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Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 304/06
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, EGBGB, BBiG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 242
BGB §§ 305 ff.
BGB § 305 Abs. 1
BGB §§ 307 ff.
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB § 310 Abs. 4 Satz 2
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 1
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 2
BBiG § 5
BBiG § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT SACHSEN-ANHALT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 9 Sa 304/06

verkündet am 7. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Rückzahlung von Studiengebühren

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht H. als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter O. und S. als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halberstadt vom 5. April 2006 - 3 Ca 1616/05 - abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Studiengebühren, welche die Klägerin für den Beklagten darlehensweise übernommen hat.

Der am geborene Beklagte absolvierte im Rahmen seines Studiums an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in P. bei der Klägerin "betriebliche Praxisphasen". Die rechtliche Grundlage dafür bildete der zwischen den Parteien am 24. April 2001 abgeschlossene "Praxisphasen-Vertrag". Dieser Vertrag lautet auszugsweise:

"Praxisphasen-Vertrag

zur Durchführung der betrieblichen Praxisphasen des Dualen Studiums zum Diplom-Betriebswirt (FH) an der Fachhochschule der Wirtschaft - FHDW - in P. wird zwischen dem Unternehmen ... und ... Herrn nachfolgender befristeter Vertrag geschlossen. Ein Arbeitsverhältnis wird durch diesen Vertrag nicht begründet.

1. Zeit

1. In der Zeit vom 01.07.2001 bis 30.06.2004 absolviert Herr D. bei der A. Praxisphasen von insgesamt ca. 90 Wochen. Die Praxisphasen werden in Abstimmung mit der Fachhochschule der Wirtschaft P. von A. betreut. Beginn, Ende und Ort der einzelnen Paxisphasen liegen wie folgt:

 Beginn Ende Ort Praxissemester-Verantwortlicher
Oktober 2001 Dezember 2001 AWD Büro 
April 2002 Juni 2002 AWD Büro 
Oktober 2002 Dezember 2002 AWD Büro 
April 2003 Juni 2003 AWD Büro 
Oktober 2003 Dezember 2003 AWD Büro 
April 2004 Juni 2004 AWD Büro

A. behält sich darüber hinaus eine Versetzung an weitere geignete Orte/Praxisstätten vor, soweit dieses mit der Erreichung des Studienzieles vereinbar ist.

6. Vergütung

Bis zum erfolgreichen Abschluss des Studiums wird vom Unternehmen eine Vergütung in Höhe von monatlich brutto 600,00 DM gezahlt. Diese Vergütung ist steuer- und sozialversicherungspflichtig.

7. Darlehen und Rückzahlung

(1) A. gewährt zusätzlich zur Vergütung ein Stipendium in Form eines Darlehens in Höhe von monatlich 1.100,00 DM brutto, maximal jedoch DM 39.600,00 brutto während der gesamten Vertragslaufzeit. Dieses Stipendium wird zur Zahlung der monatlichen Studiengebühren an die Fachhochschule der Wirtschaft in P. verwendet.

(2) Geht Herr D. nach erfolgreichem Abschluss des Studiums ein Vertragsverhältnis mit einer Konzerngesellschaft der A. für mindestens 2 Jahre ein, ist das Darlehen von ihm nicht zurückzuzahlen. Wird das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Zwei-Jahre-Zeitraumes auf Veranlassung oder durch Verschuldung von Herrn D. beendet, bleibt die Rückzahlungsverpflichtung für den noch nicht abgegoltenen Teil des Stipendiums erhalten.

(3) Wird das Vertragsverhältnis vor dem Ende des Studiums von Herrn D. beendet, ist er verpflichtet, das bisher gezahlte Stipendium in Form eines Darlehens in monatlichen Raten innerhalb von 5 Jahren zurückzuzahlen.

(4) Kommt es nach Ablauf des Studiums auf Wunsch von A. nicht zu einem Arbeitsverhältnis oder endet dieser Vertrag vor Ende des Studiums durch Kündigung von A. , besteht ebenfalls Rückzahlungspflicht für das gewährte Stipendium.

