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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 02.03.2004
Aktenzeichen: 11 Sa 456/03
Rechtsgebiete: BAT-O, BGB


Vorschriften:

BAT-O § 70
BAT-O § 22
BAT-O § 23
BAT-O § 22 Abs. 3
BAT-O § 12
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

11 Sa 456/03

verkündet am: 02. März 2004

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 02. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Halle als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter und als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 16.05.2003 - 6 Ca 4494/02 E - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche im Zusammenhang mit einer von der Klägerin begehrten Höhergruppierung im Wege des Bewährungsaufstiegs für den Zeitraum 01.07.2000 bis 20.02.2002 in Höhe von € brutto.

Die Klägerin ist bei dem beklagten Land als Sachbearbeiterin im Bereich Altlastenfreistellung beschäftigt. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien findet der BAT-O Anwendung. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Klägerin aufgrund der von ihr im vorstehend genannten Zeitraum ausgeübten Tätigkeit im Rahmen des Bewährungsaufstiegs Vergütung nach Vergütungsgruppe (Vg) III Fallgruppe (Fg) 1 b der Anlage 1 a - Allgemeiner Teil, Bund/Länder - BAT-O zugestanden hat. Das beklagte Land hat jedoch hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraums Vergütungsansprüche der Klägerin abgelehnt, weil diese - so hat das beklagte Land gemeint - gemäß § 70 BAT-O verfallen seien, da die Klägerin - unstreitig - einen Antrag auf Teilnahme am Bewährungsaufstieg erst am 14.10.2002 gestellt habe.

Die Klägerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, der Anspruch auf Vergütung nach Vg III BAT-O sei für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht verfallen. Dem beklagten Land sei es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Ablauf der Ausschlussfristen zu berufen. Das beklagte Land handele insoweit treuwidrig, weil es verpflichtet gewesen sei, die Klägerin über ihre Teilnahme am Bewährungsaufstieg in geeigneter Form zu informieren. Aus der Angabe der Vergütungsgruppe (IV a) im Änderungsvertrag vom 20.05.1996 (Bl. 13 d.A.) habe die Klägerin nicht entnehmen können, dass ihre Tätigkeit der Fallgruppe 1 a dieser Vergütungsgruppe zuzuordnen sei. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen sei - so hat die Klägerin weiter gemeint - sie auch nicht gehalten gewesen, quasi "ins Blaue hinein" Ansprüche im Rahmen eines Bewährungsaufstiegs vorsorglich geltend zu machen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.07.2000 nach der Vergütungsgruppe III BAT-O zu vergüten und den Differenzbetrag zwischen der Vergütungsgruppe IV a BAT-O und der Vergütungsgruppe III BAT-O ab dem 01.07.2000 bis zum 20.02.2002 einschließlich der Sonderzahlungen nachzuzahlen und mit 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.

2. Hilfsweise wird beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin insgesamt € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, die Berufung auf die Ausschlussfristen des § 70 BAT-O sei nicht treuwidrig i.S.d. § 242 BGB, da eine Verpflichtung zur Benennung der einschlägigen Fallgruppe nicht bestanden habe. Es sei vielmehr Sache der Klägerin gewesen, sich hinsichtlich der Teilnahme am Bewährungsaufstieg sach- bzw. rechtskundig zu machen.

Das Arbeitsgericht hat, der Argumentation des beklagten Landes folgend, die Klage mit Urteil vom 16.05.2003 abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 66 - 76 d.A. verwiesen.

Gegen dieses, ihr am 25.06.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.07.2003 Berufung eingelegt und diese am 25.08.2003 begründet.

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Klägerin unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes ihr erstinstanzliches Klageziel vollumfänglich weiter.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 16.05.2003 wird abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.07.2000 nach der Vergütungsgruppe III BAT-Ost zu vergüten und den Differenzbetrag zwischen der Vergütungsgruppe IV a BAT-Ost und der Vergütungsgruppe III BAT-Ost ab dem 01.07.2000 bis zum 20.02.2002 einschließlich der Sonderzahlungen nachzuzahlen und mit 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.

2. Hilfsweise wird beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin insgesamt EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG) und auch im übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 2 ArbGG) Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen.

I.

Die hauptsächlich erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil unter Ziffer 1. wird Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Klage ist jedoch nicht begründet.

