Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 31.05.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 67/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 315
BGB § 611
Vereinbart ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern einzelvertraglich ein "Leistungspaket", das u.a. die "freiwillige" Weitergabe von tarifvertraglichen Gehaltssteigerungen, bedeutet das nicht, dass der Arbeitgeber sich die Leistung generell immer wieder vorbehalten will.

Dem Wort "freiwillig" muss nicht so verstanden werden, dass ein Rechtsanspruch ausgeschlossen werden soll.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 2 Sa 67/05

Verkündet am 31.05.2005

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 31.05.2005 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 13.01.2005 - 2 Ca 1398/04 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 20 %.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Weitergabe von Tariflohnerhöhungen der Metallindustrie Schleswig-Holstein im Zusammenhang mit der Einführung des Entgelt-Rahmen-Abkommens (ERA) aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung. In einem Parallelverfahren (2 Ca 3254/03 bzw. 2 Sa 66/05) werden Ansprüche aus dem Jahr 2003 geltend gemacht.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.04.1986 als Angestellter beschäftigt. Er ist Vorsitzender des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Im Monat April 2003 erhielt er ein Grundgehalt von 3.515,10 EUR brutto zuzüglich einer erfolgsbezogenen Prämie in Höhe von 249,29 EUR. Im Monat September 2003 belief sich sein Grundgehalt auf 3.590,39 EUR. Die erfolgsbezogene Prämie betrug 277,41 EUR. Im März 2004 erhielt er 3.617,32 EUR Grundgehalt.

Die Beklagte ist nicht tarifgebunden. Inhalt des zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsverhältnisses ist das sog. Leistungspaket der Beklagten (BI. 10 d. A. ff.), das auf das Arbeitsverhältnis mit dem Stand Juli 1996 Anwendung findet. Dieses lautet auszugsweise:

4.1 In der A. GmbH werden marktgerechte Gehälter gezahlt. Es erfolgt mangels Tarifbindung keine Eingruppierung, z.B. entsprechend den Bestimmungen der Metallindustrie. Das Gehalt unterteilt sich in ein Grundgehalt als anforderungsbezogenem Entgeltbestandteil und einen freiwilligen, erfolgsbezogenen Prämienanteil.

4.2 Es wird ein Jahresgehalt vereinbart, welches sich unterteilt in 12 Monatsentgelte. Das Monatsentgelt besteht aus einem anforderungsbezogenen und einem erfolgsbezogenen Teil gemäß Ziffer 1.4.

4.3 Die A. GmbH wird die in der Metallindustrie Schleswig-Holstein zwischen den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Gehaltssteigerungen in Summe, bezogen auf das anforderungsbezogene Entgelt freiwillig an alle Beschäftigten weitergeben, soweit dies aus wirtschaftlichen Gründen vertretbar ist und soweit es sich nicht um strukturelle Änderungen handelt. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation wird dabei an den Plan- und Ist-Zahlen sowie der generellen Einschätzung der weiteren Geschäftssituation erfolgen. Hierüber entscheidet die Geschäftsleitung jeweils nach entsprechendem Tarifabschluss. Die Entscheidung ist mit dem Betriebsrat vor Umsetzung zu beraten. Die zur Verfügung stehende Summe wird zu 50 % als generelle, kollektive Erhöhung auf das anforderungsbezogene Gehalt weitergegeben. Die übrigen 50 % sind der individuellen Gehaltsüberprüfung vorbehalten.

Die Mitglieder des Nordverbund e.V., bestehend aus Nordmetall (Hamburg), Nordmetall (Wilhelmshaven) und der IG Metall Bezirk Küste (Hamburg), haben u.a. für das Tarifgebiet Schleswig-Holstein ihr Verhandlungsergebnis in einer Erklärung vom 24. Mai 2002 niedergelegt (BI. 6 ff d. A.). Dort heißt es:

3. Mit Wirkung ab 1. Juni 2002 erhöht sich das Tarifvolumen um insgesamt 4 %, mit Wirkung ab 1. Juni 2003 um weitere 3,1 %. Diese Erhöhungen werden jeweils wie folgt auf zwei Komponenten verteilt:

3.1 Mit Wirkung ab 1. Juni 2002 werden die Löhne und Gehälter um 3,1 % erhöht, mit Wirkung ab 1. Juni 2003 um weitere 2,6 %.

3.2 Das restliche Erhöhungsvolumen von 0,9 % bzw. 0,5 % fließt in ERA-Strukturkomponenten.

3.2.1 Die Beschäftigten erhalten:

a. für die Zeit vom 01.06.2002 bis 31.12.2002 mit der Abrechnung Juli 2002 die erste ERA-Strukturkomponente als Einmalzahlung. Diese berechnet sich wie folgt: 8,24 x 0,9 % : 1,031 x

b. für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.05.2003 mit der Abrechnung April 2003 die erste ERA-Strukturkomponente als Einmalzahlung. Diese berechnet sich wie folgt: 5,00 x 0,9 % : 1,031 x

c. für die Zeit vom 01.06.2003 bis 31.12.2003 mit der Abrechnung vom September 2003 die zweite ERA-Strukturkomponente als Einmalzahlung. Diese berechnet sich wie folgt: 8,24 x 0,5 % : 1,026 x individuelles regelmäßiges Monatsentgelt des Auszahlungsmonats (feste sowie leistungs- und zeitabhängige variable Bestandteile ohne Mehrarbeitsvergütung), soweit es Gegenstand der Erhöhung gemäß Ziffer 3.1 dieser Vereinbarung war.

