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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Saarland
Urteil verkündet am 23.01.2003
Aktenzeichen: 3 Ca 1307/02
Rechtsgebiete: BGB, MTV, TVG, GG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 39 Abs. 2
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 247
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 291
MTV § 17
MTV § 17 Abs. 2 Satz 1
MTV § 17 Abs. 2 Satz 2
TVG § 3
TVG § 3 Abs. 3
TVG § 4 Abs. 5
GG Art. 9 Abs. 3
ZPO § 308
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Arbeitsgericht Neunkirchen Im Namen des Volkes ! URTEIL

- 3 Ca 1307/02 -

Verkündet am 23. Januar 2003

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Neunkirchen auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2003 durch den Richter am Arbeitsgericht Hossfeld als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Weiland und Fischer als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1.12.2000 bis 31.7.2001 eine ausstehende Tarifvergütung in Höhe von 306,80 € brutto (= 600,00 DM netto) nebst 4,8 Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 13.9.2002 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit August 2001, Oktober bis Dezember 2001 sowie für Juni bis August 2002 eine ausstehende Tarifvergütung in Höhe von 518,98 € brutto (= 1.015,04 DM brutto) nebst 4,8 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 13.9.2002 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein monatliches Tarifentgelt der E 3 des Bundesentgelttarifvertrages nach der Entgelttabelle für das Saarland i. d. F. ab 1. August 2000 beginnend mit dem 1.9.2002 in Höhe von 1.824,80 € brutto (= 3.569,00 DM brutto) zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.

6. Der Streitwert wird auf 4.199,85 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten vorliegend über das Bestehen von Vergütungsansprüchen nach einer Tariflohnerhöhung und hierbei inzident über die Einbindung der tariflichen Regelungen der chemischen Industrie aufgrund einzelvertraglicher Inbezugnahme trotz Verbandsaustritts des Arbeitgebers sowie über die Problematik der Nachwirkung des Tarifvertrages nach Austritt für erst danach wirksam werdende Tariflohnerhöhungen.

Die am 26.02.1950 geborene Klägerin ist seit 3.4.1995 als Packerin bei der Beklagten, einem Unternehmen in der chemischen Industrie des Saarlandes, beschäftigt. Grundlage bildet der Arbeitsvertrag vom 16.7.1993 (vgl. Bl. 7 bis 10 d.A.). Dort ist unter Ziff. 1 Abs. 3 folgende Regelung enthalten:

"Für das Arbeitsverhältnis gelten in ihrer jeweiligen Fassung die tariflichen Bestimmungen für die Arbeiter der chemischen Industrie im zuständigen Tarifgebiet, die Arbeits- und Betriebsordnung sowie die sonstigen Betriebsvereinbarungen und betrieblichen Regelungen, soweit im folgenden nichts anderes vereinbart ist."

Unstreitig ist zwischen den Parteien eine abweichende Regelung im Vertrag nicht getroffen worden. Der Verdienst der Klägerin entsprach bis zuletzt der Entgeltstufe E 3 des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische, Kautschuk verarbeitende, Kunststoff verarbeitende und Mineralöl verarbeitende Industrie, Entgelttabelle für das Saarland.

Die Klägerin ist Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie e.V.. Die Beklagte war seit 1980 Mitglied des Arbeitgeberverbandes der chemischen Industrie Saarland e. V.. Mit Schreiben vom 25.10.1999 hat die Beklagte ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgekündigt. Nach § 5 Abs. 4 der Satzung des Arbeitgeberverbandes beträgt die Kündigungsfrist sechs Monate zum Ende eines Kalenderjahres. Hierbei muss die Kündigung spätestens zum 30.6. des Jahres per eingeschriebenem Brief erfolgt sein, um zum Kalenderjahresende Wirkung zu entfalten (vgl. Bl. 35 R d.A.).

Die Entgeltsituation wurde unter dem 15. Mai 2000 im Rahmen des Tarifabschlusses 2000 zweistufig neu geregelt. In einer ersten Stufe war für die Arbeitnehmer mit Wirkung vom 1.8.2000 eine Erhöhung von 2,2 % vereinbart worden. Im Zuge der zweiten Stufe war festgeschrieben worden, dass die Entgelte ab 1.8.2001 nochmals um 2 % erhöht werden. Diesen Tarifabschluss 2000 hat die Beklagte an die Klägerin jedoch nicht weitergegeben, sondern auch nach dem 1.8.2000 aus der nicht erhöhten Entgeltgruppe weiter den Verdienst gezahlt. In der Folgezeit hat die Klägerin für eine Reihe von Monaten ihre Vergütungsansprüche entsprechend der Erhöhung nach dem Tarifabschluss 2000 der Beklagten gegenüber schriftlich angemeldet. Da die Geltendmachung ohne Erfolg war, bot dies für die Klägerin den Anlass, die aufgelaufenen Tariflohndifferenzen einzuklagen und gleichzeitig für die Zeit ab September 2002 die monatliche Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe E 3 auf der ab 1.8.2000 tariflich erhöhten Basis zu beanspruchen.

Hinsichtlich der Jahresleistung bestimmt der Tarifvertrag über eine Jahresleistung in § 4 Abs. 1, dass die volle Jahresleistung 95 % eines tariflichen Monatsentgelts (monatlicher Entgeltsatz gemäß dem jeweiligen bezirklichen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie) und für Auszubildende 95 % einer tariflichen Ausbildungsvergütung beträgt (vgl. Bl. 86 d.A.). Die Jahresleistung wurde von der Beklagten in den Kalenderjahren 2000 und 2001 jeweils unter Zugrundelegung der bis zum 31.7.2000 geltenden Entgeltsätze zur Auszahlung gebracht.

