Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 475/07 E
Rechtsgebiete: TV-Ärzte, BÄrzteO


Vorschriften:

TV-Ärzte § 16
BÄrzteO § 1 Abs. 1
BÄrzteO § 3
BÄrzteO § 2
BÄrzteO § 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT SACHSEN-ANHALT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 9 Sa 475/07 E

verkündet am 24. April 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Eingruppierung

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2008 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter und als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 9. August 2007 - - 6 Ca 944/07 E - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt das beklagte Land.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Anrechenbarkeit der vom Kläger als Arzt im Praktikum zurückgelegten Zeiten für die Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) vom 30. Oktober 2006.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger studierte in der Zeit von 1995 bis 2001 an der Universität M. Medizin. Vom 1. Dezember 2001 bis zum 31. Mai 2003 war er am K. der M. F. der U. M. als Arzt im Praktikum tätig, und zwar zunächst bis zum 30. September 2002 in der Klinik für Strahlentherapie und im Anschluss daran bis zum 31. Mai 2003 in der Klinik für Allgemeinchirurgie und Plastische-, Wiederherstellungs- und Handchirurgie.

Der Kläger erledigte als Arzt im Praktikum regelmäßig überwiegend ärztliche Aufgaben in der Krankenversorgung. Er nahm die gleichen praktischen Aufgaben wahr wie die approbierten Ärzte und unterstand wie die Assistenzärzte der oberärztlichen Anleitung und Aufsicht. In der Klinik für Strahlentherapie war der Kläger für die Betreuung der stationären Patienten auf der Station STRA 01 mit 18 Betten verantwortlich. Er wurde im Laufe der Zeit auch selbständig als Stationsarzt in der unmittelbaren Patientenversorgung eingesetzt. Parallel zur Strahlentherapie verabreichte der Kläger Chemotherapie. Der Kläger wurde in der Klinik für Strahlentherapie im Schicht- und Bereitschaftsdienst eingesetzt. Ihm war eine entsprechende Bereitschaftsdienststufe zugewiesen. Bei diesen Diensten stand dem Kläger wie allen in der Klinik tätigen Ärzten ein sog. ober- bzw. fachärztlicher Hintergrunddienst zur Seite, der in Problem- und Zweifelsfällen herangezogen werden konnte. In der Klinik für Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie nahm der Kläger vom 1. Oktober 2002 bis 28. Februar 2003 die Tätigkeit eines Assistenzarztes auf der Intensivstation wahr. Er betreute insbesondere beatmete Patienten, führte Dialysen durch, übernahm frisch operierte und schwer verletzte Patienten auf die Intensivstation und betreute Transplantationspatienten, befasste sich mit der Verordnung und Kontrolle von Therapieplänen sowie der Anordnung und Befundung von Labor- und Röntgenuntersuchungen. Bereits nach kurzer Einarbeitungszeit wurde der Kläger allein zu Spät- und Nachtdiensten im Vordergrunddienst auf der Station eingesetzt. Auch dabei stand ihm wie auch den approbierten Ärzten ein oberärztlicher Hintergrunddienst im Rahmen einer Rufbereitschaft außerhalb der Klinik zur Seite.

Nach Beendigung der Zeit als Arzt im Praktikum erhielt der Kläger die Approbation als Arzt. Er ist seit dem 1. Juni 2003 als Assistenzarzt in der Klinik für Plastische-, Wiederherstellungs- und Handchirurgie des U. der U. M. des beklagten Landes beschäftigt. Am 00.00.2005 promovierte der Kläger zum Doktor der Medizin.

Das K. der M. F. der U. M. des beklagten Landes wurde zum 1. Januar 2006 nach § 7 Abs. 1 Satz 1 des Hochschulmedizingesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (HMG-LSA) vom 12.08.2005 (GVBl. LSA S. 508) in das U. der U., eine Anstalt des öffentlichen Rechts ungewandelt. Gemäß § 20 Abs. 3 HMG-LSA wurde zum 1. Januar 2006 der Teil der ärztlichen Mitarbeiter/innen, soweit sie ausschließlich oder überwiegend Aufgaben in der Krankenversorgung wahrnahmen, dem U. zugeordnet. Das hauptberuflich wissenschaftliche Personal und das diesem zugeordnete Personal ist weiter bei der U. beschäftigt und wird in den Stellenplänen deren m. F. geführt (§ 6 Abs. 3 HMG-LSA). Hierzu gehört der Kläger.

