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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 06.05.2003
Aktenzeichen: 8 Sa 459/02 E
Rechtsgebiete: BAT-O, BGB


Vorschriften:

BAT-O § 19
BAT-O § 19 Abs. 1
BAT-O § 19 Abs. 2
BAT-O § 19 Abs. 3
BAT-O § 19 Abs. 4 Satz 1
BAT-O § 39
BAT-O § 70
BGB § 177 Abs. 1
BGB § 781
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 459/02 E

verkündet am: 06. Mai 2003

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 06. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Quecke als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Blockhaus und die ehrenamtliche Richterin Kovacs als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des ArbG Magdeburg vom 02.07.2002 - 3 Ca 1244/02 E - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Anerkennung von Vordienstzeiten des Klägers vom 16.10.1975 bis zum 31.08.1982 und vom 09.07.1983 bis zum 31.12.1990 als Beschäftigungs- bzw. Jubiläumsdienstzeit i.S.d. BAT-O und daraus folgende Zahlungsansprüche.

Der 1953 geborene Kläger ist bei dem beklagten Land im ... als Mitarbeiter für Haushaltsangelegenheiten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft vertraglicher Vereinbarung der BAT-O Anwendung. Der Kläger erhält eine Vergütung nach VG IV b BAT-O.

In der Zeit vom 16.10.1975 bis zum 31.08.1982 war der Kläger beim ... , Abteilung Kultur als Mitarbeiter für Literaturverbreitung und Literaturpropaganda tätig. Vom 01.09.1982 bis zum 08.07.1983 war er zu einem Lehrgang an die Bezirksparteischule der SED ... in ... delegiert. Vom 09.07.1983 bis zum 31.12.1987 war der Kläger beim ... als Mitarbeiter für Jugend im kulturellen Bereich und für künstlerisches Volksschaffen eingesetzt, wobei seine Arbeit zu 50 % auf die Durchführung des Projektes Messe der Meister von Morgen (MMM), zu 20 % mit der Vorbereitung und Durchführung des nationalen Jugendfestivals des Jahres 1984 und zu 30 % mit der Auswertung des Wettbewerbs der Jugendclubeinrichtungen sowie im künstlerischen Volksschaffen befasst. 1985 oder 1986 nahm der Kläger ein berufsbegleitendes Fernstudium an der Akademie für Staat und Recht in Potsdam/Babelsberg auf, das er am 10.04.1990 mit dem Hochschulabschluss als "Hochschulstaatswissenschaftler" abschloss (vgl. Bl. 106, 106 R.d.A.). Vom 01.01.1988 bis zum 31.12.1990 war der Kläger bei ansonsten im Wesentlichen unverändertem Aufgabengebiet auch mit der Anleitung der bezirksgeleiteten Einrichtungen (Personalangelegenheiten, 20 %) befasst.

Bereits seit 1984 war der Kläger stellvertretender Leiter des Sektors für geistig-kulturelles Leben, der aus vier Mitarbeitern bestand. Weiterhin war er als Abteilungsgewerkschaftsleiter (AGL) zugleich geborenes Mitglied der Arbeitsparteiorganisation (APO), einer Grundorganisation der SED. Weiter ist der Kläger Träger verschiedener Medaillen und Orden der ehemaligen DDR.

Das beklagte Land erkannte zunächst als Beschäftigungs- und Jubiläumsdienstzeiten des Klägers die Zeiten vom 16.10.1975 bis zum 31.08.1982 sowie vom 09.07.1983 bis zum 30.06.1991 an. Aufgrund einer allgemeinen Überprüfung der Dienstzeiten setzte es den Beginn der klägerischen Dienstzeiten mit Bescheid vom 22.09.1999 abweichend auf den 01.01.1991 fest, da die vorausgegangenen Tätigkeiten dem Kläger wegen besonderer persönlicher Systemnähe i.S.v. Nr. 4 c der Übergangsvorschrift zu § 19 BAT-O übertragen worden seien. Folge hiervon war eine Rückstufung des Klägers bei den tariflichen Lebensaltersstufen sowie die Rückforderung überzahlter Vergütung aus den vergangenen sechs Monaten. Widersprüche des Klägers hiergegen blieben erfolglos.

