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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 24.09.2008
Aktenzeichen: 3 Sa 204/08
Rechtsgebiete: ArbGG, SGB VIII, BGB, SGB IV, TzBfG


Vorschriften:

ArbGG § 67 Abs. 4
ArbGG § 72a
SGB VIII § 45
BGB § 305 c
BGB § 307
BGB § 812 Abs. 1 S. 1
BGB § 818 Abs. 3
BGB § 307
SGB IV § 26 Abs. 2
TzBfG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 204/08

Verkündet am 24.09.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 24.09.2008 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ...als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 24.04.2008 - 1 Ca 219 a/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Anspruches des Klägers auf Rückzahlung von aus seiner Sicht überzahlter Vergütung, zweitinstanzlich nur noch für den Zeitraum Juni 2007 bis November 2007.

Der Kläger war Arbeitgeber der Beklagten. Er betreibt unter anderem die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung "K. S." mit dem Angebot der Lerntherapie für nicht mehr an öffentlichen Schulen beschulbare Kinder. Insoweit handelt es sich um eine Einrichtung im Sinne des § 45 SGB VIII, im Wesentlichen finanziert von Kostenträgern. Die Lohnbuchhaltung lässt der Kläger extern durchführen.

Er beschäftigt in der "K. S." regelmäßig vier pädagogische Mitarbeiter und seit Frühjahr 2006 zudem eine zusätzliche pädagogische Kraft in unterschiedlichem Stundenumfang. Die regelmäßig beschäftigten pädagogischen Mitarbeiter erhalten kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung eine Leistungszulage, deren Höhe sich nach der Anzahl der Kinderauslastung der Einrichtung richtet. Gezahlt wird insoweit ab dem 17. in der Einrichtung untergebrachtem Kind pro Kind und Unterbringungsmonat eine Leistungszulage von 204,50 EUR brutto (vgl. Anlage Bekl. 4-Bl. 36 d.A.). Bei anteiliger Anwesenheit des Kindes im Abrechnungsmonat wird auch nur eine entsprechende anteilige Leistungszulage gewährt. Bis Anfang 2006 bestand ein Anspruch auf diese Leistungszulage ohne Kappungsgrenze auch über das 21. Kind hinaus.

Die Beklagte erhielt zunächst für den Zeitraum 01.08.2005 bis 21.01.2006 einen befristeten Arbeitsvertrag als "pädagogische Mitarbeiterin" mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und einem Bruttomonatsgehalt von 1.490,00 EUR (Anlage K 1 - Bl. 6 - 12 d. A.). Insoweit wurde sie für die Durchführung einer Einzelbeschulungsmaßnahme eingestellt und betreute ein einziges Kind. Im Anschluss daran erhielt sie unter anderem auf Wunsch der um Entlastung bittenden Mitarbeiter einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.02.2007 bis zum 31.01.2008, wiederum als pädagogische Mitarbeiterin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Als Vergütung wurde 1.400,00 EUR brutto vereinbart. Da die Einstellung der Beklagten über den Stellenplan hinausging, war sie mit einem Lohnverzicht der Kollegen verbunden, unter anderem mit dem Verzicht auf die Leistungszulage ab dem 21. Kind. Ob die Tätigkeit der anderen pädagogischen Mitarbeiter mit der der Beklagten vergleichbar war, ist streitig.

Bei dem zwischen den Parteien zugrundegelegten Arbeitsvertrag handelt es sich um einen Formulararbeitsvertrag. Dort heißt es unter anderem unter "Sonstiges":

Die Vertragsparteien sind sich einig, dass sich aus den Zahlungen der Leistungspauschalen an die übrigen Mitarbeiter der Einrichtung "K. S." keine Gleichheit ergibt noch erwirkt sich daraus ein Anspruch." (Anlage K 1 - Bl. 12. d. A.; Anlage K 2 - Bl. 19 d. A.).

