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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Saarland
Urteil verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 36/06
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 15
KSchG § 15 Abs. 1
KSchG § 15 Abs. 4
KSchG § 15 Abs. 5
BetrVG § 103
BGB § 613 a
Zu den Voraussetzungen einer Betriebsabteilung im Sinne von § 15 Absatz 5 KSchG.
LANDESARBEITSGERICHT SAARLAND Im Namen des Volkes ! URTEIL

2 Sa 36/06

Verkündet am 20. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts Saarland auf die mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 2006 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dier und die ehrenamtlichen Richter Schäfer und Koch

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. Januar 2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken (2 Ca 74/05) wird zurückgewiesen, wobei im Hinblick auf die im Berufungsverfahren erfolgte Rücknahme des Weiterbeschäftigungsantrages durch den Kläger der Tenor des Urteils des Arbeitsgerichts zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung der Beklagten vom 30. Dezember 2004 unwirksam ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits sind zu einem Drittel von dem Kläger und zu zwei Dritteln von der Beklagten zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 13. Dezember 1999 (Blatt 59 bis 63 der Akten) seit dem 1. Januar 2000 bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Er ist Vorsitzender des Betriebsrats der Beklagten. Der Kläger verfügt über eine Ausbildung als Bürokaufmann. Absolviert hat er außerdem eine Weiterbildung zum Praktischen Betriebswirt und zum Vertriebsorganisator. In der Zeit vor seiner Beschäftigung bei der Beklagten hat der Kläger in der Anzeigenabteilung der S. GmbH gearbeitet. Die Beklagte, bei der etwa 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind, ist ein Tochterunternehmen der S. GmbH. Eingesetzt wurde der Kläger bei der Beklagten zuletzt in dem Bereich "Audiotex". Befasst hat er sich dort mit der Konzeption und der Organisation von Gewinnspielen, die von der "Zeitung" in Anspruch genommen wurden, aber auch von anderen Kunden der Beklagten. Ende des Jahres 2004 war der Kläger der einzige Mitarbeiter der Beklagten, der mit dieser Aufgabe noch regelmäßig befasst war. Der Kläger verdiente zuletzt rund 4.300 € brutto im Monat.

Mit einem Schreiben vom 30. Dezember 2004 (Blatt 12 bis 13 der Akten) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2005. Begründet wird die Kündigung in dem Schreiben damit, dass es nicht möglich gewesen sei, zu einer wirtschaftlich tragfähigen Lösung für den defizitären Bereich "Audiotex" zu finden; deshalb werde dieser Bereich aufgrund der von ihr, der Beklagten, getroffenen unternehmerischen Entscheidung zum 30. Juni 2005 aufgelöst werden, weshalb der Arbeitsplatz des Klägers entfalle. Zugleich bot die Beklagte dem Kläger in dem Schreiben für die Zeit ab dem 1. Juli 2005 die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses in ihrem Kunden-Kontakt-Center an, und zwar gegen Zahlung einer Vergütung von 3.068,20 € brutto. In diesem Kunden-Kontakt-Center befasst sich eine größere Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit der Vermittlung von Telefongesprächen und mit dem meist telefonischen Kunden-Service für Abonnenten und Leser der "Zeitung", beispielsweise mit der Beantwortung von Anfragen zum Abonnement der Zeitung, zu Anzeigen in der Zeitung oder zum Kartenvorverkauf, aber auch mit der Erfassung von Aufträgen, darüber hinaus beispielsweise auch mit der Begrüßung von neuen Kunden oder mit telefonischen Zahlungsaufforderungen bei säumigen Abonnenten.

Vor der Kündigung hatte die Beklagte den bei ihr eingerichteten Betriebsrat mit einem Schreiben vom 14. Dezember 2004 (Blatt 28 bis 30 der Akten) zu der beabsichtigten Änderungskündigung angehört. In dem Schreiben heißt es, es sei beabsichtigt, gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung aus wichtigem Grund mit einer Auslauffrist zum 30. Juni 2005 auszusprechen, hilfsweise eine ordentliche Änderungskündigung, ebenfalls zum 30. Juni 2005. Mit einem Schreiben vom 17. Dezember 2004 (Blatt 35 bis 36 der Akten) widersprach der Betriebsrat der Änderungskündigung.