Mit seiner am 21.03.2002 beim Arbeitsgericht Magdeburg eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Anerkennung der ursprünglich vom beklagten Land berücksichtigten Beschäftigungs- und Jubiläumsdienstzeiten, die Eingruppierung in die ursprünglich gewährte Lebensaltersstufe sowie die Zahlung der daraus resultierenden Gehaltsdifferenz aus der Zeit von April 1999 bis Januar 2002 (803,24 € brutto) und die Zahlung der Jubiläumszuwendung für ein 25-jähriges Dienstjubiläum am 21.08.2001 in Höhe von 306,78 € (insgesamt 1.110,02 € brutto). Er hat insbesondere geltend gemacht, dass der Ausschlusstatbestand der Übergangsvorschrift Nr. 4 c zu § 19 BAT-O nicht eingreife, wonach Zeiten einer Tätigkeit, die aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden waren, von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen sind.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.07.2002, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass gemäß Ziffer 4 c dd der Übergangsvorschrift zu § 19 BAT-O vermutet werde, dass dem Kläger nach Absolvierung der Akademie für Staat und Recht in Potsdam, d.h. vom 11.04. bis 31.12.1990, die beruflichen Tätigkeiten aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden sei. Diese Vermutung habe der Kläger nicht widerlegt. Gemäß Nr. 4 Satz 2 der Übergangsvorschrift seien zugleich auch Zeiten vor dieser Tätigkeit von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeiten ausgeschlossen.

Gegen das ihm am 18.07.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.08.2002 Berufung eingelegt und diese am 13.09.2002 begründet. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus erster Instanz und macht insbesondere geltend, dass er das Studium an der Akademie für Staat und Recht "nicht konsequent zu Ende betrieben" habe. Den eigentlichen Abschluss, ein Diplom, habe er nicht erlangt. Nach Beendigung des Studiums an der Akademie sei dem Kläger keine neue Tätigkeit übertragen worden. Auch die zuvor ausgeübte Tätigkeit sei nur untergeordneter Art gewesen. Der Besuch der Bezirksparteischule 1982/83 sei nur widerwillig erfolgt und von mäßigem Erfolg gekrönt gewesen. Nach der Rückkehr habe er eine Rückstufung von VG 10 in VG 9 des damaligen Rahmenkollektivvertrages hinnehmen müssen. Seine ehrenamtlichen Funktionen als AGL-Leiter und Mitglied der APO-Leitung seien untergeordneter Art gewesen. Bei den verliehenen Auszeichnungen handele es sich regelmäßig um Kollektiv-Anerkennungen. Schließlich sei das beklagte Land an die ursprüngliche Anerkennung der Dienstzeiten gebunden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 02.07.2002 - 3 Ca 1244/02 E -

1. festzustellen, dass die Zeiten der Beschäftigung des Klägers bei dem Rat des Bezirkes Magdeburg vom 16.10.1975 bis 31.08.1982 und vom 09.07.1983 bis 31.12.1990 als Beschäftigungs- und Jubiläumsdienstzeit im Zuge der Anrechnung von Vordienstzeiten zu berücksichtigen sind,

2. für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. festzustellen, dass der Kläger für den Zeitraum von Februar 1999 bis Januar 2000 in die Vergütungsgruppe IV b Teil I A Anlage 1 a BAT-Ost mit der Lebensaltersstufe 41, für den Zeitraum von Februar 2000 bis Januar 2002 mit der Lebensaltersstufe 43 und für den Zeitraum ab Februar 2002 mit der Lebensaltersstufe 45 der vorgenannten Vergütungsgruppe einzugruppieren ist.

3. Für den Fall des Obsiegens mit den Klageanträgen zu 1. und 2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.171,01 DM (entspricht 1.110,02 €) brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihre Protokollerklärungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Vordienstzeiten vor dem 01.01.1991. Die Hilfsanträge sind demgemäß nicht mehr zur Entscheidung angefallen.

1.

