Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Saarland
Urteil verkündet am 03.11.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 34/04
Rechtsgebiete: ZTV, JahresarbeitzeitTV, EFZG, BGB


Vorschriften:

ZTV § 13
ZTV § 15
ZTV § 13 Abs. 1
JahresarbeitzeitTV § 4 Abs. 1
JahresarbeitzeitTV § 5
JahresarbeitzeitTV § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b
JahresarbeitzeitTV § 6
JahresarbeitzeitTV § 6 Abs. 5
EFZG § 2
BGB § 280 Abs. 1
Zur Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung nach den Tarifverträgen für die Arbeitnehmer der DB AG, wenn eine Schicht ausfällt, die sich von Silvester auf Neujahr erstrecken sollte.
LANDESARBEITSGERICHT SAARLAND Im Namen des Volkes ! URTEIL

2 Sa 34/04

Verkündet am 3. November 2004

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Saarland auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2004 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dier als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Fritz und Weiten als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. Januar 2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken (6 a Ca 326/02) dahin abgeändert, dass die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt wird, an den Kläger 54,55 € brutto zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 11,5 % und die Beklagte 88,5 %.

3. Die Einlegung der Revision durch die Beklagte wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger war in der Werkstatt der Beklagten in K. als Energieelektroniker beschäftigt. Er arbeite im Schichtdienst, und zwar von Montag bis Freitag abwechselnd in Frühschicht, Mittagsschicht und Nachtschicht. Von Silvester 2001 auf Neujahr 2002 hätte die Arbeitszeit des Klägers regulär am Silvesterabend um 22.00 Uhr begonnen und bis zum nächsten Morgen um 6.00 Uhr gedauert. Diese Zeit brauchte der Kläger nicht zu arbeiten. Silvester war ein Montag, Neujahr war ein Dienstag. Die Parteien streiten darüber, ob und wie diese ausgefallene Arbeitszeit zu vergüten ist. Auf das Arbeitsverhältnis sind kraft beiderseitiger Tarifbindung der "Zulagentarifvertrag für die Arbeitnehmer der .. AG" (Blatt 67 ff der Akten) und der "Tarifvertrag zur Regelung einer Jahresarbeitszeit für die Arbeitnehmer der .. AG" (Blatt 91 ff der Akten) anwendbar. § 13 des Zulagentarifvertrages trägt die Überschrift "Vorfesttagszuschlag". Absatz 1 der Vorschrift hat folgenden Wortlaut: " Am Tag vor dem ersten Weihnachtsfeiertag und am Tag vor Neujahr wird, soweit es die betrieblichen Verhältnisse zulassen, ab 12.00 Uhr Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts gewährt." In § 15 des Zulagentarifvertrages, der mit "Nachtarbeitszulage" überschrieben ist, heißt es: " Der Arbeitnehmer erhält für Arbeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr eine Nachtarbeitszulage in Höhe von 1,28 EUR je Stunde." § 5 des Jahresarbeitszeittarifvertrages, der die Überschrift "Freistellung von der Arbeitspflicht" trägt, lautet in Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b wie folgt: " Ein auf einen Werktag fallender gesetzlicher Feiertag (Wochenfeiertag) wird für den Vollzeitarbeitnehmer bewertet: ... b) mit 1/261 der jeweiligen Jahresarbeitszeit-Sollstunden, wenn der Arbeitnehmer regelmäßig an mehr oder weniger als 5,0 Werktagen in der Woche, an Sonntagen, in Schichtarbeit oder in Wechselschichtarbeit beschäftigt wird und der Wochenfeiertag auf die Tage Montag bis Freitag fällt; für einen auf einen Samstag fallenden Wochenfeiertag erfolgt keine Arbeitszeitgutschrift." In § 6 des Jahresarbeitszeittarifvertrages, der mit "Verteilung der Jahresarbeitszeit" überschrieben ist, heißt es in Absatz 5: " Fällt Arbeit aus, ist der Arbeitnehmer spätestens am Vortage hierüber zu informieren. Die .. AG kann verlangen, dass die ausgefallene Arbeitszeit nachgeholt wird." Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe seinem Arbeitszeitkonto nur zwei Stunden gutgeschrieben, nämlich die Zeit von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr an Silvester. Für die Zeit von 0.00 Uhr bis 6.00 an Neujahr seien seinem Arbeitszeitkonto jedoch weitere fünfeinhalb Stunden gutzuschreiben gewesen, was die Beklagte nicht getan habe. Dass auch diese Stunden gutzuschreiben gewesen seien, folge aus § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages. Dieser erfasse auch die Zeit nach 24.00 Uhr. Das ergebe sich aus dem Anwenderhinweis Nummer 1 zu § 4 Absatz 1 des Jahresarbeitszeittarifvertrages (Blatt 103 der Akten); danach zählten Arbeitszeiten, die sich von einem auf den anderen Kalendertag erstrecken, zum ersten Kalendertag. Da er, der Kläger, inzwischen bei der Beklagten ausgeschieden sei, könne er diese Stunden vergütet verlangen. Deshalb stehe ihm noch ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 61,59 € brutto zu. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 61,49 € brutto zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, § 13 des Zulagentarifvertrages sei hier nicht anwendbar. Zwar sei die Schicht des Klägers wegen des Vorfesttages ausgefallen. § 13 des Zulagentarifvertrages gelte aber nur dann, wenn der Arbeitnehmer an Heiligabend oder Silvester bereits in der Zeit vor 12.00 Uhr gearbeitet habe, was typischerweise im Bürodienst vorkomme. § 13 des Zulagentarifvertrages regele zudem nur den Fall, dass Arbeit vorhanden sei, nicht den Fall, in dem Arbeit angekündigt ausfalle. Für den zuletzt genannten Fall gelte § 6 Absatz 5 des Jahresarbeitszeittarifvertrages, mit der Folge, dass die Zeit nachzuarbeiten sei. Genau genommen hätten dem Kläger daher auch nicht die beiden Stunden zwischen 22.00 Uhr und 24.00 Uhr gutgeschrieben werden dürfen. Wegen § 5 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b des Jahresarbeitszeittarifvertrages sei dem Kläger allerdings für Neujahr eine Zeitgutschrift von 7 Stunden und 36 Minuten zu erteilen gewesen, was auch geschehen sei. Eine zusätzliche Zeitgutschrift auch für die Zeit von 0.00 Uhr bis 6.00 Uhr an Neujahr habe nicht zu erfolgen brauchen. Aus dem Anwenderhinweis zu § 4 Absatz 1 des Jahresarbeitszeittarifvertrages, auf den sich der Kläger beziehe, folge nichts anderes, denn dieser gelte nicht, wenn der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit herangezogen werde, dann seien beide Kalendertage getrennt voneinander zu betrachten. Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch bestehe daher nicht. Jedenfalls aber könne der Kläger nicht einen in dem geforderten Betrag auch enthaltenen Nachtarbeitszuschlag verlangen, denn dieser könne nur berücksichtigt werden, wenn tatsächlich Arbeit geleistet worden sei. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, grundsätzlich erhalte ein Arbeitnehmer ohne Erbringung einer Arbeitsleistung auch keine Vergütung. Davon mache zwar § 13 des Zulagentarifvertrages eine Ausnahme. Diese Bestimmung setze aber voraus, dass die Schicht des Arbeitnehmers infolge der generellen Arbeitsbefreiung am 31. Dezember ab 12.00 Uhr ausgefallen sei, nicht dagegen aufgrund einer arbeitsorganisatorisch bedingten Ungestaltung der Einsatzpläne der Arbeitnehmer. Dazu habe der Kläger aber nicht ausreichend vorgetragen. Das Arbeitsgericht hat die Berufung zugelassen, weil es sich um die Auslegung eines Tarifvertrages handele, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstrecke, und außerdem wegen des Musterprozesscharakters des Verfahrens. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz geltend gemachten Anspruch weiter. Er verweist darauf, dass die Beklagte selbst in erster Instanz vorgetragen habe, dass die Arbeit am 31. Dezember 2001 wegen des Vorfesttages ausgefallen sei. Tatsächlich sei seine Schicht auch nur aus diesem Grund ausgefallen. Hätte er entsprechend dem regulären Schichtplan von Montag, dem 31. Dezember 2001 um 22.00 Uhr, bis Dienstag, dem 1. Januar 2002 um 6.00 Uhr gearbeitet, so hätte ihm die Beklagte für die ganze Woche insgesamt fünf volle Schichten auf dem Arbeitszeitkonto gutschreiben müssen. Das habe sie aber nicht getan, wie sich aus den fortlaufenden Personalverwendungsnachweisen (Blatt 44 und 65 der Akten) ergebe; die Beklagte habe ihm vielmehr fünfeinhalb Stunden zu wenig gutgeschrieben. Auch diese Stunden seien dem Tag vor Neujahr zuzuordnen, wie sich aus dem Anwenderhinweis Nummer 1 zu § 4 Absatz 1 des Jahresarbeitszeittarifvertrages ergebe. Im übrigen folge die Verpflichtung der Beklagten ihm auch diese fünfeinhalb Stunden gutzuschreiben, auch aus einer Anwendung von § 5 Absatz 2 Nummer 2 Buchtstabe b des Jahresarbeitszeittarifvertrages in Ergänzung zu § 13 des Zulagentarifvertrages. Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts die Beklagte zu verurteilen, an ihn 61,59 € brutto zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe richtig entschieden. Für den 1. Januar 2002 seien dem Kläger auf seinem Arbeitszeitkonto aufgrund der Regelung in § 5 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b des Jahresarbeitszeittarifvertrages sieben Stunden und 36 Minuten gutgeschrieben worden. Ferner sei für die Zeit von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr am 31. Dezember 2001 eine weitere Gutschrift von zwei Stunden erfolgt, wenn auch irrtümlich. Eine weitere Gutschrift stehe dem Kläger nicht zu. § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages greife hier nicht ein. Diese Bestimmung setze voraus, dass der Kläger am Tag vor Neujahr hätte arbeiten müssen. Das sei aber nicht der Fall gewesen. Die Arbeiten, die zunächst für die geplante Schicht am 31. Dezember 2001 ab 22.00 Uhr vorgesehen gewesen seien, seien zuvor von anderen Mitarbeitern bereits erledigt worden; es seien am 22., am 26. und am 29. Dezember 2001 Sonderschichten eingelegt worden, die auf freiwilliger Basis von Mitarbeitern geleistet worden seien. Deshalb sei am 31. Dezember 2001 ab 12.00 Uhr keine Arbeit mehr angefallen, von deren Leistung der Kläger hätte befreit werden können. Der Hinweis des Klägers auf den Anwenderhinweis Nummer 1 zu § 4 Absatz 1 des Jahresarbeitszeittarifvertrages sei zur Begründung eines Anspruchs nach § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages schon deshalb nicht geeignet, weil der Zulagentarifvertrag ein unabhängig vom Jahresarbeitszeittarifvertrag entstandener und unabhängig davon auszulegender Tarifvertrag sei. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts (Blatt 105 ff der Akten) und auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die Berufung des Klägers ist weitgehend begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung auch der am 1. Januar 2002 in der Zeit von 0.00 Uhr bis 6.00 Uhr ausgefallenen Arbeitszeit, lediglich ein Anspruch auf eine Nachtarbeitszulage für diesen Zeitraum besteht nicht. 1. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Vergütung grundsätzlich nur für tatsächlich geleistete Arbeit zu zahlen ist. Davon macht jedoch eine Vielzahl gesetzlicher und tariflicher Regelungen eine Ausnahme. In § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages für die Arbeitnehmer der .. AG und in § 5 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b des Jahresarbeitszeittarifvertrages für die Arbeitnehmer der .. AG sind solche Ausnahmen vorgesehen. Beide Bestimmungen sind hier auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifbindung anwendbar. § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages sieht eine Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts unter anderem an Silvester vor. § 5 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b des Jahresarbeitszeittarifvertrages befasst sich mit der Gutschrift von Arbeitszeit, die an einem Wochenfeiertag ausfällt. Nach dem regulären Schichtplan hätte der Kläger - er arbeitete im Schichtdienst, und zwar von Montag bis Freitag abwechselnd in Frühschicht, Mittagsschicht und Nachtschicht - am Montag, dem 31. Dezember 2001 (Silvester) von 22.00 Uhr an bis Dienstag, den 1. Januar 2002 (Neujahr, und damit ein Wochenfeiertag) um 6.00 Uhr arbeiten müssen. Diese Schicht, die ausgefallen ist, erstreckte sich von dem einen auf den anderen Kalendertag, so dass sich die Frage stellt, welche der beiden hier in Betracht kommenden tariflichen Regelungen gilt. Nach Auffassung der Kammer gelten beide Regelungen in Kombination miteinander. Sie ergänzen sich dergestalt, dass dem Kläger die volle ursprünglich geplante Schicht zu vergüten ist. a. Die Beklagte hat in erster Instanz - in Übereinstimmung mit dem Kläger - stets geltend gemacht, die Schicht des Klägers sei wegen des Vorfesttages, also wegen Silvester, ausgefallen. Davon geht die Beklagte auch in ihrer "ÖPDV-Info 5/99" (Blatt 28 und 28 Rückseite der Akten) aus, wenn es dort heißt, dass Tarifkräfte an diesem Tag ab 12.00 Uhr dienstfrei haben. Auf den weiteren Vorgaben dieser "Info" - danach sollte den Tarifkräften an Silvester nur der Zeitanteil zwischen 12.00 Uhr und 24.00 Uhr gutgeschrieben werden, nicht dagegen die davor und danach liegenden Schichtanteile - beruht auch die vergütungsrechtliche Handhabung der Beklagten, gegen die sich der Kläger wendet. Ist danach davon auszugehen, dass die Schicht des Klägers wegen des Vorfesttages, also wegen Silvester, ausgefallen ist, so ist § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages anwendbar. Bei der Auslegung einer Tarifnorm ist zunächst von deren Wortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (dazu etwa BAG, Urteil vom 4. April 2001, 4 AZR 180/00, BAGE 97, 271 mit weiteren Nachweisen). Nach § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages wird am Tag vor dem ersten Weihnachtsfeiertag und am Tag vor Neujahr, soweit es die betrieblichen Verhältnisse zulassen, ab 12.00 Uhr Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts gewährt. Die Beklagte hat dem Kläger, wie auch ihren übrigen Tarifkräften, am Tag vor Neujahr, also an Silvester, Arbeitsbefreiung gewährt. Die Tarifnorm sieht weiter eine Arbeitsbefreiung "ab 12.00 Uhr" vor. Diese Formulierung könnte nach ihrem Wortlaut so verstanden werden, dass die Arbeitnehmer, die am Vormittag des Silvestertages arbeiten, ab 12.00 Uhr von der Arbeit freizustellen sind. Eindeutig ist das aber nicht. Denn es könnte auch gemeint sein, dass jede Arbeitszeit ab 12.00 Uhr des Silvestertages entfallen soll, unabhängig davon, wann sie begonnen hätte. So scheint auch die Beklagte selbst die Regelung verstanden zu haben, wie sich aus ihrer bereits erwähnten "ÖPDV-Info 5/99" ergibt. Darin weist die Beklagte nämlich darauf hin, dass (nur) der Zeitanteil einer Schicht "zwischen 12.00 Uhr und 24.00 Uhr" als Arbeitszeit zu buchen sei. Daraus folgt, dass auch nach Auffassung der Beklagten die Regelung nicht nur die