Der Kläger nahm die von der Beklagten erklärte Änderungskündigung unter dem Vorbehalt, dass sie nicht sozial ungerechtfertigt ist, an. Gegen die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung wendet er sich in dem vorliegenden Rechtsstreit. Er hat in erster Instanz darauf verwiesen, dass ihm als Mitglied des Betriebsrats nach § 15 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes grundsätzlich nur außerordentlich gekündigt werden könne. Eine solche Kündigung habe die Beklagte aber nicht erklärt, sie habe auch das dafür nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zu der Kündigung nicht durchgeführt. Die Voraussetzungen, unter denen ihm als Mitglied des Betriebsrats ausnahmsweise nach § 15 Absatz 4 oder 5 des Betriebsverfassungsgesetzes ordentlich gekündigt werden könne, lägen nicht vor, insbesondere handele es sich bei dem Bereich "Audiotex" nicht um eine eigenständige Betriebsabteilung im Sinne von § 15 Absatz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes. Er habe in dem Bereich "Audiotex" keine Dienstleistungen erbracht, die einem wesentlich anderen betrieblichen Zweck gedient hätten als demjenigen, zu dem die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten eingesetzt würden. Er habe auch nicht über ein eigenes Büro verfügt, er habe seine Tätigkeit vielmehr in den Räumen des Callcenters an einer sogenannten Kommunikationsinsel verrichtet, die man sich als runden Tisch vorstellen müsse, von dem jedem der vier dort tätigen Mitarbeiter ein Viertel zugeteilt sei. Er sei damit in das Callcenter integriert gewesen. Während seiner Abwesenheit sei er von Frau K., der Teamleiterin des Callcenters, von Frau L., einer Mitarbeiterin im Sekretariat des Callcenters, sowie von Frau H., der Assistentin der Geschäftsführung, vertreten worden. Sozial ungerechtfertigt sei die Änderungskündigung aber auch noch aus anderen Gründen. Zum einen müsse bestritten werden, dass der Bereich "Audiotex" defizitär gewesen sei und dass die Beklagte tatsächlich beabsichtigt habe, diesen Bereich zum 30. Juni 2005 zu schließen; die "Zeitung" werde sicher auch in Zukunft nicht auf Gewinnspiele verzichten, so dass zumindest davon auszugehen sei, dass dieses Tätigkeitsfeld in irgendeiner Form in einem anderen Unternehmen der Gruppe weitergeführt werde. Jedenfalls aber sei die ihm angebotene Vergütung keineswegs angemessen, denn er könne in dem Callcenter als Teamleiter eingesetzt und daher besser bezahlt werden. Darüber hinaus enthalte der ihm vorgelegte Arbeitsvertrag (Blatt 54 bis 58 der Akten), den er für die Zeit ab dem 1. Juli 2005 habe unterzeichnen sollen, eine Reihe weiterer Vertragsänderungen, die nicht gerechtfertigt seien. Der Kläger hat in erster Instanz beantragt, erstens festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 30. Dezember 2004 unwirksam sei, und zweitens für den Fall des Obsiegens mit diesem ersten Klageantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 30. Juni 2005 hinaus weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Änderungskündigung nach § 15 Absatz 5 des Kündigungsschutzgesetzes wirksam sei. Bei dem Bereich "Audiotex" habe es sich um eine Betriebsabteilung im Sinne dieser Vorschrift gehandelt. Der Arbeitsbereich des Klägers sei völlig eigenständig gewesen, er habe mit den Aufgaben des Callcenters nichts zu tun gehabt. Der Bereich "Audiotex" habe über ein eigenes Budget verfügt. Früher sei der Bereich "Audiotex" auch einmal räumlich von dem Callcenter getrennt gewesen, aus Kostengründen sei dies aber wieder rückgängig gemacht worden. Aus diesem Grund habe der Kläger seine Tätigkeit zuletzt im Großraumbüro des Kunden-Kontakt-Centers erbracht. Dabei sei er in die dortigen Abläufe aber nicht eingebunden gewesen. Er habe weder die Software verwendet, mit der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kunden-Kontakt-Centers gearbeitet hätten, noch habe er sich in die Telefonanlage des Kunden-Kontakt-Centers eingewählt. Wenn der Kläger Urlaub gehabt habe oder länger erkrankt gewesen sei, sei er von Frau L. vertreten worden; eine Vertretung des Klägers durch Frau K. oder Frau H. sei bei normalem Ablauf nicht vorgesehen gewesen. Der defizitäre Bereich "Audiotex" sei von ihr endgültig stillgelegt worden. Es sei daher nur noch möglich, den Kläger in dem ihr einzig verbliebenen Geschäftsbereich, dem Callcenter, einzusetzen. Die dem Kläger für eine solche Tätigkeit angebotene Vergütung sei mehr als angemessen. Eine darüber hinaus gehende Vergütung sei keinesfalls gerechtfertigt. Der Kläger sei im Callcenter branchenfremd, als Teamleiter habe er daher dort nicht eingesetzt werden können; aber auch als Teamleiter hätte er nicht mehr verdient, die dem Kläger angebotene Vergütung sei nur aus sozialen Erwägungen so hoch angesetzt worden. Die übrigen in dem angebotenen Arbeitsvertrag enthaltenen Vertragsänderungen seien durch die Änderung des Tätigkeitsbereichs bedingt.

