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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.07.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 842/04
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB, BBiG


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO §§ 512 ff.
BGB § 280 Abs. 1
BBiG § 6
BBiG § 6 Abs. 1 Nr. 1
BBiG § 6 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 842/04

Verkündet am: 06.07.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens, Az.: 4 Ca 1186/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Leistung von Schadensersatz.

Zwischen den Parteien bestand während der Zeit vom 01.09.2001 bis 31.06.2003 ein Ausbildungsverhältnis, in dessen Rahmen die Klägerin zur Hörgeräteakustikerin ausgebildet werden sollte; die Einzelheiten des Vertragsverhältnisses sind in dem schriftlichen Ausbildungsvertrag vom 31.08.2001 (Bl. 90 d.A.) geregelt.

Am 27.06.2003 unterzog sich die Klägerin der Gesellenprüfung vor dem Prüfungsausschuss für das Hörgeräteakustikerhandwerk an der Handwerkskammer Rheinhessen. Die Prüfung bestand aus zwei Teilen: Im praktischen Prüfungsteil erzielte die Klägerin von 1.000 möglichen Punkten 421 und erhielt hierfür die Note 5. Im schriftlichen Prüfungsteil konnte sie von 600 möglichen Punkten 307 verbuchen und erhielt die Note 4. Damit waren der praktische Prüfungsteil nicht bestanden und der schriftliche Prüfungsteil bestanden; insgesamt blieb die Klägerin damit in dieser Gesellenprüfung erfolglos (vgl. die Mitteilung über das Ergebnis der Gesellenprüfung vom 27.06.2003; Bl. 89 d.A.).

Ab dem 29.06.2003 setzte die Klägerin ihre Ausbildung bei der Firma X. fort und bestand am 28.01.2004 die Gesellenprüfung.

Aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 13.02.2003 war die Klägerin bei der Firma X. sodann ab dem 01.07.2003 als Hörgeräteakustikergeselle gegen Zahlung einer monatlichen Arbeitsvergütung in Höhe von 1.540,00 EUR brutto beschäftigt.

In dem vorliegenden Rechtsstreit macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass sie wegen unzureichender Ausbildung durch die Beklagte die erste Gesellenprüfung nicht bestanden habe und daher einen Anspruch auf Leistung von Schadensersatz gegen diese habe, wobei sich der Schaden daraus ergebe, dass sie bei ordnungsgemäßer Ausbildung und Bestehen der ersten Prüfung bereits während der Zeit von Juli 2003 bis einschließlich Januar 2004 bei der Firma X. eine Arbeitsvergütung in Höhe von insgesamt 1.780,00 EUR erzielt hätte; die tatsächlich während dieser Zeit verdiente Ausbildungsvergütung in Höhe von 4.642,75 EUR brutto wirke sich schadensmindernd aus, so dass die Beklagte 6.137,25 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen habe.

Von einer wiederholenden Darstellung des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 07.07.2004 (dort S. 2 bis 10 = Bl. 55 bis 63 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.137,25 EUR brutto sowie 90,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat mit Urteil vom 07.07.2004 (Bl. 54 ff. d.A.) die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 90,00 EUR netto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.01.2004 zu zahlen; im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung des klageabweisenden Teiles der Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Vortrag der Klägerin lasse sich eine Kausalität des behaupteten Ausbildungsmangels für das Prüfungsversagen nicht entnehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf S. 11 ff. des Urteils vom 07.07.2004 (= Bl. 64 f. d.A.) verwiesen.

Die Klägerin, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 21.09.2004 zugestellt worden ist, hat am 13.10.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 21.12.2004 ihr Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 21.12.2004 verlängert worden war.

