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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: 9 Sa 214/03
Rechtsgebiete: ZTV, ArbGG, VAF, EStG, BGB


Vorschriften:

ZTV § 1
ZTV § 5 (1)
ZTV § 5 (2)
ZTV § 19
ZTV § 19 Abs. 1
ZTV § 19 Abs. 3
ZTV § 21
ZTV § 21 Abs. 1
ZTV § 21 Abs. 2
ArbGG § 69 Abs. 2
VAF § 1 Ziff. 5
EStG § 4 Abs. 5 Nr. 5
EStG § 4 Abs. 5 Ziff. 5
BGB § 613 a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 214/03

verkündet am 16. Oktober 2003

In dem Rechtsstreit

wegen tariflicher Tätigkeitszulage und Verpflegungspauschale

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2003 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Heinecke als Vorsitzende, die ehrenamtliche Richterin Wiedemeyer und den ehrenamtlichen Richter Sperling als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 8. Januar 2003 - 5 Ca 1746/02 - in seinen Entscheidungen zu den Ziffern 1., 2. 3. und 5. abgeändert.

2. Die Klage - insgesamt - wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwand und für jede geleistete Schicht mit Zugfahrt eine Fahrentschädigung für Lokomotivführer zu zahlen.

Der am ...1966 geborene Kläger ist seit dem 19. April 1984 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit dem 1. Oktober 2000 arbeitet er als Lokrangierführer. Davor war er seit dem 1. August 1999 als Triebfahrzeugführer tätig. Die Tätigkeit des Klägers ist in die Entgeltgruppe E 7 der Anlage 3/3a zum Konzerntarifvertrag der D. AG(im Folgenden: KonzernETV) eingruppiert.

Der Kläger erbringt seine Arbeitsleistungen überwiegend im Knotenbereich M.-R. der Beklagten. Dieser Knotenbereich erstreckt sich in der Nord-Süd-Richtung von S. bis E. und in der West-Ost-Richtung von W. bis G. Hauptinhalt der Tätigkeit des Klägers sind die Bildung und Auflösung der CB-Fahrten (Bedienungsfahrten im Cargo-Verkehr innerhalb eines Knotenbereiches), die Bedienung der Güterverkehrsstellen und die Durchführung aller Rangierfahrten im Knotenbereich des Cargo-Bahnhofes M.- R.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung der seit 1. Juni 1999 geltende Verweisungstarifvertrag für die Arbeitnehmer und Auszubildenden der Beklagten und die diesen Vertrag ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge sowie die für die Arbeitnehmer der Beklagten geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung. Zu diesen Tarifverträgen gehört der am 1. Juli 1995 in Kraft getretene Zulagentarifvertrag für die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer der D. AG (im Folgenden: ZTV). Der ZTV enthält folgende Regelungen, die vorliegend von Interesse sind:

"Abschnitt VI Auslösungen

§ 19 Fahrtätigkeit

(1) Der Arbeitnehmer mit Fahrtätigkeit (z. B. Lokomotivführer, Zugbegleiter) erhält eine Verpflegungspauschale.

(2) Für die Höhe der Verpflegungspauschale ist allein die Dauer der beruflich bedingten Abwesenheit von der Wohnung am jeweiligen Kalendertag maßgebend.

Führt der Arbeitnehmer an einem Kalendertag mehrere Fahrten durch, sind die Abwesenheitszeiten an diesem Kalendertag zusammenzurechnen.

Sofern die Fahrtätigkeit nach 16.00 Uhr begonnen und vor 8.00 Uhr des nachfolgenden Kalendertages beendet wird, ohne dass eine Übernachtung stattfindet, wird die Tätigkeit mit der gesamten Abwesenheitsdauer dem Kalendertag der überwiegenden Abwesenheit zugerechnet.

