Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 25.02.2005
Aktenzeichen: 9 Ta 18/05
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 5 Abs. 1 Satz 1
KSchG § 5 Abs. 4 Satz 2
KSchG § 13 Abs. 1 Satz 2
ArbGG § 78 Satz 1
ZPO §§ 567 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Ta 18/05

Verkündet am: 25.02.2005

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz Auswärtige Kammern Neuwied vom 22.12.2004 11 Ca 1912/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.185,00 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger war seit dem 01.04.2003 bei der Beklagten, die mit in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmern ein Reinigungsunternehmen betreibt, als Glasreiniger gegen Zahlung einer monatlichen Arbeitsvergütung in Höhe von 1.100,00 EUR netto (= cirka 1.395,00 EUR brutto) beschäftigt.

Am 24.07.2004 reiste der Kläger mit seiner Familie nach M, um dort Urlaub zu machen. Am 26.07.2004 ließ die Beklagte das Kündigungsschreiben vom 26.07.2004, mit welchem das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt wurde, in den Briefkasten der Wohnung des Klägers in K einwerfen.

Mit seiner am 01.09.2004 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Kündigungsklage hat sich der Kläger gegen die fristlose Kündigung gewandt.

Der Kläger hat geltend gemacht, der bei der Beklagten beschäftigte Personaldisponent, Herr M habe ihm zugesagt, dass er den Urlaub im Juli 2004 nehmen könne. Am letzten Arbeitstag vor der beabsichtigten Urlaubsreise habe Herr M ihm gegenüber dann erklärt, er solle am Sonntag wegen eines Großauftrags der Firma L arbeiten, sein Urlaub sei gestrichen; falls er dennoch fahre, werde ihm gekündigt.

Die verspätete Kündigungsschutzklage sei nachträglich zuzulassen, da er erst am 09.08.2004 durch einen Telefonanruf seines Schwagers, Herrn I in M über den Eingang einer Lohnabrechnung der Beklagten vom 05.08.2004 sowie einer Kündigung unterrichtet worden sei. Das Kündigungsschreiben selbst habe er jedoch erst nach seiner Rückkehr am 22.08.2004 gesehen. Nach der telefonischen Unterrichtung durch seinen Schwager sei es ihm innerhalb der vier verbleibenden Werktage nicht möglich gewesen, sich von M aus über die rechtlichen Möglichkeiten, gegen die Kündigung vorzugehen, zu informieren und die Klage zu erheben. Er hätte, da er nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt habe, einen Anwalt finden und beauftragen müssen, ohne diesem die notwendigen Unterlagen für die Beantragung von Prozesskostenhilfe zur Verfügung stellen zu können.

Der Klageschrift war die eidesstattliche Erklärung des Klägers vom 30.08.2004 beigefügt.

Der Kläger hat als Klageanträge unter anderen angekündigt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 26.07.2004 nicht aufgelöst wurde,

2. die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte hat als Antrag angekündigt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ausgeführt,

der Urlaubsantrag des Klägers für die Zeit vom 24.07.2004 bis 22.08.2004 sei bereits einige Tage vor dem 23.07.2004 von ihr abgelehnt worden. Des Weiteren sei dabei dem Kläger unmissverständlich erklärt worden, dass ihm bei einem ungenehmigten Urlaubsantritt das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt werde.

Am 27. oder 28.07.2004 habe sich der Kläger telefonisch aus M bei dem Personaldisponenten der Beklagten, Herrn M gemeldet. Dabei habe er erklärt, er wolle konkret wissen, was es mit der ihm zugegangenen fristlosen Kündigung auf sich habe. Er verstehe nicht, wieso er gekündigt worden sei und was die Kündigung denn solle. Entsprechende Fragen habe der Kläger auch bei dem Telefonanruf, der einige Tage später von ihm bei der Beklagten getätigt worden sei, gestellt. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage sei unbegründet, da dem Kläger mitgeteilt worden sei, dass ihm bei einem eigenmächtigen Urlaubsantritt fristlos gekündigt werde. Sein Anruf vom 26.07.2004 zeige, dass ihm der Inhalt des Kündigungsschreibens bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei.

Das Arbeitsgericht Koblenz Auswärtige Kammern Neuwied hat mit Beschluss vom 22.12.2004 den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe die Klagefrist schuldhaft versäumt, da er keine Vorkehrungen getroffen habe, dass ihn die Kündigungserklärung seines Arbeitgebers auch während des Urlaubs hätte erreichen können. Hierzu sei er verpflichtet gewesen, zumal ihm die Beklagte vor der Urlaubsreise mitgeteilt habe, dass ihm für den Fall des Urlaubsantrittes fristlos gekündigt werde. Soweit der Kläger demgegenüber behaupte, ihm sei erst zwei Stunden vor Arbeitsende eine derartige Erklärung der Beklagten zugegangen, habe er diesen Sachvortrag nicht glaubhaft gemacht. Darüber hinaus habe er auch nicht glaubhaft gemacht, dass er zunächst eine Urlaubsbewilligung erhalten habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 22.12.2004 verwiesen.