Die Anerkennung der streitigen Beschäftigungs- und Jubiläumsdienstzeiten des Klägers durch den Bescheid der Bezirksregierung Magdeburg vom 15.09.1992 (Bl. 155 d.A.) ist für das Arbeitsrechtsverhältnis der Parteien nicht bindend. Die Festsetzung beinhaltet kein rechtsgeschäftliches Anerkenntnis und ist grundsätzlich jederzeit korrigierbar. Selbst wenn aber in der Festsetzung eine Zusage der Anrechnung der darin festgesetzten Beschäftigungszeiten läge, wäre eine solche ein Schuldanerkenntnis i.S.d. § 781 BGB darstellende Zusage rechtsunwirksam. Nach § 19 Abs. 4 Satz 1 BAT-O dürfen andere als die in § 19 Abs. 1 - 3 BAT-O genannten Zeiten nur durch Entscheidung der obersten Dienstbehörde im Einvernehmen mit der für das Personalwesen (Tarifrecht) zuständigen obersten Dienstbehörde als Beschäftigungszeiten angerechnet werden. Damit haben die Tarifvertragsparteien für alle dem BAT-O unterfallenden Arbeitgeber eine Zuständigkeitsregelung getroffen, welche auch jeder Arbeitgeber für seinen Bereich oder jeder Arbeitgeberverband verbandsintern hätte festlegen können. Die feststellende Behörde, nämlich die ..., ist weder oberste Dienstbehörde des beklagten Landes noch war sie - soweit ersichtlich - zur Entscheidung nach § 19 Abs. 4 Satz 1 BAT-O bevollmächtigt. Die Wirksamkeit eines selbstständigen Schuldanerkenntnisses, d.h. eines einseitig verpflichtenden Vertrages, wäre gemäß § 177 Abs. 1 BGB von der Genehmigung der für den Kläger zuständigen obersten Dienstbehörde des beklagten Landes abhängig. In Ermangelung einer solchen Genehmigung wäre ein etwaiges Schuldanerkenntnis damit rechtsunwirksam (BAG vom 24.05.2000 - 10 AZR 402/99, NZA 2001, 45 f.).

Die Verfallfrist des § 70 BAT-O steht einer Berichtigung fehlerhafter oder rechtsunwirksam festgestellter Beschäftigungszeiten nicht entgegen. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei einer solchen Berichtigung nicht um die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Arbeitsverhältnis.

2.

Die fraglichen Vordienstzeiten des Klägers sind auch nicht gemäß § 19 BAT-O i.V.m. den dazu ergangenen Übergangsvorschriften, die auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft vertraglicher Vereinbarung Anwendung finden, als Beschäftigungs- bzw. Jubiläumsdienstzeiten anzurechnen.

a)

Eine Anrechnung als Beschäftigungs- bzw. Jubiläumsdienstzeit kommt nur nach Ziffer 2 b der Übergangsvorschriften in Betracht. Der ... als früherer Arbeitgeber des Klägers ist infolge des Beitritts der DDR weggefallen, ohne dass eine Überführung i.S.v. Artikel 13 des Einigungsvertrages erfolgte. Entgegen der pauschalen Behauptung des Klägers hat eine Überführung des ... gemäß Nr. 1 der Übergangsvorschriften - wie überhaupt sämtlicher Bezirksräte der ehemaligen DDR - nicht stattgefunden. Gemäß Nr. 2 b der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O kann die Zeit der Tätigkeit des Klägers beim... als einem örtlichen Staatsorgan als Beschäftigungszeit nur angerechnet werden, soweit das beklagte Land Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche des Rates des ... ganz oder überwiegend übernommen hat. Gemäß Nr. 3 der Übergangsvorschriften gilt dies für die Jubiläumsdienstzeit des § 39 BAT-O mit der Maßgabe, dass die Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche überhaupt von einem heutigen Arbeitgeber ganz oder überwiegend übernommen wurden, der unter den BAT-O fällt. Danach erscheint sehr zweifelhaft, ob die Tätigkeit des Klägers vom 16.10.1975 bis 31.08.1982 als Mitarbeiter für Literaturverbreitung und -propaganda beim ..., Abteilung Kultur eine Tätigkeit war, die von dem beklagten Land oder - in Bezug auf die Jubiläumsdienstzeiten - von einem heutigen Arbeitgeber übernommen wurde, der den BAT-O anwendet. Zweifelhaft erscheint auch, ob die Tätigkeit vom 09.07.1993 bis zum 31.12.1990 als Mitarbeiter für Jugend im kulturellen Bereich und für künstlerisches Volksschaffen bzw. Mitarbeiter für geistig-kulturelles Leben eine solche Funktionsvorgängertätigkeit darstellt. Die Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung. Denn selbst wenn es sich um sogenannte Funktionsvorgängertätigkeiten handelte, scheitert eine Anrechnung der Tätigkeitszeiten am Ausschlusstatbestand der Nr. 4 c dd der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O.

b)

Gemäß Nr. 4 c dd der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O sind von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit solche Zeiten einer Tätigkeit ausgeschlossen, "c.... die aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war.

