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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 05.10.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 223/07
Rechtsgebiete: ArbGG, UWG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 72 a
UWG § 17
BGB § 119
BGB § 123
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 320
BGB § 626 Abs. 2
BGB § 826
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 223/07

Verkündet am 05.10.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 05.10.2007 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 12.04.2007 - 2 Ca 2485 d/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anfechtung eines Prozessvergleiches sowie das Bestehen von Schadensersatzansprüchen.

Die Beklagte ist am ....1955 geboren. Sie nahm am 01.07.1980 ihre Tätigkeit als Chefsekretärin bei der Klägerin auf. Seit Dezember 1996 hatte sie Einzelprokura. Ihr oblagen die Aufgaben einer "Leiterin der zentralen Dienste für die gesamte allgemeine Verwaltung, das Personal- und Rechnungswesen". Die Beklagte erhielt zuletzt eine Vergütung von rund 4.537,82 EUR brutto monatlich.

Sie hatte einen schriftlichen Arbeitsvertrag. § 8 lautete wie folgt:

"§ 8 Pflicht zur Verschwiegenheit

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, alle geschäftlichen Angelegenheiten vertraulicher Natur und Geschäftsgeheimnisse, die ihm anvertraut oder sonstwie bekannt werden, gegen jedermann geheim zu halten. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit besteht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht wird nach § 17 UWG empfindlich bestraft. (Bl. 36 R d. A.)"

§ 12 des Arbeitsvertrages enthält folgende Regelung:

"§ 12 Auslieferung von Firmeneigentum

(1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, auf Verlangen - insbesondere beim Ausscheiden - sämtliche Arbeitsgeräte, kostenlos erhaltene Berufskleidung, Fachbücher und Informationsunterlagen, Aufstellungen von Dienststellen, Kundenlisten und andere Unterlagen zurückzugeben, die ihm während seiner Tätigkeit ausgehändigt wurden oder auf andere Weise zugängig geworden sind. ... (Anlage K 4 - Bl. 37 d. A.)."

Ende Oktober 2005 - so die Klägerin - oder erst am 09.11.2005 - so die Beklagte - wurde der Beklagten mitgeteilt, dass die Klägerin ihr gegenüber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen werde.

Am 02. und 04.11.2005 druckte die Beklagte diverse Einzelkalkulationen von Objekten aus, die laut unberichtigtem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils im Büro der Klägerin verblieben. Am 10.11.2005 druckte die Beklagte etwa 22 DIN A 4-Seiten unter anderem mit Angaben über den wirtschaftlichen Status der Klägerin aus und nahm sie an sich (Anlage K 1 - Bl. 10 - 30 d. A.). Zwischen dem 09.11.2005 und 29.11.2005 haben die Parteien umfassende außergerichtliche Vergleichsverhandlungen geführt, wobei die Beklagte sich auch anwaltlich beraten lies. Im Übrigen wurden schwerpunktmäßig die Verhandlungen vom Ehemann der Beklagten geführt. Dabei rang die Beklagte bezüglich der Abfindungshöhe auch um ihre häusliche Existenz und die Möglichkeit der Aufrechterhaltung ihrer Hausfinanzierung. Schließlich wurde am 29.11.2005 ein Abwicklungsvertrag mit einer Abfindungshöhe von 160.000,00 EUR unterzeichnet (Anlage K 14 - Bl. 155, 156 d. A.). Nach Unterschriftsleistung wurde der Beklagten ein Kündigungsschreiben ausgehändigt und noch am gleichen Tage Kündigungsschutzklage erhoben, um einen Prozessvergleich gleichen Inhalts herbeizuführen. In der Güteverhandlung vom 13.12.2005 wurde dann in dem Rechtstreit umgekehrten Rubrums - Az. 2 Ca 2752 d05 - in Abwesenheit der Parteien jeweils durch ihre Prozessbevollmächtigten ein Vergleich protokolliert. Danach sollte das Arbeitsverhältnis fristgemäß mit Ablauf des 30. Juni 2006 enden. Die hiesige Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 160.000,00 EUR, wovon 9.000,00 EUR netto per 31.12.2005, 87.580,00 EUR netto per 30.06.2006 und restliche 63.420,00 EUR brutto per 31.07.2007 gezahlt werden sollten. Ferner wurde der hiesigen Beklagten das Recht zum vorzeitigen Ausscheiden gegen Aufstockung der Abfindung um ersparte Gehälter ermöglicht und unter anderem eine Ausgleichsquittung erteilt. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vergleiches wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 12.04.2007 verwiesen.

