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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 27.03.2009
Aktenzeichen: 9 Sa 720/08
Rechtsgebiete: AVR, ArbGG, SGB VIII, BGB, KSchG, MVG


Vorschriften:

AVR § 14 Abs. 2
AVR § 14 Abs. 5
AVR § 16 Abs. 2
ArbGG § 69 Abs. 2
SGB VIII § 34
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
KSchG § 1
MVG § 42 b
MVG § 46 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 22.10.2008, Az.: 4 Ca 858/07 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren darüber, ob das Arbeitsverhältnis des 49-jährigen, zwei Kindern unterhaltspflichtigen und seit dem 01.04.1990 als Erzieher beschäftigten Klägers, welches nach Maßgabe von § 14 Abs. 5 der Richtlinien für Arbeitsverträge in Einrichtungen des Deutschen Caritas Verbandes (AVR) ordentlich nicht mehr kündbar ist, durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 17.12.2007 seine Beendigung gefunden hat. Zur Darstellung des streitigen Sachverhalts sowie des wechselseitigen streitigen Parteivorbringens erster Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 22.10.2008, Az.: 4 Ca 858/07 (Bl. 91 ff. d. A.). Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 17.12.2007 nicht aufgelöst worden ist. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt: Der Kläger habe zwar pflichtwidrig die ihm gegenüber Jugendlichen obliegende Aufsichtspflicht verletzt. Allerdings könne die Abmahnung vom 25.09.2007 nicht als subjektiv vorwerfbares pflichtwidriges Verhalten des Klägers gewertet werden. Die feststellbaren Pflichtwidrigkeiten im Hinblick auf die Jugendlichen O. S. und A. seien im Hinblick auf deren Schwere nicht geeignet, einen Grund für eine fristlose Kündigung eines unkündbaren Arbeitnehmers darzustellen. Vielmehr wären diese geeignet gewesen, diesbezüglich eine weitere Abmahnung auszusprechen. Bezüglich der vorgetragenen Pflichtwidrigkeiten wäre es zwar möglich gewesen, bei einem Arbeitnehmer, der ordentlich kündbar wäre, eine ordentliche Kündigung auszusprechen. Der Kläger sei jedoch durch die Bestimmungen der AVR geschützt. Menschliche Fehlleistungen in dem seitens der Beklagten vorgetragenen Umfang kämen immer wieder vor. Das genannte Urteil ist der Beklagten am 21.11.2008 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 08.12.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 21.01.2009 bis zum 04.02.2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 04.02.2009, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet. Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 124 ff. d. A.), begehrt die Beklagte die Abänderung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage. Zur Begründung macht die Beklagte -zusammengefasst - geltend: Wenn auch die diesbezügliche Kündigungsschutzklage des Klägers Erfolg hatte (Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17.01.2005 -7 Sa 525/04-), spiegele die dem genannten Verfahren zugrundeliegende seinerzeitige Kündigung vom 13.11.2003 eine massive Aufsichtspflichtverletzung des Klägers wider. Im nunmehrigen Tätigkeitsbereich als Erzieher in einer Außenwohngruppe für Jugendliche sei der Kläger mit Kindern und Jugendlichen mit erheblichen erzieherischen und psychischen Problemen befasst. Hierbei sei es insbesondere zwingend notwendig, den Kindern und Jugendlichen klare Strukturen vorzugeben und Grenzen aufzuzeigen, damit diese ein entsprechendes Sozialverhalten erlernten. Die Jugendgruppen seien dergestalt ausgelegt, dass auch in der Verselbstständigungsgruppe, in welcher sich die Vorfälle die zur streitgegenständlichen Kündigung geführt haben, ereignet hätten, rund um die Uhr mit Fachpersonal besetzt sein müssen. Dies bedinge, dass eine Betreuung sichergestellt sein müsse, bis alle Bewohner der Wohngruppe diese am Morgen verlassen hätten. Dies bedinge regelmäßig eine Anwesenheit eines Betreuers bis um 8:30 Uhr. Könne ein Kind - beispielsweise aus Krankheitsgründen - die