Der Kläger zahlte der Beklagten jedoch - wie den anderen pädagogischen Mitarbeitern auch - seit Beginn des zweiten befristeten Arbeitsvertrages, also seit dem 01.02.2006, mit Ausnahme von Mutterschutz- und Elternzeit je nach Kindesauslastung jeden Monat zusätzlich zur Grundvergütung von 1.400,00 EUR brutto die pauschalierte Leistungszulage. Sie wurde nur bei einzelnen Kindern um fehlende Belegtage gekürzt. Bezüglich der Abrechnungsweise wird auf Anlage Beklagte 4 - Bl. 36 d. A. - verwiesen. Die Zulage wurde bis einschließlich November 2007 gezahlt.

Unter Beachtung der arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist begehrt der Kläger vorliegend in zweiter Instanz nur noch die für Juni 2007 bis einschließlich November 2007 gezahlten Leistungszulagen zurück. Er nimmt die Beklagte insoweit auf Rückzahlung der erhaltenen Nettobeträge sowie auf Abtretung etwaiger Steuer- und Sozialversicherungsansprüche in Anspruch.

Es geht um folgende Rückforderungsansprüche:

Juni 2007 818,00 EUR brutto

Juli 2007 818,00 EUR brutto

August 2007 797,64 EUR brutto

September 2007 707,98 EUR brutto

Oktober 2007 818,00 EUR brutto

November 2007 818,00 EUR brutto

Durch diese Zulagen ergab sich für die Beklagte ein monatlicher Vergütungsanspruch von durchschnittlich 2.240,00 EUR brutto bzw. 1.430,00 EUR netto.

Die Beklagte ist nicht verheiratet, lebt aber mit ihrem im Herbst 2006 geborenen Kind und dessen Vater in Lebensgemeinschaft. Letzterer hat kein Erwerbseinkommen, sondern erhält unter Anrechnung der Einkünfte der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Bescheid Anlage Beklagter 7 - Bl .63 f. d. A.). Das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten vom 28.März 2008, ihr Lebenspartner sei bis zum 01.08.2006 obdachlos gewesen und habe Leistungen vom Jobcenter erhalten, die anlässlich des Bezugs der gemeinsamen Wohnung zum 1. August 2006 wegen der Anrechnung ihres Einkommens eingestellt wurden, hat der Kläger erstmals in der Berufungsverhandlung bestritten. Die Beklagte hat laufende monatliche Fixkosten in Höhe von 872,62 EUR, die für Miete, Versicherungen, Strom, Telefon etc. anfallen. Sie hat diesen Betrag nach Zahlungszweck und Zahlungshöhe aufgegliedert dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die mit Schriftsatz vom 28. März 2008 überreichte Anlage Beklagte 5 (Bl. 55 d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die am 04.02.2008 erhobene Klage auf Rückzahlung und Abtretung des Steuererstattungsanspruchs abgewiesen. Das geschah im Wesentlichen mit der Begründung, es fehle schon an einer rechtsgrundlosen Zahlung des Klägers. Dieser sei bereits nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet gewesen, auch der Beklagten die Leistungszulage zu zahlen. Der Ausschluss im Arbeitsverhältnis sei unwirksam, da er gegen § 307 BGB verstoße. Die Vereinbarung stelle eine unangemessene Benachteiligung dar. Hinsichtlich der Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des Urteils vom 24.04.2008 Bezug genommen.

Hiergegen hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet.

Er trägt im Wesentlichen vor, der Gleichbehandlungsgrundsatz greife nicht, da keine Vergleichbarkeit der Beklagten mit den anderen pädagogischen Mitarbeitern der Einrichtung "K. S." vorliege. Schon der Tätigkeitsbereich der Beklagten sei ein anderer. Sie habe nie die Verantwortung für die jeweilige Lerngruppe gehabt; habe als Teilzeitkraft auch keine Nachsitzbereitschaft verrichten müssen und sei auch nicht zur Dokumentation verpflichtet gewesen. Darüber hinaus sei sie unter Berücksichtigung des Arbeitsumfangs und des Verantwortungsbereichs als Teilzeitkraft auch nicht mit den Vollzeitkräften vergleichbar. Außerdem sei die Vergleichbarkeit ausdrücklich arbeitsvertraglich ausgeschlossen worden. Jedenfalls habe der Beklagten angesichts ihrer Teilzeittätigkeit allenfalls die Hälfte der Leistungszulage zugestanden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 24.04.2008 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Kiel zum Aktenzeichen 1 Ca 219 a/08

