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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 02.11.2005
Aktenzeichen: 9 TaBV 13/05
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 23 Abs. 3
BetrVG § 87 Abs. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1
ArbGG § 87 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 TaBV 13/05

Entscheidung vom 02.11.2006

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.01.2005, Az.: 10 BV 58/04 abgeändert und die Arbeitgeberin verpflichtet, es zukünftig zu unterlassen, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Dienstkraftwagen nutzen, die Vorlage von Terminkalendern zum Zwecke des Datenabgleichs mit Fahrtenbüchern zu verlangen, soweit der Betriebsrat dem nicht zugestimmt hat oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates nicht durch rechtskräftigen Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei dem gegenüber mehreren Arbeitnehmern geäußerten Verlangen der Arbeitgeberin auf Vorlage von Terminkalendern.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Sachverhaltes sowie des erstinstanzlichen Beteiligtenvorbringens wird abgesehen und auf die Zusammenfassung im Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.01.2005 (S. 2 bis 5 = Bl. 51 bis 54 d.A.) Bezug genommen.

Der Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Der Betriebsrat) hat beantragt,

1. die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Dienstkraftwagen nutzen, die Vorlage von Terminkalendern zu verlangen, soweit der Betriebsrat dem nicht zugestimmt hat oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates nicht durch rechtskräftigen Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist,

hilfsweise:

die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zukünftig gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in der Bezirksverwaltung in X beschäftigt sind und die Dienstkraftwagen nutzen, die Vorlage von Terminkalendern zu verlangen, soweit der Betriebsrat dem nicht zugestimmt hat oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates nicht durch rechtskräftigen Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist,

2. festzustellen, dass die Arbeitgeberin durch ihre Aufforderung vom 07.09.2004 an sieben Mitarbeiter/innen und Mitarbeiter der Bezirksverwaltung in X, die geführten Terminkalender für die Kalenderjahre 2002 bis 2004 herausgeben, gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verstoßen hat,

hilfsweise:

festzustellen, dass dem Betriebsrat bei einer Anordnung der Arbeitgeberin an die Nutzer von Dienstkraftwagen, Terminkalender herauszugeben, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zusteht,

3. der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu Ziffer 1. die Verhängung eines der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Ordnungsgeldes anzudrohen.

Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Die Arbeitgeberin) hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Beschluss vom 27.01.2005 (Bl. 50 ff. d.A.) die Anträge des Betriebsrats als teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Hauptantrag zu 2. sei unzulässig, da kein rechtliches Interesse an einer Entscheidung darüber bestehe, ob eine Arbeitgeberin im Zusammenhang mit einem in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt gegen ein Mitbestimmungsrecht verstoßen habe oder nicht. Genau hierum gehe es aber, wenn der Betriebsrat nach Herausgabe der Terminkalender durch die sieben Mitarbeiter der Bezirksverwaltung in X noch eine Entscheidung darüber herbeiführen wolle, ob die Arbeitgeberin Mitbestimmungsrechte verletzt habe.

Der zulässige Hauptantrag zu 1. sei unbegründet, da es für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG an einem groben Verstoß der Arbeitgeberin gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten fehle. Die Aufforderung zur Vorlage der Terminkalender, um Fahrtkostenabrechnung von Mitarbeitern kontrollieren zu können, unterliege nicht gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates. Soweit in dieser gesetzlichen Regelung das Verhalten der Arbeitnehmer angesprochen werde, gehe es nur um ein Verhalten im Zusammenhang mit der betrieblichen Ordnung. Mitbestimmungsfrei seien daher Anordnungen des Arbeitgebers, die ein Verhalten der Arbeitnehmer zum Gegenstand hätten, das sich nur auf ihre Arbeitsleistung beziehe oder in sonstiger Weise das Verhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien regele. Die Aufforderung zur Vorlage von Terminkalendern zum Zwecke der Überprüfung von Fahrtkostenabrechnungen sei eine Überwachungsmaßnahme, die keinen Bezug zum Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer habe, sondern ausschließlich das Arbeitsverhalten betreffe. Zweck dieser Maßnahme sei nämlich lediglich, zu überprüfen, ob die Arbeitnehmer bei der Fahrtkostenabrechnung sich arbeitsvertragsgemäß verhalten.

