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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 20.01.2009
Aktenzeichen: 1 Ta 206/08
Rechtsgebiete: AVR, KSchG, ArbGG


Vorschriften:

AVR § 30
KSchG § 4
KSchG § 4 S. 1
KSchG § 7
ArbGG § 111 Abs. 2
ArbGG § 111 Abs. 2 S. 1
ArbGG § 111 Abs. 2 S. 3
ArbGG § 111 Abs. 2 S. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ta 206/08

20.01.2009

Im Beschwerdeverfahren

betr. Prozesskostenhilfe

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 20.01.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 29.09.2008 - 1 Ca 891 d/08 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für eine Kündigungsschutzklage.

Die Klägerin war seit dem 01.08.2007 bei dem Beklagten in einem Berufsausbildungsverhältnis zur Ausbildung im Ausbildungsberuf Hauswirtschafterin beschäftigt.

Mit Schreiben vom 30.06.2008 kündigte der Beklagte das Ausbildungsverhältnis "ordentlich gemäß § 30 AVR mit Wirkung zum 31.08.2008".

Mit ihrer am 15.07.2008 beim Arbeitsgericht Neumünster eingegangenen Kündigungsschutzklage hat die Klägerin Feststellung beantragt, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 30.06.2008 nicht aufgelöst worden ist, sowie dass das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.08.2008 zu den bisherigen Bedingungen ungekündigt fortbesteht. Gleichzeitig hat die Klägerin beantragt, ihr für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr einen Rechtsanwalt beizuordnen.

Der Beklagte kündigte das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 17.07.2008 fristlos. Gegen diese Kündigung hat sich die Klägerin mit ihrer am 01.08.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung gewandt und beantragt, festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien auch durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 17.07.2008 nicht aufgelöst worden ist.

In diesem Schriftsatz teilte die Klägerin weiterhin mit, dass sie mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.07.2008 den Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer Lübeck angerufen hat.

Am 25.09.2008 einigten sich die Parteien in der Schlichtungsverhandlung vor dem Ausschuss auf eine Beendigung des Ausbildungsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen zum 30.09.2008. Die Parteien haben den Vergleich sogleich anerkannt.

Das Arbeitsgericht Neumünster hat der Klägerin mit Beschluss vom 29.09.2008 Prozesskostenhilfe für die Klage wegen fehlender Aussicht auf Erfolg versagt. Bis zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens sei die Klage unzulässig gewesen. Nach Abschluss des Verfahrens sei die Klage unbegründet.

Mit ihrer am 27.10.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen den ihr Prozesskostenhilfegesuch versagenden Beschluss. Sie meint, sie habe die Kündigungsschutzklage innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG erheben müssen, um den Eintritt der Fiktion des § 7 KSchG zu verhindern. Durch die Anrufung des Schlichtungsausschusses werde die Klagefrist weder gehemmt noch gewahrt.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 569 Abs. 1 und 2 ZPO). In der Sache ist sie jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht wegen fehlender Aussicht auf Erfolg zurückgewiesen.

1. Die Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG, für die die Klägerin Gewährung von Prozesskostenhilfe begehrt hat, war unzulässig. Soweit gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG ein Schlichtungsausschuss gebildet ist, ist die Anrufung des Schlichtungsausschusses nach allgemeiner Auffassung zwingende Prozessvoraussetzung für die Klage. Ob diese Voraussetzung vorliegt, hat das Arbeitsgericht von Amts wegen zu prüfen. Eine ohne vorherige Anrufung des Schlichtungsausschusses beim Arbeitsgericht erhobene Klage ist unzulässig (BAG 09.10.1979 - 6 AZR 776/77 - AP ArbGG 1953 § 111 Nr. 3; BAG 13.04.1989 - 2 AZR 441/88 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 21; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG 6. Aufl., § 111 Rz. 19 ff.). Zwar setzt die Anrufungspflicht nach dem Wortlaut des § 111 Abs. 2 S. 1 ArbGG voraus, dass ein Berufsausbildungsverhältnis besteht. Daraus folgt, dass dann, wenn das Berufsausbildungsverhältnis vor Einreichung der Klage bereits beendet ist, der Schlichtungsausschuss nicht mehr zuständig ist. Es entspricht jedoch allgemeiner Ansicht, dass der Schlichtungsausschuss auch dann zuständig ist, wenn gerade darüber gestritten wird, ob das Ausbildungsverhältnis durch (außerordentliche) Kündigung wirksam beendet worden ist (BAG 18.10.1961 - 1 AZR 437/60 - AP ArbGG 1953 § 111 Nr. 1; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG 6. Aufl., § 111 Rz. 17).

Daraus folgt, dass die Klägerin gehalten war, den bei der Industrie- und Handelskammer Lübeck gebildeten Ausschuss gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG anzurufen, bevor sie Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhebt. Ihre vor Abschluss des Schlichtungsverfahrens (am 25.09.2008) erhobene Klage war demnach unzulässig.

Aus diesem Grund kann offen bleiben, ob die vorsorglich erhobene Klage sogar mutwillig war (so LAG Schleswig-Holstein 09.07.2008 - 1 Ta 102/08 -).

2. Für den zu beurteilenden Fall ist nicht entscheidend, innerhalb welcher Frist die Klägerin den Schlichtungsausschuss anrufen musste (vgl. hierzu Schwab/Weth/ Zimmerling, ArbGG 2. Aufl., § 111 Rz. 13 ff.). Erst dann, wenn der vom Schlichtungsausschuss gefällte Spruch nicht innerhalb einer Woche von beiden Parteien anerkannt wird, kann gemäß § 111 Abs. 2 S. 3 ArbGG binnen 2 Wochen nach ergangenem Spruch Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden. Diese 2-wöchige Klagefrist gilt auch dann, wenn es sich um eine Kündigungsschutzklage handelt. Aus diesem Grund bestand für die Klägerin kein Anlass, die Kündigungsschutzklage schon vor Abschluss des Schlichtungsverfahrens beim Arbeitsgericht zu erheben.

Etwas anderes belegen auch die von der Klägerin in Bezug genommenen Ausführungen von Linck in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 11. Aufl., § 136 Rz. 30 nicht. Dort heißt es, dass durch die Anrufung einer Schlichtungsstelle (z. B. § 44 AVR-Diakonie) die Klagefrist weder gehemmt noch gewahrt wird. Darauf bezieht sich auch die zum Beleg angeführte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 25.01.1994 (LAGE § 4 KSchG Nr. 24). Damit ist also nicht der Ausschuss gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG gemeint. Das verdeutlichen die weiteren Ausführungen von Linck (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 11. Aufl. § 138 Rnr. 8), denn dort heißt es: "Die Vorschriften über die fristgebundene Klageerhebung (§ 4, § 13 Abs. 2 KSchG) sind allerdings dann nicht auf außerordentliche Kündigungen von Berufsausbildungsverhältnissen anzuwenden, wenn gemäß § 111 Abs. 2 S. 5 ArbGG eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Berufsausbildungsverhältnis gebildeten Schlichtungsausschuss stattfinden muss. Der Klageerhebung kann dann nur der Einwand der Prozessverwirkung entgegengehalten werden. Die in § 111 Abs. 2 S. 5 ArbGG vorgeschriebene Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuss ist eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung für die Klage."

3. Auch die weitere Beschwerdebegründung der Klägerin überzeugt nicht. Zwar ist richtig, dass eine vor Anrufung eines eingerichteten Schlichtungsausschusses erhobene Kündigungsschutzklage zulässig wird, wenn das Schlichtungsverfahren abgeschlossen ist (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG 6. Aufl., § 111 Rnr. 25). Im vorliegenden Fall hat das Schlichtungsverfahren durch einen Vergleich geendet. Aufgrund dieses Vergleichs hat das Ausbildungsverhältnis der Parteien sein Ende gefunden. Das wiederum hat dazu geführt, dass die Kündigungsschutzklage der Klägerin zwar zulässig geworden ist; die Klage war aber nunmehr mangels bestehenden Ausbildungsverhältnisses unbegründet.

4. Schließlich hat die Klägerin geltend gemacht, die Versagung der Prozesskostenhilfe sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar. Der Justizgewährungsanspruch für finanziell minderbemittelte Personen wie Auszubildende laufe leer. Hierzu beruft sich die Klägerin - soweit zutreffend - auf die allgemeine Ansicht, wonach im Verfahren gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG keine Prozesskostenhilfe gewährt werden kann (vgl. LAG Nürnberg 30.04.1997 - 4 Ta 52/97 - LAGE § 114 ZPO Nr. 29; LAG Düsseldorf 01.03.1990 - 14 Ta 371/89 - JURBüro 1990, 748; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge/Prütting, a. a. O. Rz. 69).

Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob die Versagung von Prozesskostenhilfe im Verfahren vor dem Schlichtungsausschuss mit grundgesetzlichen Bestimmungen in Einklang zu bringen ist oder das Prinzip der Waffengleichheit verletzt (vgl. dazu Schwab/Weth/Zimmerling a. a. O. Rnr. 37, der die Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe für gerade noch hinnehmbar hält). Denn im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin nicht Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG, sondern für eine unzulässige bzw. unbegründete Kündigungsschutzklage. Für eine solche Klage, die keine Aussicht auf Erfolg hat, ist nicht deshalb Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil es die Klägerin unterlassen hat, für das zunächst durchzuführende Verfahren gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG Prozesskostenhilfe oder Beratungs- bzw. Vertretungshilfe zu beantragen. Die Frage der Verletzung des Justizgewährungsanspruchs wäre bei Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Schlichtungsausschuss zu diskutieren gewesen, und zwar unter Berücksichtigung der Möglichkeit, Beratungs- und Vertretungshilfe in Anspruch zu nehmen (vgl. hierzu Schwab/Weth/Zimmerling a. a. O. Rnr. 38).

Der Beschwerdeführer trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, ohne dass es eines Kostenanspruchs bedarf (Zöller/Philippi ZPO § 127 Rz. 39). Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kam nicht in Betracht.

Ende der Entscheidung

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