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.320,65 EUR netto in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 17.12.2007 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, zu erklären, dass der ihr aufgrund der überzahlten Sozialversicherungsbeiträge nach § 26 Abs. 2 SGB IV gegen die ... Krankenkasse für den Zeitraum von Juni 2007 bis November 2007 zustehende Erstattungsanspruch in Höhe von 1.964,04 EUR an den Kläger abgetreten wird.

Äußerst hilfsweise wird schließlich beantragt,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.778,62 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 17.12.2007 zu zahlen

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Ihres Erachtens war ihre Tätigkeit mit der der Mitarbeiter vergleichbar. Sie verweist insoweit auf die Tätigkeitsbereiche in den vom Kläger erstellten Zeugnis (Bl. 33 d. A.). Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem folgt das Berufungsgericht, wenn auch teilweise mit anderer Begründung.

I. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die für den Zeitraum Juni 2007 bis einschließlich November 2007 erhaltene Leistungszulage in Höhe von insgesamt 4.778,62 EUR brutto ganz, oder wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung jedenfalls zur Hälfte ohne Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB erhalten hat. Es spricht viel dafür, dass der Kläger die Hälfte seiner Forderung, nämlich 2.389,31 EUR brutto, aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes mit Rechtsgrund gezahlt hat.

1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dem Arbeitgeber eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage. Gewährt der Arbeitgeber aufgrund einer abstrakten Regelung eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip und legt er gemäß dem mit der Leistung verfolgten Zweck die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung fest, darf er einzelne Arbeitnehmer von der Leistung nur ausnehmen, wenn dies sachlichen Kriterien entspricht. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber deshalb die Anspruchsvoraussetzungen so abgrenzen, dass ein Teil der Arbeitnehmer von der Vergünstigung nicht sachwidrig oder willkürlich ausgeschlossen wird. Eine sachfremde Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer liegt nicht vor, wenn sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, diesen Arbeitnehmern die den anderen Arbeitnehmern gewährte Leistung vorzuenthalten. Die Zweckbestimmung einer Sonderzahlung ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird (BAG vom 28.03.2007 - 10 AZR 261/06; BAG vom 26.09.2007 - 10 AZR 559/06; BAG vom 23.04.1997 - 10 AZR 603/06 - jeweils zitiert nach JURIS).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen spricht sehr viel dafür, dass eine Nichtzahlung der Leistungszulage gegen den arbeitsrechtlichen Gleichberechtigungsgrundatz verstößt, so dass die Beklagte ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung der Leistungszulage hatte.

Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung zu Unterschieden im Tätigkeitsbereich der Beklagten im Verhältnis zu den von den sonstigen pädagogischen Mitarbeitern in der "K. S." verrichteten Tätigkeiten widerspricht seiner ausführlichen Tätigkeitsbeschreibung in dem der Beklagten erteilten Zeugnis vom 12. Dezember 2007. Die Tatsache der Teilzeitbeschäftigung an sich darf gemäß § 4 TzBfG nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung führen. Der Ausschluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes unter "Sonstiges" im Arbeitsvertrag ist unklar - er könnte auch als Freiwilligkeitsvorbehalt verstanden werden -, jedenfalls unangemessen, und dürfte daher gegen §§ 305 c, 307 BGB verstoßen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

3. Allerdings kann sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz der Beklagten unter Berücksichtigung ihrer Teilzeitbeschäftigung allenfalls ein Anspruch auf die Hälfte der auch ihren Kollegen gewährten Leistungszulage ergeben. Das ist ein Betrag von 2389,31 EUR brutto. Damit wäre jedenfalls die andere Hälfte des in der Zeit von Juni 2007 bis einschließlich November 2007 für Leistungszulagen gezahlten Betrages in Höhe von 2.389,31 EUR brutto rechtsgrundlos gezahlt worden.