Die Klägerin macht geltend, das Arbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der gescheiterte Prüfungsversuch allein auf das Nichtbestehen des praktischen Prüfungsteiles zurückzuführen gewesen sei; den schriftlichen Prüfungsteil habe die Klägerin bestanden. Des Weiteren habe das Arbeitsgericht die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin überspannt; diese habe nämlich die Ausbildungsmängel erstinstanzlich konkret und substantiiert vorgetragen. Im Zusammenhang mit der haftungsbegründenden Kausalität, trage die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein bestimmter Schaden auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre, einzig und allein der Schädiger. Durch das Fehlverhalten der Beklagten, nämlich durch die unterlassene bzw. unzureichende praktische Ausbildung, habe die Klägerin das Ausbildungsziel im praktischen Teil nicht erreicht. Es sei nicht ihre Sache, alle hypothetisch möglichen anderen Ursachen auszuschließen, solange die Beklagte nicht dargelegt habe, dass sie eine ordnungsgemäße Ausbildung tatsächlich durchgeführt habe. Sie sei selbst stets lernwillig gewesen und hätte die Prüfung am 27.06.2003 im praktischen Teil bestanden, wenn ihr die Beklagte vorher entsprechende Ausbildungsinhalte tatsächlich vermittelt hätte. Auch die weitere berufliche Entwicklung der Klägerin gebe einen deutlichen Anhaltspunkt dafür, dass das Prüfungsziel nicht etwa aufgrund mangelnden Interesses oder schlichter Unlust nicht erreicht worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 21.12.2004 (Bl. 81 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 07.07.2004 - 4 Ca 1186/03 - teilweise, soweit die Klage abgewiesen wurde, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 6.137,25 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus, Voraussetzung für Schadensersatz sei im vorliegenden Fall, dass die Klägerin lückenlos darlegt, dass sie alles getan habe, um den Erfolg der Prüfung zu ermöglichen und dieses Vorhaben von der Beklagten unterlaufen worden sei. Hierzu gehöre auch die Mitteilung der praktischen und theoretischen Zwischenleistungen an der Schule, damit gegebenenfalls weitere Maßnahmen durch die Hinzuziehung eines Ausbildungsberaters hätten in die Wege geleitet werden können. Die Klägerin habe zwar den schriftlichen Prüfungsteil in der ersten Gesellenprüfung bestanden, in der Theorie habe sie jedoch derart eklatante Schwächen offenbart, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass diese theoretischen Schwächen das Scheitern der praktischen Prüfung verursacht hätten. Insbesondere habe die Klägerin im theoretischen Prüfungsfach "Technische Grundlagen" gerade einmal 24% der Maximalpunktzahl erreicht. Ein kausaler Zusammenhang zwischen einem Fehlverhalten der Beklagten und dem Nichtbestehen der Prüfung sei von der Klägerin nicht dargelegt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 20.01.2005 (Bl. 103 ff. d.A) verwiesen.

Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die von beiden Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der Klägerin steh ein Anspruch gemäß §§ 280 Abs. 1 BGB, 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BBiG auf Leistung von Schadensersatz in Höhe von 6.137,25 EUR brutto zuzüglich Zinsen nicht zu.

Nach § 6 BBiG hat der Ausbildende dafür zu sorgen, dass dem Auszubildenden die Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, die zum Erreichen des Ausbildungszieles erforderlich sind, und die Berufsausbildung in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann; darüber hinaus hat er selbst auszubilden oder einen Ausbilder ausdrücklich damit zu beauftragen. Falls der Ausbilder einer dieser Pflichten verletzt, kann ein Auszubildender Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Mithin muss also eine haftungsbegründende Kausalität zwischen der Verletzung der Ausbildungsverpflichtung und dem eingetretenen Schaden bestehen; das heißt, ein pflichtgemäßes Verhalten darf nicht hinzugedacht werden können, ohne dass der Schaden entfiele. Die Darlegungs- und Beweislast für diesen kausalen Zusammenhang trägt derjenige, der den Ersatz des Schadens verlangt.

Im vorliegenden Fall kann - ohne eine ins Einzelne gehende rechtliche Prüfung - unterstellt werden, dass die Beklagte, welche die Klägerin an zahlreichen Tagen allein und auf sich gestellt in auswärtigen Filialen eingesetzt hat, ihrer Ausbildungspflicht verletzt hat; hierfür ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte aus dem Sachvortrag beider Parteien.