Wohngruppe nicht verlassen, müsse auch eine Betreuung von 8:30 Uhr bis 13:30 Uhr sichergestellt sein. Dies ergebe sich auch aus den gesetzlichen Vorgaben des § 34 SGB VIII und den entsprechenden Vorgaben des Jugendamtes. Aufgrund dieser Vorgaben könne es sich die Beklagte nicht leisten, dass Betreuungspflichten nicht wahrgenommen würden. Nachdem der Kläger - dies räumt auch der Kläger selbst ein - ausweislich der Abmahnung vom 27.12.2006 am 13.12.2006 den Dienst verließ, obgleich in der Mädchenwohngruppe noch ein Mädchen im Bett gelegen habe, sei es zu erneuten Pflichtverletzungen gekommen. Der Kläger habe am 13.06.2007 seine Arbeitsunfähigkeit verspätet angezeigt mit der Folge der Nichtbeaufsichtigung der Wohngruppe im Zeitraum von 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr. Eine weitere Pflichtverletzung ergebe sich aus dem Protokoll des Personalgesprächs vom 13.06.2007. Der Kläger sei zudem am 29.05.2007 berechtigt abgemahnt worden. Er habe -vorwerfbar- im Zusammenhang mit einem Ausflug der Wohngruppe anlässlich der Rückfahrt eine Gruppe von Mädchen im Wohnheim unbeaufsichtigt gelassen, bis er mit der zweiten Gruppe von dem Freizeitgelände zurückgekehrt sei. Er habe ferner am 03.12.2007 um 8:30 Uhr vormittags die Verselbständigungsgruppe verlassen, obgleich ein Bewohner der Gruppe verschlafen und bis 9:00 Uhr im Bett gelegen habe. Ein ähnlicher Vorfall habe sich am 05.12.2007 ereignet. Der Jugendliche S. habe um 5:45 Uhr aufstehen müssen, sei aber erst um 8:30 Uhr aufgewacht und zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger die Wohngruppe bereits verlassen. Ein weiterer Vorfall habe sich am 27./28.11.2007 dergestalt ereignet, dass die Jugendliche A. morgens vor dem Verlassen der Wohngruppe zum Schulbesuch noch einen Ordner aus dem Büro gebraucht habe und - nachdem dieses verschlossen war - davon ausgegangen sei, dass der Kläger im Büro fest geschlafen habe. Sie habe sich nicht getraut den Kläger zu wecken und hierauf anzusprechen. Des Weiteren hätten sich auch mehrere Mitglieder des Teams der Außenwohngruppe darüber beschwert, dass Jugendliche immer wieder bemängeln würden, dass der Kläger sehr unzuverlässig sei. So hätten sie teilweise an Wochenenden länger Ausgang und verabredeten mit dem Kläger Klopfzeichen, damit dieser sie ohne zu klingeln wieder in die Wohngruppe einlasse. Der Kläger aber würde auf die vereinbarten Klopfzeichen nicht reagieren, teilweise schliefe er auch noch bevor alle Mitglieder der Wohngruppe zu Bett gegangen seien, vor dem Fernseher ein. Die absolute Verlässlichkeit der eingesetzten Erzieher in den Wohngruppen sei integraler Bestandteil der Betreuung. Die Hinnahme derartiger Pflichtverletzungen könne dazu führen, dass Jugendämter zukünftig wegen mangelnder Zuverlässigkeit der Einrichtung keine weiteren Kinder und Jugendliche zuweisen würden. Angesichts der erst Monate zuvor erteilten Abmahnungen und der sich innerhalb kürzester Zeit zugetragener dreier weiterer Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten habe sie nicht davon ausgehen können, dass der Kläger künftig in irgendeiner Weise sein Verhalten umstelle. Hierfür spreche auch die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur fristlosen Kündigung. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 22.10.2008, Az.: 4 Ca 858/07 abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 09.03.2009, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 164 ff. d.A.), als zutreffend und macht im Wesentlichen geltend: Im Zusammenhang mit der Krankmeldung am 05.06.2007 könne ihm kein Vorwurf einer Aufsichtspflichtverletzung gemacht werden, da es sich bei der entsprechenden Schicht um eine doppelt besetzte Schicht gehandelt habe. Die Aufsicht sei daher jederzeit sichergestellt gewesen. Der Vorwurf mangelnder Kommunikation mit den Teammitgliedern sei unzutreffend. Die Abmahnung vom 25.09.2007 sei nicht berechtigt, da es an einem