Die Übertragung der Tätigkeit aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe wird insbesondere vermutet, wenn der Angestellte dd Absolvent der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung war.

Der Angestellte kann die Vermutung widerlegen.

Von einer Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen sind auch die Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a - c zurückgelegt worden sind."

Bei Anwendung der genannten Tarifvorschriften auf den Sachverhalt ist zu vermuten, dass dem Kläger die Tätigkeit als Mitarbeiter für geistig-kulturelles Leben im ... in der Zeit vom 11.04. bis 31.12.1999 aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war, da er in dieser Zeit bereits Absolvent der Akademie für Staat und Recht in Potsdam war (aa), der Kläger die Vermutung nicht widerlegen konnte (bb) und damit die Berücksichtigung der früheren Zeiten ebenfalls ausgeschlossen ist (cc).

aa)

Der Kläger war Absolvent der Akademie für Staat und Recht in Potsdam. Dies belegt das "Zeugnis über den Hochschulabschluss" als "Hochschulstaatswissenschaftler" (Bl. 106, 106 R.d.A.) sowie der vom Kläger gefertigte Lebenslauf (Bl. 110 - 111 d.A.). Unschädlich ist, dass der Kläger kein Diplom an dieser Hochschule erwarb. Nach dem Tarifvertrag genügt, dass er "Absolvent" dieser Hochschule war. Damit kommt es nicht auf einen bestimmten Abschluss, etwa das Diplom an, sondern allein darauf, dass der Kläger an dieser Hochschule überhaupt einen Abschluss erlangt hatte. Das ist unstreitig der Fall.

Nach Absolvierung der Akademie für Staat und Recht am 10.04.1990 waren dem Kläger vom ... weiterhin Tätigkeiten übertragen worden. In Bezug auf diese Tätigkeiten ist somit gemäß Nr. 4 c dd der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O zu vermuten, dass sie aufgrund besonderer persönlicher Systemnähe übertragen worden waren.

bb)

Der Kläger hat diese Vermutung nicht widerlegt. Soweit der Kläger geltend macht, dass ihm die zuletzt nach dem 10.04.1990 ausgeübten Tätigkeiten bereits zuvor übertragen worden seien, nämlich bereits seit Januar 1988 bzw. Januar 1990 (vgl. die Leistungseinschätzung des Klägers mit der Aufgabenübertragung "selbstständige Bearbeitung der Personalfragen in der Abteilung "vom 20.12.1989, Bl. 109 - 109 R.d.A.), widerlegt dies die Vermutung nach Auffassung der Kammer nicht. Bei erstmaliger Übertragung der Tätigkeit hatte der Kläger das Studium berufsbegleitend bereits seit mehreren Jahren aufgenommen. In einem solchen Fall, d.h. bei einem berufsbegleitenden Studium an der Akademie für Staat und Recht, wird nach Auffassung der Kammer die Vermutung der Übertragung der Tätigkeit aufgrund besonderer persönlicher Systemnähe nach Absolvierung der Akademie nicht dadurch widerlegt, dass die Tätigkeit bereits während des Studiums, d.h. vor Absolvierung, übertragen worden war. Die Tarifvorschrift stellt nicht ausdrücklich darauf ab, dass die Tätigkeit nach Absolvierung der Akademie erstmalig übertragen wird. Ihr mag die Vorstellung eines Vollzeitstudiums zugrunde liegen, bei dem eine Tätigkeit während des Studiums ausscheidet. Bei einem berufsbegleitenden Studium werden hingegen Tätigkeiten bereits während des Studiums ausgeübt. Da der Tarifvertrag nicht darauf abstellt, welche Art von Tätigkeit nach Absolvierung des Studiums übertragen wird und es allein auf die Tatsache der vorausgegangenen Absolvierung der Akademie ankommt, erscheint es unschädlich, dass bei einem berufsbegleitenden Studium bereits vor Absolvierung des Studiums dieselbe Tätigkeit ausgeübt wurde, zumal wenn die Tätigkeit erstmals im Verlaufe des Studiums übertragen worden war.