Die Beklagte zahlte die nach Ziffer 3.2.1 a) vorgesehene Einmalzahlung aus. Zu dieser Zeit gehörte sie noch dem D.-Konzern an, der entschieden hatte, auch in nicht tarifgebundenen Unternehmen diese Einmalzahlung auszukehren . Die 3,1 %ige Erhöhung gab sie mit Wirkung ab 01. Juni 2002 an den Kläger weiter, desgleichen die 2,6 %ige Erhöhung ab dem 01.06.2003. In dem Parallelverfahren hat der Kläger die Einmalzahlungen aus der 1. und 2. ERA-Strukturkomponente für die Zeit vom 1.1.2003 bis 31.5.2003 sowie ab dem 1.6.2003 bis 31.12.2003 geltend gemacht.

Bis zum 31.12.2003 ist der ERA-Tarifvertrag für die Metallindustrie Schleswig-Holstein abgeschlossen worden.

Mit Wirkung vom 1.3.2004 trat eine weitere Tariferhöhung in Kraft (Verhandlungsergebnis Bl. 19 ff. d.A.), das u.a. folgende Regelungen enthält:

1. Für die Monate Januar und Februar 2004 geltend die Lohn-, Gehalts- und Ausbildungsvergütungstafeln, gültig ab 1. Juni 2003, weiter.

2. Mit Wirkung ab 1. März 2002 erhöht sich das Tarifvolumen und insgesamt 2,2 %, mit Wirkung ab 1. März 2005 um weitere 2,7 %. Diese Erhöhungen werden jeweils wie folgt auf zwei Komponenten verteilt:

2.1 Mit Wirkung ab 1. März 2004 werden die Löhne und Gehälter um 1,5 % erhöht, mit Wirkung ab 1. März 2005 um weitere 2,0 %.

2.2 Das restliche Erhöhungsvolumen von 0,7 % und nochmals 0,7 % fließt in ERA-Strukturkomponenten.

2.2.1 Soweit aufgrund des Einführungsvertrages ERA vom 11.9./18.12.2003 in den Betrieben nichts Abweichendes geregelt ist, erhalten die Beschäftigten

a) für die Zeit vom 01.01.2004 bis 20.06.2004 mit der Abrechnung vom März 2004 die zweite und dritte ERA-Strukturkomponente als Einmalzahlung. Diese berechnet sich wie folgt:

[(2 x 0,5 % : 1,026 : 1,015) + (4,69 x 0,7 % : 1,015)] = 4,2 % x

b) ...

individuelles regelmäßiges Monatsentgelt des Auszahlungsmonats (feste sowie leistungs- und zeitabhängige variable Bestandteile ohne Mehrarbeitsvergütung), soweit es Gegenstand der Erhöhung gemäß Ziffer 2.1 dieser Vereinbarung war.

Der jeweils vereinbarte Faktor ist verbindlich, die Formeln erklären den Rechenweg...

2.4 Die ERA-Entgelte laut ERA-Tabelle vom 2003 erhöhen sich mit Wirkung ab 1. März 2004 um 1,5 %, mit Wirkung ab 1. März 2005 um weitere 2,0 %.

Zum 1.3.2004 hat die Beklagte eine Entgelterhöhung um 2,25 % vorgenommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Tariflohnerhöhung auch für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis zum 28.02.2004 zu. Diese belaufe sich auf 105,04 EUR und rechtfertige sich aus Ziffer 6 des Verhandlungergebnisses vom 24.5.2002 (BI. 10 d.A), wonach bei Nichtabschluss des ERA-Tarifvertrags bis zum 31.12.2003 die Tabellenwerte um 1,3645 % zu erhöhen seien. Es handele sich um die Fortsetzung der als Einmalzahlung geltend gemachten 0,9% und 0,5% aus dem Parallelrechtstreit, die aufgrund der indivduellen Verteilungskriterien im Ergebnis 1,4628% betragen müsse. Zwar sei der ERA-Tarifvertrag bis zum 31.12.2003 abgeschlossen worden, so dass die beiden Einmalzahlungen bestehend aus der ersten und zweiten ERA-Strukturkomponente in den sog. Anspartopf fließen sollten. Da jedoch bei der Beklagten als nicht tarifgebundenem Unternehmen ein solcher Topf nicht bestehe und das Erhöhungsvolumen aus Sicht der Tarifvertragsparteien den Arbeitnehmern aber in Summe zufließen sollte, seien die Erhöhungen aus 0,9 und 0,5 % in rechnerischer Höhe von 1,3645 % bzw. nochmals korrigiert nach individuellen Kriterien des Leistungspakets an den Kläger weiterzugeben.

Die Beklagte habe auch die "normale" 1,5 % Entgeltsteigerung aus der dritten ERA-Strukturkomponente für die Monate März 2004 bis August 2004 entsprechend dem Verhandlungsergebnis vom 20. Februar 2004 weiterzugeben.