Der Kläger, dem die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 27.12.2004 zugestellt worden ist, hat am 10.01.2005 sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Kläger vertritt hierzu die Auffassung, er habe alle Tatsachen glaubhaft gemacht, die für eine nachträgliche Zulassung seiner Klage erforderlich seien. So habe er vorgetragen, dass er wegen seines Urlaubs von dem Kündigungsschreiben erst nach seiner Rückkehr Kenntnis habe nehmen können, und diesem Vortrag, mittels einer eidesstattlichen Versicherung, auch glaubhaft gemacht. Darüber hinaus habe er einen Arbeitskollegen als Zeugen dafür benannt, dass ihm der Personaldisponent der Beklagten zugesagt habe, er könne den Urlaub nehmen.

Der Beschluss des Arbeitsgerichtes sei, unabhängig von der Frage einer ausreichenden Glaubhaftmachung, bereits deshalb aufzuheben, weil ein rechtlicher Hinweis auf Unzulänglichkeiten bei der Glaubhaftmachung nicht erfolgt sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 10.01.2005 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.12.2004 aufzuheben und dem Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beklagte weist darauf hin, dass das Arbeitsgericht völlig zu Recht den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage abgewiesen habe.

Das Arbeitsgericht Koblenz Auswärtige Kammern Neuwied hat mit Beschluss vom 12.01.2005 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und anschließend die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die form und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist nach §§ 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG, 78 Satz 1 ArbGG, 567 ff. ZPO zulässig.

In der Sache ist jedoch die sofortige Beschwerde nicht begründet. Der zulässige Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsklage ist unter Berücksichtigung von §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 5 Abs. 1 Satz 1 des anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes unbegründet. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist auf Antrag eines Arbeitnehmers die Klage nachträglich zuzulassen, wenn er nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben.

1.

Eine rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage liegt im gegebenen Fall nicht vor, da das Kündigungsschreiben vom 26.07.2004 dem Kläger unstreitig am 26.07.2004 zugegangen ist und er mit seiner am 01.09.2004 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Kündigungsklage die dreiwöchige Klagefrist (§ 4 Satz 1 KSchG) nicht wahren konnte. Diese Frist begann mit dem Zugang der Kündigungserklärung, also am 26.07.2004 und endete mit Ablauf des 16.08.2004.

2.

Im gegebenen Fall war der Kläger, ausgehend von seinem eigenen Sachvortrag, nicht verhindert, bei Anwendung ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt die Klage fristgemäß zu erheben.

Wird die Klagefrist wegen urlaubsbedingter Ortsabwesenheit des Arbeitnehmers versäumt, ist die nachträgliche Zulassung in der Regel zwar geboten (vgl. DLW/Dörner, D/Rdnr. 598), vorliegend ist dieser Fall aber nicht gegeben. Denn der Kläger hat nach seinem eigenen Sachvortrag am 09.08.2004 von seinem Schwager erfahren, dass ihm die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zugegangen ist. Ab diesem Zeitpunkt beruhte das Unterlassen der Klageerhebung nicht mehr auf der urlaubsbedingten Ortsabwesenheit, sondern der Untätigkeit des Klägers. Sein Einwand, er habe innerhalb von vier Werktagen nicht die Möglichkeit gehabt, sich von M aus über die rechtlichen Möglichkeiten, gegen die Kündigung vorzugehen, zu informieren, ist nicht gerechtfertigt. Denn er hätte ohne weiteres seinen Schwager beauftragen können, entsprechende Informationen einzuholen oder sich selbst telefonisch bei einem Rechtsanwalt erkundigen können. Es sind keinerlei Tatsachen erkennbar, die einem entsprechenden Verhalten entgegenstehen würden. Dass der Kläger wie er erstinstanzlich hat vortragen lassen nicht über die finanziellen Mittel verfügte, um eine Kündigungsklage zu finanzieren, stand der rechtzeitigen Klageerhebung nicht entgegen. Insoweit hätte der Kläger einen Anwalt beauftragen können, zusammen mit der Kündigungsklage genauso wie es später dann auch geschehen ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu beantragen. Die sofortige Einreichung von Unterlagen war in diesem Zusammenhang nicht erforderlich; vielmehr hätten diese Unterlagen auch im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens, also nach Rückkehr des Klägers aus M, beim Arbeitsgericht noch nachgereicht werden können.

Mithin hätte der Kläger ohne weiteres seinen Schwager oder auch einen Rechtsanwalt beauftragen können, die notwendige Klage beim Arbeitsgericht einzureichen. Eine entsprechende Vollmacht hätte er per Telefax schriftlich erteilen können.

Unter Anwendung der ihm zuzumutenden Sorgfalt hätte der Kläger auch nicht abwarten dürfen, bis er das Kündigungsschreiben in Händen hält. Denn den Inhalt dieses Schreibens hätte er sich von seinem Schwager telefonisch durchgeben lassen können.

Nach alledem kommt es nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht entscheidend darauf an, ob der Kläger seinen Tatsachenvortrag ausreichend glaubhaft gemacht hat. Vielmehr ergibt sich aus seinem eigenen Sachvortrag, dass er schuldhaft die Klagefrist versäumt hat.

Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde in Anlehnung an § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes festgesetzt.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Berücksichtigung von § 78 Satz 2 ArbGG in Verbindung mit § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

Zurück