Angesichts des Fehlens eines Mitbestimmungsrechtes seien auch die vom Betriebsrat gestellten Hilfsanträge unbegründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 5 ff. des Beschlusses vom 27.01.2005 (= Bl. 54 ff. d.A.) verwiesen.

Der Betriebsrat, dem die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 11.02.2005 zugestellt worden ist, hat am 23.02.2005 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und am 29.04.2005 sein Rechtsmittel begründet nachdem die Beschwerdebegründungsfrist bis einschließlich 29.04.2005 verlängert worden war.

Der Betriebsrat macht geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes handele es sich bei der streitgegenständlichen Maßnahme um einen nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Tatbestand, da ein Ordnungsverhalten der betroffenen Arbeitnehmer geregelt werde. Das reine Arbeitsverhalten betreffe alle Regelungen und Weisungen, die bei der unmittelbaren Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten seien. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht anders zu beurteilen, als jener, bei dem ein Arbeitgeber Krankengespräche zur Aufklärung des Krankheitsverhaltens geführt habe; hier habe das Bundesarbeitsgericht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bejaht. Hier wie dort hätten die Arbeitnehmer eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zu erfüllen, wobei dieser Bereich dem Ordnungsverhalten zuzurechnen sei. Hingegen habe die streitgegenständliche Maßnahme nichts mit der Verbesserung der Arbeitsleistung der einzelnen Arbeitnehmer zu tun. Jedenfalls diene die Anordnung, Terminkalender vorzulegen, nicht unmittelbar der Arbeitsleistung. Im Übrigen habe sich die Arbeitgeberin mit ihrer Anordnung kollektiv an die Gruppe der Dienstwagennutzer der Bezirksverwaltung X gewandt.

Unabhängig vom Vorliegen eines Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergebe sich auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus der Vereinbarung zur erweiterten Mitbestimmung für Betriebsräte in W (vgl. Bl. 113 ff.) zumal nach § 4 Abs. 1 dieser Vereinbarung alle personellen und sozialen Angelegenheiten ausdrücklich der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung unterstellt worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz des Betriebsrates vom 29.04.2005 (Bl. 101 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz mit dem Aktenzeichen 10 BV 58/04 abzuändern und

1. die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Dienstkraftwagen nutzen, die Vorlage von Terminkalendern zum Zwecke des Datenabgleiches mit Fahrtenbüchern zu verlangen, soweit der Betriebsrat dem nicht zugestimmt hat oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates nicht durch rechtskräftigen Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist,

hilfsweise die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zukünftig gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in der Bezirksverwaltung in X beschäftigt sind und die Dienstkraftwagen nutzen, zu unterlassen, die Vorlage von Terminkalendern zum Zwecke des Datenabgleichs mit Fahrtenbüchern zu verlangen, soweit der Antragsteller nicht zugestimmt hat oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates nicht durch rechtskräftigen Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist,

2. festzustellen, dass die Arbeitgeberin durch ihre Aufforderung vom 07.09.2004 an sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksverwaltung in X, die geführten Terminkalender für die Kalenderjahre 2002 bis 2004 herauszugeben, gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bzw. aus der Vereinbarung zur erweiterten Mitbestimmung für Betriebsräte in W verstoßen hat,