Er ist nach wie vor Angestellter des beklagten Landes.

Der Kläger ist seit 26. September 2005 Mitglied des Marburger Bundes. Das beklagte Land ist Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit fanden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 31. Oktober 2006 der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge für die TdL in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Seit dem 1. November 2006 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) vom 30.10.2006, dem Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte) und dem Tarifvertrag (§ 41) für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12.10.2006. Eine Ausnahme bilden die neuen Entgelttabellen für Ärzte (Anlagen A 1, A 2, B 1 und B 2 zum TV-Ärzte). Diese wendet die TdL gemäß Abschnitt III Ziffer 2 der Tarifeinigung mit dem Marburger Bund seit dem 1. Juli 2006 an.

Mit Schreiben des Dezernats Personalwesen der M. F. der U. M. vom 14.08.2006 wurde dem Kläger u. a. Folgendes mitgeteilt:

"... bis zum in Kraft treten der entsprechenden Tarifverträge zum 01.11.2006 wurden für die Zahlbarmachung Ihrer Bezüge ab 01.07.2006 folgende vorläufige Festlegungen getroffen:

Ihre Eingruppierung erfolgt gemäß der Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken im Tarifgebiet Ost als Arzt.

Anerkennung der Berufsjahre erfolgt ab dem 01.06.2003

Ihre wöchentliche Arbeitszeit beträgt 100%

das entspricht zur Zeit 42 Stunden.

...."

Der Kläger legte mit Schreiben vom 22.08.2006 Widerspruch ein. Er hat die Nichtberücksichtigung seiner ärztlichen Tätigkeit in der Patientenversorgung vom 1. Dezember 2001 bis 31. Mai 2003 gerügt.

Mit Schreiben des Dezernats Personalwesen der M. F. der U. M. vom 16.02.2007 wurde dem Kläger als endgültige Eingruppierung die Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 1 der Entgelttabelle zum TV-Ärzte unter Anerkennung seiner Berufsjahre ab dem 1. Juni 2003 mitgeteilt.

Der Kläger ist nach der Entgeltgruppe Ä 1 Stufe 4 TV-Ärzte vergütet worden. Er meint hingegen, er habe ab 1. Juli 2006 Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 1 Stufe 5 TV-Ärzte. Mit Schreiben vom Februar 2007 machte er die Differenzbeträge für die Monate Juli 2006 bis Januar 2007 und mit Schreiben vom März 2007 den Differenzbetrag für den Monat Februar 2007 gegenüber dem beklagten Land geltend.

Mit Schreiben des Dezernats Personalwesen der U. M. vom 14.03.2007 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Rechtslage zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine andere Entscheidung, die Anerkennung der Zeit als Arzt im Praktikum als Berufsjahre nicht zulasse.

Der Kläger hat am 26. April 2007 beim Arbeitsgericht Magdeburg Klage erhoben. Er hat vor dem Arbeitsgericht abschließend beantragt,