Die Beklagte schied vorzeitig per 30.04.2006 aus. Infolgedessen wurde die Abfindung um 13.613,46 EUR erhöht. Auf die der Beklagten insgesamt zustehenden Abfindungsansprüche wurden bisher 110.993,43 EUR gezahlt. Der Restbetrag in Höhe von 63.420,00 EUR brutto steht noch zur Zahlung aus.

Am 31.10.2006 und 17.11.2006 führte die Beklagte Bewerbungsgespräche bei der Konkurrenzfirma der Klägerin, der "B.-Gruppe Dienstleistungs GmbH", in denen sie den Besitz von Geschäftsunterlagen der Klägerin mindestens erwähnte. Im Zuge der Unterredung am 17.11.2006 übergab die Beklagte sodann an Herrn B. das Anlagen-konvolut K 1 - die 22 am 10.11.2005 ausgedruckten DIN A 4 Seiten mit Angaben über den wirtschaftlichen Status der Klägerin - zur Einsicht. Herr B. verweigerte die Rückgabe, komplimentierte die Beklagte hinaus und informierte den Geschäftsführer der Klägerin.

Mit Schreiben vom 29.11.2006 hat die Klägerseite den Prozessvergleich außergerichtlich angefochten, Schadensersatzansprüche geltend gemacht und die Rückzahlung der Abfindung gefordert. Mit Schreiben vom 30.11.2006 hat sie die Herausgabe noch im Besitz befindlicher Unterlagen begehrt. Mit Datum vom 19.12.2006 hat sie Klage auf Unterlassung, Herausgabe von Unterlagen sowie auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs erhoben. Mit Schriftsatz vom 28.02.2007 wurde vorsorglich die fristlose Kündigung ausgesprochen (Bl. 68 d. A.). Im Kammertermin am 12.04.2007 hat die Beklagte an Eides statt versichert, sie habe von der Klägerin keine Geschäftsunterlagen mehr im Besitz. Daraufhin wurden Unterlassungs- und Herausgabebegehren für erledigt erklärt. Die Anträge auf Feststellung, dass der vor dem Arbeitsgericht Kiel am 13.12.2005 geschlossene Vergleich zum Aktenzeichen 2 Ca 2752 d/05 unwirksam ist und auf Rückzahlung von 110.193,46 EUR nebst Zinsen blieben aufrecht erhalten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das geschah im Wesentlichen mit der Begründung, Anfechtungsgründe lägen nicht vor. Eine Irrtumsanfechtung komme nicht in Betracht, da es sich bei dem gegenüber der Beklagten entgegengebrachten Vertrauen in deren Loyalität und dem sich insoweit später herausstellenden Irrtum um einen unbeachtlichen Motivirrtum handele. Für eine Anfechtung gemäß § 123 BGB fehle es an einer arglistigen Täuschung. In Betracht komme allenfalls die Verletzung einer Offenbarungspflicht. Eine solche sei bereits nicht ersichtlich. Jedenfalls fehle auch jeglicher Anhaltspunkt für eine Täuschungsabsicht der Beklagten bei Vergleichsabschluss im Dezember 2005, zumal die Unterlagen erst ca. ein Jahr später verwendet wurden. Abgesehen davon sei kein Schaden ersichtlich. Hinsichtlich der Einzelheiten des Tatbestandes, der erstinstanzlichen Anträge sowie der Begründung wird auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kiel vom 12.04.2007 verwiesen. Gegen diese der Klägerin am 14.05.2007 zugestellte Entscheidung hat sie am 24.05.2007 Berufung eingelegt, die am 29.06.2007 begründet wurde.