hilfsweise festzustellen, dass dem Betriebsrat bei einer Anordnung der Arbeitgeberin, an die Nutzer von Dienstkraftwagen, Terminkalender herauszugeben, ein Mitbestimmungsrecht nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bzw. nach der Vereinbarung zur erweiterten Mitbestimmung für Betriebsräte in W zusteht.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin führt aus, Anlass für die streitgegenständliche Maßnahme seien wechselseitigen Anschuldigungen mehrerer Gewerkschaftssekretäre/innen im Bezirk X gewesen, welche den Verdacht erweckt hätten, dass einer/eine oder mehrere dieser Gewerkschaftssekretäre/innen ihre Fahrtenbücher nicht korrekt führen, insbesondere Privatfahrten nicht korrekt verbuchen würden. Die Arbeitgeberin habe daraufhin veranlasst, die Fahrtenbücher und Terminkalender der in Frage kommenden Gewerkschaftssekretäre/innen anzufordern, um diesem Verdacht nachzugehen. Es sei weder beabsichtigt noch geplant, regelmäßig in bestimmten zeitlichen Abständen im Bezirk X oder in anderen Gliederungen des Landesbezirkes Kalender und Fahrtenbücher zu überprüfen. Es handele sich auch nicht um eine kollektive oder generelle Regelung; vielmehr sei bereits fraglich, ob die Anweisung, Terminkalender und Fahrtenbücher vorzulegen, überhaupt einen Regelungscharakter habe. Letztlich sei schlicht eine Leistung in mehreren namentlich genannten Einzelfällen verlangt worden. Mangels Regelungscharakters liege auch ein erweitertes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht vor; darüber hinaus handele es sich weder um eine personelle noch eine soziale Angelegenheit.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beschwerdeerwiderung wird auf den Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 27.06.2005 (Bl. 135 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß § 87 ff. ArbGG zulässig.

Darüber hinaus ist das Rechtsmittel teilweise auch begründet, da der Hauptantrag zu 1. zulässig und begründet ist (A.); hinsichtlich des Haupt- und Hilfsantrages zu 2. war die Beschwerde hingegen zurückzuweisen (B.).

A.

1.

Der Hauptantrag zu 1. ist zulässig, insbesondere fehlt es - entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin - nicht an der hinreichenden Bestimmtheit. Der Betriebsrat macht mit diesem Antrag gegenüber der Arbeitgeberin geltend, es zu unterlassen, von Mitarbeitern, die Dienstkraftwagen nutzen, die Vorlage von Terminkalendern zum Zwecke des Datenabgleiches mit Fahrtenbüchern zu verlangen, ohne dass gesetzliche Mitbestimmungsverfahren eingehalten zu haben. In welchem konkreten Punkt hier eine Unklarheit bestehen soll, ist weder nachvollziehbar noch von der Arbeitgeberin dargelegt worden.

2.

Darüber hinaus ist der Hauptantrag zu 1. auch begründet, da dem Betriebsrat aus § 87 Abs. 1 BetrVG ein Anspruch darauf zusteht, dass die Arbeitgeberin es zukünftig unterlässt, gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in der Bezirksverwaltung in X beschäftigt sind und die Dienstkraftwagen nutzen, die Vorlage von Terminkalendern zu verlangen, soweit der Betriebsrat dem nicht zugestimmt hat oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates nicht durch rechtskräftigen Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist.

Dass sich unmittelbar aus § 87 BetrVG ein Unterlassungsanspruch bei mitbestimmungswidrigen Maßnahmen ergibt, ist seit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 03.05.1994 (Az.: 1 ABR 24/93 = AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972) gängige Rechtsprechung, welcher auch die Beschwerdekammer folgt.

Voraussetzung für die Entstehung des Unterlassungsanspruches ist neben einem mitbestimmungswidrigen Verhalten des Arbeitgebers eine Wiederholungsgefahr. Erforderlich ist dabei eine ernstliche, sich auf Tatsachen begründende Besorgnis weiterer Eingriffe zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung. Dafür besteht allerdings grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung, es sei denn, dass zum Beispiel die tatsächliche Entwicklung einen neuen Eingriff unwahrscheinlich macht (vgl. BAG, Beschl. v. 29.02.2000 - 1 ABR 4/99 = AP Nr. 105 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).