Das Arbeitsgericht hat beiden Klageanträgen stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, die Änderungskündigung sei nicht nach § 15 Absatz 5 des Kündigungsschutzgesetzes wirksam. Grundsätzlich solle Betriebsratsmitgliedern nur außerordentlich gekündigt werden können. Der Grund für diesen Sonderkündigungsschutz bestehe darin, dass wegen des Interessengegensatzes zwischen der Arbeit des Betriebsrates und den Aufgaben der Geschäftsführung eines Unternehmens grundsätzlich stets die Gefahr bestehe, dass die Unternehmensleitung Druck auf Betriebsratsmitglieder ausüben könne. Dazu würde es schon ausreichen, dass das Damoklesschwert einer etwaigen Kündigung über den jeweiligen Betriebsratsmitgliedern schwebe. Daher habe von Gesetzes wegen ein sehr strenger Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder installiert werden müssen. Nur so sei sichergestellt, dass diese ihre Amtsgeschäfte unabhängig und im Interesse der Belegschaft ausführen könnten. Hiervon gebe es allerdings Ausnahmen. So sei im Fall einer Betriebsstilllegung nicht einzusehen, weswegen ein Betriebsratsmitglied schutzbedürftiger sein solle als alle anderen Arbeitnehmer, die ebenfalls wegen einer Betriebsstilllegung ausscheiden müssten. Das gleiche gelte selbstverständlich auch, wenn eine klare und eindeutige Betriebsabteilung stillgelegt werden solle. In dem Maße aber, wie durch Verselbständigung einzelner Arbeitsvorgänge praktisch jeder Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers zu einer eigenständigen Betriebsabteilung hochstilisiert werde, laufe der durch § 15 des Kündigungsschutzgesetzes begründete Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder leer. Der Schutzzweck des § 15 Absatz 5 des Kündigungsschutzgesetzes werde nur erreicht, wenn der Begriff der Betriebsabteilung nicht zu weit ausgelegt werde. Nicht jeder Betriebsteil sei schon eine eigenständige Betriebsabteilung. Ebenso wie im Rahmen von § 613 a des Bürgerlichen Gesetzbuches erst das Zusammenspiel einer Vielzahl von Komponenten die Feststellung erlaube, ob ein Betriebsübergang vorliege, müsse auch der Begriff der Betriebsabteilung nach § 15 des Kündigungsschutzgesetzes bestimmt werden. Dabei sei zu beachten, dass es durch organisatorische Festlegungen leicht möglich sei, dass kleinste Einheiten einen autonomen Charakter erhielten. Das sei nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen. Der Gesetzgeber habe lediglich Betriebsabteilungen im traditionellen Sinne privilegieren wollen. Dass jede betriebliche Monade eine eigene Betriebsabteilung sein könnte, sei dem Gesetzgeber überhaupt nicht bewusst gewesen. Daher müsse der Begriff der Betriebsabteilung mit Hilfe normativer Korrektive definiert werden. Eine Betriebsabteilung liege noch nicht deshalb vor, weil ein Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit verrichte als seine Arbeitskollegen, die räumlich am gleichen Ort tätig seien. Das liege geradezu in der Natur arbeitsteiliger Prozesse. Entscheidend könne auch nicht sein, dass man mit Hilfe finanztechnischer Operationen eine bestimmte Stelle mit einem eigenen Budget ausstatte. Als entscheidendes Korrektiv müsse vielmehr auf die Verkehrsanschauung abgestellt werden. Diese ergebe jedoch, dass ein Bereich, der Gewinnspiele für Kunden veranstalte und ansonsten mit den modernen Medien eine umfassende telefonische Kundenbetreuung anstrebe, gleichwohl aber als eigenständiges Unternehmen in Erscheinung trete, in Wahrheit eine zugeordnete Aufgabe für ein übergeordnetes Unternehmen ausübe. Im Sinne der alten Begrifflichkeiten könne man geradezu