Schließlich stünde dem Kläger auch die Einmalzahlung aus der dritten Strukturkomponente in Höhe von 0,7 % vom 1.1.2004 bis zum 30.6.2004 zu. Alle Zahlungen stellten Gehaltssteigerungen im Sinne des Leistungspaketes dar.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Gehalt für die Monate Januar und Februar 2004 in Höhe von 105,04 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf je 52,52 EUR brutto seit dem 01.02.04 und 01.03.04 zu zahlen,

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Gehalt für die Monate März und April 2004 in Höhe von 105,82 EUR brutto nebst 5 Zinsen über dem Basiszinssatz auf je 52,91 EUR brutto seit dem 01.04.04 und 01.05.04 zu zahlen,

3. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 153,00 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.4.04 zu zahlen,

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Gehalt für die Monate Mai, Juni, Juli und August 2004 in Höhe von 423,28 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf je 105,82 EUR brutto seit dem 01.06.04, 01.07.2004,01.08.04 und 01.09.04 zu zahlen.

hilfsweise

für den Fall des nicht vollen Obsiegens mit den Anträgen zu 1., zu 2. oder 4.:

Die Beklagte wird verurteilt, bezogen auf die 1,3645%ige Tariferhöhung ab 01.01.04 der Metallindustrie Schleswig-Holstein und bezogen auf die 1,5 %ige Tariferhöhung ab 01.03.04 in der Metallindustrie Schleswig-Holstein dem Kläger Auskunft über die Höhe der von der Beklagten betriebseinheitlich angewendeten "Leistungspakets" für den Kläger vorgesehenen Tarifweitergabe zu geben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe die geltend gemachte Zahlung nicht zu. Das Verhandlungsergebnis bestehe in einer strukturellen Veränderung des gesamten Tarifgefüges, da mit der Einführung von ERA sämtliche Eingruppierungen zum Zwecke der stufenweisen Angleichung von Arbeitern und Angestellten grundsätzlich umgestellt würden. Ab diesem Zeitpunkt würden daher die Tarifergebnisse im Sinne des Vorbehalts im Leistungspaket für die Beklagte keine Wirkung mehr entfalten. Im Übrigen stehe die Übertragung von Gehaltssteigerungen ausdrücklich auch unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit. Jedenfalls bestehe der Anspruch nicht in der vom Kläger begehrten Höhe, da die Gehaltssteigerung jeweils nur auf das anforderungsbezogene Entgelt und damit ohne Berücksichtigung der darüber hinaus gezahlten Prämie zu berechnen sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.1.2005 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 75,96 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2004 zu zahlen, ferner dem Kläger bezogen auf die 1,5 % ige Tariferhöhung ab dem 1.3.2004 in der Metallindustrie Schleswig-Holstein Auskunft über die Höhe der nach dem Leistungspaket vorgesehenen Tarifweitergabe zu erteilen, im Übrigen aber die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die von beiden Parteien rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt er vor, zutreffend sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Formulierung zu Ziff. 4.3 in dem zwischen den Parteien als Vertragsbestandteil vereinbarten "Leistungspaket", wonach die Beklagte die in der Metallindustrie Schleswig-Holstein zwischen den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Gehaltssteigerungen "freiwillig" an alle Beschäftigten weitergeben werde, dahin auszulegen sei, dass die Beklagte sich damit lediglich ohne zwingenden Grund, nämlich wegen fehlender Tarifgebundenheit, dazu verpflichtet habe, die Verhandlungsergebnisse der Tarifverhandlungen an ihre Arbeitnehmer weiterzugeben. Eine absolute Freiwilligkeit sei damit nicht gewollt. Damit seien aber sämtliche erstinstanzlich gestellten Anträge in voller Höhe, mit Ausnahme des Antrags zu 4, begründet. Keine der von den Tarifvertragsparteien in der Metallindustrie Schleswig-Holstein vereinbarten Zahlungen an die Arbeitnehmer habe strukturverändernden Charakter i.S. des "Leistungspaketes".

Ihm stehe - Antrag zu 1 - die vereinbarte Gehaltserhöhung per 1.1.2005 zu. Darauf, dass der ERA-TV abgeschlossen worden sei, könne die Beklagte sich nicht berufen. Sinn der Ziff. 6 des Verhandlungsergebnisses sei, in den Betrieben, in denen wegen des ERA-TV ein Ausgleichskonto gebildet sei, das Tariferhöhungsvolumen auf dieses Ausgleichskonto zu leiten. In den anderen Betrieben solle das Tariferhöhungsvolumen weiterhin den Arbeitnehmern als direkter Anspruch zustehen. Wille der Tarifvertragsparteien sei es, das Volumen der Erhöhung zu erhalten. Da bei der Beklagten ein Anspartopf nicht gebildet sei, sei auch hier die Tariferhöhung voll an die Arbeitnehmer weiterzugeben. Diese Situation tauche auch in den tarifgebundenen Betrieben auf, in denen eine Umsetzung des ERA noch nicht stattgefunden habe und ein Anspartopf nicht gebildet sei. Im Jahr 2002 sei die Entgeltlinie, d.h. die tabellenwirksamen Entgelte zunächst um ca. 1,4 % dadurch abgesenkt worden, dass 2 Einmalzahlungen vereinbart worden seien, die sich nicht in der Tabelle niedergeschlagen hätten. Das setze sich bei späteren Erhöhungen fort. Diese 1,4 % verlange er mit dem Klagantrag zu 1 in der aus tariflichen Gründen korrigierten Höhe von 1,3645 %. Dieser Anspruch stehe ihm auch in voller Höhe zu. Nach Ziff. 4.3 des Leistungspaketes sei die tarifliche Leistung zu 50 % kollektiv, also an alle Arbeitnehmer in gleicher Höhe und zur anderen Hälfte nach individueller Verteilung durch die Beklagte zu zahlen. Dieser zweite Teil stehe ihm ebenfalls zu. Die Beklagte habe sich nicht wirksam vorbehalten, von der generellen, kollektiven, d.h. gleichmäßigen Verteilung abzuweichen. Der im Betrieb der Beklagten gebildete Betriebsrat sei nicht beteiligt worden, obwohl ihm ein Mitbestimmungsrecht zustehe. Auf den Auskunftsanspruch könne er, der Kläger, nicht verwiesen werden, da diese Auskunft nicht zu einer Klärung beitragen könne. Die Auskunft wäre nämlich nicht verbindlich. Daher sei dem Hauptantrag in vollem Umfang stattzugeben. Unter Zugrundelegung seines Grundgehalt im Dezember 2003 von 3.590,39 EUR brutto und eines Erhöhungswertes von 1,3645 % ergebe sich eine monatliche Tariferhöhung von 48,99 EUR brutto, bei dem individuellen Anpassungsfaktor von 1,4628 % errechne sich der geforderte Betrag von 52,52 EUR brutto. Höchst vorsorglich mache er im Wege der Stufenklage den Auskunftsanspruch geltend, den das Arbeitsgericht in seinem Urteil als gegeben gesehen habe.

