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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 08.02.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 759/07
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 5. Oktober 2007, AZ.: 2 Ca 2938/06, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen des Berufungsverfahren noch darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 11.12.2006 aufgelöst worden ist.

Der am 09.12.1946 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.07.1991 als Busfahrer mit einer Bruttomonatsarbeitsvergütung in Höhe von 2.045,00 € beschäftigt. Am 11. Dezember 2006 trank der Kläger in einer Arbeitspause gegen 11.00 Uhr eine Flasche (0,33 l) Bier. Im Anschluss und noch während der Pause verbrachte der Kläger den von ihm gefahrenen Bus vom Betriebsgelände zu einer ca. 150,00 Meter entfernten Abstellmöglichkeit. Fahrgäste hielten sich während dieser kurzen Fahrt nicht im Bus auf. Die Pause dauerte sodann bis ca. 13.00 Uhr an. Um 13.15 Uhr holte der Kläger mit dem Bus Schüler von einer Schule ab.

Mit Schreiben vom 11.12.2006, dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.

Zur Darstellung des unstreitigen Sachstandes sowie des streitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird im Übrigen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 05.10.2007, AZ: 2 Ca 2938/06.

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 11.12.2006 nicht fristlos aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. Mai 2007 fortbestanden hat.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht zusammengefasst ausgeführt, bereits aufgrund des eigenen Verhaltens der Beklagten könne nicht davon ausgegangen werden, dass es dieser unzumutbar gewesen sei, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte noch nach Ausspruch der Kündigung eine weitere Busfahrt des Klägers geduldet und nicht unterbunden habe.

Gegen dieses ihr am 19.11.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 7. Dezember 2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 17. Dezember 2007 begründet. Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung sei fehlerhaft und führe zu nicht haltbaren Ergebnissen. Aufgrund des Alkoholkonsums könne der Kläger im Bereich des Transports von Menschen nicht eingesetzt werden, da sein Verhalten ein erhebliches Risikopotential für die zu transportierenden Schüler, als auch für den Bestand des Betriebes enthalte. Eine Einsatzmöglichkeit während der fünfmonatigen Kündigungsfrist habe somit nicht bestanden und führe unter Berücksichtigung der Schwere des Vertragsverstoßes zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 5. Oktober 2007, AZ: 2 Ca 2938/06, teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger macht nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 28.01.2008, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 115 ff. d. A.), im Wesentlichen geltend, aufgrund des Konsums der Flasche Bier habe er allenfalls eine Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille gehabt und sich deshalb zum Zeitpunkt des Verbringens des Busses zum Abstellplatz in einem absolut fahrtüchtigen Zustand befunden. Zum Zeitpunkt der Aufnahme der Schüler habe die Alkoholkonzentration bei 0,0 Promille gelegen. Der Kläger macht sich im Übrigen die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu eigen.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

1. Der betriebliche Alkoholkonsum stellt jedenfalls dann eine Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten dar, wenn ein betriebliches absolutes Alkoholverbot besteht. Entsprechendes gilt, wenn ein absolutes Alkoholverbot aufgrund von Unfallverhütungsvorschriften oder sonstigen Vorschriften besteht (vgl. ausführlich Bengelsdorf NZA 2001, 993, 995). Ein derartiges absolutes Alkoholverbot besteht im vorliegenden Fall nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrtunternehmen im Personenverkehr (BOKraft). Danach ist es u. a. dem im Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen im Fahrdienst eingesetzten Betriebspersonal untersagt, während des Dienstes und der Dienstbereitschaft alkoholische Getränke oder andere die dienstliche Tätigkeit beeinträchtigende Mittel zu sich zu nehmen oder eine Fahrt anzutreten, obwohl es unter der Wirkung solcher Gertränke oder Mittel steht.

2. Selbst wenn die Kammer zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Personenbeförderung noch unter einer allerdings dann nur noch äußerst geringen Alkoholeinwirkung stand, berechtigte dies die Beklagte nicht ohne Ausspruch einer vorherigen Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinne zum Ausspruch einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung.

Bei Verstößen gegen ein bestehendes absolutes Alkoholverbot ist eine Abmahnung nicht generell entbehrlich (BAG 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - EZA § 626 BGB n. F. Nr. 168; Engelsdorf a. a. O., S. 998). Eine Abmahnung kann entbehrlich sein, wenn es um eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (KR-Fischermeier, 8. Auflage, § 626 Rz 268; BAG 1. Juli 1999 - 2 AZR 676/98, EZA § 15 Berufsbildungsgesetz Nr. 13; BAG 04.06.1997 a. a. O.).

In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass im vorliegenden Falle eine Abmahnung des Klägers in Abwägung der Interessen beider Parteien nicht entbehrlich war.

Auch nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei der Pflicht zur Wahrung des bestehenden Alkoholverbots um eine Pflicht, deren Beachtung im Bereich der Personenbeförderung unter Teilnahme am Straßenverkehr unabdingbar ist, um eine Gefährdung von Fahrgästen zu vermeiden. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nur eine geringe Menge Alkohol zu sich genommen hat und im Rahmen der Personenbeförderung erst gut zwei Stunden nach Zusichnahme des Bieres tätig geworden ist. Zu diesem Zeitpunkt ist unter Berücksichtigung normaler Alkoholabbauwerte - wenn überhaupt - nur noch von einer äußerst geringen Blutalkoholkonzentration auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass hierdurch die Fahrtüchtigkeit des Klägers beeinträchtigt gewesen sei, bestehen nicht. Zu Gunsten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er langjährig bei der Beklagten beschäftigt ist und es sich um einen einmaligen Vorfall handelt. Eine Wiederholungsgefahr ist nicht erkennbar. Eine Abmahnung erscheint vor diesem Hintergrund als angemessen und ausreichend (vgl. auch LAG Niedersachsen, 14.06.1994 - 13 Sa 60/94 -).

3. Da der Kläger seine auf Feststellung des unbefristeten Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses gerichtete Anschlussberufung rechtswirksam zurückgenommen hat, brauchte die Kammer nicht darüber zu entscheiden, ob die vom Arbeitsgericht im Wege der Umdeutung angenommene ordentliche Kündigung rechtswirksam ist.

III. Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Grund, der nach § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigt, besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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