Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 14.08.2008
Aktenzeichen: 2 Ta 145/08
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, SeeSchStrO


Vorschriften:

ArbGG § 2
ArbGG § 5
BGB § 611
SeeSchStrO § 42 Abs. 6
Kanalsteurer im Nord-Ostsee-Kanal sind im Verhältnis zum Verein der Kanalsteurer nicht Arbeitnehmer, sondern Mitglied des Vereins. Der Verein nimmt lediglich Arbeitgeberfunktionen wahr, ohne selbst Arbeitgeber zu sein.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 145/08

14.08.2008

Im Beschwerdeverfahren

betr. Rechtsweg

in dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 14.08.2008 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 22.04.2008 - 3 Ca 344 c/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Rechtswegentscheidung des Arbeitsgerichts, mit der der Rechtsstreit an das Amtsgericht verwiesen worden ist.

Der Kläger ist Kanalsteurer. Schiffe ab einer bestimmten Größe sind verpflichtet, für die Kanalfahrt Kanalsteurer anzunehmen (§ 42 Abs. 6 SeeSchStrO), die auf den Schiffen das Ruder übernehmen. Kanalsteurer kann nur sein, wer von der Strom-und Schifffahrtspolizeibehörde als zuverlässig und mit den Verhältnissen auf dem Nord-Ostsee-Kanal vertraut anerkannt worden ist.

Der Kläger ist Mitglied des beklagten Vereins. Das Rechtsverhältnis des Klägers zu dem Beklagten wird durch die Satzung des Beklagten (Bl. 6 ff. d.A.), auf die hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, geregelt. Nach § 1 der Satzung ist der Beklagte:

"ein Zusammenschluss von Arbeitnehmern, die als Kanalsteurer im Interesse der Schifffahrt auf dem Nord-Ostsee-Kanal tätig sind. Er dient der Wahrung der Berufsinteressen der Kanalsteurer sowie der Erfüllung sozialer Belange unter Ausschluss politischer oder religiöser Tendenzen. In diesem Sinne nimmt er anstelle der seine Mitglieder in ihrer Gesamtheit einstellenden und entlohnenden Schiffseigner Teilfunktionen eines Arbeitgebers wahr, soweit die von den Schiffseignern gegenüber den Kanalsteurern zusätzlich zur Beschäftigungs- und Entlohnungspflicht obliegenden Schutz- und Fürsorgepflichten geregelt und realisiert werden müssen.

Zur Wahrung der Berufsinteressen und der sozialen Belange der Kanalsteurer regelt der Verein auch die Weiterleitung der von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion K. im Verwaltungswege eingezogenen Kanalsteurerentgelte sowie das Verteilungsverfahren."

Der Beklagte nimmt die Diensteinteilung der Kanalsteuerer vor und rechnet die Tätigkeit des einzelnen Kanalsteuerers ab. Dabei verfügt er über die Mittel, die aufgrund der Kanalsteuerergebühren und Lotsenabgaben von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion K. eingenommen und in Bezug auf die Kanalsteuerer an den Beklagten gezahlt worden sind.

Zur Durchführung der Tätigkeit des Vereins sind auf Grund von § 12 der Satzung Dienstregeln erstellt, die die Rechte und Pflichten der Kanalsteurer als Mitglieder regeln und von der Mitgliederversammlung beschlossen wurden. Dienstregel 13 betrifft die Möglichkeit, Halbpart zu fahren. Der Kläger hatte die Bestätigung erhalten, ab dem 01.03.2007 Halbpart fahren zu dürfen. Der Antrag des Klägers auf Verlängerung ist in der Mitgliederversammlung vom 31.01.2008 abgelehnt worden. Hiergegen wendet er sich mit der vorstehenden Klage. In diesem Zusammenhang streiten die Parteien über die Frage, ob der Beklagte Arbeitgeber des Klägers ist.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 22.04.2008 (Bl. 57 d.A.), auf den hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung verwiesen wird, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten verneint und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Kiel verwiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die statthafte Beschwerde ist nicht begründet.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit an das ordentliche Gericht verwiesen. Die Arbeitsgerichte sind für die Streitigkeit der Parteien nicht sachlich zuständig, da ein Arbeitsverhältnis i. S. der §§ 2, 5 Abs. 1 ArbGG nicht vorliegt.

Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das ist in Beziehung zum beklagten Verein nicht der Fall. Bei dem Beklagten handelt es sich um einen Zusammenschluss der Kanalsteurer. Seine Aufgabe ist die Wahrung der Berufsinteressen und sozialen Belange der Mitglieder. Bei der Leistung von Diensten für einen Verein, dessen Mitglied der Dienstleistende ist, kann ein Arbeitsverhältnis vorliegen. Ebenso kommt als Rechtsgrundlage die Mitgliedschaft in dem Verein in Betracht (BAG vom 26.09.2002 - 5 AZB 19/01 - EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 57).

Vorliegend ist aber kein Dienstverhältnis zum beklagten Verein begründet worden. Es fehlt bereits der äußere Tatbestand eines Arbeitsvertrages, was allerdings nicht ausschlaggebend sein kann. Die vom Kläger rechtshängig gemachte Streitigkeit ist jedoch, wie bereits der von ihm selbst vorgetragene Sachverhalt zeigt, vereinsrechtlicher Natur: Die Mitgliederversammlung hat den Wunsch des Klägers, weiterhin halbpart zu fahren, abgelehnt. Dabei hat sie die Dienstregel 13 angewendet, die auf Grund von § 12 der Vereinssatzung erlassen worden ist. Der Kläger als Mitglied des Vereins hat die Möglichkeit, über die Teilnahme an der Mitgliederversammlung und Wahl zum Vorstand selbst die Geschicke des Vereins und auch das Verhalten des Beklagten ihm gegenüber zu beeinflussen.

Der Kläger kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass § 1 Abs. 1 der Satzung besagt, der Verein nehme "anstelle der seine Mitglieder in ihrer Gesamtheit einstellenden und entlohnenden Schiffseigner Teilfunktionen eines Arbeitgebers wahr". Hieraus folgt gerade nicht, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. Vielmehr übernimmt der Beklagte die Verteilung der eingenommenen Entgelte sowie die Abrechnung und Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Zur Zahlung der Entgelte ist nach § 1 KanalsteuertarifO (vom 29.03.1977 BAnz 1977, Nr. 63): verpflichtet,

1. wer die Steurer anfordert,

2. wessen Fahrzeug die Steurer in Anspruch nimmt.

Das gleiche ergibt sich aus § 14 Abs. 1 SeeaufgG. Hieraus wird deutlich, dass, wie auch das Arbeitsgericht ausgeführt hat, die Hauptleistungspflicht der Entgeltzahlung nicht beim beklagten Verein, sondern dem Reeder liegt. Dieser ist Arbeitgeber, nicht der Beklagte, der nur Nebenpflichten übernimmt.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein (vom 10.05.1957 - L 3 Ar 15/56). Danach besteht ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zum beklagten Verein. Diese Frage berührt aber lediglich die versicherungsrechtliche Seite, nicht die arbeitsrechtliche. Die Entscheidung entspricht der Regelung in § 1 der Vereinssatzung, dass der Beklagte insoweit die Aufgaben des Arbeitgebers wahrnimmt.

Die Kanalsteurer und damit auch der Kläger stehen vielmehr in einem Arbeitsverhältnis zum Reeder. Sie werden zur Vornahme von Dienstverrichtungen auf dem Schiff, wenn auch nur vorübergehend, angestellt und gehören damit zur Schiffsbesatzung (RG vom 22.05.1925 - III 161/24 - RGZ 111,37, desgl. PrOVG vom 06.12.1927, zit. nach Fettback, Anm. zu BAG vom 25.07.1963 - 2 AZR 493/62 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB Kanalsteurer).

Dass es sich nach § 1 Abs. 1 der Satzung bei dem Beklagten um einen "Zusammenschluss von Arbeitnehmern" handelt, besagt nicht, dass der Kläger zum Beklagten im Arbeitsverhältnis steht, sondern nur, dass die Kanalsteurer Arbeitnehmer sind.

Der Kläger ist auch nicht in Bezug auf den beklagten Verein als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen. Danach ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen auch für solche Mitarbeiter gegeben, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person einzustufen sind. Im Unterschied zu Arbeitnehmern sind arbeitnehmerähnliche Personen Selbständige, die wirtschaftlich abhängig sind (BAG Beschluss vom 21.02.20027 - 5 AZB 52/06 - EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 21). Der Kläger ist aber gerade nicht Selbständiger, sondern Arbeitnehmer, jedoch nicht Arbeitnehmer des Beklagten. Die Beziehungen des Klägers zum Beklagten hingegen sind vereinsrechtlicher Natur. Er ist Mitglied des Beklagten und kann über die Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte die Geschicke des Vereins beeinflussen.

Es handelt sich demnach um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist, § 13 GVG.

Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

Zurück