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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 2 Ta 5/06
Rechtsgebiete: KSchG, EStG, ZPO, ArbGG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 9
KSchG § 10
EStG § 3 Ziff. 9
ZPO § 114
ZPO § 130 Nr. 6
ArbGG § 11a Abs. 3
BGB § 126
BGB § 126 I
BGB § 779
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 5/06

Im Beschwerdeverfahren

betr. Prozesskostenhilfe

in dem Rechtsstreit

pp.

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 23.02.2006 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21.11.2005 - 4 Ca 1806 a/2005 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger erstrebt mit seiner sofortigen Beschwerde Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Weiterführung des Rechtsstreits.

Der Kläger war bei dem beklagten Land gemäß dem Vertrag vom 11.11./23.11.2004 als Aushilfsangestellter für die Aufgaben eines Lehrers an der Grundschule G. in N. mit einer regelmäßigen wöchentlichen Pflichtstundenzahl von 26 Stunden eingestellt worden. Nach dem Vertrag erfolgte die Einstellung aufgrund der Mutterschutzfristen einer Lehrerin und sollte vom 8.11.2004 bis 11.2.2005 befristet sein. Das beklagte Land hat das Arbeitsverhältnis vorsorglich mit Schreiben vom 12.4.2005 zum 30.4.2005 ordentlich gekündigt. Diese Kündigung hat der Kläger ebenfalls angegriffen.

Mit der am 4.3.2005 per Fax erhobenen Klage (4 Ca 400 a/05) hat sich der Kläger gegen die Befristung des Arbeitsverhältnisses gewandt und Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung beantragt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 6.10.2005 dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. bewilligt.

In der mündlichen Verhandlung vom 25.8.2005 haben sich die Parteien wie folgt verglichen:

I. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aufgrund arbeitgeberseitiger ordentlicher Kündigung vom 12.4.2005 während der Probezeit am 30.4.2005 geendet hat.

II. Das beklagte Land zahlt an den Kläger analog §§ 9, 10 KSchG i.V.m. § 3 Ziff. 9 EstG für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 5.800 EUR.

III. Beiden Parteien bleibt vorbehalten, diesen geschlossenen Vergleich schriftlich gegenüber dem Gericht zu widerrufen und zwar bis zum 08. September 2005.

Mit dem am 8.9.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Fax der Kanzlei der Klägervertreter ist der Vergleich widerrufen worden. Der Schriftsatz ist wie folgt unterzeichnet:

... Unterschrift

Sämtliche andere Schriftsätze der Kanzlei der damaligen Klägervertreter in der Gerichtsakte enthalten einen Namenszusatz. Mit Fax vom 9.9.2005 ist durch Rechtsanwältin B. erklärt worden, der Widerruf werde widerrufen. Außerdem hat sie mit Schreiben vom 7.9.2005 an das beklagte Land um Überweisung der Abfindung gebeten. Der Kläger hat mit Fax vom 13.9.2005 gegenüber dem Arbeitsgericht den Widerruf des Widerrufs nicht für bindend erklärt und um Entscheidung gebeten.

Mit dem am 28.9.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat sich für den Kläger Rechtsanwalt W. gemeldet und mitgeteilt, das Mandatsverhältnis mit den Rechtsanwälten J. und Partner sei beendet. Die Rechtsanwälte J. und Partner haben ihre Kosten gegenüber der Staatskasse geltend gemacht.

Mit Schriftsatz vom 14.11.2005 hat Kläger beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. zu bewilligen. Diesen Antrag hat das Arbeitsgericht mit dem in der Verhandlung vom 21.11.2005 verkündeten Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 28.12.2005 per Fax eingelegte Beschwerde des Klägers, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde hat nicht Erfolg. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Kläger steht entgegen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO i.V.m. § 11a Abs. 3 ArbGG bietet.

Der Rechtsstreit, für dessen Fortführung der Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. begehrt, ist durch den Prozessvergleich vom 25.08.2005 beendet worden. Der in dem Vergleich unter Ziff. III. für beide Parteien vereinbarte Widerrufsvorbehalt ist nicht wahrgenommen worden.

Der Vorbehalt, einen Vergleich zu widerrufen, stellt i.d.R. eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vergleichs dar (Zöller/Stöber, Rn.10 zu § 794 ZPO). Die bindende Wirkung des Vergleichs tritt erst ein, wenn bei Ablauf der Widerrufsfrist feststeht, dass der Vergleich Bestand hat. Da bis zum Ablauf des 8.9.2005 kein wirksamer Widerruf durch eine Partei erfolgt war, ist der Prozessvergleich mit Ablauf der Widerrufsfrist wirksam geworden und hat den Rechtsstreit beendet.