sagen, dass die Beklagte ihrerseits nicht mehr sei als eine Betriebsabteilung der "Zeitung". So gesehen sei es aber einfach überspannt und überspitzt, diese Betriebsabteilung in immer weitere Unterbetriebsabteilungen zu zerlegen. Die im Unternehmen der Beklagten stattfindende allgemeine Kundenbetreuung per Callcenter und die Kundenbetreuung durch Schaffung von Gewinnanreizsituationen unterschieden sich nicht wesentlich voneinander. Dieser einheitliche Betriebszweck könne auch nicht durch organisatorische Vorkehrungen wegdiskutiert werden. Jedenfalls aus diesem Grund sei die Änderungskündigung unwirksam. Im übrigen bestünden auch erhebliche Zweifel, ob die Stellenstreichung tatsächlich auf Dauer angelegt sei. Zudem sei die von der Beklagten angebotene Reduzierung der Vergütung ihrem Umfang nach unverhältnismäßig. Auch zu den beiden zuletzt genannten Gesichtspunkten enthält die Entscheidung des Arbeitsgerichts nähere Ausführungen. Die Beklagte hätte daher, so führt das Arbeitsgericht schließlich aus, den beschwerlichen, aber möglichen Weg über eine außerordentliche Änderungskündigung und das damit verbundene Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes gehen müssen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wendet sich insbesondere gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass es sich bei dem Bereich "Audiotex" nicht um eine Betriebsabteilung im Sinne von § 15 Absatz 5 des Kündigungsschutzgesetzes handele. Aber auch die übrigen Ausführungen des Arbeitsgerichts hält die Beklagte nicht für zutreffend.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat zunächst uneingeschränkt beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Anschluss an einen Hinweis des Berufungsgerichts und im Anschluss an die Erörterung der Sach- und Rechtslage in dem Termin, auf den die Entscheidung der Kammer ergangen ist, hat der Kläger den Weiterbeschäftigungsantrag zurückgenommen. Im übrigen hält der Kläger das Urteil des Arbeitsgerichts für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe in dem Urteil des Arbeitsgerichts (Blatt 116 bis 135 der Akten) sowie auf die Schriftsätze der Parteien in erster und zweiter Instanz Bezug genommen, insbesondere auf die Berufungsbegründung (Blatt 143 bis 165 der Akten), auf die Berufungserwiderung (Blatt 214 bis 223 der Akten) und auf den Schriftsatz der Beklagten vom 9. November 2006 (Blatt 230 bis 234 der Akten). Das Berufungsgericht hat die Parteien mit einer Verfügung vom 7. Oktober 2006 (Blatt 224 bis 227 der Akten) auf tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte aufmerksam gemacht, die für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sein konnten. Verwiesen wird weiter auf die Niederschrift über den Termin, auf den die Entscheidung der Kammer ergangen ist (Blatt 238 bis 240 der Akten).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag festzustellen, dass die Änderungskündigung vom 30. Dezember 2004 unwirksam ist, zu Recht stattgegeben. Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Einem Mitglied des Betriebsrats kann grundsätzlich nur außerordentlich gekündigt werden (§ 15 Absatz 1 KSchG). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur in § 15 Absatz 4 und 5 KSchG vorgesehen. Da nicht der gesamte Betrieb der Beklagten stillgelegt wurde (§ 15 Absatz 4 KSchG), kam eine ordentliche Kündigung hier nur in Betracht, wenn der Kläger in einer "Betriebsabteilung" im Sinne von § 15 Absatz 5 KSchG beschäftigt gewesen ist und diese stillgelegt wurde. Das ist aber nicht der Fall. Davon ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen.