Die Klägerin ergänzt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie trägt vor, die Beklagte habe auch die 02. und 04.11.2005 ausgedruckten Einzelkalkulationen zur Vorbereitung von Wettbewerbshandlungen unter Verstoß gegen ihre arbeitsvertraglichen Treuepflichten mit nach Hause genommen. Die Beklagte habe arbeitsvertragliche Treue- und Wettbewerbspflichten verletzt. Sie habe ihre Vertrauensstellung ausgenutzt, und zwar verwerflich. Deshalb könne der Vergleich keinen Bestand haben. Im Übrigen werde die Einrede des nichterfüllten Vertrages erhoben, weil die Beklagte ihre Treuepflicht verletzt und gegen ihre Verschwiegenheitspflicht verstoßen habe. Die Klägerin habe im Vertrauen auf arbeitsvertragskonformes Verhalten der Beklagten eine Abfindungsvereinbarung geschlossen und hierauf 110.193,46 EUR gezahlt. Das sei ihr Schaden.

Die Klägerin beantragt zu erkennen:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 12.04.2007 - 2 Ca 2485 d/06 - wird abgeändert; es wird nach den Schlussanträgen erster Instanz erkannt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Der Ausdruck der Unterlagen vom 02. und 04.11.2005 sei im Rahmen der Erbringung ihrer Arbeitsleistung erfolgt. Die Unterlagen seien auch, wie im Tatbestand festgestellt, im Betrieb verblieben. Die anderen Kalkulationsunterlagen habe sie ausgedruckt, um gegebenenfalls im Kündigungsschutzprozess nachweisen zu können, dass es keine Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung gegeben habe. Sie habe die Klägerin bei Abschluss des Vergleiches im November 2005 / Dezember 2005 nicht arglistig getäuscht. Sie habe keine Täuschungsabsicht gehabt. Die Verwendung der Unterlagen im Geschäftsbereich der Klägerin habe sie zu diesem Zeitpunkt gar nicht in Erwägung gezogen. Sie habe der Klägerin auch keinen Schaden zugefügt. Die gezahlte Abfindungssumme stelle keinen Schaden dar, der durch eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten verursacht wurde. Durch ihr Handeln im Oktober/November 2006 sei der Klägerin kein Schaden entstanden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Mit ausführlicher, überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und insbesondere darauf abgestellt, dass der zwischen den Parteien am 13.12.2005 zustande gekommene Prozessvergleich nicht wirksam angefochten wurde. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird vorab auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Lediglich ergänzend und auch auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend wird folgendes ausgeführt:

1. Der vorliegenden Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessvergleichs sowie auf Rückerstattung der aufgrund des Vergleiches erbrachten Leistungen dürfte bereits das Rechtschutzbedürfnis fehlen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sowie des BAG ist die Frage, ob ein gerichtlicher Vergleich aus sachlich- rechtlichen Gründen nichtig oder anfechtbar ist, oder ob er den Prozess erledigt hat, nicht in einem besonderen Verfahren, sondern in dem bisherigen Rechtstreit zu entscheiden (vgl. nur BGH vom 29.07.1999 - III ZR 272/98 mwN - zitiert nach JURIS; BAG vom 15.05.1997 - 2 AZR 43/96 mwN - zitiert nach JURIS; Zöller-Stöber, Komm. zur ZPO, Rd.-Ziff. 15a zu § 794 mwN). Der bisherige Rechtstreit ist fortzuführen. Bei Fortführung des Rechtsstreites geht der Streit zunächst nur um die Frage, ob der Rechtsstreit durch den Vergleich vollständig erledigt wurde. Wird gleichwohl eine neue Klage erhoben, besteht in der Regel kein Rechtschutzbedürfnis (BGH aaO). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn in dem Vergleich auch andere, nicht rechtshängige Gegenstände als der ursprüngliche Prozessgegenstand mit geregelt wurden und die Unwirksamkeit nur bezüglich dieser Gegenstände geltend gemacht wird (BGH NJW 1983, 2034 f).

Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Streitgegenstand des Ursprungsprozesses zum Aktenzeichen 2 Ca 2752 d/05 war die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin aus Anlass arbeitgeberseitiger ordentlicher betriebsbedingter Kündigung, über die sich die Parteien gerade vergleichsweise gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 160.000,00 EUR geeinigt haben. Um die Beseitigung dieses Prozessvergleiches geht es vorliegend der Klägerin, ebenso um die Rückabwicklung der auf diesen Vergleich gezahlten Abfindungsbeträge. Damit sind die Streitgegenstände des Ursprungsprozesses sowie des vorliegenden Verfahrens identisch, soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung. Die Unwirksamkeit des Prozessvergleiches hätte daher im vorangegangenen Verfahren zum Aktenzeichen 2 Ca 2752 d/05 geltend gemacht werden müssen in Form des Antrags auf Fortsetzung des Verfahrens durch Terminsanberaumung. Bei Fortsetzung des Rechtstreits wäre es insoweit zunächst nur um die Frage gegangen, ob der Rechtstreit durch den Vergleich erledigt wurde oder ob der Vergleich infolge der Anfechtung als unwirksam anzusehen ist. Ein unwirksamer (nichtiger) Vergleich führt insoweit nicht zur Beendigung des Rechtstreits; dieser ist bei Geltendmachung der Nichtigkeit fortzuführen. Mithin wäre vorliegend dann auch die Frage der Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung in dem Rechtstreit 2 Ca 2752 d/05 gegebenenfalls weiter zu klären.

2. Etwas anderes könnte sich allenfalls dadurch ergeben, dass ursprünglich mit der Klageschrift auch Unterlassungs- und Herausgabeansprüche geltend gemacht wurden, die nicht Streitgegenstand des Verfahrens 2 Ca 2752 d/05 waren, also nicht mit verglichen wurden, vielmehr einen neuen Streitgegenstand darstellen. Diese beiden zusätzlichen Begehren sind allerdings aufgrund der eidesstattlichen Versicherung der Beklagten im Kammertermin für erledigt erklärt worden, so dass sich bei der erstinstanzlichen Urteilsfindung am 12.04.2007 wieder Identität der Streitgegenstände ergibt.

Wie sich die Existenz eines ursprünglich weitergehenden, aber zwischenzeitlich erledigten Streitgegenstandes des neuen Rechtstreits auf die Frage des Rechtschutzbedürfnisses auswirkt, kann vorliegend jedoch dahingestellt bleiben.

3. Selbst wenn zugunsten der Klägerin das Bestehen eines Rechtschutzbedürfnisses für die Durchführung dieses vorliegenden neuen Rechtstreites mit den nunmehr nur noch in der Berufungsinstanz anhängigen Streitgegenständen bejaht wird, ist der Berufung der Erfolg versagt. Der vor dem Arbeitsgericht Kiel am 13.12.2005 geschlossene Vergleich zum Aktenzeichen 2 Ca 2752 d/05 ist nicht nach § 142 Abs. 1 BGB nichtig. Die Klägerin hat zwar mit Schreiben vom 29.11.2006 die Anfechtung dieses Prozessvergleichs erklärt. Diese Erklärung hat die Anfechtungswirkung aber nicht herbeigeführt, weil der Klägerin ein Anfechtungsgrund nicht zustand.

a) Eine Anfechtung wegen Irrtums gemäß § 119 BGB kommt mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht in Betracht. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen ausschließlich auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

b) Auch ein Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

aa) Gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann seine Willenserklärung anfechten, wer zur Abgabe der Erklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Diese Voraussetzungen können für den vorliegenden Sachverhalt nicht festgestellt werden. Eine Täuschungshandlung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB kann auch darin liegen, wissentlich fremden Irrtum zu dulden (BAG vom 15.12.1994 - 8 AZR 250/03 - zitiert nach JURIS). Das setzt jedoch ein Vertragsverhältnis voraus, worin der andere berechtigt ist, Offenheit zu erwarten. Im Verschweigen von Tatsachen bzw. im Unterlassen einer Aufklärung kann allerdings eine zur Anfechtung berechtigende Täuschung nur dann liegen, wenn eine Aufklärungspflicht besteht, etwa weil das Verschweigen gegen Treu und Glauben verstößt und der Vertragspartner unter den gegebenen Umständen die Mitteilung der verschwiegenen Tatsachen hätte erwarten dürfen (BAG vom 15.05.1997 - 2 AZR 43/96 - zitiert nach JURIS).

Weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Anfechtung gemäß § 123 BGB ist das Vorliegen eines Täuschungsvorsatzes. Voraussetzung für einen Täuschungsvorsatz ist das Bewusstsein, dass der Vertragspartner ohne die Täuschung die Willenserklärung möglicherweise nicht oder nicht so abgegeben hätte (BAG aaO).