subjektiv vorwerfbaren pflichtwidrigen Verhalten fehle. Es sei ihm unmöglich gewesen, eine Gruppe mit 12 Jugendlichen in einem Bus zu transportieren, der nur über 8 Sitzplätze verfügt habe. Hierin liege ein der Beklagten zurechenbares Organisationsverschulden. Vor Durchführung des Ausfluges habe er auch Rücksprache mit weiteren Mitarbeitern genommen, ob Gründe im Zustand der Gruppe einer solchen Fahrt entgegenstünden, was verneint worden sei. Die Durchführung des Transports sei auch mit dem Heimleiter abgesprochen gewesen. Im Verlauf des Ausflugs habe sich dann deshalb eine unvorhergesehene Situation ergeben, da zwei Jugendliche trotz ausdrücklichen Verbots versucht hätten Alkohol zu trinken. Da diese Jugendlichen nur durch die Anwesenheit eines Betreuers vom Alkoholkonsum hätten abgehalten werden können, habe er sich zusammen mit der weiter anwesenden Mitarbeiterin dazu entschlossen, dass diese Mitarbeiterin mit den drei ältesten Mädchen am Ort des Ausfluges zunächst zurückbleiben solle, während er - der Kläger - den Rest der Gruppe zurückgefahren habe. Hierbei habe er die Mädchen angewiesen, sogleich zu Bett zu gehen. Er habe dann den Rest der Gruppe nebst der weiteren Mitarbeiterin abgeholt. Bei seiner Rückkehr habe Ruhe geherrscht und er habe erst am nächsten Morgen erfahren, dass die Mädchen Lärmstörungen verursacht hätten. Entgegen den Aussagen der erstinstanzlich vernommenen Jugendlichen O. und S. verbleibe er dabei, dass der Jugendliche O. ihm am Vorabend gesagt habe, dass er am nächsten Morgen erst später als üblich zu seiner Arbeitsstelle müsse und deshalb darum gebeten habe, am nächsten Morgen länger schlafen zu dürfen. Ebenso habe der Jugendliche S. ihm am Vorband gesagt, er fühle sich krank und wolle am nächsten Morgen zum Arzt gehen. Auch dieser habe darum gebeten, am nächsten Morgen ausschlafen zu dürfen. Beide Jugendliche seien zudem Mitglieder einer sogenannten Verselbständigungsgruppe, deren Ziel es gerade sei, Jugendliche zur Selbständigkeit zu erziehen. Angesichts der Tatsache, dass der Zeuge O. bereits 19 Jahre alt gewesen sei, habe er auch von einem verantwortungsvollen Verhalten ausgehen dürfen. Der Vorwurf hinsichtlich der Jugendlichen A. sei unzutreffend und werde durch die erstinstanzliche Aussage der Jugendlichen nicht bestätigt. Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet. II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Ein wichtiger Grund, der die Beklagte zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, besteht nicht. 1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung gemäß § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich dabei zweistufig: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. etwa BAG, 27.04.2006 - 2 AZR 415/05 -, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 17). Ist die ordentliche Kündigung tariflich ausgeschlossen, so ist im Rahmen der Interessenabwägung bei einer vom Arbeitgeber erklärten außerordentlichen Kündigung nicht auf die Dauer einer fiktiven Kündigungsfrist, sondern auf die tatsächliche künftige Vertragsbindung abzustellen (vgl. BAG 14.11.1984 - 7 AZR 474/83- EzA BGB § 626 nF Nr. 93). Der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung und die hierdurch in der Regel bedingte langfristige Vertragsbindung stellen Umstände dar, die bei einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers im Rahmen der einzelfallbezogenen Interessenabwägung entweder zugunsten oder zuungunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Welche Betrachtungsweise im Einzelfall den Vorrang verdient, ist insbesondere unter Beachtung des Sinn und Zwecks des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung sowie unter Berücksichtigung der Art des Kündigungsgrundes zu entscheiden. Bei einmaligen Vorfällen ohne Wiederholungsgefahr wirkt sich die längere Vertragsbindung zugunsten des Arbeitnehmers aus. Bei Dauertatbeständen oder Vorfällen mit