Für die Geltendmachung und den Verfall von Ansprüchen enthält der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in der chemischen Industrie (MTV) folgende Bestimmung:

"§ 17 Ausschlussfristen

1. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die richtige und vollständige Abrechnung von Vergütungen für Schicht-, Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie bei Barzahlungen die Übereinstimmung des in der Abrechnung genannten Betrages mit der tatsächlichen Auszahlung unverzüglich zu überprüfen.

2. Die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung ausgeschlossen. Das gilt nicht, wenn die Berufung auf die Ausschlussfrist wegen des Vorliegens besonderer Umstände eine unzulässige Rechtsausübung ist.

3. Im Falle des Ausscheidens müssen die Ansprüche beider Seiten spätestens einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden.

4. Wird ein Anspruch erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig, muss er spätestens einen Monat nach Fälligkeit geltend gemacht werden."

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe basierend auf ihrem Arbeitsvertrag, einen Anspruch gegen die Beklagte auf Weitergabe der im Kalenderjahr 2000 vereinbarten Tariferhöhung. Für die Monate August bis Juli 2001 ergebe sich bei der Differenzbetrachtung ausgehend von der

Entgeltgruppe E 3 (TV ab 1.8.2000) : 3.499,00 DM

Entgeltgruppe E 3 (TV bis 31.7.2000): 3.424,00 DM

eine monatliche Differenz von: 75,00 DM brutto

gleich 38,35 € brutto.

Für die Monate August 2001 bis August 2002 ergebe sich bei der Differenzbetrachtung ausgehend von der

Entgeltgruppe E 3 (TV ab 1.8.2001) : 3.569,00 DM

Entgeltgruppe E 3 (TV bis 31.7.2000): 3.424,00 DM

eine monatliche Differenz von: 145,00 DM brutto

gleich 74,14 € brutto.

Nach Überzeugung der Klägerin sei die Beklagte im gesamten Kalenderjahr 2000 trotz der von ihr Ende 1999 erklärten Kündigung der Verbandsmitgliedschaft immer noch tarifgebunden gewesen. Zum einen sei der Verbandsaustritt nach § 5 Abs. 4 der Satzung des Arbeitgeberverbandes der chemischen Industrie gemäß der Ansicht der Klägerin erst mit Ablauf des 31.12.2000 wirksam geworden. Die Tariferhöhung sei jedoch unstreitig im Mai 2000 vereinbart worden, wobei die erste Stufe zum 1.8.2000 Wirkung entfaltet hat. Zum anderen müsse nach Meinung der Klägerin auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Tariferhöhung im Mai 2000 abgestellt werden, so dass selbst bei dem von der Beklagten angestrebten Austrittstermin, dem 30.6.2000, die Verbandsmitgliedschaft noch bestanden hat. Daraus ergebe sich nach Ansicht der Klägerin dann auch ein Anspruch auf Weitergabe der zweiten Stufe der Tariferhöhung mit Wirkung zum 1.8.2001 (weitere 2 %).

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 1.8.2000 bis 31.7.2001 eine ausstehende Tarifvergütung in Höhe von 460,16 € (= 900,00 DM) nebst einer Verzinsung von 4,8 % über den gültigen Eckzinssatz zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 1.8.2001 bis 31.8.2002 eine ausstehende Tarifvergütung in Höhe von 963,79 € (= 1885,00 DM) nebst 4,8 % Zinsen über den gültigen Eckzinssatz zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein monatliches Tarifentgelt der E 3 des Bundesentgelttarifvertrages, der für das Saarland geltenden Entgeltsätze in seiner Fassung ab dem 1. August 2000, ab dem 1.9.2002 in Höhe von 3.569,00 DM (1.824,80 €) zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Betrag von 36,43 € (= 71,25 DM) nebst 4,8 % Zinsen über den gültigen Eckzinssatz als ausstehende Jahresleistung des Jahres 2000 zu zahlen;

5. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Betrag von 70,43 € (= 137,75 DM) nebst 4,8 % Zinsen über den gültigen Eckzinssatz als ausstehende Jahresleistung des Jahres 2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, keiner Verpflichtung zu unterliegen, die Tariflohnerhöhungen des Kalenderjahres 2000 an die Klägerin weiterzugeben. Dies ergebe sich daraus, dass die Tariflohnerhöhungen erst zum 1.8.2000 Wirkung entfaltet haben, der erklärte Austritt aus dem Arbeitgeberverband aber bereits nach Überzeugung der Beklagten zum 30.6.2000 spätestens wirksam geworden sei. Insoweit müsse die in § 5 der Satzung des Arbeitgeberverbandes der chemischen Industrie enthaltene Kündigungsfrist an Artikel 9 Abs. 3 GG gemessen werden und entsprechend der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in AP Nr. 25 zu Artikel 9 GG in zulässiger Weise zeitlich verkürzt werden auf eine Kündigungsfrist von max. sechs Monaten. Dies hätte dann zur Folge, dass die mit Schreiben vom 25.10.1999 erklärte Kündigung schon mit Ablauf des 30.4.2000, spätestens jedoch mit Ablauf des 30.6.2000 die Mitgliedschaft im Verband beendet haben würde. Nach Überzeugung der Beklagten stelle nur eine solche Auslegung sicher, dass die grundgesetzlich garantierte negative Koalitionsfreiheit gewährt bleibe. Ein Abstellen darauf, dass die Beklagte für das gesamte Kalenderjahr 2000 noch die Mitgliedsbeiträge an den Arbeitgeberverband der chemischen Industrie gezahlt hat, sei nach Auffassung der Beklagten ohne rechtliche Bedeutung für die Tarifbindung gegenüber den Arbeitnehmern bei der Beklagten. Insoweit sei dies aus der unternehmerischen Entscheidung geschehen, sich nicht auf einen Rechtsstreit mit dem Arbeitgeberverband hinsichtlich der Zulässigkeit der satzungsmäßigen Kündigungsfrist einlassen zu wollen. Der Geschäftsführer des Verbandes der chemischen Industrie des Saarlandes habe in einem Gespräch am 5. November 1999 mit dem Geschäftsführer der Beklagten Einigkeit darin erzielt, dass beide Seiten von einem Austrittdatum 30.6.2000 ausgehen werden.

Die im Arbeitsvertrag enthaltene Bezugnahmeklausel wirkte nach Meinung der Beklagten nicht konstitutiv. Vielmehr sei hier lediglich eine Festlegung übernommen worden, welche auch ohne diese Klausel wegen der beiderseitigen Zugehörigkeit zu den tarifschließenden Organisationen die Wirkung der Tarifbindung entfaltet hätte. Die Geltung des Tarifvertrags könne also nur so lange angenommen werden, wie der Arbeitgeber selber tarifgebunden sei. Ziel der vertraglichen Regelung sei nach Überzeugung der Arbeitgeberseite lediglich die Gleichstellung gewesen zwischen Arbeitnehmern, welche keiner Gewerkschaft angehören, mit ihren Kolleginnen und Kollegen, die auf Grund Zugehörigkeit zur tarifschließenden Einzelgewerkschaft ohnehin den Tarifverträgen unterworfen waren. Bis in den Dezember 1999 habe es in anderen Arbeitsverträgen bei der Beklagten mit Ausnahme der Arbeitsverträge mit leitenden Angestellten ähnliche Bezugnahmeklauseln gegeben, wie sie bei der Klägerin verwandt worden sind. Es sei keineswegs beabsichtigt gewesen, nicht organisierte Arbeitnehmer bei Ende der Tarifbindung des Arbeitgebers weiter an der Dynamik des Tarifes teilhaben zu lassen, während man organisierte Arbeitnehmer auf dem Stand der Tarifregelung zum Zeitpunkt des Verbandsaustritts "eingefroren" ließe hinsichtlich ihrer Vergütungsregelungen. Gerade vor diesem Hintergrund ist die Beklagte der Überzeugung, dass selbst dann wenn man entgegen ihrer Ansicht noch zu einer Verpflichtung der Weitergabe der ersten Stufe der Tariferhöhung 2000 zum 1.8.2000 käme, jedenfalls eine solche Verpflichtung zur Weitergabe der zweiten Stufe zum 1.8.2001 nicht mehr annehmen könne. Dies ergebe sich schon daraus, dass sicherlich ohne Zweifel mit Ablauf des 31.12.2000 auch die Klägerseite von einem gültigen Austritt aus dem Verband und damit aus der Tarifbindung ausgehen müsste.

Unabhängig von dieser grundsätzlichen Betrachtung ist die Beklagte ferner der Ansicht, dass einige Ansprüche ganz oder teilweise jedenfalls verfallen seien nach § 17 des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie bzw. nach der Verfallklausel im Arbeitsvertrag. So könne die Klägerin ihre vermeintlichen Ansprüche aus dem Klageantrag zu 1) hinsichtlich der Monate August 2000 bis November 2000 nicht mehr mit Erfolg geltend machen. Gleiches gelte für ihre Ansprüche aus dem Klageantrag zu 2) hinsichtlich der Monate September 2001, Januar bis Mai 2002. Bezüglich des Klageantrages zu 4) sei die ausstehende Jahresleistung für das Kalenderjahr 2000 jedenfalls bis zum April 2001 überhaupt nicht geltend gemacht worden. Letztlich sei auch der Klageantrag zu 5) nach Überzeugung der Beklagten nicht mehr mit Erfolg durchsetzbar, da eine Geltendmachung der ausstehenden Jahresleistung für das Kalenderjahr 2001 bisher außergerichtlich da nicht erfolgt sei.

Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 21.10.2002 sowie 23.1.2003 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Klage ist auch überwiegend begründet.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte, ab dem 1.8.2000 einen um 2,2 % erhöhten monatlichen Vergütungsbetrag zu erhalten nach der Tarifgruppe E 3 des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie entsprechend der Entgelttabelle für das Saarland in der am 15.5.2000 durch die Tarifvertragsparteien festgelegten Fassung. Hieraus ergibt sich für die Monate Dezember 2000 bis Juli 2001 bei einem ab dem 1.8.2000 geschuldeten monatlichen Vergütungsbetrag von 3499,00 DM brutto (= 1789,01 € brutto) unter Zugrundelegung des bisher von der Beklagten gezahlten monatlichen Vergütungsbetrages in Höhe von 3424,00 DM brutto (= 1750,66 € brutto) ein Differenzbetrag in Höhe von 75,00 DM brutto (= 38,35 € brutto) pro Monat. Der Anspruch beläuft sich damit auf 306,80 € brutto für diese 8 Monate. Der weitergehend geltend gemachte Anspruch scheitert an der mangelnden schriftlichen Geltendmachung innerhalb der nach § 17 MTV der chemischen Industrie des Saarlandes vorgesehenen 3-monatigen Frist bzw. der mangelnden Darlegung, dass diese Frist auch für die übrigen Monate gewahrt worden ist.