festzustellen, dass der Kläger ab 01.07.2006 nach der Vergütungsgruppe Ä 1 Stufe 5 des TV-Ärzte zu vergüten ist.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Darstellung des Tatbestandes im Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 9. August 2007 - 6 Ca 944/07 E - (S. 2, 3 des Urteils = Bl. 249, 250 d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht Magdeburg hat festgestellt, dass der Kläger ab 1. Juli 2006 nach der Vergütungsgruppe Ä 1 Stufe 5 TV-Ärzte zu vergüten ist.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, in die Entgeltgruppe Ä 1 TV-Ärzte sei gemäß § 12 dieses Tarifvertrages ein Arzt mit entsprechender Tätigkeit einzugruppieren. Diese Voraussetzung erfülle der Kläger, da er als Assistenzarzt an der U. tätig sei. Der Kläger befinde sich ab Juni 2007 im 5. Jahr seiner Tätigkeit als Assistenzarzt. Er erreiche die Stufe 5 ab 1. Juli 2006 daher nur, wenn die vor dem 1. Juni 2003 liegende Zeit als Arzt im Praktikum auf die Zeit ärztlicher Tätigkeit anzurechnen sei. Aus der Auslegung der Tarifbestimmung ergebe sich, dass eine Anrechnung der Zeit des Klägers als Arzt im Praktikum nach § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte nicht in Betracht komme. Denn mit dem Begriff "einschlägige Berufserfahrung" seien lediglich Zeiten ärztlicher Tätigkeit gemeint. Darunter wiederum seien Tätigkeiten eines Arztes zu verstehen. Der Begriff des Arztes werde durch gesetzliche Regelungen wie die Bundesärzteordnung (BÄrzteO) und die Approbationsordnung vorgegeben. Danach dürfe die Berufsbezeichnung "Arzt" nur führen, wer als Arzt nach inländischem Recht approbiert oder nach § 2 Abs. 2, 3 oder 4 BÄrzteO zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufes befugt sei (§ 2a BÄrzteO). Die Ärzte im Praktikum hätten hingegen gemäß § 10 Abs. 4 BÄrzteO a. F. nur eine auf eine Tätigkeit im Praktikum beschränkte Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes erhalten gehabt. Ihre Tätigkeit sei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BÄrzteO a. F. Teil der für die Vollapprobation erforderlichen Ausbildung gewesen. Die Zeit des Klägers als Arzt im Praktikum sei jedoch nach § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte als Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit zu berücksichtigen. Mit dieser Regelung hätten die Tarifparteien dem Arbeitgeber die Möglichkeit einräumen wollen, Berufserfahrungen aus vorangegangener Tätigkeit in einem arztverwandten Beruf anzurechnen. Berufserfahrung im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte könne nicht auf die Begrifflichkeiten der Bundesärzteordnung beschränkt verstanden werden. Berufserfahrung sei vielmehr allgemein als Sammeln beruflicher Erfahrungen nach dem Bestehen der Abschlussprüfung in dem betreffenden Beruf zu verstehen. Diese Voraussetzung sei bei der Tätigkeit als Arzt im Praktikum erfüllt. Vor deren Beginn habe der Kläger die ärztliche Prüfung erfolgreich abgelegt gehabt. Nach dem Praktikum habe keine weitere Überprüfung seiner Qualifikation stattgefunden. Die Vollapprobation sei unabhängig von dem Ausbildungserfolg des Arztes im Praktikum erteilt worden. Als Arzt im Praktikum sei der Kläger mit Aufgaben in der Krankenversorgung betraut gewesen und habe weitgehend die gleichen Aufgaben wie die approbierten Ärzte wahrgenommen. Der Kläger habe so berufliche Erfahrungen gesammelt. Das beklagte Land habe über die Anrechnung der Berufserfahrung des Klägers als Arzt im Praktikum in entsprechender Anwendung des § 315 BGB nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die dem Kläger mit Schreiben vom 16.02.2007 mitgeteilte Entscheidung des beklagten Landes, die Zeit als Arzt im Praktikum nicht als Zeit der Berufserfahrung anzurechnen, entspreche nicht billigem Ermessen.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 3 bis 7 des Urteils (Bl. 250 bis 254 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 22. August 2007 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 6. September 2007 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 21. November 2007 begründet.

Die am 28. Januar 2008 eingelegte Anschlussberufung nahm der Kläger am 10. April 2008 zurück.

