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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 13.07.2004
Aktenzeichen: 8 Ta 72/04
Rechtsgebiete: GVG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3
ArbGG § 5 Abs. 1
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 3
ArbGG § 5 Abs. 2 Satz 3
GVG § 23 Nr. 1
GVG § 71
BGB § 167 Abs. 2
BGB § 623
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
8 Ta 72/04

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Quecke am 13.07.2004 ohne mündliche Verhandlung beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Naumburg vom 24.03.2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

Streitwert: 2.000,00 €.

Gründe:

I.

Mit seiner beim Arbeitsgericht erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die ordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2004. Vorab ist im Beschwerdeverfahren über den Rechtsweg zu entscheiden, da die Beklagte geltend macht, dass der Kläger als hauptamtliches Vorstandsmitglied der beklagten Genossenschaft Organvertreter war, der nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer gilt.

Der Kläger wurde mit Wirkung zum 01.10.2002 auf der Grundlage des Dienstvertrages vom 25.09.2002 (Bl. 13 - 19 d. A.) "gemäß Satzung als Geschäftsführer bestellt". Auf Seiten der beklagten Genossenschaft wurde der Vertrag vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterzeichnet. Am 02.05.2003 erklärte der Kläger seinen Beitritt zur Genossenschaft. In seiner Sitzung vom 24.07.2003 beschloss der Aufsichtsrat der Beklagten, den Kläger mit Wirkung zum 01.08.2003 als hauptamtliches Vorstandsmitglied zu bestellen. Unter dem 01.08.2003 unterzeichneten der Kläger und der Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten eine entsprechende Änderung des Dienstvertrages (Bl. 116 d. A.). Am 02.12.2003 wurde der Kläger in das beim Amtsgericht Halle-Saalkreis geführte Genossenschaftsregister als Vorstandsmitglied eingetragen.

Am 09.12.2003 beschloss der Aufsichtsrat der Beklagten in einer gemeinsamen Aufsichtsrats- und Vorstandssitzung, die Zusammenarbeit mit dem hauptamtlichen Vorstandsmitglied zu beenden und das Anstellungsverhältnis zu kündigen (Bl. 111 d. A.). Mit Schreiben vom 19.12.2003, dem Kläger am gleichen Tage zugegangen, kündigte die Beklagte - vertreten durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrates - den Dienstvertrag des Klägers als geschäftsführendes Vorstandsmitglied zum 31.03.2004.

Mit seiner am 09.01.2004 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage beantragt der Kläger festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 19.12.2003 nicht aufgelöst wurde.

Er hält den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für eröffnet, da er Arbeitnehmer und nicht Organmitglied der Beklagten gewesen sei. Die Bestellung zum geschäftsführenden Vorstandsmitglied ab 01.08.2003 sei unwirksam, da sie gegen das Genossenschaftsgesetz, die Satzung und die Geschäftsordnung des Vorstandes verstoßen habe. Die mit Schreiben vom 25.07.2003 erklärte Aufnahme als Mitglied der Genossenschaft, die zwingende Voraussetzung für die Berufung in den Vorstand sei, sei ihm nicht zugegangen. Sein bis zum 31.07.2003 bestehendes Arbeitsverhältnis sei nicht aufgehoben worden. Auch inhaltlich sei er in der Folgezeit weiterhin weisungsgebunden tätig geworden. Schließlich sei er bereits mit Aufsichtsratsbeschluss vom 09.12.2003 aus einer etwaigen Organstellung abberufen worden, so dass er bei Zugang der Kündigung nicht mehr Organmitglied im Sinne von § 5 Absatz 1 Satz 3 ArbGG gewesen sei.

Demgegenüber vertritt die Beklagte die Auffassung, dass für den Rechtsstreit das Landgericht Halle zuständig sei.

Mit dem angegriffenen Beschluss hatte das Arbeitsgericht den Rechtsweg zum Arbeitsgericht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Halle verwiesen. Gegen den am 29.03.2004 seinem Prozessbevollmächtigten zugestellten Beschluss hat der Kläger am 13.04.2004 (Osterdienstag) sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nach Maßgabe seines Beschlusses vom 28.04.2004 nicht abgeholfen hat.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG i. V. m. § 5 Abs. 1 ArbGG eröffnet. Der Rechtsstreit betrifft das Anstellungsverhältnis des Klägers als hauptamtliches Vorstandsmitglied der Beklagten, so dass er gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer im Sinne der vorgenannten Bestimmungen gilt. Gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 GVG ist somit ausschließlich das Landgericht, hier das örtlich zuständige Landgericht Halle, zuständig.