Mit den Anträgen zu 2 und 4 fordere er die Tariferhöhung um 1,5 % ab dem 1.3.2004, und zwar mit dem Antrag zu 2 für die Monate März und April 2004 und mit dem Antrag zu 4 für die Monate Mai bis August 2004 in Höhe von je 54,64 EUR. Diese Forderung folge aus der Tariferhöhung ab 1.3.2004 auf 3.642,91 EUR (s. Antrag zu 1). Das dem Kläger für die Monate Januar und Februar 2004 zustehende Gehalt sei um die Tariferhöhung ab 1.3.2004 zu steigern. Zwar habe die Beklagte ab dem 1.3.2004 3.617,32 EUR gezahlt. Damit sei die Forderung aber nicht vollständig erfüllt. Vielmehr stehe ihm ab dem 1.3.2004 monatlich 3.697,55 EUR zu. Die offene Differenz betrage 80,23 EUR monatlich, die er erstinstanzlich falsch berechnet habe. Auch hier gelte, dass die Beklagte den vollen Umfang der Tariferhöhung weitergeben müsse. Sie dürfe sich, wie bereits ausgeführt, nicht auf ihren Vorbehalt individueller Prüfung im "Leistungspaket" berufen. Höchst vorsorglich mache er mit dem Hilfsantrag den Auskunftsanspruch und im Wege der Stufenklage einen Zahlungsantrag geltend.

Der Antrag zu 3 betreffe die Einmalzahlung der 2. und 3. ERA-Strukturkomponente. Das Arbeitsgericht habe die Forderung ausgehend von einem Gehalt von 3.617,32 EUR errechnet, da es der Auffassung sei, dass ihm nicht für die Monate Januar und Februar 2004, sondern erst ab März eine Gehaltssteigerung zustehe. Tatsächlich sei die Einmalzahlung aber unter Berücksichtigung eines Entgelts in Höhe von 3.642,91 EUR (Gehalt für Dezember 03 in Höhe von 3.590,39 EUR zuzügl. Tariferhöhung gem. Antrag zu 1. in Höhe von 52,52 EUR) zu errechnen. Auch hier fordere er die volle Einmalzahlung. Auch hier könne er für die zweite Hälfte nicht auf den Auskunftsanspruch gegen die Beklagte verwiesen werden. Höchst vorsorglich mache er mit dem Hilfsantrag den Auskunftsanspruch und im Wege der Stufenklage einen Zahlungsantrag geltend.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 13.01.05 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck, Az. 2 Ca 1898/04

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Gehalt für die Monate Januar und Februar 2004 in Höhe von 105,04 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf je 52,52 EUR brutto seit dem 01.02.04 und 01.03.04 zu zahlen,

hilfsweise hierzu

Die Beklagte zu verurteilen, bezogen auf die 1,3645 %ige Tariferhöhung ab 01.01.04 der Metallindustrie Schleswig-Holstein dem Kläger Auskunft über die Höhe der von der Beklagten gern. Ziff. 4.3 Satz 6 des von der Beklagten betriebseinheitlich angewendeten "Leistungspakets" für den Kläger vorgesehenen Tarifweitergabe zu geben und im Wege der Stufenklage die Beklagte zur Bezahlung einer nach der Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe der Tariferhöhung ab 01.01.04 in der Metallindustrie Schleswig-Holstein für die Monate Januar 04 und Februar 04 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.04 und dem 01.03.04 zu verurteilen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Gehalt für die Monate März und April 2004 in Höhe von 105,82 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf je 52,91 EUR brutto seit dem 01.04.04 und 01.05.04 zu zahlen,

hilfsweise hierzu die Beklagte zu verurteilen, bezogen auf die 1,5 %ige Tariferhöhung ab 01.03.04 in der Metallindustrie Schleswig-Holstein dem Kläger Auskunft über die Höhe der von der Beklagten gem. Ziff. 4.3 Satz 6 des von der Beklagten betriebseinheitlich angewendeten "Leistungspakets" für den Kläger vorgesehenen Tarifweitergabe zu geben und im Wege der Stufenklage die Beklagte zur Bezahlung einer nach der Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe der 1,5 %igen monatlichen Tariferhöhung ab 01.03.04 für die Monate März 2004 und April 2004 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.04.04 und 01.05.04 zu verurteilen,