Das beklagte Land ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Vergangenheit richtig entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch nach § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte habe. Der Tarifvertrag unterscheide nicht zwischen den Begriffen "Arzt" und "ärztlich". Arzt im Tarifsinne sei im Geltungsbereich der Bundesärzteordnung i. d. F. der Gesetzesänderung der Bundesärzteordnung vom 21.07.2004 nur derjenige, der eine Approbation als Arzt innehabe. Einschlägige Berufserfahrung im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte sei die Berufserfahrung als Arzt im medizinalrechtlichen Sinne. Damit scheide § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte als Anspruchsgrundlage für die Anrechnung von als Arzt im Praktikum zurückgelegten Zeiten aus. Soweit das Arbeitsgericht zu der Auffassung gelangt sei, dem Kläger stehe der Anspruch aus § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte zu, habe es verkannt, dass der Kläger keine Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit zurückgelegt habe. Richtig sei, dass der Kläger als Arzt im Praktikum nichtärztliche Tätigkeit im Tarifsinne verrichtet habe. Er habe jedoch keine Berufserfahrungen gesammelt. Die Zeit des Arztes im Praktikum sei nach der Approbationsordnung Ausbildungszeit gewesen. Mit der Formulierung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte hätten die Tarifvertragsparteien Berufsgruppen außerhalb jedweder ärztlicher Tätigkeit gemeint, z. B. Biochemiker, Pharmazeuten, Physiker. § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte könne nur auf Zeiten vollwertiger Berufsausübung, d. h. nach abgeschlossener Ausbildung Anwendung finden. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass Satz 2 vollwertige Berufsausübungszeiten, die mit dem Berufsbild des Arztes nicht in unmittelbarem Zusammenhang stünden, erfasse. Selbst wenn man der Argumentation des Arbeitsgerichts folgen wolle, hätte das Gericht zunächst prüfen müssen, ob die Tarifvertragsparteien durch die Verwendung des Wortes "kann" billiges Ermessen ausgeschlossen hätten und der Arbeitgeber Vertragsfreiheit genieße. Vorliegend hätten die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber die freie Entscheidung überlassen, ob er Zeiten anerkenne, und mit der Formulierung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte lediglich den Kreis der tariflich begünstigten Personen festgelegt. Es seien keine näher bestimmten Voraussetzungen formuliert, die den Anspruch auf die Anerkennung von Vorzeiten aus nichtärztlicher Tätigkeit bestimmten, und keine Umstände genannt, die der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen hätte. Ausreichend seien somit alle sachlichen Gründe, die von seiner Seite zur Rechtfertigung vorgebracht würden. Finanzielle Erwägungen seien daher nicht ausgeschlossen. Das Arbeitsgericht habe völlig unberücksichtigt gelassen, dass die Anrechnung der als Arzt im Praktikum zurückgelegten Zeiten bei dem beklagten Land zu erhöhten und nicht vertretbaren wirtschaftlichen Belastungen und sozialen Ungerechtigkeiten führe.

Das beklagte Land beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des beklagten Landes kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Ansicht, das Urteil des Arbeitsgerichts sei in der Begründung fehlerhaft. Die von ihm geleisteten Zeiten als Arzt im Praktikum seien allerdings zumindest als Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte zu berücksichtigen. Bis zum 1. Oktober 2004 habe sich die medizinische Ausbildung wie folgt gestaltet: 1. Staatsexamen (Physikum), 2. Staatsexamen, praktisches Jahr (PJ), 3. Staatsexamen, Teilapprobation im Sinne einer beschränkten Berufserlaubnis und Absolvierung der achtzehnmonatigen Zeit als Arzt im Praktikum. Vorliegend handele es sich mithin um eine andere begriffliche und tarifliche Situation als bei der zur Ablehnung seines Anspruchs nach § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte herangezogenen Rechtsprechung. Im BAT/BAT-O sei der Begriff "ärztliche Tätigkeit" nicht weiter definiert worden, weshalb auf den Begriff "Arzt" im gesetzlichen Bedeutungszusammenhang abgestellt und ärztliche Tätigkeit eben die Approbation, d. h. die Vollapprobation als Arzt im engeren Sinne vorausgesetzt habe. Im § 16 Abs. 2 TV-Ärzte hätten die Tarifvertragsparteien den Begriff "ärztliche Tätigkeit" in einem Obersatz gewählt und dann nach einem Doppelpunkt zwei Regelbeispiele oder Möglichkeiten formuliert, nämlich Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten und Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit. Zwar sei dem Arzt im Praktikum lediglich eine vorübergehende Berufserlaubnis erteilt gewesen, entscheidend sei jedoch, dass seine Rechte und Pflichten explizit denen eines voll approbierten Arztes gleichgestellt gewesen seien. Die Vorschriften der Bundesärzteordnung a. F. und der Ärztlichen Approbationsordnung a. F. hätten im Hinblick auf die auszuübende ärztliche Tätigkeit gerade nicht zwischen einer Vollapprobation und einer vorübergehenden Berufserlaubnis unterschieden. Da die Tarifvertragsparteien vorliegend weitere Formulierungen genutzt hätten und nicht nur an dem Begriff "ärztliche Tätigkeit" festhielten, sondern näher definierten, was hierunter fallen solle, sei bei der Auslegung des § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte nicht mehr nur auf den Begriff "Arzt" im ehemaligen gesetzlichen Bedeutungszusammenhang und auf das unabdingbare Vorliegen einer Vollapprobation abzustellen, sondern eben auf Zeiten einschlägiger Berufserfahrung. Einschlägige Berufserfahrung sei auch während der Zeit als Arzt im Praktikum gesammelt worden. Der Kläger bestreitet, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts zu erhöhten sowie nicht vertretbaren wirtschaftlichen und sozialen Ungerechtigkeiten beim beklagten Land führe.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 21.11.2007 und die Schriftsätze des beklagten Landes vom 26.02.2008 und 05.03.2008 nebst Anlage, auf die Berufungsbeantwortung vom 25.01.2008 und auf das Protokoll vom 10.04.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die statthafte Berufung des beklagten Landes ist frist- und formgerecht beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 lit. a) u. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520, ZPO). Die Berufung ist zulässig.

