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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 01.09.2006
Aktenzeichen: 1 Ta 76/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 115
ZPO § 115 Abs. 1 S. 1
ZPO § 115 Abs. 1 S. 2
ZPO § 115 Abs. 3
ZPO § 120 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ta 76/06

Im Beschwerdeverfahren

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 01.09.2006 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 06.03.2006 aufgehoben.

Dem Arbeitsgericht wird aufgegeben, über den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen unter Berücksichtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts erneut zu entscheiden.

Gründe:

I.

Der Kläger hat am 26.10.2005 Klage auf Zahlung der Vergütung für die Zeit von November 2004 bis Dezember 2005 erhoben und zugleich beantragt, ihm hierfür ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F... zu bewilligen. Er hat zugleich eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen eingereicht und weitere Belege nachgereicht. Außerdem hat er am 21.11.2005 Kündigungsschutzklage erhoben (4 Ca 4266 c/05).

Am 08.02.2006 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, wonach der Kläger noch aus Vergütung für den Zeitraum November 2004 bis Dezember 2005 eine Gehaltszahlung in Höhe von insgesamt 23.000,00 EUR netto nebst Zinsen erhält.

Das Arbeitsgericht Kiel hat durch Beschluss vom 06.03.2006 dem Kläger für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F... bewilligt. Zugleich hat es angeordnet, dass der Kläger sich an den Prozesskosten für beide Rechtsstreite durch einen einmaligen Betrag in Höhe von insgesamt 2.300,00 EUR, mithin für diesen Rechtstreit in Höhe von 1.150,00 EUR, zu beteiligen hat. Es hat dies wie folgt begründet:

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein seien 10 % der zu erwartenden Zahlungen als Einmalbetrag vom Kläger zu leisten. Daraus ergebe sich, dass er für dieses und das Parallelverfahren jeweils 1.150,00 EUR aufzubringen habe.

Gegen diesen seinem Prozessbevollmächtigten am 08.03.2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 06.04.2006 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde. Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, dass es sich bei den Zahlungen um rückständige Gehaltszahlungen handele, die er habe vorfinanzieren und er dem gemäß im Falle einer etwaigen Beitreibung zurückzuzahlen habe. Vor Abschluss der Kreditvereinbarung habe er, der Antragsteller, bekanntlich seine Lebenshaltungskosten durch Aufzehrung seines Vermögens und die Inanspruchnahme von Schenkungen seiner Eltern finanziert. Er werde aber bei Zahlung der Vergleichssumme tatsächlich so gestellt, als habe er das vereinbarte Gehalt regelmäßig monatlich erhalten. Das führe dazu, dass ihm beitragsfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen gewesen sei.

Das Arbeitsgericht Kiel hat durch Beschluss vom 12.04.2006 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Es ist unverändert der Auffassung, dass es dem Kläger zuzumuten sei, sich für beide Verfahren in Höhe von insgesamt 10 % der zu erwartenden Zahlungen an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen. Die Rüge des Klägers, er habe die Gehaltszahlungen vorfinanzieren müssen, greife nicht. Bei der Prüfung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse seien die tatsächlichen Gegebenheiten und nicht die hypothetischen zugrunde zu legen. Im Übrigen sei fraglich, ob bei einer zugrunde zu legenden Nettovergütung in Höhe von 1.728,35 EUR und Mieteinnahmen in Höhe von 225,00 EUR überhaupt Prozesskostenhilfe zu bewilligen gewesen sein würde. Da der Antragsteller Ersparnisse, Darlehen und Zuwendungen zur Gestaltung seines Lebensunterhalts habe einsetzen müssen, sei zu seinen Gunsten dergestalt berücksichtigt worden, dass kein zur Verfügung stehendes Einkommen angenommen worden sei.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und in der Sache begründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht angeordnet, dass der Kläger sich an den Kosten des Rechtsstreits in Höhe von 1150,00 EUR zu beteiligen hat.

Die Entscheidung ist aus zwei Gründen fehlerhaft. Die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts zum Einsatz von Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes als Vermögen im Sinne von § 115 ZPO ist auf den Fall einer Nachzahlung von Vergütung nicht anzuwenden (1.) Überdies setzt die Berücksichtigung als Vermögen voraus, dass Nachtzahlung bei Beschlussfassung bereits an den Kläger gezahlt worden ist. Das ist nicht der Fall (2).

1. Eine in einem Betrag nachgezahlte Vergütung kann nicht wie eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes als Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO eingesetzt werden (hierzu z.B. Landesarbeitsgerichtes Schleswig Holstein, Beschl. vom 01.09.2005 - 1 Ta 131/05 -). Die Abfindung ist eine besondere Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und wird zusätzlich zur Vergütung gezahlt. Hingegen dient die Vergütung in erster Linie zur Bestreitung des Lebensunterhalts und ist als Einkommen im Sinne von § 115 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO zu behandeln. Dabei muss es auch bleiben, wenn die Vergütung deswegen in einem Betrag nachgezahlt wird, weil der Arbeitgeber mit der Zahlung der Vergütung in Verzug geraten ist, andernfalls würde der Arbeitnehmer, der ohnehin durch die Säumnis des Arbeitgebers belastet ist, gegenüber dem Arbeitnehmer, der seinen Lohn termingerecht erhält, benachteiligt, ohne dass dafür sachliche Gründe vorliegen.

2. Das Arbeitsgericht konnte bei der Anordnung der Ratenzahlung auch nicht den zu zahlenden Gesamtbetrag von 23.000,00 EUR zu Grunde legen. Zum einen war im Hinblick auf die Säumnis des Arbeitgebers nicht sicher, dass der Betrag insgesamt fließt, zum anderen hat das Arbeitsgericht übersehen, dass der Betrag ratenweise zu zahlen war, mithin den Zeitpunkt der Zahlung der Raten für den Kläger gar nicht als Vermögen in dieser Höhe verfügbar war. Nach seinen Angaben hat er im Übrigen bis Juli 2006 auch erst und verspätet 12.250,00 EUR erhalten, wobei lediglich Raten in Höhe von 750,00 EUR und nicht - wie im Vergleich vereinbart - in Höhe 1625,00 EUR gezahlt worden sind.

3. Bei der erneuten Entscheidung wird das Arbeitsgericht folgendes zu berücksichtigen haben:

Stünde mit großer Wahrscheinlichkeit fest, dass die Beklagte ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich ordnungsgemäß erfüllen würde, wäre bei der Berechnung des monatlichen Einkommens von dem Gesamtbetrag in Höhe von 23.000,00 EUR auszugehen. Dieser Gesamtbetrag wäre auf die 14 Monate umzurechnen (1.642,85 EUR monatlich). Sollte der Gesamtbetrag wider Erwarten nicht gezahlt werden, hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, Herabsetzung der Raten gemäß § 120 Abs. 4 ZPO zu beantragen.

Hingegen ist dem Arbeitnehmer der Weg über § 120 Abs. 4 ZPO nicht zuzumuten, wenn - wie hier - Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß erfüllen wird. In diesem Falle sind lediglich die Zahlungen zu berücksichtigen, die bis zum erneuten Beschluss des Arbeitsgerichts beim Kläger eingegangen sind (zurzeit sind dies 12.250,00 EUR).

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.

Ende der Entscheidung

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