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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: 1 Sa 202/07
Rechtsgebiete: ArbGG, AGG, KSchG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 72 a
AGG § 14
KSchG § 9
KSchG § 10
BGB § 273
BGB § 622 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6
BGB § 622 Abs. 2 Nr. 6
BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 1 Sa 202/07

Verkündet am 29.11.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 29.11.2007 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 28.02.2007 - 4 Ca 1945 b/06 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 17.10.2006 nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden ist, sondern bis zum 30.04.2007 fortbestanden hat.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Rechtsstreits.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise erklärten ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten wegen Arbeitsverweigerung.

Die am ...1956 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 16.09.1991 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich den zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.

Das Arbeitsverhältnis unterlag spätestens ab 2006 erheblichen Spannungen unter wechselseitigen Schuldvorwürfen hinsichtlich der Verursachung.

Durch Schreiben vom 28.08.2006 (Bl. 29 d. A.) ließ die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass sich die Klägerin als Ziel einer systematischen und zielgerichteten Schikanierung im Arbeitsalltag sehe, die bereits zu Erkrankungen der Klägerin geführt hätten und kündigte an, entsprechenden Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche geltend zu machen. Durch Schreiben vom 04.10.2006 kündigte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten an:

...

Nach diesseitiger Auffassung sind die Arbeitsbedingungen unzumutbar. Unsere Mandantin ist fortlaufend entwürdigenden Verhaltensweisen insbesondere durch die Geschäftsführung ausgesetzt, die sie nicht länger hinzunehmen bereit ist. Es wird von Ihrer Mandantschaft erwartet, dass spätestens bis zum 10.10.2006 Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die unsere Mandantin vor herabsetzende Äußerungen der Geschäftsführung, entwürdigenden Hilfsarbeiten schützt und sicher stellt, dass sie zu den vertraglich vereinbarten Bedingungen und im Übrigen zu sicheren und nicht gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen arbeiten kann.

Sollte dies nicht spätestens bis zu dem vorgenannten Datum sichergestellt sein, wird unsere Mandantin ab dem 11.10.2006 von ihrem Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung Gebrauch machen (Bl. 21 - 22 d. A.). ....

Hierauf erwiderten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten durch Schreiben vom 05.10.2006 (Bl. 31 d. A.) und baten um Erläuterung der von der Klägerin geltend gemachten Belastungen und kündigten an, für den Fall, des Gebrauchmachens vom Zurückbehaltungsrecht ihrer Mandantin zu raten, "unverzüglich alle erforderlichen Schritte einzuleiten".

Die Klägerin erschien ab dem 11.10.2006 nicht mehr zur Arbeit. Durch Schreiben der Beklagten vom 17.10.2006 an die Klägerin und der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 18.02.2006 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen Termin, nach Auffassung der Beklagten zum 31.12.2006 (Bl. 7 + 8 d. A.).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Sie hat behauptet, sie sei aufgrund verschiedener unzumutbarer Umstände am Arbeitsplatz, beginnend ungefähr im Oktober 2001, einer Mobbingsituation ausgesetzt gewesen, die von verschiedensten Handlungen der Geschäftsführerinnen der Beklagten ausgehe und etwa die ungerechtfertigte Maßregelung vor den Kolleginnen verschiedenster Art, systematische Ausgrenzung, ungewünschte Ausbreitung privater Dinge der Klägerin und unzuträglicher Veränderung der Arbeitsinhalte und des Arbeitsplatzes im allgemeinen sowie auch Beleidigungen umfasse, die auch Arbeitsunfähigkeitszeiten etwa in der Zeit vom 16.03. bis 06.04.2006 und sodann vom 25.05. bis 02.06.2006 zur Folge gehabt hätten. Das alles habe sich zum Oktober 2006 hin zugespitzt und sei für die Klägerin nicht mehr hinnehmbar gewesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet: Es liege eine beharrliche Arbeitsverweigerung der Klägerin vor. Die Klägerin sei unabhängig von den von der Klägerin behaupteten vorausgegangenen Handlungen der Geschäftsführerin der Beklagten und der weiteren Umstände aus dem Arbeitsverhältnis nicht berechtigt gewesen, ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben. Die pauschalen Hinweise in der Ankündigung des Zurückbehaltungsrechts durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 04.10.2006 seien nicht geeignet, als Grundlage des Zurückbehaltungsrechts zu dienen. Ein Zurückbehaltungsrecht solle dem Grunde nach eine Zug um Zug Leistung von wechselseitigen Verpflichtungen sichern. Die genaue Bezeichnung der geforderten Handlungen bzw. Forderungen ist daher unerlässlich, da anderenfalls der Schuldnerseite (hier: der Arbeitgeber) keine Möglichkeit eingeräumt wird, die vertraglich vereinbarte Leistung wieder in Anspruch zu nehmen durch Beseitigen der zur Grundlage des Zurückbehaltungsrechts gemachten Umstände zu ermöglichen.

Gegen dieses ihr am 24.04.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.05.2007 Berufung eingelegt und die Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am bis zum 20.07.2007 am 17.07.2007 durch Telekopie und am 18.07.2007 durch Originalschriftsatz begründet.