(5) Das Darlehen stellt für den Studenten einen geldwerten Vorteil dar. Dieser geldwerte Vorteil wird ab Erreichen der DM 5.000,00 monatlich im Rahmen der Gehaltsabrechnung versteuert."

Nach Abschluss des Studiums kam es auf Wunsch der Klägerin zwischen den Parteien nicht zu einem Arbeitsverhältnis. Die Klägerin wies den Beklagten bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2004 auf die vertraglich vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung hin. Der Einladung der Klägerin zu einem Gespräch folgte der Beklagte nicht.

Am 23. Dezember 2005 hat die Klägerin beim Arbeitsgericht Halberstadt Klage erhoben.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Halberstadt vom 5. April 2006 - 3 Ca 1616/05 - (S. 2 bis 5 des Urteils = Bl. 75 bis 78 d. A.) verwiesen.

Mit dem vorbezeichneten Urteil hat das Arbeitsgericht (1.) festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die Zeit vom 1. April 2006 bis zum 30. Juni 2009 einen Betrag von 13.160,67 € in monatlichen Raten á 337,45 € zum jeweils 1. des Folgemonats zu zahlen, und (2.) den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 7.086,45 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5. April 2006 zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf Rückzahlung des dem Beklagten zur Bezahlung der Studiengebühren gewährten Darlehens in Höhe von insgesamt 20.247,12 €. Der Beklagte hätte bis zum 31. März 2006 bereits 7.086,45 € zurückzahlen müssen. Der Rückzahlungsanspruch ergebe sich aus Ziffer 7.4 des Praxisphasen-Vertrages der Parteien vom 24.04.2001. Vorliegend handele es sich nicht um ein typisches Arbeitsverhältnis. Die Klägerin habe dem Beklagten darlehensweise einen Betrag zur Finanzierung der Studiengebühren zur Verfügung gestellt und mit ihm eine Sonderregelung bezüglich der Rückzahlung des Darlehens vereinbart. Danach könne der Beklagte das Darlehen auch dadurch zurückzahlen, indem er mit der Klägerin ein Arbeitsverhältnis eingehe und dieses mehr als zwei Jahre aufrecht halte. Zwischen den Parteien sei jedoch kein Arbeitsvertrag zustande gekommen, weshalb das Darlehen vom Beklagten zurückzuzahlen sei. Aus welchem Grund es nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages gekommen sei und ob der Beklagte dies habe beeinflussen können, sei unerheblich. Denn es handele sich nicht um den klassischen Fall einer Rückzahlungsklausel für Kosten einer betrieblichen Berufsausbildung. Die Klägerin habe dem Beklagten das Studium finanziert. Studiengebühren der Fachhochschule seien grundsätzlich von dem Studenten zu tragen. Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung in Ziffer 7.4 des Praxisphasen-Vertrages gegen Treu und Glauben wegen übermäßiger Beeinträchtigung des Grundrechts des Beklagten auf freie Wahl seines Arbeitsplatzes verstoße und deshalb unwirksam sei, seien nicht erkennbar. Der Anspruch der Klägerin sei nicht verfallen. Die in Ziffer 10 des Praxisphasen-Vertrages einseitig zu Lasten des Beklagten vereinbarte Ausschlussklausel sei unwirksam.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 9 des vorbezeichneten Urteils (Bl. 78 bis 82 d. A.) verwiesen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 27. April 2006 zugestellte Urteil am 24. Mai 2006 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 11. Juli 2006 begründet.