1.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten unter anderem in Betrieben einer juristischen Person solche Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person berufen sind. Für Rechtsstreitigkeiten aus ihrem Anstellungsverhältnis zur juristischen Person sind daher nicht die Gerichte für Arbeitssachen, sondern die ordentlichen Gerichte zuständig. Anders liegt es, wenn die Rechtsstreitigkeiten nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, sondern eine weitere Rechtsbeziehung der Parteien betrifft (BAG 23.08.2001 - 5 AZB 9/01, AP Nr. 54 zu § 5 ArbGG 1979). Soweit es in dem Rechtsstreit um das der Organstellung zugrunde liegende Anstellungsverhältnis geht, ist es insbesondere unerheblich, ob dieses - was theoretisch denkbar ist - ausnahmsweise materiell rechtlich ein Arbeitsverhältnis darstellt. Denn § 5 Abs. 1 Satz 3 fingiert, dass dieses Anstellungsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis "gilt"; die Fiktion wirkt daher auch in den Fällen eines objektiv gegebenen Arbeitsverhältnisses des Organs (BAG 06.05.1999 - 5 AZB 22/98, AP Nr. 46 zu § 5 ArbGG 1979). Der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift bereits ein, wenn der Dienstnehmer zum Organ bestellt werden soll, diese Bestellung aber unterbleibt (BAG 25.06.1997 - 5 AZB 41/96, AP Nr. 36 zu § 5 ArbGG 1979). Das muss erst recht gelten, wenn eine bereits vollzogene Bestellung aus irgendeinem Grund unwirksam sein soll.

2.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten im vorliegenden Rechtsstreit nicht eröffnet.

a)

Der Rechtsstreit betrifft das der (gegebenenfalls angestrebten) Organstellung des Klägers zugrunde liegende Anstellungsverhältnis. Dies folgt - wie das Arbeitsgericht richtig erkannt hat - nicht bereits daraus, dass der Kläger im Dienstvertrag vom 25.09.2002 "gemäß Satzung als Geschäftsführer bestellt" worden ist. Zwar genügt für § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bereits die satzungsgemäße Vertretungsmacht (BAG 05.05.1997 - 5 AZB 35/95, AP Nr. 31 zu § 5 ArbGG 1979); doch hat der Kläger entgegen dem Wortlaut des Vertrages vom 25.09.2002 nicht die Stellung eines satzungsgemäßen Geschäftsführers erlangt, da die Satzung der Beklagten vom 08.04.1995 das Organ eines besonderen Geschäftsführers nicht vorsah.

Der Rechtsstreit betrifft aber deshalb das der (angestrebten) Organstellung des Klägers zugrunde liegende Anstellungsverhältnis, weil sein Streitgegenstand die Auflösung des Anstellungsverhältnisses, das der Kläger als Arbeitsverhältnis sieht, durch die Kündigung der Beklagten vom 19.12.2003 ist. Die Kündigung betrifft ausdrücklich den Dienstvertrag des Klägers als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Beklagten und damit unzweifelhaft das der (angestrebten) Vorstandsstellung zugrunde liegende Anstellungsverhältnis. Wollte der Kläger behaupten, dass neben dem Anstellungsverhältnis ein gesondertes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht, hätte er eine einfache Feststellungsklage auf Bestehen eines solchen Rechtsverhältnisses erheben müssen, da die Kündigung vom 19.12.2003 ein solches Rechtsverhältnis offensichtlich nicht berührt.

Unabhängig davon besteht ein solches Rechtsverhältnis offensichtlich nicht. Der Kläger sollte zum hauptamtlichen Vorstandsmitglied der Beklagten bestellt werden, nicht aber zum ehrenamtlichen Vorstandsmitglied als Genosse. Rechtsgrundlage der Bestellung zum hauptamtlichen Vorstandsmitglied kann nur der Dienstvertrag vom 25.09.2002 in Gestalt des Änderungsvertrages vom 01.08.2003 sein. Eine andere Rechtsgrundlage ist nicht ersichtlich.

b)

Unerheblich ist, welche materiell rechtliche Qualität der Dienstvertrag in Gestalt des Änderungsvertrages hat. Selbst wenn er im Hinblick auf die fortbestehenden Weisungsrechte des restlichen Vorstandes ausnahmsweise als Arbeitsverhältnis anzusehen wäre, bliebe es doch der der (angestrebten) Organstellung des Klägers zugrunde liegende Anstellungsvertrag mit der Folge, dass die Fiktion des § 5 Abs. 2 Satz 3 ArbGG greift.