II. Die Berufung des beklagten Landes ist nicht begründet. Die erkennende Kammer des Landesarbeitsgerichts ist wie das Arbeitsgericht, wenn auch aus anderen Erwägungen, zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger ab 1. Juli 2006 in die Entgeltgruppe Ä 1 Stufe 5 TV-Ärzte einzuordnen ist.

A) Die Klage ist zulässig.

Der Kläger hat eine Eingruppierungsfeststellungsklage erhoben, wie sie im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. BAG vom 19. März 1986 - 4 AZR 470/84 - AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1875; BAG vom 5. November 2003 - 4 AZR 632/02 - AP Nr. 83 zu § 256 ZPO).

B) Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat seit 1. Juli 2006 Anspruch aus Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 1 Stufe 5 TV-Ärzte.

1. Der Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte) lautet auszugsweise:

§ 5 Stufenzuordnung Ärzte

Die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 12 TV-Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. Für die Stufenzuordnung bei der Überleitung zählen die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 16 Abs. 2 TV-Ärzte.

Der TV-Ärzte i. d. F. des § 41 Nr. 7 bzw. Nr. 11 TV-L lautet auszugsweise:

"§ 12 Eingruppierung

Die Beschäftigten sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehenden und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:

 EntgeltgruppeBezeichnung
Ä 1 Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit
Ä 2 Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

§ 16 Stufen der Entgelttabelle

(1) Die Entgeltgruppe Ä 1 umfasst fünf Stufen; die Entgeltgruppe Ä 2 bis Ä 4 umfassen drei Stufen. Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe nach den Zeiten ärztlicher (Ä 1), fachärztlicher (Ä 2), oberärztlicher (Ä 3) Tätigkeit beziehungsweise der Tätigkeit als ständiger Vertreter des leitenden Arztes (Chefarztes), die in den Tabellen (Anlagen C und D) angegeben sind.

(2) Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes: Bei der Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten für die Stufenzuordnung berücksichtigt. Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden.

(3) ...."

Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Kläger als Assistenzarzt an der U. M. zutreffend in die Entgeltgruppe Ä 1 TV-Ärzte eingruppiert ist.

2. Die vom Kläger vom 1. Dezember 2001 bis 31. Mai 2003 zurückgelegten Zeiten seiner Tätigkeit als Arzt im Praktikum sind gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte als Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung bei der Stufenzuordnung für die Stufenzuordnung des Klägers förderlich zu berücksichtigen.

Vorliegend steht zwischen den Parteien die Auslegung der Tarifnorm des § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte im Streit.