Der Beklagte nimmt auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Er ist der Ansicht, die Vereinbarung in Ziffer 7.4 des Praxisphasen-Vertrages sei nach den von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für die Rückerstattung von Kosten der Aus- und Weiterbildung unwirksam. Nach diesen Grundsätzen stelle eine Rückzahlungspflicht nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand habe, ihr durch eigene Betriebstreue zu entgehen. Das Bundesarbeitsgericht habe in seinem Urteil vom 5.12.2002 - 6 AZR 537/00 - ausdrücklich offen gelassen, ob diese Grundsätze auch auf Studiengebühren für Studienphasen anwendbar seien. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass er gar nicht die Möglichkeit gehabt habe, das Darlehen durch das Eingehen eines Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin zu tilgen. Wenn es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einem Arbeitnehmer gestattet sei, selbst das Arbeitsverhältnis ohne Rückzahlungsverpflichtung zu beenden, wenn der Arbeitgeber keinen Bedarf an seiner Arbeitsleistung habe, müsse auch in seinem Fall, in dem die Klägerin ihn gar nicht erst beschäftigt habe, eine Rückzahlungsverpflichtung ausgeschlossen sein. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Differenzierung zwischen einem typischen und untypischen Arbeitsverhältnis sei im Hinblick auf die streitige Vereinbarung nicht sachgerecht. Das Gericht hätte zunächst klären müssen, ob für ihn die Kostenbeteiligung überhaupt zumutbar sei. Dabei hätte es die Umstände berücksichtigen müssen, unter denen es zum Abschluss des Praxisphasen-Vertrages gekommen sei.

Der Beklagte beantragt,

auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Halberstadt vom 05.04.2006 - 3 Ca 1616/05 -, zugestellt am 27.04.2006, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 01.12.2006 bis 30.06.2009 einen Betrag in Höhe von 10.460,95 € in monaltichen Raten á 337,45 € zum jeweils 1. des Folgemonats zu zahlen, beginnend mit dem 1. Januar 2007,

3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 9.786,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin nimmt ebenfalls auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Sie vertritt die Auffassung, Studenten, die im Rahmen ihres Studiums in Betrieben eine dem Studienziel dienende praktische Ausbildung erhielten, seien keine Praktikanten mit Arbeitnehmereigenschaft. Für die rechtliche Beurteilung der Vereinbarung in Ziffer 7 des Praxisphasen-Vertrages seien die im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.4. 2001 - 5 AZR 509/99 - entwickelten Grundsätze maßgeblich. Danach könne die Zahlung der Studiengebühren Gegenstand eines Darlehensvertrages sein, sei die Möglichkeit der Tilgung des Darlehens durch Arbeitsleistung zulässig, sei das Darlehen sowohl bei vorzeitigem Ende des Studiums als auch bei Nichtaufnahme eines Arbeitsverhältnisses im Anschluss an das Studium zurückzuzahlen und komme es aufgrund der Besonderheit bei der darlehensweisen Übernahme von Studiengebühren, die eigentlich der Student selbst zahlen müsse, nicht darauf an, warum kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Maßgeblich sei nach der höchstrichterlichen Entscheidung, dass der ehemalige Student im Anschluss an die Ausbildung keine Arbeitsleistung für das Unternehmen erbringe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 11.07.2006, auf die Berufungsbeantwortung vom 15.09.2006 sowie den Schriftsatz der Klägerin vom 30.11.2006, jeweils nebst Anlagen, und auf das Protokoll vom 07.12.2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung des Beklagten ist frist- und formgerecht beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 lit. b u. 6 S. 1, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO). Die Berufung ist zulässig.

II. Die Berufung ist begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung des ihm zur Finanzierung der Studiengebühren in Form eines Darlehens zur Verfügung gestellten Betrages von insgesamt 20.247,12 €.

Die Rückzahlungsklausel in Ziffer 7.4. des Praxisphasen-Vertrages der Parteien vom 21.04.2001 ist wegen unangemessener Benachteiligung des Beklagten nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam und entfällt ersatzlos.

1. Auf das bis zum 30. Juni 2004 bestandene Rechtsverhältnis der Parteien finden die §§ 305 ff. BGB Anwendung.

a) Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Recht weiter anzuwenden. Dies gilt nach Art 229 § 5 Satz 2 EGBGB für Dauerschuldverhältnisse wie Arbeitsverhältnisse mit der Maßgabe, dass sie vom 1. Januar 2003 an dem neuen Recht unterfallen.

b) Der Beklagte war Arbeitnehmer der Klägerin.

aa) In Satz 2 der Präambel des Praxisphasen-Vertrages der Parteien ist festgehalten, dass durch diesen Vertrag kein Arbeitsverhältnis begründet wird. Trotzdem war der Beklagte nach Auffassung der erkennenden Kammer Arbeitnehmer der Klägerin. Der Beklagte "absolvierte Praxisphasen" im Betrieb der Klägerin. Wenn er, wie die Beklagte es will, kein Arbeitnehmer war, muss er zumindest als Praktikant beschäftigt gewesen sein.