Dem steht auch die Vorschrift des § 623 BGB nicht entgegen, wonach die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses der Schriftform unterliegt. Zwar hat der Dienstvertrag vom 25.09.2002 zwischen den Parteien zunächst tatsächlich nur ein Arbeitsverhältnis begründet, da aufgrund der Weisungsgebundenheit des Klägers die für das Arbeitsverhältnis typische persönliche Abhängigkeit vorlag. Doch haben die Parteien im weiteren Verlauf nicht dieses Arbeitsverhältnis aufgehoben und ein neues Rechtsverhältnis begründet, sondern die Berufung des Klägers zum hauptamtlichen Vorstandsmitglied auf den identischen Dienstvertrag vom 25.09.2003 in Gestalt des Änderungsvertrages vom 01.08.2003 gegründet. Auch als fortbestehender Arbeitsvertrag würde er - wie gezeigt - das der Organstellung zugrunde liegende Anstellungsverhältnis betreffen.

Ungeachtet dessen kann in dem schriftlichen Dienstvertrag für ein Vorstandsmitglied die - stillschweigende - Aufhebung eines vorangegangenen Arbeitsvertrages liegen, die dem Schriftformerfordernis des § 623 BGG genügt. Der Umstand, dass der Änderungsvertrag vom 01.08.03 auf Seiten der Beklagten durch den Aufsichtsrat und damit nicht durch den an sich für die Aufhebung von Arbeitsverhältnissen zuständigen Vorstand erfolgt ist, steht hier nicht entgegen. Denn zum einen ist bereits der Vertrag vom 25.09.2002 durch den Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnet worden, so dass von einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zur Aufhebung dieses Vertrages auszugehen ist. Zum anderen wäre selbst im Falle fehlender Vertretungsmacht des Aufsichtsratsvorsitzenden für die Aufhebung eines vorangegangenen Arbeitsverhältnisses von einer nachträglichen Genehmigung der Beklagten durch konkludentes Verhalten auszugehen; die Genehmigung unterliegt aber ebenso wie die Vollmachterteilung gemäß § 167 Abs. 2 BGB nicht den Formerfordernissen des § 623 BGB.

c)

Unerheblich ist, ob die Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied der Beklagten trotz entsprechendem Vorstandsbeschluss, Beitrittserklärung des Kläger als Genosse, entsprechender Änderung des Dienstvertrages und schließlich der Eintragung des Klägers in das Genossenschaftsregister aus formellen Gründen unwirksam war. Denn greift der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bereits ein, wenn der Dienstnehmer zum Organmitglied bestellt werden soll, diese Bestellung aber unterbleibt (vgl. BAG vom 25.06.1997 a. a. O.), so muss dies erst recht gelten, wenn eine Bestellung erfolgt und lediglich aus formellen Gründen unwirksam ist. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits durch den Vorstandsbeschluss vom 09.12.2003 als Vorstandsmitglied abberufen war. Denn es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass zwischen dem Aufsichtsratsbeschluss vom 09.12. und dem Zugang der Kündigung am 19.12.2003 ein von der beabsichtigten Bestellung zum Vorstandsmitglied losgelöstes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien begründet worden wäre. Der Rechtsstreit betraf daher nach wie vor das der Organstellung zugrunde liegende Anstellungsverhältnis des Klägers.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO. Die Streitwertfestsetzung hatte lediglich das Kosteninteresse des Klägers an der Durchführung des Rechtsstreits vor den Arbeitsgerichten zu berücksichtigen, da § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG lediglich prozessual die Arbeitnehmereigenschaft ausschließt, nicht aber materiellrechtlich (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 24. Auflage § 17 a GVG Rz. 20 sowie § 17 b GVG Rz. 4).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 Sätze 4 - 5 GVG bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

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