2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung der normativen Bestimmungen eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist unter Beachtung des Sprachgebrauchs und der Grammatik zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Führt dies zu keinem zweifelsfreien Auslegungsergebnis, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen (u. a. BAG vom 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, Zweck orientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG vom 9. Februar 2006 - 6 AZR 281/05 - zitiert nach juris).

2.2. Nach dem Wortlaut der Tarifnormen § 5 TVÜ-Ärzte und § 16 Abs. 2 Satz 1 HS 1 TV-Ärzte sowie dem Zusammenhang zwischen beiden Tarifnormen sind "Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit" die Zeiten ärztlicher Tätigkeit, die der betreffende Arzt vor seiner Einstellung in das im Zeitpunkt der Eingruppierung nach den Tätigkeitsmerkmalen der neuen Vergütungsordnung bestehende Arbeitsverhältnis zurückgelegt hat.

Vor dem 1. Juni 2003, also vor seiner Einstellung bei dem beklagten Land als Assistenzarzt in der Klinik für Plastische-, Wiederherstellungs- und Handchirurgie des U. der U. M. , war der Kläger vom 1. Dezember 2001 bis 31. Mai 2003 am K. der M. F. der U. M. des beklagten Landes als Arzt im Praktikum tätig.

2.3. Die Zeiten seiner Tätigkeit als Arzt im Praktikum sind für den Kläger als Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit und dem Kläger deshalb bei der Stufenzuordnung anzurechnen.

a) Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte soll die Berücksichtigung von Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderlich Zeiten für die Stufenzuordnung offensichtlich so verstanden werden, dass die Stufenzuordnung unter Anrechnung dieser Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung erfolgt.

b) Der Wortlaut des §16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte lässt offen, was die Tarifvertragsparteien unter dem tariflichen Begriff "ärztliche Tätigkeit" verstehen. Es fehlt auch an einer entsprechenden Protokollerklärung der Tarifvertragsparteien zu dieser Tarifnorm. Bei einer ärztlichen Tätigkeit handelt es sich jedoch begrifflich zweifelsfrei um die Tätigkeit einer Ärztin bzw. eines Arztes. Der Begriff "Arzt" bzw. "Ärztin" ist wiederum ein feststehender Begriff des Medizinalrechts der Bundesrepublik Deutschland, das für den ärztlichen Bereich in der Bundesärzteordnung (BÄrzteO) geregelt ist.

Im Zeitpunkt des Abschlusses des TV-Ärzte galt die Bundesärzteordnung i. d. F. des Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung und anderer Gesetze vom 21.07. 2004 (BGBl. Teil I 2004, 1176). Inzwischen hat sie weitere Änderungen erfahren, zuletzt durch Art. 4 GG vom 02.12.2007 (BGBl. Teil I 2007, 2686).

Nach § 1 Abs. 1 BÄrzteO dient der Arzt der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes. Nach § 2 Abs. 1 BÄrzteO ist die Ausübung des ärztlichen Berufes die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin". Nach § 1 Abs. 1 BÄrzteO bedarf derjenige, der im Geltungsbereich der Bundesärzteordnung den ärztlichen Beruf ausüben will, der Approbation als Arzt. Nach § 2 a BÄrzteO darf die Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin" nur führen, wer als Arzt approbiert oder nach § 2 Abs. 2, 3 oder 4 BÄrzteO zur Ausübung des ärztlichen Berufes befugt ist.

Nach § 2 Abs. 2 BÄrzteO ist eine vorübergehende oder auf eine bestimmte Tätigkeit beschränkte Ausübung des ärztlichen Berufes im Geltungsbereich der Bundesärzteordnung aufgrund einer Erlaubnis zulässig. Personen, denen eine Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes nach § 10 BÄrzteO erteilt worden ist, haben nach § 10 Abs. 6 BÄrzteO die Rechte und Pflichten eines Arztes.

Demnach darf im Geltungsbereich der Bundesärzteordnung derjenige ärztliche Tätigkeit ausüben, dem entweder die Approbation als Arzt oder eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufes oder eine Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes, beschränkt auf eine bestimmte Tätigkeit, erteilt ist.

c) Das Wort "einschlägig" wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als Synonym für "zu einem Gebiet oder Fach gehörend, darauf bezüglich, zutreffend", benutzt (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 16, 18. Aufl., Seite 419). Unter dem Begriff "Erfahrung" wird "ein Erlebnis, aus dem man lernt", aber auch "in der Praxis erworbene Kenntnisse und Übung" verstanden (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, aaO, Seite 549).