Praktikanten gehören zum Personenkreis der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Bei einem Praktikanten dient die Tätigkeit im Betrieb dem Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen zur Vorbereitung auf einen Beruf (BAG vom 5. August 1965, AP Nr. 2 zu § 21 KSchG). Wie bei einem Berufsausbildungsverhältnis prägt der Ausbildungszweck den Vertragsinhalt. Für Praktikanten gilt § 19 BBiG. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts soll der § 19 BBiG auf Studenten, die wie der Beklagte innerhalb ihres Studiums und als dessen Bestandteil ein Praktikum absolvieren, keine Anwendung finden, weil das Berufsbildungsgesetz die Berufsausbildung insoweit nicht regelt, als sie den Schulgesetzen der Bundesländer unterliegt (BAG vom 19. Juni 1974, AP Nr. 3 zu § 3 BAT). Die Arbeitnehmereigenschaft kann aber nur dann fehlen, die erkennende Kammer teilt die in der Literatur vertretene Auffassung (Münchener Handbuch Arbeitsrecht, Bd, 1, 2. Aufl., - Richardi - § 29 Rn. 26), wenn für das Praktikantenverhältnis der Schüler- oder Studentenstatus maßgebend bleibt. Ist dagegen der Praktikant dem Betriebsinhaber zur Arbeitsleistung verpflichtet, so ist er Arbeitnehmer, auch wenn das Praktikum von einem Studenten nach der für sein Studium maßgeblichen Studien- und Prüfungsordnung abgeleistet werden muss.

bb) Ob für das Vertragsverhältnis der Parteien der Studentenstatus des Beklagten maßgebend war, ist durch Auslegung des Praxisphasen-Vertrages gemäß den §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Laufzeit des Vertragsverhältnisses der Parteien betrug 36 Monate. Von diesen 36 Monaten arbeitete der Beklagte 18 Monate lang wöchentlich 40 Stunden im A. Büro M. der Klägerin (Ziffer 1. des Vertrages). Die vom Beklagten zu absolvierenden Praxisphasen füllten damit zeitlich die Hälfte seines Studiums aus. In diesen 18 Monaten war der Beklagte der Klägerin zur Arbeitsleistung verpflichtet: Er hatte ihm übertragene Aufgaben sorgfältig auszuführen (Ziffer 2.1) und sogar (Ziffer 2.2) das Wahlpflichtfach an der Fachhochschule nach den Vorgaben der Klägerin, also im Interesse seiner Tätigkeit bei ihr zu belegen. Der Beklagte war im Vertrieb der Klägerin und zuletzt in der Hauptverwaltung tätig. Er war in das Vertriebsnetz der Klägerin eingebunden, vertrieb ihre Produkte und schloss für sie Verträge ab, die bei der Klägerin zu Provisionseinnahmen führten. Der Beklagte erhielt von der Klägerin für seine Arbeitsleistungen eine monatliche Vergütung in Höhe von 306,78 € brutto (Ziffer 6.) und erdiente Provisionen. Er hatte keinen Anspruch auf Semesterferien wie ein Student, sondern Anspruch auf 15 Arbeitstage Urlaub pro Kalenderjahr und durfte während des Urlaubs keine dem Erholungszweck widersprechende Erwerbstätigkeit, damit überhaupt keine Erwerbstätigkeit ausüben (Ziffer 4.2). Die tatsächliche Gestaltung des Vertragsverhältnisses während der Praxisphasen, die angeführten Vertragsbedingungen, die die Stellung des Beklagten im Betrieb der Klägerin bestimmten, und der zeitlichen Anteil der "Praxisphasen" an der Laufzeit des Vertrages machen deutlich, dass der Studentenstatus des Beklagten für das Vertragsverhältnis der Parteien nicht maßgebend war. Dem Beklagten haftete Arbeitnehmereigenschaft an.