(3) Die Pauschale für Verpflegungsmehraufwand beträgt für jeden Kalendertag

a) bei einer Abwesenheit von weniger als 14 Stunden, aber mindestens 8 Stunden: 10,00 DM,

b) bei einer Abwesenheit von weniger als 24 Stunden, aber mindesten 14 Stunden: 16,00 DM,

c) bei einer Abwesenheit von 24 Stunden: 25,00 DM.

§ 21

Fahrentschädigung

für Lokomotivführer und Zugbegleiter

(1) Der Lokomotivführer sowie der Zugbegleiter und der Arbeitnehmer, der für eine dieser Tätigkeiten ausgebildet ist, erhält für jede geleistete Schicht mit Zugfahrt eine Fahrentschädigung für Lokomotivführer und Zugbegleiter in Höhe von 13,00 DM.

(2) Die Fahrentschädigung für Lokomotivführer und Zugbegleiter wird quartalsweise berechnet und am Zahltag des nächsten Monats gezahlt.

Die Beklagte gewährt dem Kläger entsprechend der Vorschrift über Aufwandsvergütungen und Güteprämien im Rangierdienst (im Folgenden: VAR), gültig seit dem 1. Februar 1971, Leistungen. Bis zum 5. März 2001 zahlte sie an ihn allerdings für jede Schicht mit Zugfahrt eine Fahrleistungszulage von 5,00 DM gemäß § 5 (1) ZTV, eine Fahrzeitenzulage gemäß § 5 (2) ZTV und eine Verpflegungspauschale gemäß § 19 ZTV.

Der Kläger ist der Ansicht, die Fahrleistungs- und Fahrzeitenzulage, die Verpflegungspauschale sowie die Fahrentschädigung ständen ihm nach wie vor zu. Er forderte die Beklagte deshalb mit Schreiben vom 07.02.2002 zur Gewährung dieser Leistungen auf, allerdings ohne Erfolg. Am 26. Mai 2002 hat er sodann beim Arbeitsgericht Halle Klage erhoben.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 433,36 € brutto für den Zeitraum vom 01.08.2001 bis 28.02.2002, 826,77 € brutto für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.07.2002 und 359,83€ brutto für August und September 2002, jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und insoweit auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Halle vom 8. Januar 2003 - 5 Ca 1746/02 - (S. 2 bis 5 d. Urteils = Bl. 253 bis 256 d. A.) verwiesen.

Mit dem vorbezeichneten Urteil hat das Arbeitsgericht die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 29,35 € brutto für den Zeitraum 01.08.2001 bis 28.02.2002, von 580,90 € brutto für den Zeitraum 01.03.2002 bis 31.07.2002, von 270,77 € brutto für den Zeitraum August 2002 und September 2002 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.06.2002, 06.09.2002 bzw. 30.12.2002 verurteilt.