II. Ob und in welcher Höhe ein etwaiger Rückzahlungsanspruch des Klägers gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB letztendlich entstanden ist, bedarf jedoch vorliegend keiner weiteren Aufklärung, da die Beklagte dem Rückzahlungsverlangen die Einwendung des Wegfalls der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB entgegengehalten hat. Diese Einwendung ist vorliegend begründet.

1. Gemäß § 818 Abs. 3 BGB ist eine Verpflichtung zur Herausgabe des rechtsgrundlos erlangten oder zum entsprechenden Wertersatz ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Das ist dann der Fall, wenn das Erlangte ersatzlos weggefallen ist und kein Überschuss mehr zwischen dem vorhandenen Vermögen und demjenigen Vermögen besteht, das auch ohne die ursprüngliche Bereicherung vorhanden wäre. § 818 Abs. 3 BGB dient dem Schutz des "gutgläubig" Bereicherten, der das rechtsgrundlos Empfangene im Vertrauen auf das (Fort-) Bestehen des Rechtsgrundes verbraucht hat und der nicht über den Betrag einer wirklichen (noch bestehenden) Bereicherung hinaus zur Herausgabe oder zum Wertersatz verpflichtet werden soll (BAG vom 23.05.2001 - 5 AZR 374/99, zitiert nach JURIS, Rz. 15, m. w. N.). Bei der Überzahlung von Gehalt kommt es daher darauf an, ob der Empfänger die Beträge restlos für seine laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht oder sich damit noch in seinem Vermögen vorhandene Werte oder Vorteile verschafft hat. Letzteres ist anzunehmen, falls anderweitige Ersparnisse oder Anschaffungen vorliegen. Auch eine infolge Tilgung eigener Schulden mittels des rechtsgrundlos erlangten Geldes eingetretene Befreiung von Verbindlichkeiten zählt zu den weiterhin vorhandenen Vermögensvorteilen, die einem Wegfall der Bereicherung grundsätzlich entgegenstehen (BAG a. a. O., Rz. 16).

Der Bereicherte hat den Wegfall der Bereicherung zu beweisen, da es sich um eine rechtsvernichtende Einwendung handelt. Will der Empfänger rechtsgrundlos erhaltener Gehaltsbezüge geltend machen, nicht mehr bereichert zu sein, so muss er deshalb im Einzelnen die Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass die Bereicherung weggefallen ist. Für die Überzahlung von Gehaltsbezügen hat die Rechtsprechung dabei Beweiserleichterungen geschaffen. Bei kleineren und mittleren Arbeitseinkommen und einer gleichbleibend geringen Überzahlung des laufenden Arbeitsentgelts besteht die Möglichkeit des Beweises des ersten Anscheins für den Wegfall der Bereicherung (BAG vom 18. Januar 1995 - 5 AZR 817/93 - BAGE 79, 115, 119). Ein konkreter Nachweis, um solche Überzahlungen nicht mehr bereichert zu sein, ist danach entbehrlich. Diese Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast kommt für den Arbeitnehmer aber nur dann in Betracht, wenn erfahrungsgemäß und typischerweise anzunehmen ist, dass die Zuvielzahlung für den laufenden Lebensunterhalt, insbesondere für konsumtime Ausgaben verbraucht wurde. Eine solche Annahme setzt voraus, dass es sich um Überzahlungen in relativ geringer Höhe handelt. Je höher die Überzahlung im Verhältnis zum Realeinkommen ist, umso weniger lässt sich annehmen, die zusätzlichen Mittel seien für den Lebensunterhalt verbraucht worden. Außerdem muss die Lebenssituation des Arbeitnehmers, insbesondere seine wirtschaftliche Lage so sein, dass die Verwendung der Überzahlung für die laufende Lebensführung naheliegt. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn Arbeitnehmer mit geringem oder mittlerem Einkommen über keine weitere Einkommen verfügen, so dass sie die Nettobezüge aus ihrem Arbeitsverhältnis verwenden, um den laufenden Lebensunterhalt für sich und eventuell ihre Familie zu bestreiten. Sind dagegen nennenswerte andere Einkünfte vorhanden, so kann auf eine typische Lebenssituation, die zum Verbrauch der zusätzlichen Mittel führt, nicht geschlossen werden (BAG vom 23.05.2001 - 5 AZR 374/99 - zitiert nach JURIS, Rz. 17, m. w. N.).