Hieraus ist abzuleiten, dass Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte Zeiten sind, in denen ein Arzt, dem nach § 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 BÄrzteO die Approbation oder dem nach Maßgabe des § 2 Abs. 2, 3 oder 4 i. V. m. § 10 BÄrzteO die Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes erteilt ist, in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit die ärztliche Tätigkeit betreffende Kenntnisse und Fertigkeiten erworben und erweitert hat.

Einschlägige Berufserfahrung im Tarifsinne erwirbt mithin auch derjenige, der den ärztlichen Beruf aufgrund einer Erlaubnis, die auf eine bestimmte ärztliche Tätigkeit beschränkt ist, ausübt. Hierzu gehört der Arzt im Praktikum.

Im Übrigen übte ein Arzt im Praktikum bereits nach dem Wortlaut der § 34 a Abs. 1 und 34 b der bis zum 30. September 2003 in Kraft gewesenen Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) den ärztlichen Beruf aus, war also ärztlich tätig. Denn § 34 a Abs. 1 ÄAppO a. F. lautete. "Die achtzehnmonatige Tätigkeit als Arzt im Praktikum ist nach Bestehen der Ärztlichen Prüfung abzuleisten. Voraussetzung ist eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs nach § 10 Abs. 4 der Bundesärzteordnung." § 34 b ÄAppO a. F. lautete: "Der Arzt im Praktikum wird unter Aufsicht von Ärzten, die eine Approbation als Arzt oder eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs nach § 10 Abs. 1 der Bundesärzteordnung besitzen, ärztlich tätig. Ihm ist ausreichend Gelegenheit zu geben, ärztliche Tätigkeiten auszuüben und allgemeine ärztliche Erfahrungen zu sammeln."

2.4. Dem Kläger war für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis zum 31. Mai 2003 nach § 10 Abs. 4 BÄrzteO in der bis zum 30.09.2003 gültigen Fassung eine auf die Tätigkeit als Arzt im Praktikum beschränkte Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes erteilt.

In Ausübung seiner Tätigkeit als Arzt im Praktikum verrichtete der Kläger tatsächlich keine andere Tätigkeit als ärztliche Tätigkeit. Jedenfalls waren die ärztliche Betreuung von stationären Patienten auf der Station STRA 01 mit 18 Betten in der Klinik für Strahlentherapie des K. der M. F. der U. M. , die unmittelbare Patientenversorgung, die Verabreichung von Chemotherapie, der Einsatz und das Tätigsein des Klägers im ärztlichen Schicht- und Bereitschaftsdienst nach Zuweisung einer Bereitschaftsdienststufe, seine Tätigkeit (bereits) als Assistenzarzt auf der Intensivstation in der K. für Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie des K. der M. F. der U. M. , die Betreuung von beatmeten Patienten, die Durchführung von Dialysen, die Übernahme frisch operierter und schwer verletzter Patienten auf die Intensivstation, die Betreuung von Transplantationspatienten, die Verordnung und Kontrolle von Therapieplänen sowie die Anordnung und Befundung von Labor- und Röntgenuntersuchungen durch den Kläger wohl eindeutig nichts anderes als ärztliche Tätigkeiten, die Ausübung des Heilberufes durch einen Arzt.

Das beklagte Land hat die Darlegung des Klägers, welche Aufgaben er als Arzt im Praktikum erfüllte, welche einzelnen Tätigkeiten er als Arzt im Praktikum ausübte, nicht bestritten. Die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen gelten damit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

Der Ausübung ärztlicher Tätigkeit über einen Zeitraum von 18 Monaten ist das Sammeln einschlägiger Berufserfahrung zwingend immanent. Folglich sind die vom Kläger als Arzt im Praktikum bei dem beklagten Land vor dem 1. Juni 2003 zurückgelegten Zeiten (18 Monate) als Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung anrechenbare Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit im Sinne der Tarifnorm des § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte. Die Anrechnung der als Arzt im Praktikum zurückgelegten Zeiten hat zur Folge, dass dem Kläger die Stufe 5 in der Entgeltgruppe Ä 1 TV-Ärzte bereits ab 1. Juli 2006 zuzuordnen ist.

