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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 31.08.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 578/05
Rechtsgebiete: InsO, BGB, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 60
InsO § 61
InsO § 61 Satz 1
InsO § 61 Satz 2
InsO § 207
InsO § 210
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 288
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 614 Satz 1
ArbGG §§ 64 ff.
ZPO §§ 512 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 578/05

Entscheidung vom 31.08.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens -, Az.: 4 Ca 268/05 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung von Mehrarbeitsvergütung und Urlaubsabgeltung.

Am 31.10.2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma X GmbH eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt (vgl. Bl. 22 f. d.A.). Mit Schreiben vom 19.12.2000 (Bl. 45 d.A.) zeigte er gegenüber dem zuständigen Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an, führte aber den Betrieb weiter.

Während der Zeit vom 23.03.2004 bis 31.10.2004 beschäftigte er die Klägerin als Sekretärin bei der Firma X GmbH.

Nach Aufforderung durch den späteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin erstellte der Beklagte eine Probeabrechnung (Bl. 3 d.A.), die einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Mehrarbeitsvergütung und Urlaubsabgeltung in Höhe von insgesamt 1.551,53 EUR netto ausweist. Eine Auszahlung dieses Betrages erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 10.02.2005 (Bl. 47 ff. d.A.) zeigte der Beklagte gegenüber dem Insolvenzgericht Massearmut gemäß § 207 InsO an.

Die Klägerin hat mit ihrer am 16.03.2005 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - erhobenen Klage von dem Beklagten "als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma X GmbH" die Zahlung des abgerechneten Nettobetrages verlangt.

Mit Schriftsatz vom 08.05.2005, welcher dem Beklagten am 12.05.2005 zugegangen ist, hat die Klägerin unter anderem geltend gemacht, der Beklagte sei gemäß §§ 60, 61 InsO zum Schadensersatz verpflichtet.

Wegen des Weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 18.05.2005 (dort S. 2 f. = Bl. 31 f. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.551,53 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat mit Urteil vom 18.05.2005 (Bl. 30 ff. d.A.) den Beklagten "als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma X GmbH" verurteilt, an die Klägerin 1.551,53 EUR netto mit 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2004 zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung in dieser Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes habe die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung in rechnerisch nicht streitiger Höhe von 1.551,53 EUR netto. Es könne dahinstehen, ob der Anspruch der Klägerin im Hinblick auf die Anzeige der behaupteten Masseunzulänglichkeit zu einer Insolvenzforderung geworden sei. Denn der Beklagte sei als Insolvenzverwalter gemäß §§ 60, 61 InsO zumindest verpflichtet, die rechnerisch unstreitige Forderung als Schadensersatz zu erfüllen. Die Zinsforderung beruhe auf § 288 BGB.

Der Beklagte, dem die Entscheidung des Arbeitsgerichtes am 22.06.2005 zugestellt worden ist, hat am 14.07.2005 unter gleichzeitiger Begründung seines Rechtsmittels Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt.

Der Beklagte macht geltend,

die von der Klägerin geltend gemachten Forderungen könnten auf jeden Fall nicht vollstreckt werden, da er Massearmut angezeigt habe und infolgedessen ein Vollstreckungsverbot gemäß § 210 InsO gelte. Für ein Leistungsbegehren gegen die Insolvenzmasse fehle es regelmäßig am Rechtsschutzbedürfnis, so dass die Leistungsanträge der Klägerin nicht tituliert werden dürften. Rechtsfolge der am 19.12.2000 angezeigten Masseunzulänglichkeit sei, dass das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für eine Leistungsklage fehle. Ansprüche gegen den Beklagten persönlich wegen Insolvenzverwalterhaftung seien nicht geltend gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 13.07.2005 (Bl. 41 ff. d.A.) verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 18.05.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin führt aus,

der Beklagte hafte gemäß § 61 InsO persönlich, da er die Stellung eines Ersatzarbeitgebers für die unzulängliche Masse eingenommen habe. Im Übrigen habe er nach seinen eigenen Angaben in dem Schreiben an das Insolvenzgericht vom 10.02.2005 erhebliche Fehleinschätzungen im Laufe des Insolvenzverfahrens vorgenommen. So hätte er auch merken müssen, dass es dem früheren geschäftsführenden Gesellschafter der insolventen Firma X, den er mit der Leitung des Geschäftsbetriebes nach Insolvenzeröffnung beauftragt habe, nur darum gegangen sei, Umsätze in seine neue Firma umzuleiten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 16.08.2005 (Bl. 55 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zulässig. Zumindest während des Berufungsverfahrens war Beklagter Herr A. persönlich, so dass das Beklagtenrubrum entsprechend zu berichtigen war. Denn das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat bei zutreffender Auslegung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten persönlich und nicht in seiner Funktion als Insolvenzverwalter verurteilt. Zwar wird im Urteilsrubrum der Beklagte "als Insolvenzverwalter" aufgeführt; diese Bezeichnung kann aber, angesichts der Entscheidungsgründe nur so verstanden werden, dass hier der Beklagte persönlich wegen seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wird. Denn die der Klage stattgebende Entscheidung wurde vom Arbeitsgericht ausschließlich auf §§ 60, 61 InsO gestützt - Anspruchsgrundlagen, die allein eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters begründen. Da sich die Klägerin auch im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens auf §§ 60, 61 InsO und damit auf eine persönliche Inanspruchnahme des Beklagten berufen hat, war zur Klarstellung das Beklagtenrubrum dahingehend zu berichtigen, dass der Zusatz "als Insolvenzverwalter" entfällt.

Die Berufung ist nicht begründet, da der Beklagte nach § 61 Satz 1 InsO Schadenersatz an die Klägerin in Höhe von 1.551,53 EUR netto zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2004 zu zahlen hat. Gemäß § 61 Satz 1 InsO ist der Verwalter einem Massegläubiger zum Schadenersatz verpflichtet, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden kann. Dies gilt nach Satz 2 nur dann nicht, wenn der Verwalter bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde. Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch der Klägerin sind demnach erfüllt.

1.

Bei den Zahlungsansprüchen der Klägerin handelt es sich um Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Hiernach sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Der Beklagte hat mit der Klägerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen gegenseitigen Vertrag, nämlich einen Arbeitsvertrag abgeschlossen; aufgrund dieses Vertrages wurde die Klägerin vom 23.03.2004 bis 31.10.2004 als Sekretärin bei der Firma X GmbH beschäftigt. Die Klägerin hat ihre Arbeitspflicht aus diesem Vertrag, entsprechend der Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt. Dementsprechend steht ihr noch Mehrarbeitsvergütung und Urlaubsabgeltung in Höhe von insgesamt 1.551,53 EUR netto aus dem Arbeitsvertrag - Anspruchsgrund und Höhe sind zwischen den Parteien nicht streitig - zu, so dass eine Verbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO gegeben ist.

2.

Auch die weitere Voraussetzung des § 61 Satz 1 InsO, wonach die Masseverbindlichkeit durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden sein muss, ist erfüllt, da die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin, aufgrund des Abschlusses des Arbeitsvertrages mit dem Insolvenzverwalter, also aufgrund dessen Vertragserklärung begründet worden sind.

3.

Die streitgegenständlichen Forderungen der Klägerin können - selbst nach dem Vortrag des Beklagten - aus der Insolvenzmasse nicht erfüllt werden, da der Beklagte Massearmut im Sinne von § 207 InsO angezeigt hat. Eine solche Anzeige setzt voraus, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Mithin wird hierdurch auch zum Ausdruck gebracht, dass Masseverbindlichkeiten nicht erfüllt werden können.

4.

Es sind keinerlei Umstände ersichtlich, die dafür sprechen, dass der Schadensersatzanspruch gemäß § 61 Satz 2 InsO ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Denn der darlegungspflichtige Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass er bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde. Er kann nach Überzeugung der Berufungskammer in diesem Zusammenhang auch nicht einwenden - wie dies aber in der Berufungsbegründung zum Ausdruck kommt - dass er bislang nicht persönlich von der Klägerin in Anspruch genommen sei. Denn die Klägerin hat schon mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 08.05.2005 eine Haftung des Beklagten nach §§ 60, 61 InsO geltend gemacht, so dass bereits danach Anlass bestanden hätte, entlastende Tatsachen im Sinne von § 61 Satz 2 InsO vorzutragen. Spätestens aber nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteiles, also während des Berufungsverfahrens wie auch nach dem Hinweis der Berufungskammer in der letzten mündlichen Berufungsverhandlung auf die gerichtliche Erwägung, das Beklagtenrubrum zu berichtigen, hätte der Beklagte ihn entlastende Tatsachen vortragen können. Er hat aber insoweit nichts dargetan.

Die zugesprochenen Zinsen beruhen auf §§ 614 Satz 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben. Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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