Das Telefax vom 08.09.2005, mit welchem der Widerruf des Vergleichs vom 25.08.2005 erklärt wurde, stellt keinen wirksamen Widerruf des Vergleichs dar. Ein Vergleichswiderruf stellt eine Prozesshandlung, d.h. eine den Prozessablauf gestaltende oder bestimmende Handlung, dar (Zöller/Greger, Rn. 14 vor § 128 ZPO). Zwar kann ein Widerruf auch formfrei erfolgen. Ist eine bestimmte Form für den Widerruf vereinbart worden, muss diese aber eingehalten werden. Ist der Widerruf durch Schriftsatz vereinbart worden, so ist der Schriftsatz zu unterzeichnen (BAG Urteil vom 31.5.1989 - 2 AZR 548/88 - NJW 1989,3035). Daher muss der Schriftsatz die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, tragen (Zöller/Stöber, Rn. 10b zu § 794 ZPO). Dies gilt auch für den vorliegenden Vergleich, in dessen Ziff. III ausdrücklich Schriftformerfordernis für den Widerruf vereinbart worden ist.

Die Vereinbarung der Schriftform für den Widerruf ist auch für den Vergleich als materiell-rechtlicher Vertrag i.S.d. § 779 BGB getroffen worden. Auch hier war zur Beseitigung bzw. zum Ausschluss der materiell-rechtlichen Wirkung des Vergleichs die Unterschrift des Widerrufenden nach § 126 I BGB notwendig.

Das Zeichen unter dem Faxschriftsatz vom 8.9.2005 genügt nicht den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO, soweit es sich um die prozessuale Seite handelt, und des § 126 BGB, soweit es die materielle Seite betrifft. Die Unterschrift dient in beiden Fällen dazu, die Identität des Ausstellers erkennbar zu machen (Palandt/Heinrichs, Rn. 5 zu § 126 BGB; Zöller/Greger, Rn. 8 zu § 130 ZPO). Soweit die Prozesshandlung betroffen ist, dient die Unterschrift auch dazu, den Willen zu dokumentieren, dem unterzeichneten Schriftsatz prozessuale Verbindlichkeit verleihen zu wollen (vgl. Zöller/Greger, a.a.O.). Sinn und Zweck des Unterschriftserfordernisses ist, die Rechtssicherheit zu gewährleisten, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. Bei bestimmenden Schriftsätzen, mit denen Prozesshandlungen vorgenommen werden, soll feststehen, dass diese mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleistet worden sind und verhindert werden, dass nur über versehentlich eingereichte Entwürfe entschieden wird (BAG Urteil v. 31.05.1989 - 2 AZR 548/88 - NJW 1989,3035,3036). Fehlt die Unterschrift des Rechtsanwaltes, so kann dies u.a. darauf beruhen, dass der Schriftsatz nur einen Entwurf darstellt, oder dass noch eine Rücksprache mit dem Mandanten erfolgen soll.

Voraussetzung einer eine wirksamen Unterschrift i.S.d. § 130 Nr. 6 ZPO, ist, dass die Unterschrift ein Schriftbild aufweist, das individuell und einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale trägt und sich so als eine die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnende Unterschrift des Namens darstellt, die von Dritten nicht ohne weiteres nachgeahmt werden kann (BAG Urteil v. 27.03.1996 - 5 AZR 576/94 - NJW 1996, 3164). Von Bedeutung ist, dass der Schriftzug einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist (BGH Beschluss vom 27.9.2005 - VIII ZB 105/04 - NJW 2005,3775). Nicht erforderlich ist es, dass die Unterschrift lesbar ist oder auch nur einzelne Buchstaben zweifelsfrei erkennbar sind. Es genügt vielmehr, dass ein Dritter, der den Namen des Unterzeichners kennt, den Namen aus dem Schriftzug noch herauslesen kann (BAG NJW 1996, a.a.O.; BGH Urteil vom 13.5.1992 - VIII ZR 190/91 - NJW-RR 1992, 1150). Ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namensabkürzung erscheint (Paraphe), stellt demgegenüber keine formgültige Unterschrift dar (BGH Urteil v. 10.07.1997 - IX ZR 24/97 - NJW 1997, 3380, 3381; BAG, NJW 1996,3164, a.a.O.). Ist die Autorenschaft gesichert, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (BGH NJW 1997, a.a.O.). Eine solchermaßen gesicherte Autorenschaft kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Unterschrift mit dem maschinenschriftlichen Namenszug des Unterzeichners unterlegt ist (BGH NJW 1997, a.a.O.; BGH Beschluss v. 27.09.2005 - VIII ZB 105/04 - FamRZ 2006, 119, 120). Ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug kann dann als Unterschriftsleistung gelten, wenn der Unterzeichner sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt (BGH FamRZ 2006, a.a.O.).