Wiederholungsgefahr kann die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung u. U. eher unzumutbar sein als bei einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer (BAG 14.11.1984 aaO; 21.06.2001 -2 AZR 30/00- EzA § 626 BGB Unkündbarkeit Nr. 7, jeweils mwN.). Einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer kann allerdings außerordentlich fristlos nur dann gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht einmal bis zum Ablauf der fiktiven Frist zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist (BAG 27.4.2006 -2 AZR 386/05-, EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 11). 2. In Anwendung dieser Grundsätze ist die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten nicht rechtswirksam. a) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass auf ihr Arbeitsverhältnis die Richtlinien für Arbeitsverträge in Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anwendung finden. Nach § 14 Abs. 5 AVR ist nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren bei demselben Dienstgeber, frühestens jedoch nach dem vollendeten 40. Lebensjahr des Mitarbeiters, eine ordentliche Kündigung durch den Dienstgeber grundsätzlich ausgeschlossen. Nach § 16 Abs. 2 AVR kann einem Mitarbeiter, dem gegenüber nach § 14 Abs. 5 AVR die ordentliche Kündigung grundsätzlich ausgeschlossen ist, aus einem in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Grunde fristlos gekündigt werden. Da der Kläger das 40. Lebensjahr vollendet hat und auch bei der Beklagten mehr als 15 Jahre beschäftigt ist, war vorliegend eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Es ist daher davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis des zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung 48-jährigen Klägers regulär erst mit dessen Eintritt in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahres endet. Bei den AVR handelt es sich zwar nicht um tarifvertragliche Regelungen, sondern um einheitliche Vertragsbedingungen. Ihrer Funktion nach sollen sie jedoch unabhängig von den einzelvertraglich ausgehandelten Arbeitsbedingungen in ihrer Wirkung tarifähnliche Standards normieren. Im Rahmen der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 14 Abs. 5 AVR vorliegen und die Beklagte vorliegend nicht eine außerordentliche Kündigung mit einer der Frist für eine ordentliche Kündigung entsprechenden Auslauffrist ausgesprochen hat, ist daher darauf abzustellen, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung nicht einmal bis zum Ablauf der fiktiven Frist zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Diese beträgt hier 6 Monate (§ 14 Abs. 2 AVR / § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB). b) Unter Berücksichtigung der Dauer dieser fiktiven Kündigungsfrist liegen keine ausreichenden Gründe vor, die trotz der festzustellenden Pflichtverletzungen des Klägers die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer dieser Kündigungsfrist als bereits jetzt unzumutbar erscheinen lassen. aa) Der Kläger hat zwar arbeitsvertragliche Pflichten verletzt, allerdings weitaus nicht in dem von der Beklagten behaupteten Umfang. Er gesteht zunächst die Berechtigung der Abmahnung vom 27.12.2006 zu und räumt damit ein, die ihm gegenüber den anvertrauten Jugendlichen obliegende Aufsichts- und Betreuungspflicht in einem Fall verletzt zu haben. Ebenfalls hat der Kläger arbeitsvertragliche Pflichten verletzt, als er am 05.06.2007 seine Arbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich, sondern erst um 12.00 Uhr, also nach Beginn des vorgesehenen Dienstes telefonisch angezeigt hat. Hierin liegt eine Verletzung der im Falle der Krankheit bestehenden Nebenpflicht zur unverzüglichen Anzeige der Arbeitsunfähigkeit. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es hierdurch nicht zu einer Beeinträchtigung der Betreuung der Jugendlichen kam. Die Beklagte ist der Sachdarstellung des Klägers, es habe sich um eine doppelt besetzte Schicht gehandelt, nicht entgegengetreten. Auch aus dem von der Beklagten vorgelegten Protokoll des Personalgesprächs vom 13.06.2007 ergibt sich, dass der Kläger lediglich zu einem Zusatzdienst eingeteilt war. Ebenso geht die Berufungskammer nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme davon aus, dass sich der Kläger pflichtwidrig am 03. und 05.12.2007 verhalten hat, als er die Jugendlichen O. und S. nicht weckte. Die hierzu erstinstanzlich vernommenen Jugendlichen haben den zur Rechtfertigung seitens des Klägers vorgebrachten Sachvortrag gerade nicht bestätigt. Weitere Pflichtverletzungen lassen sich hingegen nicht feststellen. Soweit die Beklagte darauf abstellt, schon den Kündigungen, die Gegenstand des Verfahrens der Parteien vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Az. 7 Sa 525/04, waren, hätte u.a. eine Verletzung der Aufsichtspflicht zugrunde gelegen, hat das Landesarbeitsgericht im Urteil vom 17.01.2005 gerade ausgeführt, dass sich keine Aufsichtspflichtverletzung feststellen lasse. Aus diesem Grund kann auch der seinerzeitigen Kündigung nicht die Funktion einer berechtigten Abmahnung zukommen. Keine Pflichtverletzung liegt hinsichtlich des von der Beklagten mit Abmahnung vom 25.09.2007 gerügten Verhaltens des Klägers vor. Dieser hat im Einzelnen dargelegt, dass ein ordnungsgemäßer Transport bzw. eine Beaufsichtigung der Jugendlichen anlässlich des Ausflugs am 25./26.08.2007 auch bei der Rückfahrt nach den ursprünglichen Planungen gewährleistet gewesen wäre, sich dann aber die Situation im Hinblick auf den Alkoholkonsum zweier Jugendlicher geändert habe und in Absprache mit der weiteren Betreuerin das gewählte Verfahren erforderlich gemacht hat. Diesem Sachvortrag ist die Beklagte ihrerseits nicht entgegengetreten. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, welche andere Vorgehensweise vom Kläger angesichts der nur begrenzten Sitzanzahl des zur Verfügung gestellten Busses zu erwarten gewesen wäre. Soweit die Beklagte behauptet, der Jugendliche S. sei auch am 28.11.2007 vom Kläger nicht geweckt worden, hat der erstinstanzlich als Zeuge vernommene Jugendliche dies nicht bestätigt. Auch der Vorwurf im Zusammenhang mit der Jugendlichen A. ist von dieser im Rahmen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. Soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe an die übrigen Schichten und Teammitglieder nur mangelhaft Informationen weitergegeben, lässt sich eine Pflichtverletzung nicht feststellen. Die Beklagte verweist insoweit konkret und unter Bezugnahme auf das Protokoll des Mitarbeitergesprächs vom 13.06.2007 darauf, der Kläger habe seine Dienstzeiten nicht an die Gruppenleiterin O. weitergegeben. Dies trifft nach dem Inhalt des genannten Protokolls nicht zu. Danach hat der Kläger die Dienstzeiten weitergegeben, dies wurde allerdings seitens einer der beteiligten Personen ausweislich des Protokolls dahingehend verstanden, dass es sich um Vorschläge handele. Inwieweit es sich hierbei um mehr als ein bloßes Missverständnis handeln soll, ist nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte dem Kläger vorhält, einen Gesprächstermin für ein Erziehungsgespräch am 24.05.2007 vergessen zu haben, ergibt sich aus dem Protokoll des Personalgesprächs, dass der Kläger den Termin gleichwohl wahrgenommen hat. Das einmalige Vergessen eines Termins ohne weitere Folgen ist ein normales menschliches Versagen und keine vorwerfbare Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. Wenn die Beklagte dem Kläger schließlich vorwirft, dieser kontrolliere bei abendlichen Ausgängen der Jugendlichen nicht die Einhaltung der vereinbarten Rückkehrzeiten, weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass der Sachvortrag der Beklagten hierzu nicht ausreichend substantiiert ist. Wann dies geschehen sein soll und um welche Jugendlichen es sich hierbei gehandelt haben