Der Klägerin ist es aber nicht gelungen, die haftungsbegründende Kausalität zwischen dieser zu unterstellenden Pflichtverletzung und dem Nichtbestehen der Gesellenprüfung für das Hörgeräteakustiker-Handwerk vom 27.06.2003 schlüssig darzulegen. Selbst wenn ein pflichtgemäßes Ausbildungsverhalten der Beklagten hinzugedacht wird, steht nicht fest, dass die Klägerin die Gesellenprüfung bestanden hätte. Laut der Mitteilung des Gesellenprüfungsausschusses vom 27.06.2003 erzielte die Klägerin im theoretischen Teil der Gesellenprüfung die Note 4 (307 von 600 möglichen Punkten) und im praktischen Teil die Note 5 (421 von 1.000 möglichen Punkten). Das Bestehen des praktischen Teils einer solchen Gesellenprüfung hängt generell nicht nur von der praktischen Ausbildung eines Auszubildenden ab, sondern auch von seinen subjektiven Fähigkeiten und theoretischen Kenntnissen. Dies zeigt schon der Umstand, dass erfahrungsgemäß auch ordnungsgemäß praktisch ausgebildete Prüflinge die praktische Prüfung nicht bestehen.

Den Darlegungsanforderungen, welche im vorliegenden Zusammenhang an die Klägerin gestellt werden, liegt nicht die Überlegung zugrunde, ob das Nichtbestehen der Prüfung auch bei "rechtmäßigem Alternativverhalten" (vgl. Palandt, BGB, 64. Aufl., § 249 Anmerkung 107) eingetreten wäre, sondern ob überhaupt ein Zusammenhang zwischen der schlechten Ausbildung und dem Nichtbestehen der Prüfung besteht. Dies muss aber die Klägerin darlegen.

Hierfür reicht es auch nicht aus, wenn die Klägerin darauf hinweist, dass sie nach Fortführung der Ausbildung bei der Firma X. die anschließende Gesellenprüfung bestanden habe. Denn oftmals ist es, insbesondere bei Prüflingen, die - wie die Klägerin - Punktezahlen im Grenzbereich zwischen Bestehen und Nichtbestehen erzielen, mehr oder weniger zufällig, ob eine Prüfungsaufgabe bewältigt werden kann oder nicht. Es ist durchaus möglich, dass ein Auszubildender bestimmte Aufgaben einer Prüfung nicht erledigen kann und später, ohne dass es an seinem Ausbildungstand etwas geändert hätte - andere Prüfungsaufgaben erfolgreich löst. Ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Verletzung der Ausbildungspflicht und dem Misserfolg bei einer Prüfung könnte im vorliegenden Fall allenfalls damit begründet werden, dass genau jene praktischen Fertigkeiten, welche nach dem Ausbildungsplan hätten vermittelt werden müssen, dem Auszubildenden nicht beigebracht wurden, und er eine konkrete Prüfungsaufgabe gerade wegen des Fehlens dieser bestimmten Fertigkeiten nicht bewältigen konnte. Die Klägerin hat zwar erstinstanzlich ausgeführt, inwiefern der Beklagte konkret gegen die Verordnung über die Berufsausbildung für Hörgeräteakustiker/Hörgeräteakustikerinnen vom 12.05.1997 in Verbindung mit dem schriftlichen Ausbildungsrahmenplan verstoßen hat; sie hat aber nicht dargelegt, welche Fertigkeiten ihr bei den konkret gestellten Prüfungsaufgaben gefehlt haben, um den praktischen Prüfungsteil zu bestehen.

Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung betont, sie sei lernwillig gewesen, soll dies nicht in Abrede gestellt werden. Aber allein hierauf kann der notwendige kausale Zusammenhang zwischen der Verletzung der Ausbildungspflicht und dem Nichtbestehen der Gesellprüfung nicht gestützt werden.

Soweit sie darüber hinaus meint, es sei nicht ihre Sache alle möglichen anderen hypothetischen Ursachen für die Erfolglosigkeit bei der ersten Gesellenprüfung auszuschließen, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass sie aber zumindest nicht davon entbunden ist, die praktischen Defizite einerseits und die hierdurch eingetretenen Fehler beim Lösen der konkreten praktischen Prüfungsaufgaben andererseits darzulegen. Einen solchen kausalen Zusammenhang vermochte sie aber nicht darzustellen.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben; für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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