Der Schriftzug unter dem Widerrufsschreiben vom 8.9.2005 genügt diesen Anforderungen auch unter Zugrundelegung des großzügigen Maßstab der Rechtsprechung nicht. Auch bei Kenntnis davon, dass die Unterzeichnung "XY" heißen soll, können die Striche dem Namen nicht zugeordnet werden, wie auch das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss vom 21.11.2005 ausgeführt hat. Es ist nicht ein einziger Buchstabe zu identifizieren. Der als Zacke ausgeführte Auf- und Abstrich mit anschließendem Kringel und sich anschließende unbeholfen wirkende Linie geben gerade nicht zu erkennen, dass es sich um eine vollständige Unterschriftsleistung und nicht nur um die Abgabe einer Paraphe für ein Schriftstück, für welches der Unterzeichner - noch - keine Verantwortung übernehmen wollte, handelt. Es drängt sich der Eindruck eines lediglich paraphierten Entwurfs auf.

Der Eindruck, dass der Schriftsatz vom 8.9.2005 nicht wirksam unterzeichnet werden sollte, wird auch durch die Begleitumstände des Widerrufs verstärkt: noch am 7.9.2005 hatte Rechtsanwältin B., die sich in einem Schriftsatz an das Arbeitsgericht vom 17.3.2005 als alleinige Sachbearbeiterin des Verfahrens in ihrer Kanzlei bezeichnet hatte, sich beim beklagten Land gemeldet und um Überweisung der im Vergleich vereinbarten Abfindungssumme gebeten. Sie als zuständige Sachbearbeiterin ging somit ersichtlich nicht davon aus, dass der Vergleich widerrufen werden sollte. Zudem hat sie am 9.9.2005, einen Tag nach dem Eingang des Widerrufsfaxes, erklärt, der Widerruf werde widerrufen.

Dass der Widerruf am 8.9.2005 wirklich eingereicht werden und damit Rechtswirksamkeit erlangen sollte, kann daher - unter Berücksichtigung des stark verkürzten Namenszuges - nicht angenommen werden.

Darüber hinaus ist die Autorenschaft in dem Widerrufsschreiben gerade nicht gesichert. Die Unterzeichnung ist nicht mit einem maschinenschriftlichen Namenszug "XY" unterlegt. Vielmehr steht darunter nur "Rechtsanwalt", was insbesondere eine Abweichung zu den vorangegangenen (und nachfolgenden) Schriftsätzen der seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Klägers darstellt, die stets unter der Unterschrift der Sachbearbeiterin den maschinenschriftlichen Zug "B., Rechtsanwältin" trugen.

Rechtsanwalt XY hat in einem Schreiben an den aktuellen Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers vom 1.11.2005 ausgeführt, die "ihm vorliegende Unterschrift" beginne deutlich sichtbar "mit einem schwungvollen "XY" verbunden mit einem "ö", was mit dem "Ö-Strich" dokumentiert" sei, "gefolgt von den lebendig ineinander übergehenden Buchstaben "hier". Es müssen hier Zweifel daran entstehen, ob die dem Rechtsanwalt XY "vorliegenden Unterschrift" dieselbe wie auf dem Widerrufsschreiben vom 8.9.2005 war. Denn die Unterschrift vom 8.9.2005 weist gerade keinen "Ö-Strich" auf. Darüber hinaus trägt das Schreiben vom 01.11.2005 auch die - offenbar kanzleiübliche - maschinenschriftliche Unterlegung "XY, Rechtsanwalt", anders als das Widerrufsschreiben vom 08.09.2005, wo die Unterlegung nur "Rechtsanwalt" lautet:

Mit freundlicher Empfehlung ... Rechtsanwalt

Aufgrund dieser gravierenden Unterschiede hat das Schreiben des Rechtsanwalts XY vom 1.11.2005 die Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Unterschrift auf dem Widerrufsschreiben vom 08.09.2005 nicht nur nicht ausgeräumt, sondern ganz erheblich verstärkt.

Schließlich sei noch angemerkt, dass, selbst wenn man von einem wirksamen Widerruf des Prozessvergleichs vom 25.08.2005 ausginge und der Rechtsstreit daher seinen Fortgang fände, die Beiordnung des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers im Rahmen einer etwaigen Prozesskostenhilfebewilligung nicht in Betracht käme. Grundsätzlich hat eine Partei nur dann Anspruch auf Beiordnung eines anderen Prozessbevollmächtigten im Rahmen ein- und desselben Rechtsstreit, wenn für den Entzug des Mandats des zunächst beauftragten Prozessbevollmächtigten ein wichtiger Grund bestand (OLG Zweibrücken, JurBüro 1994, 749 f.; OLG Bamberg, JurBüro 1987, 298; HessVGH, JurBüro 1987, 1563). Für das Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes hat der Beschwerdeführer jedoch nichts vorgetragen.

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde i.S.d. § 78 S. 2 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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