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien gelangten kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Bestimmungen des Bundesentgelttarifvertrags für die chemische Industrie mit unmittelbarer und zwingender Wirkung (vgl. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Tarifvertragsgesetz) bis zum 31.12.2000 zur Anwendung. Dabei gilt der Tarifvertrag für die Zeit ab dem 1.1.2001 mit Blick auf die Wirksamkeit des Verbandsaustritts der Beklagten zum 31.12.2000 kraft Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 Tarifvertragsgesetz mit der Folge, dass jedenfalls die am 15.5.2000 zum 1.8.2000 vereinbarte Tariflohnerhöhung von 2,2 % auch der Klägerin zugute kommt.

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die mit Schreiben vom 25.10.1999 erklärte Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband der chemischen Industrie nicht die Wirkung, ab dem 1.7.2000 dem Arbeitgeberverband nicht mehr anzugehören. Vielmehr hat die Kündigung auf der Basis von § 5 Abs. 4 der Satzung des Arbeitgeberverbandes unter Berücksichtigung der dort geregelten Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres ausgehend von einem Zugang der Kündigung noch im Kalenderjahr 1999 erst zum Ablauf des 31.12.2000 die von der Beklagten gewünschte Wirkung. Die vom Arbeitgeberverband in seiner Satzung gewählte Kündigungsfrist verstößt nämlich nicht gegen das Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit in Artikel 9 Abs. 3 GG.

Der Bundesgerichtshof hat sich bisher lediglich mit Fragen befasst, welche Obergrenzen für Austritte von Mitgliedern aus einer Gewerkschaft satzungsmäßig als zulässig erachtet werden können. Dabei hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die zweijährige Obergrenze nach § 39 Abs. 2 BGB mit Artikel 9 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren sei (vgl. Urteil des BGH vom 4.7.1974 - II ZR 30/76 - in AP Nr. 25 zu Artikel 9 GG, sowie vom 22.9.1980 - II ZR 34/80 - in AP Nr. 33 zu Artikel 9 GG). In seiner Entscheidung vom 22.9.1980 hat der Bundesgerichtshof dabei für den Austritt eines Gewerkschaftsmitgliedes eine absolute Obergrenze von sechs Monaten festgelegt. Dabei ist höchstrichterlich keine weitere Entscheidung dazu ersichtlich, ob diese Grenze auch für die Kündigung der Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband Geltung entfalten soll. In der Literatur wird hierzu zumindest insoweit einhellig die Ansicht geteilt, dass die Höchstgrenzen nach § 39 Abs. 2 BGB mit Artikel 9 Abs. 3 GG nicht vereinbar sind, mit der Konsequenz einer Verpflichtung zur Grundgesetz konformen Auslegung der jeweiligen Fristen (vgl. hierzu allgemein z.B. Oetker, ZfA 1998 S.66; Reitze, Der Austritt aus Gewerkschaft und Arbeitgeberverband, in NZA 1999 S.70). Zu dieser Problematik hat das LAG Saarland in den beiden - nach Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerden beim BAG - rechtskräftigen Entscheidungen vom 28.11.2001 (Az. 2 Sa 84/01 sowie 2 (1) Sa 85/01), welche im übrigen für den vorliegenden Rechtstreit als Musterverfahren durchgeführt worden sind, die Auffassung vertreten, es gebe einen Unterschied hinsichtlich der Interessenlage ausgehend vom konkreten Inhalt der geschuldeten Vereinstreue in Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Es stellt bereits qualitativ einen erheblichen Unterschied dar hinsichtlich der Ausübung der Rechte zwischen Gewerkschaft und Gewerkschaftsmitgliedern, wenn diese mit der Gewerkschaft und ihrem Führungsstil oder den dort verfolgten Zielen sich nicht mehr solidarisch erklären können, und dem vorliegenden Fall, in welchem ein Arbeitgeber für die Zukunft einer weiteren Tarifbindung entgehen will, ohne dass es zu irgendwelchen sonstigen Differenzen zwischen Arbeitgeberverband und dem Arbeitgeber - hier der Beklagten - gekommen wäre. Wendet man die vom Bundesgerichtshof selbst aufgestellten Grundsätze an, dass die Einhaltung einer mäßigen Kündigungsfrist als zulässige Beeinträchtigung des Individualrechts nach Art. 9 Abs. 3 GG akzeptiert werden kann, so wird § 5 Abs. 4 der Satzung des Arbeitgeberverbandes der chemischen Industrie des Saarlandes diesen Anforderungen gerecht. Im günstigsten Fall kann ein Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung bis zum Ablauf des 30.6. eines Kalenderjahres abgeben in Form eines eingeschriebenen Briefes, um dann zum Ablauf des Kalenderjahres aus dem Arbeitgeberverband ausscheiden zu können. In diesen Fällen ist damit eine Frist von sechs Monaten gewährleistet. Eine solche Frist ist der Beklagten aber auch zumutbar gewesen, weil letztlich niemand umgekehrt zuvor die Beklagte gezwungen hat, der Organisation des Arbeitgeberverbandes beizutreten. Wenn ein Arbeitgeber dem Arbeitgeberverband beigetreten ist, muss er grundsätzlich auch die Konsequenzen, die sich aus einer Mitgliedschaft ergeben, bis zur Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband tragen (vgl. Anm. von Grunsky zum Urteil des BGH vom 4.7.1977 in AP Nr. 25 zu Artikel 9 GG). Die Beklagte hätte es demnach auch in der Hand gehabt, vor dem 25.10.1999 rechtzeitig eine Kündigung zu erklären mit Blick auf die erkennbar im Kalenderjahr 2000 anstehenden Tarifverhandlungen zum Abschluss einer neuen Entgelthöhe, wenn sie einer künftigen Tarifbindung hätte entgehen wollen. Unabhängig von § 5 Abs. 4 der Satzung des Arbeitgeberverbandes wäre es der Beklagten unbenommen geblieben, wenn ein entsprechender wichtiger Grund vorgelegen hätte, den Weg einer außerordentlichen Kündigung der Verbandsmitgliedschaft zu wählen.