Für die Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten war es unschädlich, dass die Studienphasen an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in P. nicht zu einer von der Klägerin geschuldeten betrieblichen Ausbildung gehörten und ein Fachhochschulstudium keine Berufsausbildung im Sinne des § 5 BBiG darstellt.

c) Bei dem Vertragsverhältnis der Parteien handelte es sich jedenfalls um ein Dauerschuldverhältnis, für das die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 gelten, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB analog. Der am 24. April 2001 abgeschlossene Praxisphasen-Vertrag mit der beanstandeten Rückzahlungsklausel in Ziffer 7.4 unterfiel deshalb bis zum 31. Dezember 2002 dem im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Recht und war zunächst am Maßstab des § 242 BGB zu prüfen. Seit dem 1. Januar 2003 muss er einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB standhalten.

Die im Praxisphasen-Vertrag getroffene Rückzahlungsvereinbarung ist eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die Vertragsbedingungen des mit dem Beklagten abgeschlossenen Vertrages von der Klägerin vorformuliert waren und standardmäßig für eine Vielzahl von Studenten der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in P. Verwendung fanden und wohl noch finden. Die umstrittene Klausel in Ziffer 7.4 des Praxisphasen-Vertrages ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB daran zu messen, ob sie den Beklagten als Vertragspartner der Klägerin, die diese Klausel vorformuliert hat, "unangemessen benachteiligt".

2. Die Rückzahlungsklausel in Ziffer 7.4 des Praxisphasen-Vertrages der Parteien benachteiligt den Beklagten unangemessen.

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Positionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (vgl. BAG vom 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - BAGE 110, 8; BAG vom 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - zit. nach juris). Im Rahmen der nach § 307 BGB anzustellenden Interessenabwägung ist der die Rückzahlungspflicht auslösende Tatbestand zu berücksichtigen (v. Westphalen "Vertragsrecht und AGB-Klauselwerk", Stand März 2006, - Thüsing -, Stichwort: Arbeitsverträge Rn. 151).

Unter der Geltung des alten Rechts im Rahmen des § 242 BGB war bei weit gefassten Klauseln zu prüfen, ob der Arbeitnehmer im konkreten Fall schutzwürdig ist. Bei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB bleibt hierfür kein Raum. Die zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gehörende Inhaltskontrolle beruht auf einer typisierenden Betrachtung einer Klausel, die ohne Rücksicht auf die individuellen Besonderheiten der Vertragsparteien vorzunehmen ist (BAG vom 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - aaO).

b) Gemessen an diesen Maßstäben benachteiligt die in Ziffer 7.4 des Praxisphasen-Vertrages der Parteien enthaltene Rückzahlungsklausel den Beklagten als Vertragspartner der Klägerin unangemessen, weil sie ihm jede Einflussmöglichkeit auf seine Rückzahlungspflicht entzieht und einseitig den Interessen einer Vertragspartei, der Klägerin, Rechnung trägt.

aa) Die Studienphasen an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) gehörten nicht zu einer von der Klägerin geschuldeten betrieblichen Ausbildung und die durch den Besuch dieser Fachhochschule entstehenden Kosten fielen insoweit dem Beklagten zur Last. Diese Umstände rechtfertigen es jedoch nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht, an die Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff BGB geringere Anforderungen zu stellen, insbesondere deshalb nicht, weil der Beklagte als Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen ist.

bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung eines Vertragspartners eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen beider Vertragspartner voraus und stellt eine Rückzahlungsklausel nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen. Verluste aufgrund von Investitionen, die nachträglich wertlos werden, hat grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen. Sieht eine Arbeitsvertragsklausel auch für solch einen Fall eine Rückzahlung des Arbeitnehmers vor, berücksichtigt sie nicht wechselseitig die anzuerkennenden Interessen beider Vertragspartner, sondern einseitig nur diejenigen des Arbeitgebers. Damit benachteiligt eine solche Klausel den Arbeitnehmer unangemessen (BAG vom 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - zitiert nach juris; BAG vom 24. Juni 2004 - 6 AZR 383/03 - BAGE 111, 157).