1.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Vergütung nach §§ 22, 23 BAT-O i.V.m. der Anlage 1 a - Bund/Länder - Allgemeiner Teil Vg III Fg 1 b BAT-O für den Zeitraum 01.07.2000 bis 20.02.2002 nicht zu. Dieser Anspruch ist zwar entstanden, er ist jedoch gemäß § 70 BAT-O durch Ablauf der in dieser Bestimmung genannten Verfallfristen wieder erloschen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zunächst Bezug genommen. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das beklagte Land sich durch die Berufung auf die Ausschlussfristen nicht treuwidrig i.S.d. § 242 BGB verhalten hat. Dem Schuldner einer Forderung ist es dann verwehrt, sich auf den objektiv eingetretenen Ablauf der Ausschlussfristen zu berufen, wenn er durch aktives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen den Arbeitnehmer von der Geltendmachung der Ansprüche abgehalten hat oder aber es versäumt hat, dem Arbeitnehmer die für den Anspruch relevanten Umstände mitzuteilen (BAG 11.06.1980 AP BAT § 70 Nr. 7). Von einem derartigen Verhalten des beklagten Landes kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

a)

Das beklagte Land hat nicht durch aktives Tun die Klägerin von der Geltendmachung ihrer Ansprüche abgehalten. Anhaltspunkte hierfür lassen sich dem Sachvortrag der Parteien nicht entnehmen.

b)

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das beklagte Land sie auch nicht durch pflichtwidriges Unterlassen von der Geltendmachung ihrer Ansprüche abgehalten.

Das beklagte Land war nicht verpflichtet, durch Benennung der Fallgruppe im Arbeitsvertrag oder aber durch spätere Benennung dieser Fallgruppe, die Klägerin auf die Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs hinzuweisen. Eine derartige Rechtspflicht des beklagten Landes besteht nicht. Diese Pflicht ergibt sich nicht aus dem BAT-O. § 22 Abs. 3 BAT-O verpflichtet das beklagte Land lediglich zur Benennung der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag. Im Hinblick auf das dem öffentlichen Arbeitgeber aus § 12 BAT-O zustehende Direktionsrecht lässt sich eine Verpflichtung zur Benennung der Fallgruppe auch nicht als arbeitsvertragliche Nebenpflicht herleiten. Dem öffentlichen Arbeitgeber steht es vielmehr während des Laufs einer Bewährungszeit frei, dem Arbeitnehmer Tätigkeiten im Rahmen seiner Vergütungsgruppe zuzuweisen, die nicht mehr die Voraussetzungen einer mit der Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs verbundenen Fallgruppe erfüllen.

c)

Ein pflichtwidriges Unterlassen des beklagten Landes ist nach Auffassung der Berufungskammer auch nicht darin zu sehen, dass das beklagte Land die Klägerin nicht nach Ablauf der Bewährungszeit über die erfolgreiche Teilnahme am Bewährungsaufstieg informiert hat. Eine derartige vertragliche Nebenpflicht des beklagten Landes wäre allenfalls dann zu bejahen, wenn das beklagte Land tatsächlich im Fall der Klägerin eine solche Prüfung vorgenommen und anschließend das für die Klägerin positive Ergebnis dieser vorenthalten hätte. Anhaltspunkte für ein derartiges Verhalten des beklagten Landes sind jedoch dem Sachvortrag der Parteien nicht zu entnehmen. Die Klägerin trägt vielmehr selber vor, das beklagte Land habe erst im Oktober 2002 die Voraussetzungen für einen Bewährungsaufstieg hausintern geprüft.

d)