Zu dieser Problematik vertritt ein Teil der Literatur im Anschluss an die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Auffassung, man könne die 6-Monatsgrenze gleichermaßen auf Gewerkschaften und auf Arbeitgeberverbände anwenden hinsichtlich der Kündigungsfrist (vgl. z. B. Reitze aaO und Löwisch in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 244 Rn 4). Gegen diese Art der Gleichbehandlung macht Oetker (ZfA 1998 S.41, 71) geltend, ein Arbeitgeberverband habe gegenüber den Gewerkschaften als Massenorganisationen aus strukturellen Gründen ein gesteigertes Bestandsinteresse, so dass es sich rechtfertigen lasse, eine Kündigungsfrist bis zu einem Jahr als zulässig zu erachten. Gerade bei der Frage der verfassungskonformen Bemessung von Kündigungsfristen ist entscheidend auf das Hauptmotiv des einzelnen Arbeitgebers für den Verbandsaustritt zu achten. Dieses besteht in aller Regel darin, sich den Folgen von § 3 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz zu entziehen, wenn innerhalb des Laufs einer Kündigungsfrist ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen wird. Dieses Motiv ist durchaus billigenswert. Wenn aber eine Kündigungsfrist so bemessen ist, dass es dem einzelnen Arbeitgeber ohne weiteres möglich ist, sich durch seine Kündigung vor den Folgen der nächsten Lohnrunde zu schützen, ist diesem Interesse ausreichend Rechnung getragen. In der Regel haben Lohntarifverträge eine Laufzeit von einem Jahr. Damit könnte ein Arbeitgeber sich bei einjähriger Kündigungsfrist und rechtzeitig erklärter Kündigung ohne weiteres davor bewahren, von Lohnerhöhungen der nächsten Tarifrunde erfasst zu werden. Im Unterschied zu einer solchen starren einjährigen Frist hat die zur Prüfung anstehende Frist nach § 5 Abs. 4 der Satzung des Arbeitgeberverbandes der chemischen Industrie den Vorteil, dass sie flexibel gehandhabt werden kann. Wird eine Kündigung exakt am 30.6. eines Kalenderjahres ausgesprochen, dann wird die Bestimmung sogar der engen sechs Monatsgrenze, welche der BGH für einen Gewerkschaftsaustritt gezogen hat, gerecht. Andererseits wird durch den Termin zum Jahresende das Bestandsinteresse des Arbeitgeberverbandes wie auch dessen Beitragskalkulation für das gesamte Kalenderjahr besser berücksichtigt. Insbesondere der kurzfristige Beitragsausfall eines leistungsstarken Betriebes kann einen kleineren Arbeitgeberverband erheblich schwerer treffen als ein etwaiger Austritt eines einzelnen Gewerkschaftsmitgliedes aus einer großen Einzelgewerkschaft. Vom Schutzgedanken, welcher Art. 9 Abs. 3 GG innewohnt, darf deshalb nicht einseitig nur die negative Koalitionsfreiheit des einzelnen Mitgliedes betrachtet werden. Vielmehr ist auch der Bestandsschutz der Koalition selbst Ziel der grundgesetzlichen Regelung. Es ist zwingend notwendig, eine kalkulierbare wirtschaftliche Absicherung zu bewahren innerhalb der Koalition, um dieser die Möglichkeit zu belassen, autonom ihre Satzung gestalten zu dürfen. Im Ergebnis erscheint es deshalb bei Abwägung der Interessen sachgerecht, für Kündigungen von Mitgliedschaften in einem Arbeitgeberverband eine längere Kündigungsfrist zuzulassen, als dies für solche Fristen innerhalb der Gewerkschaften nach der Rechtsprechung des BGH grundgesetzlich möglich ist. Dabei ist es vorliegend jedoch ohne Belang, ob man sich für die starre Jahresfrist nach der Auffassung von Oetker (aaO) entscheidet, oder ob man mit dem LAG Saarland in seinen beiden zu dem Parallelverfahren ergangenen Urteilen vom 28.11.2001 (2 Sa 84/01 und 2(1) Sa 85/01) von der Zulässigkeit einer flexibel gestalteten Frist ausgeht, welche wie im Fall von § 5 Abs. 4 der Satzung des Arbeitgeberverbandes für das Mitglied günstigstenfalls sechs Monate und längstens achtzehn Monate als Kündigungsfrist vorsieht. In beiden Fällen liegt der Tarifabschluss der Tarifrunde 2000 in der chemischen Industrie noch innerhalb der vorgenannten Fristen. Der Tarifabschluss erfolgte am 15.5.2000 mit der Wirkung der Weitergabe der ersten Stufe der abgeschlossenen Tariflohnerhöhung zum 1.8.2000. Am 15.5.2000 bestand danach jedenfalls noch die Verbandszugehörigkeit der Beklagten.

