. BAG, Urt. v. 06.11.2003 a.a.O.). Ob auf ein solches Fehlverhalten eine ordentliche Kündigung gestützt werden kann, ist im Rahmen einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände festzustellen.

Im gegebenen Fall hat der Kläger - selbst wenn ausschließlich sein eigener Sachvortrag der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt wird - das Firmengelände der Beklagten genutzt, um den von Herrn X angebotenen Kontakt zu knüpfen und anschließend hat er - weiter allein von seinem Sachvortrag ausgehend - sich mit Herrn X auf dem Firmenparkplatz getroffen, um später auf einen wenige Kilometer entfernten Parkplatz in D zu fahren und dort den illegalen Erwerb der acht gestohlenen Digitalkameras abzuwickeln. Mithin hat er sowohl seine Funktion als Wareneingangsleiter, der auch mit Fahrern anliefernder Speditionen in Kontakt tritt, als auch das Firmengelände - hier den Parkplatz der Beklagten - genutzt, um eine Hehlerei vorzubereiten.

Eine Interessenabwägung aller Einzelfallumstände ergibt ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dabei ist vorweg klarzustellen, dass auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die ordentliche Kündigung keiner vorausgegangenen Abmahnung bedurfte, da der Kläger unter keinen Umständen damit rechnen konnte, dass die Beklagte die Vorbereitung einer strafbaren Handlung auf ihrem Firmengelände und im Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit des Klägers tolerieren könnte. Durch eine Abmahnung hätte das Vertrauen zwischen den Arbeitsvertragsparteien letztlich auch nicht wieder hergestellt werden können.

Im Übrigen sind in der Interessenabwägung sämtliche Gesichtspunkte mit zu berücksichtigen, die bereits im Rahmen der Prüfung der Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung dargestellt worden sind. Die Gesamtwürdigung dieser Gesichtspunkte ergibt, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer zweimonatigen Kündigungsfrist, auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen ist.

II.

Die ordentliche Kündigung vom 02.03.2005 ist auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam. Die Beklagte hat nämlich den bei ihr errichteten Betriebsrat mit Schreiben vom 18.02.2005 (Bl. 47 ff. d.A.) in Verbindung mit der ergänzenden Mitteilung vom 12.07.2005 (Bl. 201 d.A.) ordnungsgemäß zu der hilfsweise beabsichtigten ordentlichen Kündigung angehört.

Die ordentliche Kündigung beruht ersichtlich auf diesem Anhörungsschreiben, in welchem die Absicht einer fristlosen sowie einer hilfsweise ordentlich zu erklärenden Kündigung mitgeteilt wurde, zumal die Beklagte (zeitlich gestaffelt) zunächst die fristlose Kündigung vom 22.02.2005 und später - wohl auch zur Wahrung der Wochenfrist aus 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG - die ordentliche Kündigung vom 02.03.2005 erklärte. Das Anhörungsschreiben vom 18.02.2005 enthält die notwendigen Angaben über die zu kündigende Person nebst Beschäftigungs- und Sozialdaten sowie die Art der beabsichtigten Kündigungen. Ob die Mitteilung der Kündigungsgründe in dem Anhörungsschreiben ordnungsgemäß erfolgte - was das Arbeitsgericht letztlich verneinte - kann dahinstehen. Insoweit kommt es im vorliegenden Fall ausschließlich auf die in der ergänzenden Mitteilung vom 12.07.2005 mitgeteilten Gründe an, die aus einem anderen Bereich stammen als jene aus dem Schreiben vom 18.02.2005. Der Mitteilung vom 12.07.2005 ist der Sachverhalt, welcher aus Sicht der Arbeitgeberin die Kündigung begründen soll, klar und konkret zu entnehmen.

Die Berücksichtigung der ergänzenden Mitteilung vom 02.07.2005 als Bestandteil des grundsätzlich vor Kündigungsausspruch durchzuführenden Anhörungsverfahrens ist in analoger Anwendung von § 102 BetrVG zulässig, wenn die Kündigungsgründe erst nachträglich bekannt geworden sind (vgl. BAG, Urt. v. 11.04.1985 - 2 AZR 239/94 = EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 62). Zwischen den Parteien ist zwar streitig, wann die Beklagte erstmals von dem Hehlereivorwurf und der Bestrafung des Klägers erfahren hat. Hierauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist, wann der Beklagten erstmals zuverlässig bekannt wurde, dass der Kläger bei der Vorbereitung des Hehlereideliktes die Kontaktaufnahme im Zusammenhang mit seiner Arbeitstätigkeit durchführte und unter Einbeziehung des Firmengeländes die Straftat vorbereitete. Diese konkreten Umstände konnte die Beklagte erstmals dem Strafbefehl entnehmen, den Herr R, ein Mitarbeiter der Beklagten, bei der Einsichtnahme in die Ermittlungsakte des Klägers im Juli 2005 gelesen hat. Eine frühere Kenntnisnahme des Inhaltes des Strafbefehles wird vom Kläger nicht spezifiziert vorgetragen; sein Bestreiten des Zeitpunktes der Kenntnisnahme von konkretem Inhalt des Strafbefehles ist daher unerheblich.

III.

Das Beschäftigungsverhältnis wurde unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 626 Abs. 2 Nr. 2 BGB zwei Monate zum Monatsende) durch die Kündigung vom 02.03.2005 zum 30.05.2005 beendet.

Nach alledem war das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern teilweise abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben. Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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