Eine Betriebsabteilung im Sinne von § 15 Absatz 5 KSchG ist ein räumlich und organisatorisch abgegrenzter Teil eines Betriebes oder Betriebsteils, der eine personelle Einheit erfordert, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der eigene Betriebszwecke verfolgt, die Teil des arbeitstechnischen Zwecks des Gesamtbetriebs sind, die aber auch in einem bloßen Hilfszweck für den arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebs bestehen können (BAG, Urteil vom 22. September 2005, 2 AZR 544/04, NZA 2006, 558, und BAG, Urteil vom 2. März 2006, 2 AZR 83/05, NZA 2006, 988, jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzungen lagen hier in Bezug auf den Bereich "Audiotex" zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht vor. Da es für die Wirksamkeit der Kündigung nur auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ankommt (dazu etwa Rost, in: KR, 7. Auflage 2004, Randnummer 106 e zu § 2 KSchG, mit weiteren Nachweisen), ist es ohne Bedeutung, ob die einzelnen Arbeitsbereiche früher anders organisiert gewesen sind.

Dabei kann offen bleiben, ob eine "Betriebsabteilung" aus nur einem Arbeitnehmer bestehen kann (ausführlich dazu Bernstein, Die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern bei Stilllegung einer Betriebsabteilung nach § 15 V KSchG, NZA 1993, 728, 730, mit einer Übersicht zum Meinungsstand). Ebensowenig muss die Frage vertieft werden, ob in dem Bereich "Audiotex" ein eigener Betriebszweck verfolgt wurde, der dort verfolgte Betriebszeck also nicht identisch ist mit dem Betriebszweck, der in dem Callcenter verfolgt wird, was zumindest dann nicht unproblematisch sein könnte, wenn man annehmen wollte, dass auch die Gewinnspiele, deren Organisation und Durchführung Aufgabe des Klägers in dem Bereich "Audiotex" gewesen sind, letztlich - jedenfalls, soweit diese Gewinnspiele von der "Zeitung" in Anspruch genommen wurden - auch der Kundenbindung, also der Festigung der Bindung der Abonnenten und Leser der "Zeitung" an diese, dienten, was jedenfalls zum Teil auch für die Aufgaben gelten dürfte, die in dem Callcenter erfüllt wurden. Ebenso kommt es nicht entscheidend auf die Beantwortung der Frage an, ob es an der organisatorischen Abgegrenztheit des Bereiches "Audiotex" oder an der erforderlichen personellen Einheit deshalb fehlte, weil der Kläger während seiner Abwesenheit, etwa wegen Krankheit, von der Geschäftsführerin der Beklagten vertreten wurde (zu der Bedeutung eines personellen Austauschs von Arbeitnehmern verschiedener Bereiche im Zusammenhang mir dem Begriff der "Betriebsabteilung": LAG Hamm, Urteil vom 15. Juni 2005, 10 Sa 83/05, und Bernstein, Die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern bei Stilllegung einer Betriebsabteilung nach § 15 V KSchG, NZA 1993, 728, 730); zumindest eine solche Vertretung des Klägers durch ihre Geschäftsführerin hat die Beklagte im Berufungsverfahren noch eingeräumt, nachdem sie in erster Instanz weitergehend hatte vortragen lassen, dass der Kläger während seines Urlaubs oder während einer Erkrankung (auch) von Frau L. - Frau L. ist eine Mitarbeiterin des Sekretariats des Callcenters - bei der Abwicklung seiner Aufgaben aus dem Bereich "Audiotex" vertreten worden sei. Auch diese Frage muss aber nicht vertieft werden.