c) Die Ansprüche für die Monate August bis November 2000 sind nach § 17 Abs. 2 Sätze 1 und 2 des Manteltarifvertrages für die chemische Industrie des Saarlandes verfallen, weil die Klägerin entgegen der dort festgelegten Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit der jeweiligen Ansprüche eine schriftliche Geltendmachung gegenüber der Beklagten unterlassen hat bzw. insoweit trotz entsprechender Rüge durch die Beklagte, keine Unterlagen zur Ergänzung vorgelegt hat. Insoweit liegt lediglich eine schriftliche Geltendmachung vom 8.3.2001 (vgl. Bl. 42 d.A.) für die Monate Januar bis Februar 2001 vor, in welcher auch auf die Monate August bis Dezember 2000 verwiesen wird. Unter Berücksichtigung der Fälligkeit zum Monatsende ist damit nur ab Dezember 2000 noch von einer rechtzeitigen Anmeldung der Ansprüche innerhalb der Dreimonatsfrist auszugehen. Die weitergehenden Ansprüche sind für März bis Juli 2001 rechtzeitig schriftlich geltend gemacht worden (vgl. Bl. 41 bis 37 d.A.).

d) Der Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt der Prozesszinsen nach § 291 BGB berechtigt. Hierbei beginnt der Zinslauf ausgehend von § 187 Abs. 1 BGB ab dem Tag, welcher auf die Zustellung des Klageantrages folgt. Die Zinshöhe ergibt sich grundsätzlich dabei aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 247 BGB (für die Zeit vor dem 1.1.2002 in Verbindung mit dem Diskontüberleitungsgesetz). Nach dem Grundsatz ne ultra petita (nicht über das Begehrte hinaus), wie er in § 308 ZPO zum Ausdruck kommt, sind dem Klageantrag entsprechend 4,8 % über dem Basiszinssatz zuzusprechen gewesen. Das Gericht geht im Wege der Auslegung davon aus, dass die Klägervertretung mit dem Wort Eckzinssatz den Basiszinssatz nach dem Diskontüberleitungsgesetz bzw. nach § 247 BGB bezeichnen wollte.

2. Für die Zeit ab dem 1.8.2001 steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Vergütung entsprechend dem in der Tarifrunde 2000 am 15.5.2000 gemachten Abschluss mit Wirkung vom 1.8.2000 in der zweiten ab 1.8.2001 wirksam werdenden Stufe einer weiteren Erhöhung um 2 % zu. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Aspekt der Nachwirkung des Tarifvertrages nach Wirksamwerden des Verbandsaustritts entsprechend § 4 Abs. 5 Tarifvertragsgesetz.

Dabei ist zunächst mit Rücksicht auf den Einwand nicht rechtzeitiger Geltendmachung für Zeitraum 1.8.2001 bis 31.8.2002 nur für die Monate August, Oktober bis Dezember 2001 sowie Juni bis August 2002 die Klage begründet in Höhe von 7 x 74,14 € brutto = 518,98 € brutto (= 1015,04 DM brutto). Für die Zeit ab dem 01.9.2002 ist die Beklagte verpflichtet, die Vergütung auf der Basis des um weitere 2 % ab 1.8.2001 erhöhten Tarifentgeltes von monatlich 1824,80 € brutto (= 3569,00 DM brutto) zu zahlen.

a) Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen namentlich benannten Tarifvertrag wird als sog. "kleine dynamische" Klausel bezeichnet. Mit einer solchen Inbezugnahme soll nach überwiegender Ansicht ungeachtet des sachlich-statischen Wortlautes der Tarifvertrag mit all seinen im Laufe der Zeit eintretenden Änderungen Verbindlichkeit erlangen und darüber hinaus sogar bei einem Wechsel des einschlägigen Tarifregimes die dann gültigen Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung bringen (vgl. hierzu kritisch Annuß, Die einzelvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge, BB 1999 S.2558, 2661 unter 2 b). In erster Linie ist aber vorrangig vom Willen des Arbeitgebers, der bei Abschluss solcher Arbeitsverträge im wesentlichen Formulierungen vorgibt, die damit beabsichtigte Zielrichtung festzulegen. Die Zielsetzung ist dabei in aller Regel eine Gleichbehandlung zwischen den nicht organisierten und den organisierten im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zu erzielen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Vertragsparteien typischerweise bei Abschluss des Arbeitsvertrages die jeweilige Verbandszugehörigkeit einander nicht offenbaren. Ferner dient die Inbezugnahme der Vereinfachung, weil hier darauf verzichtet werden kann, in den Vertragstext in epischer Breite Formulierungen aus den einzelnen Tarifverträgen zu übertragen.