2. Nach diesen Grundsätzen geht die Kammer vorliegend unter Berücksichtigung ihrer persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse vom Wegfall der Bereicherung aus.

a) Zwar greift der Grundsatz des Anscheinsbeweises, der einen konkreten Nachweis der Entreicherung entbehrlich mach, hier nicht ein. Die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellte 10-Prozent-Grenze ist vorliegend überschritten. Geht man mit dem Kläger davon aus, die Beklagte habe keinerlei Anspruch auf eine Leistungszulage, hat sie der tatsächlich geschuldeten Arbeitsvergütung von 1.400,00 EUR rund 800,00 EUR brutto monatlich zusätzlich ohne Rechtsgrund erhalten. Das entspricht einer durchschnittlichen monatlichen Überzahlung von rund 57 %. Geht man davon aus, dass der Beklagten nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz unter Berücksichtigung ihrer Teilzeittätigkeit eine hälftige Leistungszulage von rund 400,00 EUR brutto monatlich zustand, steht einem geschuldeten Arbeitseinkommen von 1.800,00 EUR (1.400,00 EUR + 400,00 EUR) eine monatliche Überzahlung von 400,00 EUR gegenüber. Damit liegt eine Überzahlung im Verhältnis zum geschuldeten Einkommen von rund 22 % vor. Die 10-Prozent-Richtlinie für die Bejahung des Anscheinsbeweises ist in jedem Fall überschritten.

b) Die Beklagte hat jedoch ihre Entreicherung unter detaillierter Schilderung ihrer familiären Einkommensverhältnisse sowie ihrer Ausgaben substantiiert dargelegt. Sie hat sich bereits mit der Klagerwiderung vom 10. Februar 2008 unter Darlegung der familiären Einkommensverhältnisse auf Entreicherung berufen. Sie hat sodann nach ausdrücklicher entsprechender Schriftsatzauflage aus dem Gütetermin vom 18.02.2008 mit Schriftsatz vom 28. März 2008 ihren Entreicherungseinwand substantiiert. Sie hat jede einzelne monatlich wiederkehrende feststehende Ausgabe ihrer Bedarfsgemeinschaft benannt und im Einzelnen beziffert (Anlage Beklagte 5). Sie hat insoweit dargelegt, dass für Miete, Stadtwerke, Versicherungen, Telefon etc. monatliche feste Ausgaben von insgesamt 872,62 EUR anfallen und dass ihr nach Abzug ihrer Fixkosten für sich, ihren Lebensgefährten und ihre Tochter noch 536,05 EUR zum allgemeinen Lebensunterhalt verblieben. Die Beklagte hat ferner im Einzelnen dargelegt, dass ihr Lebensgefährte bis zum Bezug der gemeinsamen Wohnung zum 1. August 2006 obdachlos war und ausschließlich von Leistungen des Jobcenters lebte. Sie hat ferner dargelegt, dass ab dem Zeitpunkt des Bezugs der gemeinsamen Wohnung - aus bekannten Rechtsgründen - das Jobcenter die Leistungen an ihren Lebenspartner eingestellt hat, weil hierauf infolge der entstandenen Bedarfsgemeinschaft ihr erzieltes Einkommen angerechnet wurde. Der Beklagten standen daher trotz der Gehaltsüberzahlung - in welcher Höhe auch immer - keinerlei zusätzliche Mittel für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung. Sie und ihre Lebensgemeinschaft/Familie hatten aufgrund der überhöhten Vergütung des Klägers angesichts der postwendend erfolgten Zahlungseinstellung durch das Jobcenter aus der Überzahlung keine Vorteile. Die Vorteile hatte das Jobcenter. Dieses hat Aufwendungen für die Bedarfsgemeinschaft erspart. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund ist die Beklagte entreichert. Das Erlangte ist ersatzlos weggefallen. Es besteht kein Überschuss mehr zwischen dem vorhandenen Vermögen und demjenigen Vermögen, das auch ohne die ursprüngliche Bereicherung vorhanden gewesen wäre. Das gilt auch gerade angesichts der Tatsache, dass der Anlage Beklagte 5 - (Bl. 55 d. A.) zu entnehmen ist, dass die erhaltenen Beträge restlos für laufende Lebensbedürfnisse verbraucht wurden und sich die Beklagte keine noch in ihrem Vermögen vorhandene Werte oder Vorteile verschafft hat. Sie hat Mietkosten abgedeckt, laufende Stromkosten bezahlt, monatliche Kosten für die üblichen Versicherungen wie Hausrat, Haftpflicht, Kfz, etc. angeführt. Die Telefonkosten halten sich im Rahmen; die in Ansatz gebrachten Kosten für Kfz Kraftstoffe ebenfalls. Vermögensbildende Leistungen sind nicht ersichtlich. Für die Schaffung anderweitiger Vorteile besteht kein Anhaltspunkt. Hierfür blieb nach dem Vorbringen der Beklagten bei einem verbleibenden frei verfügbaren Resteinkommen von 536,05 EUR für drei Personen auch kein Raum.