3. die Beklagte zur Bezahlung weiterer 77,04 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.04 zu verurteilen, hilfsweise hierzu, die Beklagte zu verurteilen, bezogen auf die in der Metallindustrie Schleswig-Holstein für den Zeitraum vom 01.01.04 bis 30.06.04 vereinbarte zweite und dritte ERA-Strukturkomponente als Einmalzahlung (nach der Berechnung: 4,2 x individuelles regelmäßiges Monatsentgelt des Auszahlungsmonats März 2004) dem Kläger Auskunft über die Höhe der von der Beklagten gern. Ziff. 4.3 Satz 6 des von der Beklagten betriebseinheitlich angewendeten "Leistungspakets" für den Kläger vorgesehenen Tarifweitergabe zu geben und im Wege der Stufenklage die Beklagte zur Bezahlung einer nach der Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe der ERA-Strukturkomponente als Einmalzahlung für die Zeit vom 01.06.04 bis 30.06.04 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.04.04 zu verurteilen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Gehalt für die Monate Mai, Juni, Juli und August 2004 in Höhe von 320,92 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf je 80,23 EUR brutto seit dem 01.06.04, 01.07.04, 01.08.04 und 01.09.04 zu zahlen, hilfsweise hierzu die Beklagte zu verurteilen, bezogen auf die 1,5 %ige Tariferhöhung ab 01.03.04 in der Metallindustrie Schleswig-Holstein dem Kläger Auskunft über die Höhe der von der Beklagten gem. Ziff. 4.3 Satz 6 des von der Beklagten betriebseinheitlich angewendeten "Leistungspakets" für den Kläger vorgesehenen Tarifweitergabe zu geben und im Wege der Stufenklage die Beklagte zur Bezahlung einer nach der Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe der 1,5 %igen monatlichen Tariferhöhung ab 01.03.04 für die Monate Mai, Juni, Juli und August 2004 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.06, 01.07., 01.08. und 01.09.04 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie trägt vor, dem Kläger stehe nicht eine generelle Erhöhung des Entgelts um 1,4268 % ab dem 1.1.2004 zu. Ziff. 6 des Verhandlungsergebnisses vom 24.5.2002 sehe dies nicht vor. Danach sei eine Erhöhung der Tabellenwerte nur für den Fall des Nichtzustandekommens des ERA bis zum 31.12.2003 vorgesehen worden. Auch sei eine Abhängigkeit bei der Anhebung des Tabellenwertes zur Bildung bzw. dem Bestehen des Anspartopfes nicht hergestellt worden. Auch bei den tarifgebundenen Unternehmen sei es nicht zu einer Erhöhung der Tabellenwerte gekommen.

Die Beklagte sei aber nicht nach Ziff. 4.3 des Leistungspakets verpflichtet, Gehaltssteigerungen an den Kläger weiterzugeben. Der Wortlaut der Regelung enthalte einen Freiwilligkeitsvorbehalt. Hinzu komme, dass mit der Einführung des ERA einen strukturelle Änderung des Tarifsystems i.S. der Ziff. 4.3 des Leistungspakets erfolgt sei. Dazu gehörten auch die als Einmalzahlung vorzunehmenden sog. ERA-Strukturkomponenten, die Kostenneutralität bei der Überführung des alten Tarifsystems in das neue Tarifsystem, ERA, sicherstellen sollten. Der tabellenwirksame Teil der Tariferhöhung i.H.v. 3,1 % ab 1.6.2002 stelle nicht eine "normale" Entgeltsteigerung dar, sondern gehöre zur Strukturänderung. Bereits am 24.5.2002 seien die wesentlichen Eckpunkte des ERA-TV für den Nordverbund vereinbart worden. Dieses Verhandlungsteilergebnis habe endgültig gelten sollen. Seither sei die Beklagte nicht mehr an die Tarifabschlüsse der Metall- und Elektroindustrie in Schleswig-Holstein gebunden. Die Vereinbarungen des Verhandlungsergebnisses mit Wirkung ab 1.6.2002 seien für die Beklagte nicht mehr verbindlich. Es könne nicht angenommen werden, dass nur die strukturellen Änderungen punktuell ausgenommen sein sollen und dass dies durch die Bedeutung des Wortes "soweit" in Satz 1 der Ziffer 4.3. des Leistungspaketes zum Ausdruck kommen solle. Durch eine strukturelle Änderung des Tarifgefüges müsse eine "Bindung" an tarifvertragliche Regelungen vollständig entfallen. Sie habe ihren Arbeitnehmern freiwillig den tabellenwirksamen Teil der ausgehandelten Entgeltsteigerung zum 1.6.2002 weitergegeben, obwohl ein Anspruch hierauf nicht bestanden habe.