Hinzu kommt eine Verwaltungsvereinfachung für das jeweilige Personalbüro wie auch für das Lohnbüro (vgl. den LAG Hamburg vom 15.11.2000 Az. 4 Sa 32/00 in NZA 2001 Seite 562 bis 569, derzeit beim BAG anhängig unter dem Az. 4 AZR 123/01; BAG vom 26.9.2001 Az. 4 AZR 544/100 in Pressemitteilung Nr. 61/01; Däubler, Tarifausstieg - Erscheinungsformen und Rechtsfolgen, NZA 1996 Seite 225, 228 unter II 4).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist einer solchen Inbezugnahmeregelung im Arbeitsvertrag keine konstitutive Bedeutung losgelöst von der Bindung des Arbeitgebers an den Tarifvertrag beizumessen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Arbeitgeber bei Einstellung gerade nicht danach fragen darf, ob der Arbeitnehmer Mitglied einer Gewerkschaft ist oder nicht. Es ist Zufall, wenn der Arbeitgeber Kenntnis von dem Organisiertsein des vor ihm sitzenden Arbeitnehmers hat (vgl. LAG Berlin vom 16.6.2000 Az. 19 Sa 721/00 in juris-Dokumentation unter II 2 c bb - jetzt in der Revision entschieden vom BAG am 26.9.2001 Az. 4 AZR 544/00 in NZA 2002 S.634-637). Auch das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 5.10.1995 bereits festgehalten, dass bei wörtlicher Aufnahme gesetzlicher Vorschriften oder inhaltlich unveränderter Aufnahme solcher Vorschriften in Tarifverträgen nur eine deklaratorische Wirkung ausgelöst wird, wenn nicht aus anderen Umständen der Wille zu einer eigenständigen Regelung erkennbar wird (vgl. BAG vom 5.10.1995 und Az. 2 AZR 1028/94 in NZA 1996 Seite 539 = AP Nr. 48 zu § 622 BGB).

Allein das Argument, dass im vorliegenden Fall der Wille zu eigenständiger Regelung deshalb bestünde, weil die Klägerin schließlich organisiert sei und deshalb ohnehin bei Vertragsabschluss wie auch die Beklagte tarifgebunden gewesen sei, so dass bei Aufnahme der Inbezugnahmeregelung ein mehr gewollt sein müsse als nur der klarstellende Verweis auf die Tarifgeltung, zieht nicht. Die Beklagte hat sich nämlich im gesamten Betrieb bis Ende 1999 sog. Musterverträge bedient, die in ihrem jeweiligen § 18 einen ähnlichen "Jeweiligkeits-Verweis" beinhaltet haben wie der hier in Rede stehende Arbeitsvertrag der Klägerin. Über die reine Gleichbehandlung von organisierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit ihren nicht organisierten Kolleginnen und Kollegen hinausgehend ist daher ein weitergehender Regelungszweck nicht zu erkennen. Dies gilt umso mehr, als hierzu keinerlei Vortrag dahingehend erfolgt ist, dass die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages mit der Klägerin Kenntnis davon gehabt hätte, dass die Klägerin damals Mitglied der tarifschließenden Einzelgewerkschaft gewesen ist und somit auch ohne die vertragliche Regelung beiderseitiger Tarifbindung bestanden hatte.

b) Ein Gegenargument lässt sich auch nicht aus dem Tatbestand der Entscheidung des LAG Berlin (Urteil vom 16.06.2000 - 19 Sa 721/00 - in juris-Dokumentation, jetzt in der Revision entschieden vom BAG am 26.9.2001 Az. 4 AZR 544/00 in NZA 2002 S. 634-637) daraus herleiten, dass die dortige Arbeitnehmerin im Gegensatz zur Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht organisiert war. Wenn nämlich sogar bei nicht organisierten Arbeitnehmern vom BAG eine konstitutive Wirkung der so genannten "kleinen dynamischen" Klausel verneint wird, dann gilt dies umso mehr bei einem organisierten Arbeitnehmer, bei dem es einer solchen Inbezugnahme grundsätzlich gar nicht bedurft hätte.

c) Die thematisierte Frage der Ungleichbehandlung, dass nicht organisierte Arbeitnehmer bei einer gegenteiligen Auslegung besser stünden, weil sie weiter an Tariferhöhungen und Tarifergänzungen teilnehmen dürften, als organisierten, die auf dem Stand der letzten gültigen Tariffassung bei Wirksamwerden des Verbandsaustrittes festgehalten wären auf Grund der Nachwirkung gem. §§ 3,4 Abs. 5 TVG, stellt sich hier nach der Einlassung der Beklagten nicht. Wenn nämlich alle Arbeitnehmer, gleich ob organisiert oder nicht organisiert, über ähnlich formulierte Verträge verfügen, kann es zu einer solchen Ungleichbehandlung letztlich nicht kommen.

d) Nach § 4 Abs. 5 Tarifvertragsgesetz gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nach seinem Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Diese Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 Tarifvertragsgesetz schließt sich auch bei einem Verbandsaustritt dem Ende der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz an (vgl. nochmals bestätigend BAG vom 17.5.2000 - 4 AZR 363/99 - in NZA 2001 S. 453,456 unter I 4. a m. w. N.; vgl. auch Büdenbender, Tarifbindung trotz Austritts aus dem Arbeitgeberverband, NZA 2000 S. 509, 516 unter V 2 a). Dabei beschränkt sich die Nachwirkung darauf, bis zum Abschluss einer anderen Abmachung den materiell rechtlichen Zustand für das Arbeitsverhältnis beizubehalten, der zum Zeitpunkt des Eintritts der Nachwirkung bestanden hat. Dies hat zur Folge, dass die nur noch nachwirkenden Tarifnormen an künftigen Veränderungen nicht mehr teilnehmen.