Mitarbeiter begünstigen sollte, die - wie etwa die Mitarbeiter im Bürodienst - ihre Arbeit bereits am Vormittag des Tages begonnen haben, sondern auch diejenigen, wie etwa die Mitarbeiter im Schichtdienst, die ihre Arbeit danach hätten aufnehmen müssen; demgemäß wird in der "Info" auch folgerichtig von Schichtanteilen gesprochen. Das entspricht auch dem erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung. Es handelt sich dabei um eine Gestaltung, die so oder ähnlich in vielen Betrieben und auch in der öffentlichen Verwaltung praktiziert wird (dazu bereits BAG, Urteil vom 26. Mai 1993, 5 AZR 184/92, BAGE 73, 166). Durch die vorzeitige Freistellung von der Arbeit an Silvester soll es den Mitarbeitern ermöglicht werden, die an diesem Tag üblichen Feierlichkeiten vorbereiten und frühzeitig beginnen zu können. Ein Interesse daran haben nicht nur diejenigen Arbeitnehmer, die ihre Arbeit bereits am Vormittag des Silvestertages beginnen und regulär zum Beispiel bis 16.00 Uhr oder 17.00 Uhr arbeiten würden, sondern auch und erst recht diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit an diesem Tag erst später beginnt, etwa mit dem Beginn der Mittagsschicht um 14.00 Uhr oder dem Beginn der Nachtschicht um 22.00 Uhr. Würden diese Arbeitnehmer nicht auch von einer nach 12.00 Uhr liegenden Arbeitsleistung befreit werden, so hätten sie noch weniger die Möglichkeit, die Silvesterfeier rechtzeitig zu beginnen oder überhaupt daran teilzunehmen. Deshalb kann nach Auffassung der Kammer § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages nach dem Sinn und Zweck der Regelung nur dahin verstanden werden, dass an diesem Tag alle Arbeitnehmer von einer ab 12.00 Uhr bis zum Ablauf des Tages liegenden Arbeitsleistung befreit sind, unabhängig davon, ob ihre reguläre Arbeitszeit vor oder nach 12.00 Uhr begonnen hätte (davon für eine im wesentlichen gleichlautende tarifliche Regelung ohne weiteres ausgehend: BAG, Urteil vom 26. Mai 1993, 5 AZR 184/92, BAGE 73, 166, unter II 5 der Gründe). Das hat nach § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages zur Folge, dass das Entgelt für die ausgefallene Arbeitszeit fortzuzahlen ist. b. Allerdings gilt § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages nur für die an Silvester ausgefallene Arbeitszeit. Deshalb kommt in Betracht, die Regelung nur für die beiden Stunden am Silvesterabend von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr heranzuziehen. Dann wäre aber für die Stunden danach § 5 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b des Jahresarbeitszeittarifvertrages einschlägig. Diese Bestimmung gilt für den Kläger, denn der Kläger arbeitete in Wechselschicht. Neujahr 2002 war ein Dienstag, dieser Feiertag fiel also auf einen Wochentag. Für diesen Wochentag wäre dem Kläger daher - bei Anrechnung einer vollen Schicht - 1/261 der Jahresarbeitszeit gutzuschreiben gewesen; das sind sieben Stunden und 36 Minuten. Diese Regelung gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer an dem Feiertag nicht gearbeitet hat, denn die Bestimmung trägt der zwingenden gesetzlichen Regelung in § 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes Rechnung (dazu BAG, Urteil vom 7. Mai 2003, 5 AZR 256/02, NZA 2004,49 in einem ebenfalls § 5 Absatz 2 Ziffer 2 Buchstabe b des Tarifvertrages zur Regelung der Jahresarbeitszeit betreffenden Verfahren). Da nicht anzunehmen ist, dass der Kläger durch die Regelung besser gestellt werden sollte als in dem Fall, in dem in einer Woche kein Feiertag liegt, ist ihm dann allerdings - wegen der ergänzend heranzuziehenden Regelung des § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages - nur