Die Darlegungs- und Beweislast für all die eine vorsätzliche Täuschung begründenden Umstände sowie deren Ursächlichkeit für die angefochtene Willenserklärung trägt der Anfechtende; das gilt auch, soweit es um eine Täuschung durch arglistiges Verschweigen geht (BAG aaO).

bb) Vor diesem rechtlichen Hintergrund liegen im vorliegenden Fall weder die Voraussetzungen des Bestehens einer Offenbarungspflicht vor noch sind Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Täuschungsabsicht zum Zeitpunkt des Abschlusses des Prozessvergleiches vom 13.12.2005 ersichtlich.

Es ist bereits nicht erkennbar, welche Pflicht die Beklagte bei Abschluss des Vergleiches am 13.12.2005 überhaupt verletzt haben soll. Die Beklagte kann allenfalls unterlassen haben, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie betriebsinterne Unterlagen zu Hause hatte. Insoweit ist jedoch keine Offenbarungspflicht ersichtlich, denn zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses am 13.12.2005 spielte die Existenz etwaiger firmeninterner Unterlagen in den Händen der Beklagten bei den Vergleichsverhandlungen keinerlei Rolle. Der Beklagten war es nicht verboten, im Besitz von Firmenunterlagen zu sein. Das ergibt sich bereits aus ihrer Funktion, aber auch aus § 12 des Arbeitsvertrages, der Besitz von Firmenunterlagen sowie Firmeneigentum voraussetzt. Der Beklagten ist auch nicht vorzuwerfen, dass sie sich angesichts der angekündigten betriebsbedingten Kündigung in arbeitsvertraglich berechtigter Weise Besitz von Firmenunterlagen verschafft hat, um gegebenenfalls den Kündigungsschutzprozess erfolgreich führen zu können. Das ist ausweislich der Ausdrucksdaten in ganz nahem zeitlichem Zusammenhang zur Ankündigung der betriebsbedingten Kündigung geschehen, so dass keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte andere Absichten bei Ausdruck der Firmenunterlagen am 10.11.2005 hatte.

Zu berücksichtigen ist ferner § 12 des Arbeitsvertrages. Gemäß § 12 des Arbeitsvertrages sind Firmenunterlagen beim Ausscheiden "auf Verlangen" zurück zu geben. Ein diesbezügliches Verlangen ist unstreitig seitens der Klägerin zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Beklagten geäußert worden. Insoweit ist auch nicht ansatzweise ersichtlich, vor welchem rechtlichen und tatsächlichen Hintergrund zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses am 13.12.2005 seitens der Beklagten eine Offenbarungspflicht dergestalt bestanden haben soll, dass sie - ohne hierzu aufgefordert zu sein - erwähnen musste, im Besitz von Firmenunterlagen zu sein.

Der Besitz er Firmenunterlagen könnte - wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - ansonsten nur dann geeignet für eine Anfechtung sein, wenn die Beklagte bereits bei Abschluss des Vergleiches die Absicht gehabt hätte, sie unter Verstoß gegen ihre nachvertraglichen Verschwiegenheitspflichten wettbewerbswidrig zu verwenden. Hierzu fehlt jedoch nach wie vor jeder durch Tatsachen belegte substantiierte Vortrag der Klägerin.

Für die Kammer auch nicht unerheblich, dass die Beklagte bei Abschluss des Prozessvergleiches am 13.12.2005 überhaupt nicht anwesend war. Der Vergleich ist ausschließlich durch die beiden Prozessbevollmächtigten der Parteien protokolliert worden.

Angesichts des Fehlens einer Offenbarungspflicht sowie der Abwesenheit der Beklagten bei Protokollierung des Vergleiches fehlen jegliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Täuschungsabsicht. Das gilt auch, soweit zugunsten der Klägerin insoweit nicht auf den Zeitpunkt des Zustandekommens des Prozessvergleiches vom 13.12.2005, sondern auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung des außergerichtlichen Abwicklungsvertrages abgestellt wird - das ist der 29.11.2005. Die Klägerin hat nichts dazu vorgetragen, woraus sich ergeben soll, dass die Beklagte bei Abschluss des Abwicklungsvertrages eine Täuschungsabsicht hatte.

Letztendlich ist auch das Bestehen eines durch eine Täuschungshandlung der Beklagten herbeigeführten Schadens der Klägerin in Höhe der ausgezahlten Abfindungsbeträge nicht ersichtlich. Die Beklagte hat sich nicht im November/Dezember 2005 gegenüber der Klägerin illoyal verhalten, sondern erst ein Jahr später. Dieses illoyale Verhalten im November 2006 ist nicht ursächlich dafür, dass die Klägerin zuvor an die Beklagte vereinbarungsgemäß Abfindungsbeträge ausgezahlt hat. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kündigungsschutzprozess fortzuführen wäre, falls eine wirksame Anfechtung bejaht würde. Das Ergebnis des Kündigungsschutzprozesses ist jedoch völlig ungewiss und damit auch die Frage einer etwaigen Schadenshöhe. Insoweit kann sich auch durchaus ergeben, dass die Kündigung unwirksam war und sich die Klägerin bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Annahmeverzug befindet, mithin Vergütungsansprüche der Beklagten zu begleichen hat. Die Wirksamkeit der schriftsätzlich ausgesprochenen fristlosen Kündigung der Klägerin vom 28.02.2007 scheitert jedenfalls bereits an der Vorschrift des § 626 Abs. 2 BGB. Danach ist eine außerordentliche Kündigung innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis der zur Kündigung berechtigenden Tatsachen auszusprechen. Die Klägerin hat jedoch bereits mit Schreiben der B.-Gruppe Dienstleistungs GmbH vom 17.11.2006, also mehr als drei Monate vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung Kenntnis von der Vorgehensweise der Beklagten erhalten.

Die Voraussetzungen für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sowie das Bestehen eines Schadens in Höhe der bisher gezahlten Abfindungssumme sind daher nicht dargelegt.

4. Die Beklagte hat durch ihre Vorgehensweise am 31.10.2006/17.11.2006 zweifelsfrei ihre arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verletzt. Sie war gemäß § 8 des Arbeitsvertrages kraft ausdrücklicher Vereinbarung auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf geschäftliche Angelegenheiten und Geschäftsgeheimnisse zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie hat diese Pflicht verletzt, indem sie einem Konkurrenten ihres ehemaligen Arbeitgebers betriebsinterne Unterlagen ausgehändigt hat, aus denen Kalkulationsgrundsätze und Kalkulationsansätze zu entnehmen sind. Insoweit kommt es nicht auf die Aktualität der ausgedruckten Zahlenwerke an. Der Anlage K 1 können jedoch zweifelsfrei Kalkulationsstrukturen der Klägerin für ihre Objekte entnommen werden, die für einen Konkurrenten und dessen Kalkulation aufschlussreiche und hilfreiche Anhaltspunkte sind.

5. Der Verstoß der Beklagten gegen § 8 ihres Arbeitsvertrages führt aber nicht dazu, dass der Prozessvergleich vom 13.12.2005 unwirksam ist. Er führt darüber hinaus nicht dazu, dass seitens der Klägerin ein Schadensersatzanspruch zu bejahen ist. Denn das Verhalten der Beklagten hat - jedenfalls ausweislich des Akteninhaltes - für die Klägerseite glücklicherweise zu keinem wettbewerbsrechtlichen Schaden geführt. Vielmehr hat der konkurrierende Mitbewerber, der Geschäftsführer der B.Gruppe Dienstleistungs GmbH eine von der Beklagten verursachte Schadensentstehung dadurch verhindert, dass er die Unterlagen einkassiert und der Klägerin zugängig gemacht hat. Für eigene Wettbewerbstätigkeiten hat er sie nicht genutzt. Hierzu fehlt jedenfalls jeglicher Vortrag der Klägerin. Damit ist ein durch die Treuepflichtverletzung der Beklagten verursachter Schaden der Klägerin nicht ersichtlich.

6. Auch die seitens der Klägerin zur Rechtfertigung ihres Zahlungsbegehrens angeführte Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) führt nicht zum Erfolg des Berufungsverfahrens. Abgesehen davon, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 320 BGB nicht ersichtlich ist, ist schon ein Zahlungsbegehren der Beklagten, das abgewehrt werden müsste, nicht Streitgegenstand dieses Rechtstreits. Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht erfüllt. Auch hier fehlt schon die Darlegung eines Schadens durch die seitens der Beklagten begangene nachvertragliche Pflichtverletzung.

7. Nach alledem war der Feststellungs- und Zahlungsantrag unbegründet. Die Klage ist daher zu Recht abgewiesen worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

Ende der Entscheidung

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