Die vom Kläger mit den Anträgen zu 1 bis 4 geltend gemachten Zahlungs- und Auskunftsansprüche stünden ihm nicht zu. Der Kläger hat nicht Anspruch auf Erhöhung des Tabellenwertes, noch Anspruch auf Weitergabe der zwischen den Tarifvertragsparteien der Metallindustrie ausgehandelten Tariferhöhungen, noch auf die Zahlung der ERA-Strukturkomponenten. Ein Anspruch bestehe schon dem Grunde nach nicht. Der Kläger könne aber auch nicht die zweiten 50 % der Tariferhöhung als generelle, kollektive Erhöhung auf das anforderungsbezogene Gehalt verlangen. Die sog. 50-%-Regelung des Leistungspaketes sei wirksam. Zahlungen, die aufgrund dieser Regelung in der Vergangenheit vorgenommen worden seien, seien rechtmäßig erfolgt. Das Leistungspaket sei zwischen den Parteien wirksam vereinbart worden. Im Arbeitsvertrag des Klägers sei auf das Leistungspaket Bezug genommen. Dieses sei damit Vertragsinhalt der Arbeitsvertragsparteien geworden.

Auch eine kollektivrechtliche Prüfung führe nicht zu einer anderen Bewertung. Es seien in den zurückliegenden Jahren immer wieder Verhandlungen über die Schaffung einer betrieblichen Entgeltstruktur, welche auch die Verteilung des leistungsbezogenen Anteiles beinhaltete, durchgeführt worden. Bereits für das Jahr 2004 habe sie, die Beklagte, beschlossen von der sog. 50-%-Regelung des Leistungspaketes keinen Gebrauch mehr zu machen und diesen Anteil der Entgelterhöhung gleichmäßig auf alle Mitarbeiter zu verteilen. Am 28.1.2005 habe sie sich gegenüber dem Betriebsrat verbindlich zu einer gleichmäßigen Weitergabe von Entgelterhöhungen an alle Mitarbeiter verpflichtet.

Indes verkenne der Kläger, dass es sich bei den angesprochenen Entgelterhöhungen und deren Verteilung um freiwillige Leistungen des Arbeitgebers handele, die das Mitbestimmungsrecht einschränkten.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 13.01.2005 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck (Az.: 2 Ca 1398/04) die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen beider Parteien haben nicht Erfolg. Der Kläger hat nicht Anspruch auf Erhöhung seiner Vergütung für die Monate Januar und Februar 2004 (1), auch nicht auf Auszahlung weitere Teile der Entgeltsteigerung für die Monate März bis August 2004 (2). Jedoch steht ihm die Einmalzahlung aus der zweiten und dritten Strukturkomponente zu 50 % zu, im Übrigen hat er einen Auskunftsanspruch (3).

1.

Der Kläger kann für die Zeit vom 1.1.2004 bis 28.2.2004 nicht eine Gehaltserhöhung verlangen. Ein entsprechender Anspruch ist nicht ersichtlich. Zwar verweist Ziff. 4.3 des Leistungspakets der Beklagten auf die Gehaltssteigerungen in der Metallindustrie in Schleswig-Holstein. Damit ist auch das Verhandlungsergebnis im Nordverbund vom 24.5.2003 in Bezug genommen. Ein Anspruch auf Erhöhung mit Wirkung vom 1.1.2004 gem. Ziff. 6 des Verhandlungsergebnisses in Höhe von 1,3645 % besteht indes nicht. Die vom Kläger herangezogene Regelung der Ziffer 6. des Verhandlungsergebnisses vom 24.5.2002 sieht eine Erhöhung (der Tabellenwerte) nur für den Fall des Nichtabschlusses des ERA-Tarifvertrags bis zum 31.12.2003 vor. Dieser ist jedoch unstreitig erfolgt.

Die Ausführungen des Klägers in der Berufung können nicht zu einer anderen Bewertung führen. Der Kläger kann hier nicht darauf abstellen, dass die Beklagte als nicht tarifgebundenes Unternehmen nicht an der Bereitstellung der Strukturkomponente zur Schließung des Delta bei der ERA-Einführung teilnimmt. Ziff. 6 des Verhandlungsergebnisses soll erkennbar nicht für Nicht-Tarifgebundene gelten. Die Regelung stellt schlicht auf das Zustandekommen des ERA-TV ab. Regelungen für den Fall, dass in einem tarifgebundenen Unternehmen der sog. Anspartopf nicht gebildet wird, sind nicht getroffen.

Hinzu kommt, dass eine tarifvertragliche Regelung, die speziell für nicht tarifgebundene Unternehmen gelten sollte, gegen die negative Koalitionsfreiheit in Art. 9 GG verstieße.

2.

Der Kläger hat zwar Anspruch auf Weitergabe der Entgeltsteigerung in Höhe von 50 % für den Zeitraum März bis August 2004, im Übrigen nur einen Auskunftsanspruch. Jedoch hat die Beklagte die Zahlungsansprüche erfüllt.