Die Rückzahlungsklausel in Ziffer 7.4 des Vertrages vom 24.04.2001 lautet: "Kommt es nach Ablauf des Studiums auf Wunsch von AWD nicht zu einem Arbeitsverhältnis oder endet dieser Vertrag vor Ende des Studiums durch Kündigung von AWD, besteht ebenfalls Rückzahlungspflicht für das gewährte Stipendium."

Nach diesem Wortlaut der Klausel ist die Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers ausdrücklich an die Interessen der Klägerin geknüpft, ohne dass es auf den Grund ankommt, aus dem sie nicht wünscht, mit dem Beklagten ein Arbeitsverhältnis zu begründen, oder den Praxisphasen-Vertrages vor dem Ende des Studiums kündigt. Die Klausel in Ziffer 7.4 des Vertrages legt damit ausdrücklich fest, dass der Arbeitnehmer auch dann zur Rückzahlung der Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber aufgewendet hat, verpflichtet ist, wenn die die Rückzahlungspflicht auslösenden Gründe allein dem Verantwortungsbereich des Arbeitgebers zuzuordnen sind und der Arbeitnehmer auf sie keinen Einfluss hat. Bei einem solchen die Rückzahlungspflicht auslösenden Tatbestand fehlt es an einer sachlichen Grundlage für die Kostenübernahme durch den Arbeitnehmer, die diese als angemessenen Interessenausgleich erscheinen lässt.

Das übliche Interesse eines Arbeitgebers, der einem Arbeitnehmer eine Ausbildung finanziert, geht dahin, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für den Betrieb nutzen zu können. Dieses grundsätzlich berechtigte Interesse verfolgt die Klägerin mit der Rückzahlungsklausel in Ziffer 7.2 des Praxisphasen-Vertrages. Eine Prüfung, ob die Rückzahlungsklausel in Ziffer 7.4. mit einem anderen Inhalt aufrechtzuerhalten ist, ist deshalb überflüssig. Hinter der Rückzahlungsklausel in Ziffer 7.4 müssen Interessen der Klägerin stehen, die sie nicht offenlegen will.

cc) Die Anzahl der zum vorliegenden Rechtsstreit parellen Rechtsstreite, die bei den Gerichten für Arbeitssachen anhängig sind, zeigen, dass die Klägerin von vornherein mit einer größeren Anzahl von Interessenten an einem Studium an der privaten FHDW P. Praxisphasen-Verträge wie mit dem Beklagten abgeschlossen hat als ihr Bedarf an der Beschäftigung von Absolventen dieser Fachhochschule ist. Offensichtlich weiß die Klägerin bereits im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse, dass sie nicht allen ihren Vertragspartnern nach Ende des Studiums eine der Ausbildung entsprechende Tätigkeit anbieten wird. Insoweit liegt es nahe, dass die Rückzahlungsklausel in Ziffer 7.4 des Praxisphasen-Vertrages ausschließlich dem Zweck dient, der Klägerin (Arbeitgeberin) die Erstattung der Kosten zu garantieren, die ihr durch die Studiengebühren entstehen, die sie für die Vertragspartner gezahlt hat, die sie nach Ende des Studiums vorhersehbar nie in einem Arbeitsverhältnis beschäftigen wird. Verallgemeinert ausgedrückt, der Arbeitgeber zieht von vornherein in Betracht, dass ein Teil seiner in die Bildung investierten Kosten ins Leere geht, weil er nicht alle geförderten Qualifikationen nutzen will und kann. Die in Ziffer 7.4 "vereinbarte" Rückzahlungspflicht ist unter diesen Umständen nicht durch berechtigte Interessen der Klägerin als Arbeitgeberin gedeckt. Die Rückzahlungsklausel in Ziffer 7.4 des Vertrages berücksichtigt nicht die wechselseitig anzuerkennenden Interessen beider Vertragsparteien, sondern einseitig diejenigen einer Vertragspartei. Die Klausel dient allein der rücksichtslosen Durchsetzung der Interessen ihres Verwenders, des Arbeitgebers.