Im vorliegenden Fall sind die beiden genannten Voraussetzungen erfüllt.

1.

Die Arbeitgeberin verhielt sich mitbestimmungswidrig als sie von sieben Arbeitnehmern im Bezirk X die Vorlage von Terminkalendern zum Zwecke des Datenabgleiches mit Fahrtenbüchern verlangte, ohne die nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG notwendige Zustimmung des Betriebsrates zuvor eingeholt zu haben.

a) Bei der gegenüber den sieben Arbeitnehmern erteilten Weisung zur Vorlage der Terminkalender handelt es sich zunächst einmal um eine Regelung, da den Arbeitnehmern eine bestimmte Handlung abverlangt wurde.

Diese Regelung hatte kollektiven Charakter, da sie die sieben Arbeitnehmer nicht individuell, sondern allein aufgrund der Tatsache erfasste, dass diese im Bezirk X arbeiteten, Dienstkraftwagen privat nutzen durften und gegen Personen, die diese Voraussetzungen erfüllen, der Verdacht der irregulären Führung von Fahrtenbüchern bestand. Mithin ging es um eine generelle Regelung gegenüber einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern.

b) Vor der Weisung hätte die Arbeitgeberin unter Beachtung von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die für die kollektive Regelung notwendige Zustimmung einholen müssen. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen.

Gegenstand des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates ist nach dieser gesetzlichen Regelung das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses fordert ein aufeinander abgestimmtes Verhalten. Dazu dienen verbindliche Verhaltensregeln sowie unterschiedliche Maßnahmen, die geeignet sind, das Verhalten der Arbeitnehmer zu beeinflussen und zu koordinieren. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, den Arbeitnehmern eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens zu gewähren.

Von dem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten ist das reine Arbeitsverhalten zu unterscheiden. Dieses betreffen alle Regeln und Weisungen, die bei der unmittelbaren Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten sind. Das Arbeitsverhalten wird berührt, wenn der Arbeitgeber kraft seiner Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten in welcher Weise auszuführen sind. Nicht mitbestimmungspflichtig sind danach Anordnungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes; vgl. zum Beispiel BAG, Beschl. v. 08.11.1994 - 1 ABR 24/94 = AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes).

Im vorliegenden Fall verlangte die Arbeitgeberin von den sieben Arbeitnehmern im Bezirk X ein Verhalten, das nicht unmittelbar zur Arbeitsleistung gehört und mithin als Ordnungsverhalten einzustufen ist. Die Herausgabe von Terminkalendern ist nämlich - unabhängig davon, ob die Terminkalender ausschließlich dienstliche oder auch private Eintragungen enthalten - kein Teil der Hauptleistungspflicht. Vielmehr geht es um eine betriebliche Aufklärungsaktion, an der die betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht mitwirken sollen. Dieser Bereich ist aber dem Ordnungsverhalten zuzurechnen (vgl. BAG, Beschl. v. 08.11.1994 a.a.O.).