2.1

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie nach Ziff. 4.3 des Leistungspakets verpflichtet, Gehaltssteigerungen der Metallindustrie Schleswig-Holstein bezogen auf das anforderungsbezogene Entgelt an den Kläger, weiterzugeben. Diese einzelvertragliche Bezugnahme auf die tarifvertragliche Regelung ist zulässig und wirksam. Ansprüche, die hieraus folgen, sind einzelvertraglicher Natur und ergeben sich damit nicht direkt aus dem abgezogenen Tarifvertrag. Hieraus folgt, dass die Auslegung der Abmachung nach §§ 133, 157 BGB und nicht wie bei einer Norm erfolgt.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich aus Ziff. 4.3 des Leistungspakets der Beklagten nicht ein genereller Freiwilligkeitsvorbehalt. Weder dem Wortlaut noch dem Zusammenhang kann dies entnommen werden. Das Wort "freiwillig" besagt für sich noch nicht, dass die Beklagte sich regelmäßig die Entscheidung neu vorbehalten wollte, ob und unter welchen Voraussetzungen sie Gehaltssteigerungen an die Mitarbeiter weitergeben wolle. Hieraus muss ein Arbeitnehmer noch nicht schließen, dass damit ein Rechtsanspruch ausgeschlossen werden soll. Das ist vielmehr vom Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer deutlich zu machen, z.B. durch die Formulierung "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" (BAG Urteil vom 11.4.2000 - 9 AZR 255/99 - NZA 2001,24; BAG Urteil vom 23.10.2002 - 10 AZR 48/02 - NZA 2003,558). Der Gebrauch des Wortes "freiwillig" ist, wie das Arbeitsgericht ausgeführt hat, nur so zu verstehen, dass die Beklagte sich ohne zwingenden Grund mangels Tarifgebundenheit verpflichtet, die Verhandlungsergebnisse der Tarifverhandlungen an ihre Arbeitnehmer weiterzugeben.

Auch der weitere Wortlaut lässt einen Freiwilligkeitsvorbehalt nicht erkennen. Die Beklagte hat zwar ausgeführt, sie werde Gehaltssteigerungen an alle Beschäftigten weitergeben "soweit dies aus wirtschaftlichen Gründen vertretbar" sei. Aus dieser Formulierung wird aber deutlich, dass die Beklagte sich nicht generell die Entscheidung immer wieder vorbehalten wolle. Vielmehr hat die Beklagte sich in der Ausübung ihres Ermessens nach § 315 BGB gebunden. Dass die Weitergabe aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar ist, insbesondere hinsichtlich der Einmalzahlungen, hat die Beklagte nicht dargelegt, worauf das Arbeitsgericht bereits hingewiesen hat.

Die Weitergabe ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich um eine strukturelle Änderung i.S. der Ziff. 4.3 des Leistungspakets handelte. Die Formulierung in Ziff. 4.3 "soweit es sich nicht um strukturelle Änderungen handelt" macht deutlich, dass die Weitergabe im Übrigen erfolgen soll. Es sollen nur strukturelle Änderungen punktuell ausgenommen sein. Strukturelle Änderungen sind hier indes nicht ersichtlich. Die Gehaltssteigerung ab 1.3.2004 lässt Derartiges nicht erkennen.

2.2

Soweit der Kläger seine Gehaltssteigerung auf der Basis des von ihm für Januar und Februar 2004 geforderten Gehalts begehrt, ist der Antrag unbegründet. Da dem Kläger insoweit eine höhere Vergütung nicht zusteht (1), kann er auch nicht verlangen, dass die Gehaltssteigerung hiervon ausgehend ermittelt wird.

Das anforderungsbezogene Entgelt belief sich Dezember 2003 auf EUR 3.590,39 EUR und erhöhte sich im März 2004 auf 3.617,32 EUR. Dies entspricht exakt der vom Kläger zu beanspruchenden hälftigen Erhöhung von 26,93 EUR monatlich (3.590,39 EUR + (3.590,39 EUR x 0,75 %)). Der Anspruch ist damit in Höhe von 6 Monaten x 26,93 EUR = 161,58 EUR erfüllt.

2.3

Der Zahlungsanspruch aus der Entgelterhöhung ergibt sich jedoch nur in Höhe von 50 %. Nur insoweit sieht Ziff. 4.3 des Leistungspakets eine generelle Weitergabe vor. Hinsichtlich der weiteren 50 % hat die Beklagte in Ziff. 4.3 des Leistungspakets der individuellen Gehaltsüberprüfung vorbehalten. Dieser Vorbehalt ist, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht unwirksam. Zwar besteht, wie der Kläger zutreffend ausführt, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nrn. 10 und 11 BetrVG. Ziff. 4.3 des Leistungspakets sieht hier, entgegen der Darstellung des Klägers, eine Beratung mit dem Betriebsrat vor Umsetzung vor. Dass diese Beratung noch nicht durchgeführt worden ist, bewirkt allerdings nicht, dass die Beklagte dergestalt gebunden wäre, dass sie nur die gleichmäßige Weitergabe an alle Mitarbeiter vornehmen dürfte. Die Beklagte hat an die Mitarbeiter die Zahlungen nicht vorgenommen, weil sie der Auffassung ist, sie sei hierzu nicht verpflichtet. Der Kläger führt als Betriebsratsvorsitzender diesen und einen weiteren Rechtsstreit als Musterprozess. Erst in diesen beiden Rechtsstreitigkeiten wird überhaupt geklärt, ob die Beklagte zur Leistung verpflichtet ist. Bevor ihre grundsätzliche Leistungspflicht nicht festgestellt ist, kann ihr auch nicht vorgeworfen werden, dass sie die Beteiligung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG nicht durchgeführt hat. Sobald rechtskräftig feststeht, dass die Beklagte zur Leistung verpflichtet ist, kann sie einerseits den Betriebsrat beteiligen und andererseits dem Kläger mitteilen, welche Vorstellungen sie hierzu, auf ihn bezogen, hat. Dementsprechend hat das Arbeitsgericht zutreffend den Kläger auf den Auskunftsanspruch im Wege der Stufenklage verwiesen.