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung u. a. ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Fahrentschädigung für Lokomotivführer gemäß § 21 ZTV. In den Tarifverträgen sei nicht geregelt, was eine Zugfahrt sei. In Abgrenzung zur Rangierfahrt müsse man daher davon ausgehen, dass eine Zugfahrt dann vorliege, wenn der jeweilige Lokführer den jeweiligen Bahnhof verlasse und sich auf die Strecke hinaus bewege, für die er Streckenkenntnisse benötige. Dabei könne es sich auch um Bedienungsfahrten zwischen zwei Bahnhöfen innerhalb eines Knotenbereiches handeln. Denn die Beklagte habe die Knotenbereiche derart weit eingerichtet, dass u. a. Fahrten über 100 km als Bedienungsfahrten zu erbringen seien und sich die Lokrangierführer auf der üblichen Strecke der D. AG bewegten. Der Kläger habe auch Anspruch auf eine Verpflegungspauschale nach § 19 ZTV. Der Anspruch setze eine "Fahrtätigkeit" voraus. Als Beispiel würden der Lokomotivführer und der Zugbegleiter genannt. Als Lokomotivführer sei auch der Kläger zu bezeichnen, wenn er denn Fahrtätigkeiten ausübe, die mit einer Abwesenheit vom Ausgangsbahnhof verbunden seien.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 12 des Urteils (Bl. 257 bis 263 d. A.) verwiesen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 5. März 2003 zugestellte Urteil am 3. April 2003 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 23. Mai 2003 begründet.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht gehe rechtsirrig davon aus, dass die VAR durch § 19 ZTV abgelöst worden sei. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien solle mit der Tarifierung des § 19 ZTV lediglich die zuvor geltende Aufwandsentschädigung für das Fahrpersonal des Zugverkehrs (im Folgenden: VAF) abgelöst werden, während die bislang geltende Aufwandsentschädigung nach der VAR als Spezialregelung für den Rangierdienst zukünftig unverändert fortgelten solle. Unabhängig davon erfülle der Kläger nicht die in § 19 ZTV geregelten Anspruchsvoraussetzungen, da die im streitgegenständlichen Zeitraum durchgeführten Bedienungsfahrten nicht als Fahrtätigkeit i.S.d. § 19 ZTV anzusehen seien. Zur Auslegung des Begriffs "Fahrtätigkeit des Lokomotivführers" seien auch die langjährig geübte Tarifpraxis der Beklagten sowie der steuerrechtliche Kontext heranzuziehen. Sie habe dem Kläger für die Bedienungsfahrten ausschließlich Aufwandsentschädigung nach der VAR steuerfrei gezahlt. Aus TOP 1 b) des Ergebnisprotokolls der Tarifverhandlungen zwischen ihr und der Verhandlungsgemeinschaft der Gewerkschaften T. und G. vom 09.07.2002 gehe hervor, dass die Tarifvertragsparteien darin übereinstimmten, dass der lohnsteuerrechtliche Begriff "Reisekosten" die Fahrtätigkeit nach § 19 ZTV umfasse. Da der Kläger allein ortsgebundene Tätigkeiten im Betrieb verrichtet habe, sei seine tatsächlich ausgeübte Tätigkeit in der Gesamtbetrachtung keinesfalls als "typischerweise Fahrtätigkeit" im steuerlichen bzw. reisekostenrechtlichen Sinne anzusehen und damit nicht nach § 19 ZTV auslösungspflichtig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Fahrentschädigung nach § 21 ZTV, denn seine als Lokrangierführer ausgeführte Fahrtätigkeit sei nicht als Zugfahrt i.S.d. § 21 ZTV zu qualifizieren. Aus TOP A 1 des Ergebnisprotokolls der Tarifverhandlungen vom 05.09.1997 folge, dass u. a. Einvernehmen darin bestanden habe, dass die Tarifierung der bislang übertariflich gezahlten Fahrentschädigung unter den Prämissen "unveränderter Empfängerkreis sowie bisheriger Höhe" vorzunehmen sei. Anspruchsberechtigte seien die Streckenlokomotivführer. Angesichts der für die Bedienungsfahrten erforderlichen geringeren Qualifikation und Streckenkenntnisse sowie der vergleichsweisen in der Regel kurzen Dauer der Fahrten und der Kundenkreise nur innerhalb des Bahnhofsknotens sei die Fahrtätigkeit des Lokrangierführers von der des Streckenlokomotivführers klar abgrenzbar und könne insoweit nicht mehr als "Zugfahrt" i.S.d. § 21 ZTV angesehen werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 8. Januar 2003 (Az.: 5 Ca 1746/02) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Klagestattgabe und macht sie zum Gegenstand seines Vortrags. Er bestreitet, dass § 19 ZTV auf sein Arbeitsverhältnis nicht anwendbar sei, durch § 19 ZTV lediglich die Vorschriften des § 1 Ziff. 5 VAF abgelöst worden seien und der Anwendungsbereich des ehemaligen VAF beibehalten werden solle. Er meint, unter den Begriff "Lokomotivführer" i.S.d. §§ 19,21 ZTV fielen alle bei der Beklagten eingesetzten Führer von Lokomotiven, mithin auch die Lokrangierführer. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien darin übereinstimmen sollten, dass die Fahrtätigkeit nach § 19 ZTV vom lohnsteuerrechtlichen Begriff "Reisekosten" umfasst werde, bedinge das nicht die Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften auf die Auszahlung der in § 19 ZTV vereinbarten Verpflegungspauschale. Abgesehen davon werde in § 4 Abs. 5 Ziff. 5 EStG von einer beruflichen Tätigkeit auf einem Fahrzeug gesprochen. Folglich erfüllten auch seine Tätigkeiten bei Stillstand des Fahrzeuges diese Voraussetzung. Auch ein Werksgelände mit einer Achse von 150 km sei im Geltungsbereich des EStG nicht vorhanden. Der Wortlaut des § 21 ZTV sei klar, eindeutig und einer weiteren Auslegung nicht zugänglich. Hiernach sei eine Zugfahrt gegeben, wenn der jeweilige Lokführer den jeweiligen Bahnhof verlasse und sich auf die Strecke hinaus bewege, für die er Streckenkenntnisse benötige. Folglich könne eine unter diesen Voraussetzungen durchgeführte Bedienungsfahrt durchaus eine Zugfahrt darstellen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 21.05.2003 nebst Anlagen (Bl. 313 bis 363 d. A.), auf die Berufungsbeantwortungsschrift vom 29.07.2003 (Bl. 371 bis 376 d. A.) sowie auf das Protokoll vom 16.10.2003 (Bl. 379 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die statthafte Berufung der Beklagten ist frist- und formgerecht beim Landesarbeitsarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 lit. a) u. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO). Die Berufung ist zulässig.

II. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil musste abgeändert und die Klage in ihrer Gesamtheit abgewiesen werden, weil der Kläger weder einen tariflichen Anspruch auf Zahlung einer Verpflegungspauschale nach § 19 Abs. 1 ZTV noch einen tariflichen Anspruch auf Zahlung einer als Fahrentschädigung bezeichneten Zulage nach § 21 Abs. 1 ZTV hat.

1. Der Kläger unterfällt dem Zulagentarifvertrag für die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer der D. AG. Denn gemäß § 1 ZTV gilt dieser Tarifvertrag für die Arbeitnehmer(innen), die unter den räumlichen, persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der D. AG fallen. Der Kläger unterfällt diesem Manteltarifvertrag (vgl. VerweisungsTV AG, Änderungsvertrag der Parteien vom 31.08.1999). Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging nach § 613 a Abs. 1 BGB auf die Beklagte über.

2. Der Kläger hat weder nach § 19 Abs. 1 ZTV Anspruch auf eine Verpflegungspauschale noch hat er nach § 21 Abs. 1 ZTV Anspruch auf eine als Fahrentschädigung bezeichnete Zulage.

Zwischen den Parteien besteht Streit über den Inhalt des in § 19 ZTV verwendeten Begriffs "Fahrtätigkeit" und den Kreis der Arbeitnehmer, die nach § 21 Abs. 1 ZTV Anspruch auf eine Fahrentschädigung haben.

2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung der normativen Bestimmungen eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist unter Beachtung des Sprachgebrauchs und der Grammatik zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil dieser Anhaltpunkte für den wirklichen Willen der Tarifparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Führt dies zu keinem zweifelsfreien Auslegungsergebnis, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags, ggfls. die praktische Tarifübung heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen (BAG Urteil vom 09.03.1983 - 4 AZR 61/89 - und vom 21.06.1993 - 4 AZR 468/92 - AP Nr. 128 u. 144 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 08.11.1988 - 1 AZR 721/87 - AP Nr. 48 zu § 112 BetrVG 1972). Verwenden die Tarifvertragsparteien steuerrechtliche Begriffe, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass sie diese auch im steuerrechtlichen Sinne meinen. Dann ist für die Auslegung dieser Tarifbegriffe der fachspezifische Inhalt des Steuerrechts zugrunde zu legen. Dabei ist der Inhalt der Begriffe nach der jeweils gültigen höchstrichterlichen Auslegung zu ermitteln.