Eine darüber hinaus bestehende Verpflichtung des beklagten Landes, quasi "von Amts wegen" die Voraussetzungen für die Teilnahme am Bewährungsaufstieg zu prüfen und das Ergebnis dieser Prüfung dem Arbeitnehmer - jedenfalls wenn es positiv ausgefallen ist - mitzuteilen, besteht nicht. Grundsätzlich hat sich auch im Rahmen des Arbeitsvertrages jede Vertragspartei selbst um die Durchsetzung ihrer aus dem Vertragsverhältnis resultierenden Rechte zu kümmern. Hinweispflichten, die darauf gerichtet sind, den Vertragspartner über das Bestehen möglicher Rechte in Kenntnis zu setzen, können sich lediglich aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung (BAG 11.12.2001 AP BetrAVG § 1 Auskunft Nr. 2). Nach diesen Grundsätzen lässt sich eine Prüfungs- und darauf aufbauende Hinweispflicht des beklagten Landes hinsichtlich der Voraussetzungen für einen Bewährungsaufstieg der Klägerin aus der Vg IV a Fg 1 a in die Vg III Fg 1 b BAT-O nicht ableiten. Es ist vielmehr - jedenfalls im hier zu prüfenden konkreten Einzelfall - der Klägerin zumutbar, sich selbst über die Voraussetzungen für einen möglichen Höhergruppierungsanspruch im Rahmen des Bewährungsaufstiegs sach- und rechtskundig zu machen. Der Klägerin war durch die Angaben im Arbeitsvertrag bekannt, dass sich ihre Vergütungsansprüche nach dem BAT-O richten und dass der Vergütungsanspruch konkret der Vg IV a zu entnehmen ist. Mit diesen "Basisinformationen" versehen, wäre es der Klägerin nach Auffassung der Berufungskammer zumutbar gewesen, sich Klarheit über die hinter der Bezeichnung "Vergütungsgruppe IV a" stehende Vergütungssystematik des BAT-O zu verschaffen. Von der Klägerin wird hier keine unzumutbare Anstrengung zur Durchsetzung ihrer Rechte verlangt. Wie gerichtsbekannt ist, ist es ohne besonderen Aufwand möglich, sich Einsicht in den BAT-O einschließlich der Anlage 1 a zu verschaffen. Selbst wenn dies in der Dienststelle der Klägerin nicht möglich gewesen sein sollte, so ist ohne größeren Aufwand ein entsprechendes Exemplar im allgemeinen Buchhandel erhältlich. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass der BAT-O, insbesondere die Vergütungsordnung einen komplexen Inhalt aufweist. Andererseits lässt sich mit der Angabe der Vergütungsgruppe für einen Angestellten des öffentlichen Dienstes, der Tätigkeiten nach der Vergütungsgruppe IV a auszuüben hat, in zumutbarer Weise der weitere Inhalt der vorstehend genannten Vergütungsgruppe sowie der Vergütungsgruppe III erschließen. Auch wenn die Vg IV a über mehr als 20 Fallgruppen verfügt, so ist hier zu beachten, dass ein Großteil der Fallgruppen Spezialtätigkeiten erfasst, die offensichtlich für die Tätigkeit der Klägerin im allgemeinen Verwaltungsdienst nicht einschlägig sind. Das beklagte Land verweist zu Recht darauf, dass lediglich eine Fallgruppe (i.V.m. Vg III Fg 1 b) die Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs enthält. Insoweit wird von der Klägerin auch nicht verlangt, dass sie Vergütungsansprüche "ins Blaue hinein" geltend macht. Es hätte ihr jedoch oblegen, nach entsprechender Lektüre der Anlage 1 a zu §§ 22, 23 BAT-O sorgfältig zu prüfen, ob ihre Tätigkeit der Vg IV a Fg 1 a unterfällt. Ob die auf der Basis dieser Informationen ggf. von der Klägerin gewonnene Rechtsauffassung, sie erfülle die Voraussetzungen für einen Bewährungsaufstieg, sich im Nachhinein als objektiv richtig erwiesen hätte, ist insoweit unerheblich. Dieses Risiko trägt letztendlich jeder Arbeitnehmer, der Vergütungsansprüche zur Wahrung von Ausschlussfristen gegenüber seinem Arbeitgeber geltend macht.

Nach alledem muss es bei dem vorstehend genannten allgemeinen Grundsatz bleiben, dass die Klägerin selbst für die Durchsetzung der hier streitgegenständlichen Vergütungsansprüche die Verantwortung trägt und damit eine Berufung des beklagten Landes auf die objektiv abgelaufenen Ausschlussfristen nicht als treuwidrig einzustufen ist.

2.

Der geltend gemachte Vergütungsanspruch lässt sich auch nicht nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (pVV) im Rahmen eines Schadensersatzanspruches herleiten. Wie vorstehend ausgeführt, fehlt es an einer objektiven Pflichtwidrigkeit des beklagten Landes.

II.

Aus den vorstehend genannten Gründen konnte auch der Hilfsantrag der Klägerin keinen Erfolg haben.

B.

Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

C.

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs.2 ArbGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie orientiert sich am Einzelfall.

Auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.



Ende der Entscheidung

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