der Zeitanteil von 0.00 Uhr bis 6.00 Uhr gutzuschreiben. Mehr will der Kläger aber auch nicht. c. Zu einem anderen Ergebnis würde man auch dann nicht gelangen, wenn man, wie der Kläger das vertritt, bei der hier vorliegenden Konstellation den "Anwenderhinweis" Nummer 1 zu § 4 Absatz 1 des Jahresarbeitszeittarifvertrages (Blatt 103 der Akten) - danach zählen Arbeitszeiten, die sich von einem auf den anderen Kalendertag erstrecken, zum ersten Kalendertag - heranziehen wollte, wogegen deshalb Bedenken bestehen könnten, weil zum einen unklar ist, ob es sich dabei um einen von beiden Tarifparteien verfassten Hinweis handelt oder nur um einen von der Beklagten verfassten, und weil sich der Hinweis weder auf § 5 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b des Jahresarbeitszeittarifvertrages bezieht noch auf § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages. Wollte man hier gleichwohl von dem Anwenderhinweis ausgehen, so wäre die Schicht vollständig Silvester zuzuordnen, mit der Folge, dass die Schicht in vollem Umfang nach § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages zu vergüten wäre. Das Ergebnis wäre das selbe wie ohne Rückgriff auf diesen Anwenderhinweis. d. Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 6 Absatz 5 des Jahresarbeitszeittarifvertrages. Nach dieser Regelung ist der Arbeitnehmer, wenn Arbeit ausfällt, spätestens am Vortag darüber zu informieren; der Arbeitgeber kann dann verlangen, dass die ausgefallene Arbeitszeit nachgeholt wird. Diese Regelung gilt nicht für Silvester und Wochenfeiertage. Für Silvester und Wochenfeiertage gelten vielmehr die speziellen Regelungen in § 13 Absatz 1 des Zulagentarifvertrages und in § 5 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b des Jahresarbeitszeittarifvertrages. e. Ohne Bedeutung ist nach Auffassung der Kammer schließlich, dass es nötig gewesen sein mag, die von Silvester auf Neujahr ausgefallene Schicht vorarbeiten oder nacharbeiten zu lassen, um einen reibungslosen Betriebsablauf während der Feiertage zu gewährleisten. Das ändert nichts daran, dass die Schicht wegen des Vorfesttages ausgefallen ist. Die ausgefallene Schicht vor- oder nachzuarbeiten, kann immer erforderlich sein, wenn eine Schicht wegen eines Feiertages oder wegen Silvester ausfällt. Dafür hat die Beklagte aber nach den tarifvertraglichen und gesetzlichen Regelungen unter den dort genannten Voraussetzungen einzustehen. Dass die Schicht an den von der Beklagten angeführten Tagen nur deshalb vor- oder nachgearbeitet werden musste, um - trotz der an den Vorfesttagen ausgefallenen Schichten - während der Feiertage einen reibungslosen Betriebsablauf zu gewährleisten, ergibt sich aus den dazu von der Beklagten vorgelegten, an ihren Betriebsrat gerichteten Schreiben vom 3. und 6. Dezember 2001 (Blatt 140 ff der Akten). 2. Die Beklagte hatte dem Kläger daher für die Woche von Montag, dem 31. Dezember 2001, bis zum Samstag, dem 5. Januar 2002, an dem die letzte reguläre Schicht des Klägers morgens um 6.00 Uhr geendet hätte, insgesamt fünf volle Schichten gutschreiben müssen, und zwar die erste Schicht aus den soeben dargelegten Gründen und die weiteren vier Schichten der Woche, weil der Kläger an diesen Tagen Urlaub hatte (§ 5 Absatz 1 des Jahresarbeitszeittarifvertrages). Das hat die Beklagte aber ausweislich der von ihr vorgelegten Personalverwendungsnachweise für den Kläger für Dezember 2001 und Januar 2002 nicht getan. Dem Personalverwendungsnachweis für Januar 2002 ist zu entnehmen, dass dem Kläger für die vier Tage vom 1. bis zum 4. Januar 2002 (Dienstag bis Freitag) jeweils sieben Stunden und 36 Minuten gutgeschrieben wurden. Gleiches