soll, teilt die Beklagte nicht mit. bb) Eine Verletzung der Arbeitspflicht durch Nicht-Wahrnehmung von Teilaufgaben kommt grundsätzlich nach vorheriger Abmahnung zunächst nur als Grund für eine ordentliche Kündigung in Betracht (vgl. KR-KSchG/Griebeling, 8. Aufl., § 1 KSchG Rz. 433, 434). Ein Grund für eine außerordentliche Kündigung kann bestehen, wenn die Voraussetzungen einer sog. beharrlichen Arbeitsverweigerung vorliegen, die allerdings in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraussetzt. Der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen (vgl. etwa BAG 21.11.1996 -2 AZR 357/95- EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr 50). Die Verletzung der sog. Anzeigepflicht im Krankheitsfall kommt als Grund einer außerordentlichen Kündigung in Betracht, wenn Umstände vorliegen, die den Schluss rechtfertigen, der Arbeitnehmer wolle seine im Krankheitsfall bestehende Pflicht nachhaltig auch zukünftig nicht erfüllen (KR-KSchG/Fischermeier § 626 BGB Rz. 426 mwN). Umstände, die mit ausreichender Sicherheit den Schluss zulassen, der Kläger wolle seine Betreuungsaufgaben nachhaltig und bewusst nicht vollständig wahrnehmen, bestehen nicht. Der Kläger wurde diesbezüglich einmalig mit der Abmahnung vom 27.12.2006 berechtigt abgemahnt. Diese Abmahnung hatte offensichtlich dergestalt Erfolg, dass bis zu dem Nicht-Wecken der beiden Jugendlichen am 03. bzw. 05.12.2007 ähnliche Vorfälle nicht aufgetreten sind. Die konkreten Umstände dieser Pflichtverletzungen lassen ebenfalls nicht den Schluss zu, der Kläger habe seine Pflichten bewusst und nachhaltig nicht vollständig wahrnehmen wollen. Zwar sind sie Ausdruck einer gewissen Nachlässigkeit des Klägers, Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in gleicher Weise auch zukünftig mit einer Nachhaltigkeit im Willen verfahren wird, bestehen jedoch nicht. Auch die einmalige Verletzung der Anzeigepflicht im Fall der Arbeitsunfähigkeit rechtfertigt nicht die Annahme, der Kläger wolle diese Pflicht nachhaltig auch zukünftig nicht erfüllen. Jedenfalls ergibt sich im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Überwiegen der Gesichtspunkte, die für eine Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der genannten fiktiven Kündigungsfrist sprechen. Der Kläger ist 2 Kindern gegenüber unterhaltspflichtig und weist eine Beschäftigungsdauer von zum Zeitpunkt der Kündigung über 17 Jahren auf. Er war zum Zeitpunkt der Kündigung 49 Jahre alt. Zwar kommt der vollständigen und verlässlichen Wahrnehmung der Aufsichts- und Betreuungspflicht gegenüber den anvertrauten Jugendlichen durch die Erzieher in Einrichtungen der von der Beklagten betriebenen Art eine erhebliche Bedeutung zu. Zu berücksichtigen ist aber andererseits, dass die beiden Jugendlichen, die der Kläger nicht geweckt hat, bereits zumindest 17 bzw. 18 Jahre alt waren und von diesen daher bereits ein erhebliches Maß an Eigenverantwortung zu erwarten war. Beide Jugendliche waren auch einer sog. Verselbständigungsgruppe zugeordnet. Zu einer Gefährdung der beiden Jugendlichen ist es nicht gekommen, eine solche war auch nicht zu erwarten. Angesichts des langjährigen störungsfreien Verlaufs des Arbeitsverhältnisses und der Tatsache, dass es nach der Abmahnung vom 27.12.2006 nahezu 1 Jahr nicht zu einer vorwerfbaren Verletzung der Aufsichts- bzw. Betreuungspflicht gekommen ist, erscheint der Berufungskammer (noch) nicht die Prognose gerechtfertigt, der Kläger werde auch zukünftig, ggf. nach einer weiteren Abmahnung seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen. 3. Auch die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung unter Wahrung einer im Falle der ordentlichen Kündigung zu wahrenden Auslauffrist liegen nicht vor. a) Eine solche Kündigung ist nicht ausgesprochen worden; die Annahme einer solchen Kündigung kommt nur im Wege der Umdeutung in Betracht. Es ist bereits fraglich, ob die Voraussetzungen einer