dd) Unbestritten hat der Beklagte mit der Ausbildung zum Diplom-Betriebswirt (FH) eine gehobene Qualifikation erworben und damit einen geldwerten Vorteil erlangt. In diesem Umfange sind die Interessen des anderen Vertragspartners, des Arbeitnehmers durchaus berücksichtigt. Die Benachteiligung ist allerdings größer. Der Arbeitnehmer verfügt einerseits über eine gehobene Qualifikation, welche allerdings auf einen bestimmten Arbeitgeber, die Klägerin, zugeschnitten ist (vgl. Ziffer 2.2 des Praxisphasen-Vertrages). Andererseits ist er verhältnismäßig hoch verschuldet (20.247,12 €), was die Suche nach einem Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber zusätzlich erschwert. Des Weiteren hat er keine Möglichkeit, das Entstehen der Rückzahlungspflicht zu verhindern, da ihm der Arbeitgeber, der die Studiengebühren finanziert hat, keine Möglichkeit einräumt, für ihn Arbeitsleistungen zu erbringen. Daneben musste der Beklagte wie alle Vertragspartner der Klägerin in der selben Lage mit der Rückzahlung der Studiengebühren nicht rechnen, solange die in Ziffer 7.2 und 7.3 geregelten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Denn die Klägerin hatte dafür gesorgt, dass das finanzielle Risiko, das der Einzelne mit dem Studium an der FHDW P. eingeht weitgehend unerkannt bleibt. In den Unterlagen (Bl. 27 bis 29 d. A.), mit denen sie für eine Fachhochschulstudium an der FHDW P. wirbt, und in den Gesprächen, die sie mit den Bewerbern führt, wird auf die Pflicht, die Studiengebühren, für die die Vertragskonstruktion "Darlehen" gewählt wird, dann zurückzahlen zu müssen, wenn die Klägerin als zukünftige Arbeitgeberin den Abschluss eines Arbeitsvertrages nach dem Studium nicht wünscht, nicht hingewiesen und eine berufliche Perspektive in ihrem Unternehmen als sicher hingestellt. Gegenüber dem Vertragspartner wird auf diese Weise sein finanzielles Risiko verharmlost, so dass er die Regelung in Ziffer 7.4 des Vertrages als "praktisch bedeutungslos" ansieht. Letztendlich führt die von der Klägerin als Arbeitgeberin ausgehende einseitige Vertragsgestaltung dazu, dass die betroffene Vertragspartei den sicher geglaubten Arbeitsvertrag, auf den sie drei Jahre vereinbarungsgemäß hinarbeitet, nicht erhält, nach dem Studium zumindest zeitweilig kein Arbeitseinkommen erzielt, mit Ausbildungskosten belastet wird, die sie, wäre sie sich des Risikos bewusst gewesen, hätte vermeiden können und die Kostenerstattung für die Klägerin garantiert ist. Unter diesen Umständen werden die Belange einer Vertragspartei von vornherein unzureichend berücksichtigt. Eine Ausbildung zum Diplom-Betriebswirt (FH) wäre genauso an einer öffentlichen Fachhochschule möglich, bei der solche hohe Studiengebühren nicht anfallen.

Dem Beklagten wurde im Übrigen kein mit dem Bafög vergleichbares Stipendium in Form eines Darlehens gewährt, wie das Arbeitsgericht ausgeführt hat.

In Ziffer 7.1 des Praxisphasen-Vertrages wird zwar die Bezeichnung "Stipendium" verwendet, tatsächlich führte die Klägerin aber direkt an die FHDW P. Studiengebühren ab. Bafög hingegen dient nicht der Finanzierung von Studiengebühren, sondern der Bestreitung der Lebensunterhaltskosten.

Aus den aufgeführten Gründen stellt die Rückzahlungsklausel in Ziffer 7.4. des Praxisphasen-Vertrages keine ausgewogene Gesamtregelung dar.

Nach alldem war das Urteil des Arbeitsgerichts Halberstadt vom 5. April 2006 auf die Berufung des Beklagten abzuändern und die Klage abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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