Denn es fehlt jedenfalls an den übrigen Voraussetzungen einer "Betriebsabteilung". Eine "Betriebsabteilung" muss auch über eigene technische Betriebsmittel verfügen. Daran fehlt es hier. Der Kläger arbeitete zuletzt - zusammen mit drei weiteren Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern des Callcenters - an einer "Kommunikationsinsel", die aus einem runden Tisch in einem Großraumbüro mit weiteren "Kommunikationsinseln" besteht. Dass jedem der dort arbeitenden Beschäftigten ein Viertel dieses Tisches zugewiesen war, ändert nichts daran, dass der selbe betriebliche Arbeitsbereich von allen gemeinsam genutzt wurde und dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Kläger eingeschlossen, in einem einzigen Großraumbüro arbeiteten. Daran wird zugleich deutlich, dass es auch an der erforderlichen räumlichen Trennung des Bereiches "Audiotex" von dem Callcenter völlig fehlte. Jedenfalls daran scheitert das Vorliegen einer "Betriebsabteilung" im Sinne von § 15 Absatz 5 KSchG (zu einem ähnlich gelagerten Fall, in dem es auch an einer räumlichen Trennung fehlte: LAG Hamm, Urteil vom 15. Juni 2005, 10 Sa 83/05). Dieses Ergebnis erscheint auch interessengerecht. Nach § 15 Absatz 4 und 5 KSchG soll einem Mitglied des Betriebsrats nur ausnahmsweise ordentlich gekündigt werden können. Dieser Sonderkündigungsschutz würde jegliche Konturen verlieren, wenn man den Begriff der "Betriebsabteilung" so verstehen wollte, wie die Beklagte dies vertritt. Dann könnte schon ein Arbeitnehmer, der eine spezielle Arbeitsaufgabe erfüllt und der dafür zum Beispiel einen eigenen Personal-Computer mit spezieller Software verwendet, als eigenständige "Betriebsabteilung" angesehen werden, mit der Folge, dass der Sonderkündigungsschutz nach § 15 Absatz 1 KSchG in immer mehr Fällen keine Bedeutung mehr hätte. Es würde zu einer dem Sinn und Zweck des § 15 Absatz 5 KSchG nicht mehr entsprechenden "Atomisierung" der kündigungsschutzrechtlich relevanten Betriebsstruktur kommen; der Bestand und der Inhalt des Arbeitsverhältnisses eines Mitglieds des Betriebsrats wäre entgegen der gesetzgeberischen Grundentscheidung für einen solchen Sonderkündigungsschutz in erhöhtem Maße gefährdet (zu diesem Gesichtspunkt bereits BAG, Urteil vom 20. Januar 1984, 7 AZR 443/82, NZA 1984, 38). Demgemäß wird der Begriff der "Betriebsabteilung" auch allgemein eher im traditionellen Sinne verstanden, so etwa bei der Lager- und Versandabteilung eines Produktionsbetriebes (dazu BAG, Urteil vom 18. Oktober 2000, 2 AZR 494/99, NZA 2001, 321), bei der Druckerei in einer Verwaltung (dazu BAG, Urteil vom 22. September 2005, 2 AZR 544/04, NZA 2006, 558), oder auch noch bei der zentralen Datenverarbeitungs-Abteilung eines Unternehmens (dazu BAG, Urteil vom 2. März 2006, 2 AZR 83/05, NZA 2006, 988) und beispielsweise auch bei der Stepperei einer Schuhfabrik oder der Kartonageabteilung einer Zigarettenfabrik (zu diesen Beispielen Etzel, in: KR, 7. Auflage 2004, Randnummer 121 zu § 15 KSchG mit weiteren Nachweisen).

Schon mangels Vorliegens einer "Betriebsabteilung" im Sinne von § 15 Absatz 5 KSchG ist damit die auf diese Vorschrift gestützte ordentliche Änderungskündigung unwirksam, ohne dass es noch auf die weiteren Gesichtspunkte ankommt, auf die das Arbeitsgericht seine Auffassung, dass die Änderungskündigung unwirksam sei, zusätzlich gestützt hat. Der Beklagten hätte damit nur der Weg offen gestanden, eine außerordentliche Änderungskündigung nach § 15 Absatz 1 KSchG zu erklären. Diesen Weg wollte die Beklagte ursprünglich wohl auch gehen, denn sie hatte den Betriebsrat primär zu einer solchen außerordentlichen Änderungskündigung angehört. Davon, diesen Weg zu gehen, der wegen der dann erforderlichen gerichtlichen Zustimmungsersetzung nach § 103 BetrVG beschwerlicher gewesen wäre, hat die Beklagte jedoch abgesehen, nachdem der Betriebsrat seine Zustimmung zu der Kündigung verweigert hatte.

Die Berufung der Beklagten konnte danach keinen Erfolg haben. Der Klarstellung halber war der Tenor des Urteils des Arbeitsgerichts neu zu fassen, nachdem der Kläger in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer seinen Weiterbeschäftigungsantrag zurückgenommen hat. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 97 Absatz 1 und 269 Absatz 3 Satz 2 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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