Dass das Bundesarbeitsgericht in anderen Fällen - zum Beispiel bei der Anordnung der Überwachung von Arbeitnehmern durch einen Privatdetektiv (vgl. BAG, Beschl. v. 26.03.1991 - 1 ABR 26/90 = AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972) oder bei der Anordnung von Ehrlichkeitskontrollen bei Kassiererinnen (vgl. BAG, Urt. v. 18.11.1999 - 2 AZR 743/98 = AP Nr. 32 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung) - ein Ordnungsverhalten deshalb verneint hat, weil dort lediglich das (Arbeits-) Verhalten von Arbeitnehmern überprüft werden sollte, ändert an der Beurteilung des streitgegenständlichen Falles nichts. Zwar war es vorliegend das von der Arbeitgeberin mit dem Herausgabeverlangen verfolgte Endziel, die Ehrlichkeit der Mitarbeiter, welche im Bezirk X Dienstwagen privat nutzen dürfen, zu überprüfen. Im Gegensatz zu den oben genannten Fällen, welche dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung vorlagen, verlangte die Arbeitgeberin aber im hier vorliegenden Fall ein Mitwirken der Arbeitnehmer, wobei die Mitwirkungshandlung selbst, also die Herausgabe von Terminkalendern - wie oben ausgeführt - dem Ordnungsverhalten zuzurechnen ist. Allein das Vorliegen einer notwendigen Mitwirkungshandlung der Arbeitnehmer, die nicht zu der Hauptleistungspflicht gehört, löst bereits die Mitbestimmungspflichtigkeit der Anweisung des Arbeitgebers aus. Demgegenüber ist das mit der Anordnung verfolgte Fernziel der Aufklärung von Ungereimtheiten bei der Führung von Fahrtenbüchern nicht mehr von Bedeutung. Es gilt insoweit Ähnliches wie für die Führung von Krankengesprächen (vgl. hierzu BAG, Beschl. v. 08.11.1994 - 1 ABR 22/94 = AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes).

2.

Auch die für einen Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr ist im vorliegenden Fall gegeben. Die Arbeitgeberin hat in der Beschwerdeerwiderung zwar hervorgehoben, sie beabsichtige und plane nicht, regelmäßig in bestimmten zeitlichen Abständen innerhalb des Landesbezirkes Kalender und Fahrtenbücher zu überprüfen. Auf Nachfrage der Beschwerdekammer im Anhörungstermin erklärten die Vertreter der Arbeitgeberin aber, diese werde beim Auftreten von Ungereimtheiten in Fahrtenbüchern auch in Zukunft wieder die Vorlage von Terminkalendern anordnen. Hieraus folgt, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des letzten Anhörungstermines auch in Zukunft ein Verhalten der Arbeitgeberin zu erwarten war, das gegen § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verstößt. Dass dieses Verhalten nicht regelmäßig und in bestimmten zeitlichen Abständen auftreten wird, ist ohne Belang.

B.

Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.

1.

Der Hauptantrag zu Ziffer 2 ist unzulässig, da es an dem notwendigen Feststellungsinteresse (vgl. § 256 Abs. 1 ZPO) des Betriebsrates insoweit fehlt. Die begehrte Feststellung läuft letztlich nämlich auf die Erstattung eines mitbestimmungsrechtlichen Gutachtens über einen vergangenen und abgeschlossenen Vorgang hinaus. Mangels aktueller rechtlicher Auswirkungen eines solchen Gutachtens besteht hierfür kein schützenswertes Interesse.

2.

Der Hilfsantrag zu 2. ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

Unzulässig ist der Antrag insoweit, als die Feststellung beantragt wird, dass dem Antragsteller bei einer Anordnung der Antragsgegnerin an die Nutzer von Dienstkraftwagen, Terminkalender herauszugeben, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zusteht. An dieser Feststellung besteht schon deshalb kein rechtliches Interesse mehr, weil eine entsprechende Feststellung inzident bei der Prüfung des Unterlassungsanspruches bereits getroffen worden ist. Es besteht kein Anlass, einzelne Elemente des Unterlassungsanspruchs noch einmal isoliert feststellen zu lassen.

Unbegründet ist das Verlangen des Betriebsrates, das Beschwerdegericht möge feststellen, dass dem Betriebsrat bei der streitgegenständlichen Anordnung ein Mitbestimmungsrecht nach der Vereinbarung zu erweiterten Mitbestimmung für Betriebsräte im W zusteht.

Wie oben bereits dargelegt besteht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bereits nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG; die streitgegenständliche Maßnahme kann daher nicht auch noch zusätzlich Gegenstand einer - gegenüber dem Betriebsverfassungsgesetz - erweiterten Mitbestimmung sein.

Nach alledem war die Entscheidung des Arbeitsgerichtes Mainz teilweise abzuändern.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Berücksichtigung von §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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