Dies gilt jedenfalls in Anbetracht der gesamten Umstände: Die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit war ihm nach ca. zwei- bis dreijährigem Studium an der Akademie für Staat und Recht übertragen worden. Sie betraf nicht nur den grundsätzlich staatsnahen Bereich der Jugend und Kultur, sondern insbesondere auch zuletzt die selbstständige Bearbeitung der Personalfragen in der Abteilung.

Auch die weiteren Umstände sprechen nicht gegen, sondern für den Ausschlusstatbestand der Übertragung der Tätigkeit aufgrund besonderer persönlicher Systemnähe. Sie widerlegen damit die Vermutung nicht. So war die Tätigkeit des Klägers durchweg staatsnah angesiedelt (zunächst von 1975 bis 1982 Literaturverbreitung und -propaganda; sodann von 1983 an bis 1990 Bereich Jugend und Kultur). Zwar ist nicht jede Tätigkeit in einem solchen sensiblen und staatsnahen Bereich für sich bereits ausreichendes Indiz dafür, dass die Tätigkeit aufgrund besonderer persönlicher Systemnähe übertragen worden ist. Die Tatsache ist aber nicht geeignet, eine nach dem Tarifvertrag gegebene Vermutung zu widerlegen. Sie spricht indiziell eher für den fraglichen Zusammenhang.

Das Gleiche gilt für den Besuch der Bezirksparteischule "Hermann Matern" in der Zeit vom 01.09.1982 bis zum 08.07.1983. Eine solche Vollzeitschulung auf einer besonderen Schule der staatstragenden Partei SED drückt ohne Zweifel besondere Systemnähe aus. Sofern der Kläger geltend macht, dass er nur widerwillig einer Abordnung auf die Schule Folge geleistet und diese mit mittelmäßigen Noten absolviert hat sowie anschließend niedriger vergütet wurde als vorher, mag dies zwar gegen einen Zusammenhang zwischen dem Besuch der Bezirksparteischule und in der Folgezeit übertragenen Tätigkeit sprechen. Es widerlegt jedoch nicht die tarifvertragliche Vermutung und ist auch für sich genommen immer noch ein Indiz für Systemnähe.

Das Gleiche gilt für die weiteren Umstände, wonach der Kläger seit 1984 stellvertretender Leiter des Sektors für geistig-kulturelles Leben und dort zudem Abteilungsgewerkschaftsleiter (AGL) und damit zugleich auch Mitglied der Abteilungsparteiorganisation (APO) war. Auch die Vielzahl von Orden und Verdienstmedaillen des Klägers und seine verschiedenen dienstlichen Beurteilungen sind jedenfalls nicht geeignet, den Vermutungstatbestand zu widerlegen.

cc)

Steht danach fest, dass dem Kläger die Tätigkeit in der Zeit vom 11.04. bis 31.12.1990 aufgrund besonderer persönlicher Systemnähe übertragen worden ist, so ist gemäß Nr. 4 Satz 2 der Übergangsvorschrift zu § 19 BAT-O automatisch auch die Zeit von einer Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen, die vor dieser Zeit zurückgelegt worden ist, d.h. die gesamte Zeit vom 16.10.1975 bis zum 10.05.1990. Der Ausschluss dieser Vorschriften ist verfassungsgemäß (vgl. BAG vom 30.05.1996 - 6 AZR 632/95, AP Nr. 9 zu § 19 BAT-O).

c)

Unabhängig von der Erfüllung des Vermutungstatbestandes der Nr. 4 c dd der Übergangsvorschrift zu § 19 BAT-O ergibt sich auch aus der Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Umstände, dass dem Kläger spätestens mit der Übernahme der Personalsachbearbeitung im Jahre 1989 eine Tätigkeit aufgrund besonderer persönlicher Systemnähe übertragen worden war. Hierfür sprechen der gesamte berufliche Werdegang des Klägers, der Besuch der Bezirksparteischule, seine ehrenamtlichen Funktionen, der Besuch der Akademie für Staat und Recht sowie die in seinen Beurteilungen und Auszeichnungen zum Ausdruck gekommene Grundhaltung einerseits und die übertragene Tätigkeit andererseits. Insoweit wird auch auf die Ausführungen des arbeitsgerichtlichen Urteils auf Seite 10 und 11 verwiesen.

3.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG lagen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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