hätte auch für den Montag, den 31. Dezember 2001, geschehen müssen. In dem Personalverwendungsnachweis für Dezember 2001 ist abschließend eine Gesamtstundenzahl von 151 Stunden und 42 Minuten aufgeführt. Darin sind zwar, wie eine Überprüfung der Addition ergibt, für Montag, den 31. Dezember 2001, zwei Stunden enthalten, nicht hingegen die weiteren fünf Stunden und 30 Minuten, die mit einem Stern gekennzeichnet sind. Diese fünf Stunden und 30 Minuten, deren Vergütung der Kläger beansprucht, sind daher dem Arbeitszeitkonto des Klägers nicht zugeführt worden. Da der Kläger zwischenzeitlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, besteht kein Arbeitszeitkonto mehr, auf dem der Kläger ein bestehendes Arbeitszeitguthaben durch die Inanspruchnahme von Freizeit ausgleichen könnte. Die von der Beklagten geschuldete Leistung kann daher nicht mehr nachgeholt werden. Sie hat daher dem Kläger nach § 280 Absatz 1 BGB Schadensersatz in Höhe der Vergütung für fünfeinhalb Arbeitsstunden zu leisten, denn sie hat ihre Verpflichtung, das Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers entsprechend der geleisteten und der tariflich anzurechnenden Arbeitszeit zu führen (zu dieser Verpflichtung: BAG, Urteil vom 7. Mai 2003, 5 AZR 256/02, NZA 2004, 49), verletzt. Allerdings ist nur eine Vergütung für fünfeinhalb Arbeitsstunden zu zahlen, nicht auch eine Nachtarbeitszulage wegen dieser Arbeitsstunden. Nach § 15 des Zulagentarifvertrages erhält der Arbeitnehmer "für Arbeit" zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr eine Nachtarbeitszulage in Höhe von 1,28 EUR je Stunde. Wenn es in dieser Tarifnorm heißt, dass die Nachtarbeitszulage "für Arbeit" gezahlt werde, so bedeutet das, dass die Arbeit auch tatsächlich erbracht worden sein muss; Zeiten, in denen der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat, weil er von der Arbeitsleistung befreit gewesen ist, fallen nicht unter diese Vorschrift (so für den Begriff "arbeiten" im Zusammenhang mit einem Nachtarbeitszuschlag bereits: BAG, Urteil vom 7. Juli 2004, 4 AZR 433/03, .. 2004, 2374). Das entspricht auch dem Sinn und Zweck der Tarifnorm, denn mit der Nachtarbeitszulage soll die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis abgegolten werden (dazu auch BAG, Urteil vom 13. März 2002, 5 AZR 648/00, NZA 2002, 744). Wird die Arbeitsleistung aber tatsächlich, etwa wegen einer Arbeitsbefreiung, nicht erbracht, so entfällt auch die Erschwernis, weshalb es gerechtfertigt erscheint, in einem solchen Fall auch die Nachtarbeitszulage entfallen zu lassen. Von dem von dem Kläger geltend gemachten Betrag von 61,59 € brutto ist daher die Nachtarbeitszulage für fünfeinhalb Stunden - das sind 7,04 € brutto - in Abzug zu bringen, so dass noch ein Anspruch in Höhe von 54,55 € brutto bleibt. Entsprechend war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern; im übrigen bleibt es bei der Abweisung der Klage. 3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Absatz 1 ZPO. Die Einlegung der Revision durch die Beklagte war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, denn die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Tarifnormen, um deren Auslegung es hier geht, gelten für die Arbeitsverhältnisse aller tarifgebundenen Arbeitnehmer der Beklagten, die bundesweit tätig ist. Allein in dem Betrieb der Beklagten in Kaiserslautern waren um die Jahreswende 2001 auf 2002 außer dem Kläger noch weitere 29 Arbeitnehmer von der Regelung in gleicher Weise wie der Kläger betroffen. Gleich gelagerte Fälle können auch in Zukunft wieder auftreten, wenn Silvester und Neujahr auf Wochentage fallen.

Ende der Entscheidung

Zurück