e) Übertragt man diese Überlegung auf den vorliegenden Fall, so wird klar, dass selbst nach der von der Beklagten vorgetragenen Einigung mit dem Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der chemischen Industrie des Saarlandes, die Kündigung vom 25.10.1999 zum Ablauf des 30.6.1999 wirken zu lassen, der Tarifabschluss vom 15.5.2000 in Gänze mit umfasst wird. Wollte man der hier vertretenen Ansicht (Wirksamkeit des Verbandsaustritts per 31.12.2000) nicht folgen, wäre damit dennoch keine andere Bewertung zu treffen. Wenn auch bei Verbandsaustritt die kraft Nachwirkung weiter zu beachtenden Tarifnormen an künftigen Veränderungen des Tarifvertrages nicht mehr partizipieren, entspricht es doch einhelliger Auffassung, dass es nicht darauf ankommt, ob eine Lohnerhöhung im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Verbandsaustritts nach dem Willen der Tarifvertragspartner schon an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterzugeben war, oder ob die Lohnerhöhung erst zu einem späteren Zeitpunkt in einer oder in mehreren Stufen, jedoch bereits bindend im Tarifvertrag festgelegt, Wirkungen entfalten wird, auch wenn zu diesem Zeitpunkt die Verbandsmitgliedschaft des Arbeitgebers schon geendet hat (vgl. Däubler, Tarifausstieg - Erscheinungsformen und Rechtsfolgen, NZA 1996 S.225, 227 unter II 2 c; BAG vom 16.8.1990 - 8 AZR 439/89 - in NZA 1991 S.353, 354 unter 4 b; sowie erneut bestätigend : BAG vom 17.5.2000 - 4 AZR 363/99 - in NZA 2001 S.453, 457 unter I 4 b bb). Der Tarifvertrag gilt nach § 4 Abs. 5 Tarifvertragsgesetz in seiner statischen Gesamtheit bis zu einer Änderung durch Vereinbarung oder Kündigung in der Form und mit den Inhalten weiter, die zum Zeitpunkt der Entfaltung der Wirksamkeit eines Austritts aus der tarifschließenden Organisation Bestand gehabt hat. Damit sind auch alle innerhalb der Laufzeit des zu diesem Zeitpunkt rechtsgültig abgeschlossenen Tarifvertrages zeitlich exakt bezeichneten Veränderungen (wie etwa stufenweise, kalendarisch festgeschriebene Lohnerhöhungen) Teil der Nachwirkung. Konkret bedeutet dies für die Beklagte, dass sie neben der ersten Stufe der 2,2-prozentigen Tariflohnerhöhung zum 1.8.2000 mangels einer anderweitigen vertraglichen Vereinbarung mit ihren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen auch die zweite Stufe, nämlich eine weitere 2-prozentige Tariflohnerhöhung zum 1.8.2001 an ihre Beschäftigten weitergeben muss. Dies entbindet allerdings die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht, ihre Ansprüche tarifgerecht gegenüber der Beklagten geltend machen zu müssen, um nicht Gefahr zu laufen, nach § 17 des Manteltarifvertrages der chemischen Industrie mit Ansprüchen ausgeschlossen zu sein.

f) Die Ansprüche für die Monate September 2001 sowie Januar bis Mai 2002 sind nicht unter Beachtung von § 17 des Manteltarifvertrages für die chemische Industrie des Saarlandes fristwahrend geltend gemacht worden, so dass sie nach § 17 Abs. 2 Satz 2 MTV ausgeschlossen sind. Die Geltendmachung ist lediglich für August 2001 und Oktober bis Dezember 2001 außergerichtlich (vgl. Bl. 31, 43 d.A.) sowie für die Monate ab Juni 2002 durch entsprechende Klageeinreichung innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist rechtzeitig erfolgt.

g) Zum Zinsanspruch gilt das oben zu 1. bereits Ausgeführte.

3. Ansprüche auf Zahlung der Jahresleistung nach den tariflichen Bestimmungen für die Kalenderjahre 2000 und 2001 sind ebenfalls nach § 17 Abs. 2 Satz 2 des Manteltarifvertrages für die chemische Industrie des Saarlandes in Ermangelung einer fristwahrenden schriftlichen Geltendmachung innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist ab Fälligkeit nicht mehr mit Erfolg durchsetzbar gewesen durch Klageeinreichung im September des Kalenderjahres 2002.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 92 Abs.1 S.1 2. Alt. ZPO.

III. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Hierbei ist für die Anträge zu 1), zu 2), zu 4) und zu 5) nach §§ 3,6 ZPO die Bezifferung zur Grundlage der Wertermittlung gemacht worden. Hinsichtlich des Antrages zu 3) ist ausgehend von der Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und der angestrebten monatlichen Vergütung unter Einbeziehung der Tariflohnerhöhung nach § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG der Wert der dreijährigen Differenz herangezogen worden. Nach § 5 ZPO ist der Gesamtstreitwert durch Addition der Einzelstreitwerte gebildet worden.

Ende der Entscheidung

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