2.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer Verpflegungspauschale nach § 19 ZTV.

a) Der unbestimmte Rechtsbegriff "Fahrtätigkeit", der in § 19 ZTV verwendet wird, stammt nicht aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, sondern aus dem Steuerrecht. Das wird im Übrigen auch dadurch bestätigt, dass im Ergebnisprotokoll der Tarifverhandlungen vom 9. Juli 2002 in TOP 1 b) von den Tarifvertragsparteien einvernehmlich erklärt wird, dass sie den in § 19 ZTV verwendeten Begriff "Fahrtätigkeit" im Sinne des lohnsteuerrechtlichen Begriffs "Reisekosten" verstanden wissen wollen. Zudem ist der Wortlaut des § 19 Abs. 3 ZTV an den Wortlaut des § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG angelehnt. Die Normen stimmen im Hinblick auf die den Verpflegungspauschalen zugrunde gelegten Abwesenheitszeiten überein. Damit ist bei der Auslegung des in § 19 ZTV verwendeten Begriffs "Fahrtätigkeit" von dem fachspezifischen steuerrechtlichen Inhalt des Begriffs "Fahrtätigkeit" auszugehen.

b) Steuerrechtlich sind Reisekosten Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer aus der Durchführung von Dienstreisen erwachsen (§ 9 EStG). Hauptkosten sind Fahrtkosten, Unterbringungskosten und Verpflegungsmehraufwand. Nach § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG stehen einem Steuerpflichtigen Verpflegungspauschalen steuerfrei zu, wenn er während der dort aufgeführten Zeiten beruflich bedingt von seiner Wohnung abwesend ist und dabei unter anderem auf einem Fahrzeug tätig wird. Mit der im Gesetz nicht näher definierten Fahrtätigkeit hat der Gesetzgeber an die diesbezüglichen vorangegangenen Regelungen in den Lohnsteuerrichtlinien angeknüpft. Bereits zu diesen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgeführt, dass nicht die abstrakten Merkmale eines bestimmten Berufsbildes entscheidend sind. Maßgebend ist vielmehr der konkrete Einsatz des Arbeitnehmers im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers (BFH Urteil vom 20.11.1987 - VI R 6/86 -, BFHE 152, 232, BStBl. II 1988, 443). Diese Auslegung hat der Gesetzgeber übernommen, indem er auf die "individuelle" betriebliche bzw. berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen abstellt. Es ist darüber hinaus stets zu prüfen, ob der Umfang eines ortsfest erbrachten Dienstes noch den Schluss zulässt, dass der Arbeitnehmer typischerweise nur auf dem Fahrzeug tätig ist (BFH Urteil vom 10.04.2002 - VI R 154/00 -). Nach den Lohnsteuerrichtlinien (LStR 37 Abs. 2 S. 3) ist für das Vorliegen des Merkmals "typischerweise" ein prozentualer Anteil von mindestens 80 % erforderlich.

b) Unter Berücksichtigung dieses steuerrechtlichen Begriffsverständnisses leistete der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keine Fahrtätigkeit im Tarifsinne. Der konkrete Einsatz des Klägers erfolgt im Rahmen der Arbeitsanweisung der Beklagten für Lokrangierführer des Knotenbereiches M.-R. (BL.47/48 d. A.). Fahrtätigkeit im Tarifsinne als Voraussetzung für den in § 19 ZTV geregelten Anspruch auf eine Verpflegungspauschale kann nur dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Betriebssitzes des Arbeitgebers ständig unterwegs ist. Das trifft für den Kläger nicht zu. Denn der Knotenbereich M.-R. der Beklagten stellt für ihn die einheitliche ortsgebundene, wenn auch weiträumige Arbeitsstätte dar. Solange er die vertraglich geschuldete Dienstleistung innerhalb dieses Knotenbereiches erbringt, wird er nicht außerhalb des "Betriebssitzes" seiner Arbeitgeberin auf einem Fahrzeug tätig. Berücksichtigt man die steuerliche Regelung und legt diese der Tätigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum zugrunde, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger eine auswärtige Fahrtätigkeit im Umfange von mindesten 80 % seiner vertraglichen Arbeitszeit erbracht hat. Bei der Tätigkeit des Klägers handelt es sich insoweit im steuerrechtlichen bzw. reisekostenrechtlichen Sinne nicht um eine Fahrtätigkeit. Demzufolge liegt auch keine Fahrtätigkeit i.S.v. § 19 ZTV vor, die einen Anspruch auf eine Verpflegungspauschale begründet. Der Kläger erfüllt die Anspruchsvoraussetzung des § 19 Abs. 1 ZTV nicht.

