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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 2 Ta 210/05
Rechtsgebiete: MuSchG, ZPO


Vorschriften:

MuSchG § 3 Abs. 2
MuSchG § 6
ZPO § 888
ZPO § 890
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 210/05

Im Beschwerdeverfahren

betr. Zwangsvollstreckung

in dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 15.12.2005 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.7.2005 - 1 Ca 3602/04 - aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit der Beschwerde hatte sich die Beklagte gegen einen Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts gewandt, der der Durchsetzung des ausgeurteilten vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruchs diente.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 8.6.1994 als Sachbearbeiterin für die Konzertorganisation beschäftigt. Die Beklagte sprach mit Schreiben vom 28.9.2004 eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.1.2005 aus und bot gleichzeitig den Abschluss eines jeweils für die Zeit vom 16.1. bis 15.10. eines jeden Jahres befristeten Arbeitsvertrages an. Dieses Angebot nahm die Klägerin unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an. Am 22.3.2005 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie schwanger sei. Sie hat am 31.8.2005, 2 Wochen vor dem errechneten Entbindungstag, entbunden.

Mit dem inzwischen rechtskräftigen Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts vom 7.7.2005 ist festgestellt worden, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung unwirksam ist. Zugleich hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses als Sachbearbeiterin weiterzubeschäftigen. Aus diesem Ausspruch hat die Klägerin, die gegenüber der Beklagten auf die Inanspruchnahme des am 1.8.2005 beginnenden Beschäftigungsverbots vor der Entbindung verzichtet hat (Bl. 203 d.A.), die Vollstreckung betrieben. Die Beklagte hat eine Beschäftigung mit Schreiben vom 3.8.2005 abgelehnt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 29.7.2005 gegen die Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 1.200 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Beklagte trägt vor, es könne von ihr nicht verlangt werden, dass sie die Klägerin während der Mutterschutzfrist beschäftige. Die Klägerin sei Ansprechpartnerin für 10 Künstlerbetreuer, die sie von verschiedenen Orten im Festival bei akuten Problemen, z.B. Verschiebung von Anreisezeiten, kontaktieren müssten. Die Tätigkeit der Klägerin sei dadurch gekennzeichnet, dass kurzfristig und schnell auf plötzliche Ereignisse reagiert werden müsse. Bei permanent anfallenden hektischen Situationen sei umsichtiges und planvolles Vorgehen über eine längere Arbeitszeit als bei vergleichbaren Mitarbeitern erforderlich. Voraussetzung sei eine robuste gesundheitliche Verfassung in diesen besonderen hektischen Phasen des Festivals.

Die Erklärung der Klägerin, auf den Mutterschutz verzichten zu wollen, könne sie, die Beklagte, nicht zur Beschäftigung verpflichten. Dem stehe der allgemeine Fürsorgegesichtspunkt entgegen. Eine Schwangere könne nicht knapp 5 Wochen vor der vermuteten Niederkunft in weit über das Übliche hinausgehenden Beschäftigungszeiten eingesetzt werden. Dem stehe der Schutz des ungeborenen Lebens und der werdenden Mutter entgegen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe wirksam auf ihren Mutterschutz vor der Entbindung verzichtet. Damit könne die Beklagte sich nicht auf § 3 Abs. 2 MuSchG berufen. Auf ihre Fürsorgepflicht könne die Beklagte sich in diesem Zusammenhang nicht berufen. Hieraus folge lediglich, dass die Beklagte Vorkehrungen treffen müsse, um eine übermäßige Belastung der werdenden Mutter zu verhindern. Die Beklagte sei nicht nur gegenüber Schwangeren verpflichtet, die Arbeitszeitgrenzen einzuhalten. Die Arbeit sei nicht körperlich anstrengend. Der Beklagten sei die Weiterbeschäftigung auch nicht unzumutbar. Es sei nicht dargelegt, dass sie, die Klägerin, nur noch eine geringe Arbeitsleistung erbringen könne oder im Betrieb Arbeitsmangel herrsche.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat nicht Erfolg.

Zwar ist inzwischen Erledigung der Zwangsvollstreckung eingetreten. Damit ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Die Kosten sind jedoch der Beklagten aufzuerlegen.

Vorliegend ist ein Beschluss gem. § 888 ZPO angegriffen. In einem solchen Fall ist für die Beurteilung der Zulässigkeit und Begründetheit des angefochtenen Beschlusses grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Beschlussfassung maßgeblich. Zwangsgeld soll den Schuldner zu einer bestimmten Handlung zwingen und soll ihn - anders als bei dem Ordnungsgeld in § 890 ZPO - nicht für eine bestimmte Unterlassung bestrafen. Neue Tatsachen und Beweismittel sind deswegen zu berücksichtigen und zwar unabhängig davon, ob diese Tatsachen vor oder nach Erlass des Beschlusses des Arbeitsgerichts entstanden sind. Geprüft wird, ob der Beschluss noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die sofortige Beschwerde ergehen darf. Hat der Schuldner nach Erlass des Zwangsgeldbeschlusses auf den Titel vollständig erfüllt, so ist der Beschluss aufzuheben und nur noch über die Kosten zu entscheiden vgl. hierzu Ostrowicz/Künzl/Schäfer, Der Arbeitsgerichtsprozess, Rz. 441; LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 11.3.2005 - 1 Ta 45/03 -).

Hier ist zwar nicht Erfüllung, aber Erledigung eingetreten. Erledigung liegt zum einen deshalb vor, weil das Schlussurteil durch Berufungsrücknahme (6 Sa 374/05) vom 29.8.2005 rechtskräftig geworden ist, zum anderen, weil die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 29.7.2005 lediglich auf das Beschäftigungsverbot vor der Entbindung, § 3 Abs. 2 MuSchG, verzichtet hatte. Nach ihrer Niederkunft am 31.8.2005 griff das Beschäftigungsverbot nach der Entbindung, § 6 MuSchG. Die Klägerin hatte in ihrem Schreiben ausdrücklich auf § 3 Abs. 2 MuSchG Bezug genommen. Zu dem Beschäftigungsverbot nach der Entbindung hatte sie sich nicht geäußert.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Festsetzung des Zwangsgeldes zu Recht ergangen. Die Beklagte kann sich hier nicht auf Fürsorgegesichtspunkte berufen. Außer dass sie geltend macht, sie müsse die Klägerin über die übliche Arbeitszeit hinaus beschäftigen, was dafür spricht, dass sie eine Verletzung der Höchstarbeitszeiten nach dem ArbZG behauptet, ist nicht ersichtlich, dass die vertragsgemäße Tätigkeit der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen von einer Schwangeren nicht ausgeführt werden kann und darf.

Der Verzicht der Klägerin auf das Beschäftigungsverbot vor der Entbindung, § 3 Abs. 2 MuSchG, ist auch für die Beklagte verbindlich. Die Klägerin hat aus dem Arbeitsvertrag Anspruch auf Beschäftigung. Das Arbeitsgericht hat mit dem Schlussurteil diesen Anspruch auch für den - damals - noch laufenden Kündigungsrechtsstreit bestätigt. Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 MuSchG wie auch die des § 6 MuSchG dient nicht dem Schutz des Arbeitgebers, sondern der Arbeitnehmerin. Insoweit ist der Wortlaut des Gesetzes eindeutig. Die werdende Mutter darf in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigt werden, es sei denn, dass sie sich zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklärt. Die Erklärung kann von der Schwangeren jederzeit widerrufen werden. Hieraus wird deutlich, dass die werdende Mutter es selbst in der Hand haben soll, zu beurteilen, ob ihr die Weiterarbeit noch zumutbar erscheint. Je nach Art der Beschäftigung, dem Umfeld sowie der körperlichen und seelischen Situation ist in den letzten Wochen vor der Entbindung die Belastung durch die Arbeit unterschiedlich schwer. Der Gesetzgeber wollte der Schwangeren als mündiger Arbeitnehmerin die Beurteilung der Zumutbarkeit selbst überlassen.

Da der Beschluss des Arbeitsgerichts zu Recht ergangen ist und erst während der Beschwerde Erledigung eingetreten ist, sind der Beklagten die Kosten der Beschwerde aufzuerlegen, entspr. § 97 ZPO (LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 11.3.2005 - 1 Ta 45/03 -).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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