Umdeutung vorliegen. Eine Umdeutung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist setzt voraus, dass ein Mitbestimmungsverfahren nach den für ordentliche Kündigungen geltenden Vorschriften durchgeführt worden ist (BAG 18.10.2000 -2 AZR 627/99- EzA § 626 BGB Krankheit Nr. 3; 15.11.2001 -2 AZR 605/00- EzA § 626 nF BGB Nr 192; KR-KSchG/Etzel §§ 72,79,108 Abs. 2 BPersVG). Vorliegend wurde die Mitarbeitervertretung nur zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung beteiligt. Bezüglich einer solchen Kündigung besteht aber nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche (MVG) nach § 46 b MVG nur ein Mitberatungsrecht, während im Falle einer ordentlichen Kündigung ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht nach § 42 b MVG besteht. Zwar hat die Mitarbeitervertretung der Kündigung vorbehaltlos zugestimmt. Im Bereich des BetrVG und des BPersVG steht dann die Anhörung des Vertretungsorgans nur zur einer außerordentlichen Kündigung einer Umdeutung nicht entgegen. Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass nach dem hier maßgeblichen Mitarbeitervertretungsrecht hinsichtlich der beiden Kündigungsarten ein strukturell anders gestaltetes und unterschiedlich stark ausgeprägtes Beteiligungsrecht besteht. Ob die Stellungnahme der Mitarbeitervertretung ebenso ausgefallen wäre, wenn diese nicht vom Bestehen eines bloßen Mitberatungsrechts, sondern eines eingeschränkten Mitbestimmungsrechts ausgegangen wäre, kann nach Auffassung der Berufungskammer nicht ohne weiteres unterstellt werden. b) Selbst wenn die Kammer aber von der Möglichkeit einer Umdeutung ausgeht, erweist sich auch eine solche Kündigung als rechtsunwirksam, weil ungeachtet der genannten voraussichtlichen Vertragsbindungsdauer bis zur Erreichung der Altersgrenze der Beklagten eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar ist. Wie bereits ausgeführt stellen ein tariflicher oder in den Wirkungen tarifähnlicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung und die hierdurch in der Regel bedingte langfristige Vertragsbindung Umstände dar, die bei einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers im Rahmen der einzelfallbezogenen Interessenabwägung entweder zugunsten oder zuungunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Welche Betrachtungsweise im Einzelfall den Vorrang verdient, ist insbesondere unter Beachtung von Sinn und Zweck des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung sowie unter Berücksichtigung der Art des Kündigungsgrundes zu entscheiden. Bei einmaligen Vorfällen ohne Wiederholungsgefahr wirkt sich die längere Vertragsbindung zugunsten des Arbeitnehmers aus. Bei Dauertatbeständen oder Vorfällen mit Wiederholungsgefahr kann die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung unter Umständen eher unzumutbar sein als bei einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer. Ein Dauerzustand steht vorliegend nicht in Frage. Nach Auffassung der Kammer ist aber -wie bereits ausgeführt- unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles auch noch nicht eine hinreichend gesicherte Prognose gerechtfertigt, dass hinsichtlich der genannten Vorfälle eine Wiederholungsgefahr besteht. Angesichts des langjährigen störungsfreien Verlaufs des Arbeitsverhältnisses und der Tatsache, dass die Abmahnung vom 27.12.2006 zumindest für nahezu 1 Jahr zu einer nicht zu beanstandenden Wahrnehmung der Aufsichts- und Betreuungspflichten geführt hat, ist es der Beklagten unter Berücksichtigung der genannten, im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten des Klägers sprechenden Gesichtspunkte und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen und dem Kläger ggf. durch eine erneute Abmahnung die ihm obliegenden Pflichten vor Beendigung des Nachtdienstes zu verdeutlichen. III. Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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