3. Für eine Auslegung des § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte, wie sie das beklagte Land vornimmt, enthält der Wortlaut dieser Tarifnorm keine Anhaltspunkte, denn:

3.1. "Zeiten mit einschlägiger, d. h. ärztlicher Berufserfahrung" im Sinne § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte müssen, wie oben ausgeführt, nach der Bundesärzteordnung durchaus keine Zeiten sein, in denen der Beschäftigte den ärztlichen Beruf Heilkunde unter der uneingeschränkten Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin" ausgeübt hat, wie das beklagte Land behauptet. Es genügt auch die Ausübung ärztlicher Tätigkeit aufgrund einer erteilten Erlaubnis, die auf eine bestimmte ärztliche Tätigkeit beschränkt ist. Bei der Tätigkeit des Arztes im Praktikum handelte es sich auch nicht um eine ärztliche Tätigkeit außerhalb des Bereichs der Bundesärzteordnung.

3.2. Soweit das beklagte Land darauf verweist, der Arzt im Praktikum habe keine Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung zurücklegen können, weil er sich bei der Zeit als Arzt im Praktikum um Ausbildungszeit gehandelt habe, muss es sich die Protokollerklärungen zu den Nummern 1 und 2 zu § 16 Abs. 2 TV-L entgegenhalten lassen. Hier haben die Tarifvertragsparteien, einer davon gehört das beklagte Land an, erläutert, was sie unter dem Begriff "einschlägige Berufserfahrung" verstehen.

Nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 TV-L ist einschlägige Berufserfahrung eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit. Nach der Protokollerklärung Nr. 2 zu § 16 TV-L gilt ein Berufspraktikum nach dem Tarifvertrag über die vorläufige Weitergeltung der Regelungen für die Praktikantinnen/Praktikanten grundsätzlich als Erwerb einschlägiger Berufserfahrung. Bei diesem Berufspraktikum handelt es sich um die praktische Tätigkeit, die u. a. nach Abschluss des Fachhochschulstudiums der staatlichen Anerkennung als Sozialarbeiter, Sozialpädagoge, Heilpädagoge, Erzieher bzw. Kinderpflegerin vorauszugehen hat, wie es die praktische Tätigkeit des Arztes im Praktikum nach Abschluss des Hochschulstudiums vor Erteilung der Approbation tat.

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder hat als Tarifvertragspartei sowohl den TV-L als auch den TV-Ärzte abgeschlossen. Weil nach dem Willen der Tarifvertragsparteien des TV-L ein solches oben bezeichnetes Berufspraktikum grundsätzlich als Erwerb einschlägiger Berufserfahrung gilt, ist davon auszugehen, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte die zurückgelegten Zeiten als Arzt im Praktikum Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte sind.

3.3. Der Anrechnung der als Arzt im Praktikum zurückgelegten Zeiten als Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte steht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Eingruppierung der Ärzte nach der Anlage 1 a zum BAT/BAT-O nicht entgegen. Bei der Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 TV-Ärzte kommt es nicht darauf an, ob die Tätigkeit eines Arztes im Praktikum ärztliche Tätigkeit im Sinne der Vergütungsgruppen II, I b und I a des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT (Ärzte, Apotheker, Tierärzte, Zahnärzte) gewesen ist. Das mit dem TV-Ärzte neu eingeführte Vergütungssystem ist ein anderes als das in der Anlage 1 a zum BAT (Ärzte, Apotheker, Tierärzte, Zahnärzte) vereinbart gewesene. Letzteres kannte kein Tätigkeitsmerkmal mit der Bezeichnung "Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung". Dass es sich bei der Tätigkeit eines Arztes im Praktikum inhaltlich um ärztliche Tätigkeit gehandelt hat, hat die Rechtsprechung nicht in Abrede gestellt.

Nach alldem war die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück