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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 01.09.2006
Aktenzeichen: 1 Ta 53/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
Auch wenn der Berufungskläger die Berufung lediglich "zur Fristwahrung "eingelegt hat, sind die der Gegenseite durch die Beauftragung eines Anwalts entstehenden Kosten grundsätzlich erforderlich im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO. Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist. Es kann ihr daher nicht zugemutet werden, zunächst die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien vor Einlegung der Berufung ein sog. Stillhalteabkommen vereinbart haben.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ta 53/06

Im Beschwerdeverfahren

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 01.09.2006 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.02.2006 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte/Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Kostenfestsetzung des Arbeitsgerichts Lübeck.

Die Beschwerdeführerin hat am 21.11.2005 gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 13.10.2005 - 2 Ca 1289/95 - Berufung eingelegt. In der Berufungsschrift wird darauf hingewiesen, dass die Berufungseinlegung nur zur Fristwahrung erfolge, die Parteien verhandelten derzeit außergerichtlich. Zugleich hat die Beschwerdeführerin um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat gebeten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungsschrift der Klägerseite zugestellt und zugleich die Frist zur Begründung der Berufung antragsgemäß verlängert. Die Berufungsschrift und die Verfügung über die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sind dem Klägervertreter am 28.11.2005 zugegangen.

Durch Schriftsatz vom 14.12.2005 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ihre Vertretung angezeigt. Am 23.12.2005 hat die Beschwerdeführerin die Berufung zurückgenommen.

Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin durch Beschluss vom 23.12.2005 der Beschwerdeführerin die durch die Berufung entstandenen Kosten auferlegt.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sodann am 16.01.2006 beantragt, die Kosten zweiter Instanz gem. § 104 ZPO festzusetzen und ist hierbei von einer Verfahrensgebühr 1,6 ausgegangen.

Die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Lübeck hat sodann durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.02.2006 die zu erstattenden Kosten gem. §§ 104, 91 Abs. 1 ZPO auf 264,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2006 festgesetzt und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen.

Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 21.02.2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 03.03.2006 eingegangene sofortige Erinnerung, die die Beschwerdeführerin wie folgt begründet:

Mit Schreiben vom 18.11.2005 sei der Klägerinvertreter ausdrücklich darum gebeten worden, im Hinblick auf die schwebende Vergleichsverhandlung keine Kosten auslösenden Maßnahmen zu treffen. Gleichzeitig sei Berufung eingelegt und um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gebeten worden. Der Klägerinvertreter habe sich in der Folgezeit nicht geäußert, insbesondere habe er es nicht abgelehnt, eine Stillhaltevereinbarung zu schließen. Es entspreche jedoch anwaltlichem Berufsrecht, derartige Schreiben zu beantworten, es gebe auch eine allgemeine Übung in diesem Sinne. Die Kosten seien demzufolge nicht notwendig gewesen und könnten deswegen nicht festgesetzt werden.

Die Klägerin hat hierauf entgegnet, dass das vermeintliche Stillhalteabkommen spätestens dem Telefax vom 13.12.2005 sein Ende gefunden habe (Abl. Bl. 131 d. A.). Dennoch hätten sich die Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin eine weitere Woche Zeit gelassen, bevor die Berufungsrücknahme erklärt worden sei.

Die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Lübeck hat der von der Beschwerdeführerin eingelegten sofortigen Erinnerung - umzudeuten in das gegebene Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde - nicht abgeholfen und dies wie folgt begründet:

Es bestehe allenfalls dann kein Erstattungsanspruch, wenn zugesagt worden sei, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen Rechtsanwalt für die Rechtsmittelinstanz zu bestellen. Teilweise werde auch vertreten, dass die Bindung an das Stillhalteabkommen schon als entfallend anzusehen sei, wenn - wie vorliegend - Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt sei. Überdies entstehe die Gebühr nach VV 3201 durch das Tätigwerden des Anwalts aufgrund des Auftrags seiner Mandantschaft. Dieses Tätigwerden müsse nicht nach außen in Erscheinung treten. Im Übrigen liege hier auch kein Stillhalteabkommen vor. Das Argument, dass ein Tätigwerden des Rechtsanwalts im Berufungsverfahren solange objektiv nicht erforderlich sei, wie die Rechtsmittelkläger über die Durchführung des Berufungsverfahrens noch nicht entschieden hätten, sei unerheblich, da dieser Aspekt mangelnde Erstattbarkeit der vollen Gebühr nach VV 3200 von Bedeutung sei.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 11 Abs. 2 RPflG, 567 ZPO). In der Sache ist sie ohne Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Vergütung gegen die Beschwerdeführerin ordnungsgemäß festgesetzt. Die Einwendungen der sofortigen Beschwerde sind unbegründet.

1. Festzusetzen sind die Kosten, die erforderlich sind (§ 91 Abs. 1 ZPO). Maßgebend bei der Beurteilung ist nicht, ob die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten im konkreten Fall nützlich oder gar notwendig war, sondern ob eine verständige Prozesspartei in der gleichen Situation ebenfalls einen Anwalt beauftragen würde. Dies kann im Regelfall, solange die Berufung nicht wieder zurückgenommen ist, auch für den Fall dass die Berufung "lediglich zur Fristwahrung" eingelegt worden ist, nicht verneint werden. Die mit einer einem Rechtsmittel überzogene Partei kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist. Ihr kann daher nicht zugemutet werden, zunächst die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten (BGH, Beschl. vom 17.12.2002 - X ZB 9/02 -, AnwBl. 2003, S. 2 an 42; dem folgend Zöller/Herget, 25. Aufl., § 91 ZPO Rz. 13 Berufung).

2. Die Meldung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wäre nur dann nicht erforderlich gewesen, wenn zwischen den Parteien ein sog. Stillhalteabkommen vereinbart worden wäre. Das ist nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht der Fall. Hierüber ist lediglich verhandelt worden. Diese Verhandlungen sind auch spätestens mit dem Fax der Klägervertreter am 13.12.2005 (Abl. Bl. 131 d. A.) ergebnislos beendet worden sind. Es wäre nunmehr Sache der Beschwerdeführerin gewesen, unverzüglich die Berufung zurückzunehmen. Da dies nicht geschehen ist, ist vergütungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seine Vertretung beim Berufungsgericht angezeigt hat.

2.

Aus diesen Gründen war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (§ 97 ZPO).

Ende der Entscheidung

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