Die Klägerin wendet sich gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts, sie habe ihr Zurückbehaltungsrecht nicht wirksam ausgeübt. Das Arbeitsgericht habe die hier vorliegende besondere Fallgestaltung nicht berücksichtigt und im Übrigen § 14 AGG übersehen. In ihrem Schreiben vom 04.10.2006 habe sie alle Vorwürfe dargestellt. Den Geschäftsführerinnen sei im Einzelnen bekannt gewesen, was damit gemeint gewesen sei. Auch bei einem Vortrag aller Tatsachen, die Inhalt des Schriftsatzes vom 26.01.2007 seien, würde der Geschäftsführung nicht über eine Tatsache mehr Kenntnis verschafft haben.

Die Klägerin beantragt,

1. Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 17. Oktober 2006 nicht aufgelöst wird.

2. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die Kündigung der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 18. Oktober 2006 aufgelöst wird.

3. Das Arbeitsverhältnis wird gem. §§ 9, 10 KSchG zum 30. April 2007 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, die aber € 25.000,00 nicht unterschreiten sollte, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Es habe kein Zurückbehaltungsrecht bestanden. Die Klägerin versuche seit Januar 2006 eine Kündigung seitens der Beklagten zu provozieren und dies allein mit dem Ziel eine Abfindung zu erhalten. Im Übrigen enthalte das Schreiben zur Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes lediglich Floskeln. Die Klägerin könne die Gründe für das Zurückbehaltungsrecht auch nicht im Rechtsstreit fortsetzen. Für § 14 AGG seien die gleichen Voraussetzungen anzuwenden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist dem Wert der Beschwer nach statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache ist sie zum Teil gerechtfertigt.

1. Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht darin, dass die Klägerin durch ihr an die Beklagte gerichtetes Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 04.10.2006 ihr Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat. Zutreffend hat das Arbeitsgericht angenommen, dass für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts die gleichen Grundsätze wie für die Abmahnung im Arbeitsverhältnis gelten. Erforderlich ist, dass dem Gegner konkret mitgeteilt wird, welche einzelnen Verhaltensweisen beanstandet werden, ein pauschaler Hinweis reicht hierfür nicht aus. Das Berufungsgericht nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug.

2. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist das Berufungsgericht aber der Auffassung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung, sondern erst durch die hilfsweise fristgemäß ausgesprochene Kündigung beendet worden ist. Nach § 622 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BGB bedeutet dies, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.04.2007 beendet worden ist.

a) Dem Arbeitsgericht ist zunächst darin zu folgen, dass in den Fällen einer sog. beharrlichen Arbeitsverweigerung in aller Regel eine außerordentliche Kündigung als gerechtfertigt anzusehen ist. Grundsätzlich ist eine nachhaltige rechtswidrige und schuldhafte Arbeitsverweigerung an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB geeignet. Weigert sich der Arbeitnehmer, die ihm im Rahmen einer rechtmäßigen Ausübung des Weisungsrechts zugewiesene Tätigkeit auszuführen, so kann dies im Falle der sog. beharrlichen Arbeitsverweigerung den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen. Danach setzt die beharrliche Arbeitsverweigerung in der Person des Arbeitnehmers Nachhaltigkeit im Willen voraus; der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen (BAG, Urt. vom 05.04.2001, BAGE 97, 276 mit Nachw; Urt. vom 21.11.1996, AP Nr. 130 zu § 626 BGB). Diese Voraussetzungen liegen auch nach Auffassung des Berufungsgerichts an sich vor. Die Klägerin hat angekündigt, dass sie ggf. ab dem 11.10.2006 von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen werde und damit ihrer Arbeitspflicht ab diesem Zeitpunkt bis auf Weiteres nicht mehr nachkommen werde. Der Beklagten ist es aber dennoch zuzumuten, das Arbeitsverhältnis bis zur fristgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen.

b) Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung scheitert daran, dass sie nicht mit der erforderlichen Klarheit angedroht worden ist. Die Klägerin musste mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen für den Fall rechnen, dass sie ab 11.10.2006 ihre Arbeitspflicht nicht mehr erfüllt. Nicht rechnen musste sie aber mit dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Die Beklagte hat durch ihren Prozessbevollmächtigten in seinem Schreiben an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 05.10.2006 die außerordentliche Kündigung überhaupt nicht angedroht, sondern lediglich angekündigt, er werde für den Fall des Gebrauchmachens vom Zurückbehaltungsrecht der Beklagten raten, "unverzüglich alle erforderlichen Schritte einzuleiten". Um welche konkreten Schritte es sich dabei handeln soll, wird nicht näher ausgeführt. Aus diesem Grund war es der Beklagten nach Auffassung des Berufungsgerichts zuzumuten, die Klägerin, nachdem sie von ihrem vermeintlichen Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht hat, nochmals zur Arbeitsaufnahme aufzufordern und für den Fall, dass sie dem nicht nachkommt, eine außerordentliche Kündigung anzudrohen.

c) Das Arbeitsverhältnis ist danach durch die hilfsweise ausgesprochene fristgemäße Kündigung mit Wirkung zum 30.04.2007 beendet worden. Die Kündigungsfrist ergibt sich aus § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB. Das Arbeitsverhältnis bestand im Kündigungszeitpunkt seit dem 16.09.1991, d. h. seit über 15 Jahren. Die Betriebszugehörigkeit ist auch voll anzurechnen, weil die Klägerin bei ihrem Eintritt bei der Beklagten das 25. Lebensjahr bereits vollendet hatte.

Es war nach alledem wie erkannt zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92, 97 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) lagen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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