c) Das Auslegungsergebnis, zu dem die erkennende Kammer gelangt ist, wird auch dadurch untermauert, dass die Beklagte ihren im Rangierdienst tätigen Arbeitnehmern als Ausgleich für die ihnen in Ausführung der beruflichen Tätigkeit entstehenden Mehraufwendungen eine steuerfreie Aufwandsvergütung nach der VAR gewährt. Es gibt vorliegend keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien einen von den steuerrechtlichen Bestimmungen unabhängigen, zusätzlichen tariflichen Anspruch der Arbeitnehmer auf eine Verpflegungspauschale regeln wollten.

2.3. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 21 Abs. 1 ZTV auf eine als Fahrentschädigung bezeichnete Zulage.

a) Nach § 21 Abs. 1 ZTV erhält der Lokomotivführer sowie der Zugbegleiter und der Arbeitnehmer, der für eine dieser Tätigkeiten ausgebildet ist, für jede geleistete Schicht mit Zugfahrt eine Fahrentschädigung. Aus diesem Wortlaut der Tarifnorm ergibt sich, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien der Kreis der Anspruchsberechtigten für die als Fahrentschädigung bezeichnete Zulage mit dem Kreis der Anspruchsberechtigten, die nach den FAE- Richtlinien (Richtlinie für die Gewährung einer Aufwandsentschädigung für Lokomotivführer und Zugbegleiter der D B und Richtlinie für die Gewährung einer Aufwandsentschädigung für Lokomotivführer und Zugbegleiter der D R und für die Beschäftigten in der Unterwegsreinigung in fahrenden Reisezügen) eine Fahrentschädigung erhielten, identisch bleiben soll. Anspruchberechtigte waren und sind die im Triebfahrzeug- und Zugbegleitdienst eingesetzten Angestellten und Arbeiter für die Dauer ihrer Tätigkeit in diesen Dienstzweigen. Lokomotivführer und Zugbegleiter "bilden ein Gespann". Offensichtlich soll die Zulage "Fahrentschädigung" die erheblichen psychischen und physischen Belastungen abgelten, die für einen Lokomotivführer und für einen Zugbegleiter bei der Durchführung von Zugfahrten während des Einsatzes im Streckendienst entstehen. Der Kläger gehört als Lokrangierführer, als Mitarbeiter des Rangierdienstes nicht zum Kreis der Angestellten und Arbeiter, die nach § 21 Abs. 1 ZTV Anspruch auf Fahrentschädigung haben.

b) Dieses Ergebnis wird im Übrigen auch dadurch bestätigt, dass im Ergebnisprotokoll der Tarifverhandlungen vom 05.09.1997 die Tarifvertragsparteien unter TOP A 1 klargestellt haben, dass die bisher übertariflich gezahlte Fahrentschädigung für Lokomotivführer und Zugbegleiter unter Beibehaltung des bisherigen Empfängerkreises und der bisherigen Höhe in § 21 ZTV tarifiert wird, wobei die in § 21 Abs. 2 ZTV geregelte quartalsweise Auszahlung jedoch neu ist.

Nach all dem war das mit der Berufung angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die weitere Klage, damit die Klage insgesamt, abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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