c) Entgegen der Ansicht des Klägers in der Berufungsverhandlung war ohne Verstoß gegen rechtliches Gehör dieses Vorbringen der Beklagten bei der Entscheidungsfindung zugrunde zu legen. Es bedurfte auch nicht mehr der Gewährung weiteren Schriftsatznachlasses. Ausweislich des in der Güteverhandlung ergangenen Auflagenbeschlusses war der Entreicherungseinwand der Beklagten Gegenstand der Erörterungen. Sowohl Kläger- als auch Beklagtenseite haben ausdrücklich mit Schriftsatzfrist die Auflage erhalten, zum Entreicherungseinwand vorzutragen. Sodann ist das erfolgte detaillierte Vorbringen der Beklagten mit Schriftsatz vom 28. März 2008 von Klägerseite unbestritten geblieben, obgleich er sich hierzu noch hätte äußern können. Der Kläger hat sogar mit Schriftsatz vom 21.04.2008 auf den Schriftsatz der Beklagten vom 28.03.2008 erwidert und zum Vorbringen der Beklagten zur Entreicherung Stellung genommen. Er hat jedoch nicht ihr tatsächliches Vorbringen bestritten.

Auch die Berufungsbegründung enthält kein Vorbringen zum Entreicherungseinwand der Beklagten. Erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist und nach den rechtlichen Erörterungen in der Berufungsverhandlung hat der Kläger das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten vom 28. März 2008 bestritten. Das war verspätet. Diesem Bestreiten nachzugehen, würde die Erledigung des Rechtstreits verzögern (§ 67 Abs. 4 ArbGG). Der Beklagten hätte nun aufgegeben werden müssen, den Nachweis zu erbringen, dass und wann das Jobcenter die Leistungen für ihren Lebenspartner ab August 2006 infolge der Anrechnung ihres Einkommens eingestellt hat. Belege hierzu waren nicht präsent. Die Beklagte selbst war wegen ihrer Risikoschwangerschaft in der Berufungsverhandlung nicht anwesend, vielmehr vom persönlichen Erscheinen ausdrücklich entbunden worden.

Entschuldigungsgründe für das verspätete Bestreiten des Klägers sind ebenfalls nicht ersichtlich, nicht einmal vorgetragen. Eines rechtlichen Hinweises bedurfte es angesichts der eindeutigen erstinstanzlichen Auflage im Gütetermin vom 18.02.2008 nicht. Der erbetene Schriftsatznachlass war daher auch im Hinblick auf § 67 Abs. 4 ArbGG nicht nochmals zu gewähren.

3. Aus den genannten Gründen ist nach den getroffenen Feststellungen vorliegend von einem Wegfall der Bereicherung der Beklagten auszugehen. Das Rückforderungs- und Abtretungsbegehren des Klägers war daher unbegründet. Die Klage ist zu Recht abgewiesen worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

Ende der Entscheidung

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