3.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger Anspruch auf Weitergabe der Einmalzahlung gem. Ziff. 2.2.1.a des Verhandlungsergebnisses vom 17.2.2004 (Bl. 19 ff. d.A.).

Zum Umfang der Verbindlichkeit der Zusage in Ziff. 4.3 des Leistungspakets und der Einschränkungen der Zusage wird auf die Ausführungen zu 2. verwiesen. Auch hier gilt, dass wirtschaftliche Gründe der Leistung nicht entgegenstehen.

Die Weitergabe ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich um eine strukturelle Änderung i.S. der Ziff. 4.3 des Leistungspakets handelte. Wie das Arbeitsgericht ausgeführt hat, hat das Verhandlungsergebnis ab 1.6.2002 in Höhe von 4 % 2 unterschiedliche Formen der Entgeltsteigerung festgelegt, nämlich eine "normale", auf Dauer ausgerichtete Entgeltsteigerung in Höhe von 3,1 % und einen weiteren Teil von 0,9 % als Einmalzahlung im April 2003. Auch wenn zu dieser Zeit bereits wesentliche Eckpunkte des ERA-TV vereinbart waren, ergibt sich aus Ziff. 3.2.2 des Verhandlungsergebnisses, dass überhaupt erst ab dem 1.6.2003 das Volumen der ersten Strukturkomponente zum Zweck der Schließung des Deltas bei der ERA-Einführung bereitgestellt werden sollte. Hieraus wird deutlich, dass die Einmalzahlungen dazu dienten, die Vergütung der Mitarbeiter zu erhöhen, ohne dass sich dies tabellenwirksam niederschlägt. Auch hierbei handelt es sich um Gehaltssteigerungen i.S. der Ziff. 4.3 des Leistungspakets.

Dasselbe gilt für das Verhandlungsergebnis vom 17.2.2004. Hier ist bei der Gestaltung der Gehaltssteigerung ebenso wie im Jahr 2002 verfahren worden. In Höhe von 1,5 % fand ab 01.03.2004 eine auf Dauer ausgerichtete Entgeltsteigerung statt. In Höhe der sich zur Gesamterhöhung von 2,2 % ergebenden Differenz von 0,7 % sieht das Verhandlungsergebnis unter Ziffer 2.2.1 für die Zeit vom 1.1.2004 bis zum 30.6.2004 eine direkt an den Arbeitnehmer auszukehrende Einmalzahlung vor. Daraus wird deutlich, dass es sich lediglich um eine besondere Form der nicht tabellenwirksamen zeitlich begrenzten Entgelterhöhung mit einmaligem Fälligkeitszeitpunkt handelt. Dieses ist eine Gehaltssteigerung im Sinne des Leistungspaketes Ziffer 4.3. Dort wird nicht zwischen der Weitergabe von Gehaltssteigerungen auf Dauer oder solcher nur befristeter Natur unterschieden.

Das Arbeitsgericht hat daher zutreffend gemäß dem Antrag zu 3 die Beklagte verurteilt, an den Kläger als Einmalzahlung in Höhe von 50 % der 0,7 % der zweiten und dritten ERA-Strukturkomponente 75,96 EUR brutto für die Monate 1.1.2004 bis 30.6.2004 zu zahlen.

Hier handelt es sich damit um eine nicht tabellenwirksame Entgeltsteigerung gem. Ziffer 2.2.1 a. des Verhandlungsergebnisses vom 20. Februar 2004, die im Rahmen von Ziffer 4.3 des Leistungspaketes an den Kläger in Höhe von 50 % direkt weiterzugeben war. 4,2 % x 3.617,32 EUR (Gehalt März 2004) = 151,93 EUR x 50% = 75,96 EUR.

Darüber hinaus ist ein Zahlungsanspruch (noch) nicht gegeben. Dieser kann erst nach der individuellen Gehaltsüberprüfung durch die Beklagte gern. Ziffer 4.3 Satz 6 des Leistungspaketes gegeben sein, über die die Beklagte dem Kläger Auskunft zu erteilen hat. Da insoweit ein Hilfsantrag nicht gestellt war, war der Antrag im übrigen abzuweisen.

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger im Wege der Stufenklage Auskunft zu erteilen. Einen Anspruch auf Zahlung der zweiten Hälfte der ERA-Strukturkomponente hat der Kläger hingegen nicht. Der dem Kläger zustehende Zahlungsanspruch richtet sich lediglich auf 50 % der Strukturkomponente.

Hinsichtlich der weiteren 50 % hat die Beklagte in Ziff. 4.3 des Leistungspakets der individuellen Gehaltsüberprüfung vorbehalten. Zur Frage der Wirksamkeit des Vorbehalts wird auf die Ausführungen zu 2. verwiesen. Dementsprechend ist der Kläger auf den Auskunftsanspruch im Wege der Stufenklage zu verweisen.

Die Berufungen der Parteien sind daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung, die sich hier daraus ergibt, dass die Beklagte das Leistungspaket mit sämtlichen Mitarbeitern vereinbart hat, ist die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück