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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: 3 Sa 269/04
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 2 Abs. 1
BetrVG § 20 Abs. 2
BetrVG § 37 Abs. 6
Dem Wahlvorstand steht ein Beurteilungsspielraum bezüglich der Erforderlichkeit seiner Tätigkeit zu (mit BAG vom 21.7.1991 - 7 AZR 61/90).

Die Erforderlichkeit ist nicht nach Erfahrungs- und Richtwerten zu bemessen. Sie richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (mit BAG vom 15.3.1995 - 7 AZR 643 /94).

Der Arbeitgeber ist unter dem Gesichtspunkt des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) nicht berechtigt, dem Wahlvorstand bzgl. der von ihm zu leistenden Tätigkeit ein Stundenkontingent vorzugeben.

Auch die Wahlvorstandsmitglieder sind aufgrund des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit iSd. § 2 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, unter Berücksichtigung der Interessen des Betriebes und ihrer individuellen Fähigkeiten die Wahlvorstandstätigkeit möglichst zügig und effektiv auszuführen.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 269/04

Verkündet am 15. Dezember 2004

In dem Rechtsstreit

pp.

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Heimann als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter Pemöller und Scholtis

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 7. April 2004 - 3 Ca 2867 a/03 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 331,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Dezember 2003 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 47% und die Beklagte 53%.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Umfang des Vergütungsanspruches für Arbeiten des Klägers als Wahlvorstand zur Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung.

Der am 31. Mai 1959 geborene Kläger ist seit dem 6. Juni 1988 im Betrieb der Beklagten tätig. Er war bereits in den Jahren 1998, 2000 und 2001 als Wahlvorstand tätig. Am 19. Juni 2003 wurde er in den Wahlvorstand zur Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt. Der Wahlvorstand bestand aus 3 Mitgliedern. Der Kläger war Wahlvorstandsvorsitzender. Im Betrieb waren 118 wahlberechtigte Männer und 33 wahlberechtigte Frauen tätig.

Mit Schreiben vom 7. Juli 2003 wurde der Beklagten das Ergebnis der Wahlvorstandswahl mitgeteilt. Gleichzeitig bat der Wahlvorstand darum, ihm einen PC sowie einen Farbdrucker zur Verfügung zu stellen, weil eine farbige Wahlwerbung mit Bewerberfotos gemacht werden sollte. Daraufhin bat die Beklagte mit Schreiben vom 9. Juli 2003 um Mitteilung des erforderlichen Stundenbedarfs pro Wahlvorstandsmitglied und verwies den Wahlvorstand hinsichtlich des PCs darauf, den PC der JAV nutzen zu können. Nachdem der Wahlvorstand der Beklagten am 15. Juli 2003 mitgeteilt hatte, er könne die erforderliche Arbeitsstundenzahl nicht angeben, legte die Beklagte mit Schreiben vom 16. Juli 2003 fest, dass nach ihren Feststellungen 80 Stunden pro Wahlvorstandsmitglied für die Vorbreitung und Durchführung der Wahl ausreichend seien und ein höherer Stundenbedarf vorab rechtzeitig unter detaillierter Begründung darzulegen sei (Bl. 10 d. A.).

Mit Schreiben vom 4. September 2003 wies die Beklagte den Wahlvorstand daraufhin, dass nun bereits ca. 60 Stunden Wahlvorstandsleistung erbracht worden seien und mehr als 80 Stunden nicht vergütet würden (Bl. 11 d. A.). Das wies der Kläger am 9. September 2003 unter Erläuterung einiger zeitaufwendigerer Faktoren zurück (Bl. 12 d. A.). Am 10. und 11. September 2003 wurde die Wahl durchgeführt.

Die Beklagte zahlte dem Kläger zunächst für September 2003 die Vergütung voll aus, zog ihm jedoch mit der Oktoberabrechnung für 29,13 Stunden à 21,59 EUR = 628,92 EUR wegen nicht erforderlicher Wahlvorstandstätigkeit von der Vergütung ab (Bl. 15 d. A.). Warum der Betrag ausgerechnet in dieser Höhe in Abzug gebracht wurde, erläuterte sie in diesem Zusammenhang nicht.

98,15 Stunden Wahlvorstandstätigkeit des Klägers wurden vergütet. Das zweite Wahlvorstandsmitglied hat 154,14 Stunden Tätigkeit geltend gemacht. Insoweit wird ebenfalls ein Rechtsstreit über die Erforderlichkeit geführt. Die mehr als 80 Stunden umfassende Tätigkeit des dritten Wahlvorstandsmitgliedes wurde vergütet.

Unter dem 9. Dezember 2003 erhob der Kläger Zahlungsklage, der 12-seitige Erläuterungen seiner Tätigkeit als Wahlvorstand in der Zeit vom 20. Juni 2003 bis zum 22. September 2003 beigefügt waren (Bl. 17 - 28 d. A.). Dieses Vorbringen konkretisierte er auf 18 Seiten mit Schriftsatz vom 30. Januar 2004 (Bl. 60 - 76 d. A.) und noch einmal mit 28-seitigem Schriftsatz vom 31.3.2004 (Bl. 91 - 118 d. A.). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Anlage K 10 zu Klageschrift sowie die Ausführungen in den genannten Schriftsätzen ausdrücklich Bezug genommen.

Nachdem die Beklagte zur Tätigkeitsdarstellung des Klägers ausführlich Stellung genommen und diese zu großen Teilen sowohl dem Grunde, als auch der Höhe nach als nicht erforderlich eingeordnet hatte, wies das Arbeitsgericht Neumünster mit Urteil vom 7. April 2004 die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger habe die Erforderlichkeit der verrichteten Tätigkeit nicht hinreichend substantiiert darlegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster Bezug genommen.

Gegen dieses am 26. Mai 2004 zugestellte Urteil legte der Kläger am 21. Juni 2004 form- und fristgerecht Berufung ein, die nach Fristverlängerung bis zum 26. August 2004 am 23. August 2004 begründet wurde.

Er ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Er verweist nochmals auf seine erstinstanzliche Tätigkeitsbeschreibung in den Schriftsätzen vom 30. Januar 2004, 25. Februar 2004 und 31. März 2004 - auf deren Inhalt vorliegend Bezug genommen wird. Er ist der Ansicht, mit diesem Vortrag seine Darlegungslast erfüllt zu haben. Der Arbeitgeber könne ihm die Dauer seiner Tätigkeit nicht vorschreiben. Insoweit habe er als Amtsträger einen eigenen Beurteilungsspielraum. Deshalb sei auch keine minutiöse Darstellung seiner Tätigkeiten notwendig. Minutiöse Angabepflichten seien dem Betriebsverfassungsgesetz fremd. Eine diesbezügliche Forderung verstoße gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Das neue Wahlvorstandsmitglied habe eingearbeitet werden müssen. Der Kläger habe das Maß des Erforderlichen bei seiner Tätigkeit als Wahlvorstand nicht überschritten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 7. April 2004 (3 Ca 2867 a/03) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 628,92 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Vorbringen u. a. unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Einzeltätigkeiten nebst Zeitangaben und unter Bezugnahme vor allem auf das tabellarische erstinstanzliche Auswertungsvorbringen aus dem Schriftsatz vom 16. Januar 2004 (Bl. 39 - 43 d. A.). Auf das diesbezügliche schriftsätzliche Vorbringen vom 16. 1.2004 wird verwiesen. Nach Ansicht der Beklagten ist die Darstellung des Klägers zu unkonkret und zeitlich zu ungenau sowie bzgl. der Zeitangaben widersprüchlich. Es erschließe sich nicht, warum die Aufgaben des Klägers notwendige Arbeiten als Wahlvorstand gewesen sein sollen. Der Kläger habe insoweit keinen Beurteilungsspielraum. Der Kläger sowie sein ebenfalls klagender Wahlvorstandskollege Herr R. hätten zudem zu unorganisiert und zu ineffektiv gearbeitet und zu viele Tätigkeiten gemeinsam ausgeübt, obgleich das konkret nicht erforderlich gewesen wäre. Beispielsweise hätten Materialien von der vorherigen Wahl wieder verwendet werden können, die Wählerliste und das Wahlausschreiben per e - mail versandt werden können und müssen. Andere Wahlvorstandsmitglieder in anderen Unternehmen bräuchten regelmäßig weniger Zeit.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der umfangreichen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Unter Auswertung des umfangreichen Tatsachenvortrags des Klägers zu der von ihm geleisteten Wahlvorstandstätigkeit sind die von ihm geltend gemachten restlichen 29,13 Stunden um 13,77 Stunden zu kürzen, da auch unter Berücksichtigung seines eigenen Beurteilungsspielraums nach der Überzeugung der Kammer diese Stunden keine erforderliche Wahlvorstandsarbeit darstellen.

1. Gem. § 20 Abs. 2 BetrVG trägt der Arbeitgeber die Kosten der Wahl. Versäumnis von Arbeitszeit, die zur Ausübung des Wahlrechts, zur Betätigung im Wahlvorstand oder zur Tätigkeit als Vermittler erforderlich ist, berechtigt den Arbeitgeber nicht zur Minderung des Arbeitsentgelts. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Der Arbeitgeber hat die Wahlvorstandsmitglieder nur von den Kosten freizustellen, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich waren, auch wenn das Gesetz diese Einschränkung nicht ausdrücklich enthält (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - BAG v. 3. Dezember 1987 -6 ABR 79/85 - mit einer Vielzahl von Nachweisen). Bei dem Begriff der Erforderlichkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, zu dessen Ausfüllung dem Wahlvorstand ebenso wie dem Betriebsrat bei Tatbeständen der §§ 40, 37 Abs. 6 und 2 BetrVG ein Beurteilungsspielraum zusteht. Dabei hat der Wahlvorstand die Frage der Erforderlichkeit nicht nur nach seinem subjektiven Ermessen zu beantworten, sondern sich auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten zu stellen, der die Interessen des Betriebsinhabers einerseits, des Betriebsrats und der Arbeitnehmerschaft andererseits gegeneinander abzuwägen hat. Auch den Tatsacheninstanzen steht ein derartiger Beurteilungsspielraum zu (BAG a. a. O.).

Für den "Lohnfortzahlungsanspruch" ist allein entscheidend, dass die Arbeitsbefreiung tatsächlich für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben (hier Wahlvorstandsaufgaben) erforderlich war. Insoweit bleibt das Wahlvorstandsmitglied ebenso wie das Betriebsratsmitglied nach wie vor darlegungspflichtig. Allerdings darf der Arbeitgeber die Auszahlung des Arbeitslohnes nicht regelmäßig von einer lückenlosen Darlegung zu Art und Umfang der angemeldeten Tätigkeit abhängig machen. Stichwortartige Angaben zum Zwecke der Prüfung der Erforderlichkeit kann der Arbeitgeber nur verlangen, wenn anhand der konkreten betrieblichen Situation und des vom Betriebsratsmitglied genannten Zeitaufwandes an der Erforderlichkeit der Tätigkeit insgesamt Zweifel bestehen (BAG v. 15. März 1995 - 7 AZR 643/94 - zitiert nach Juris). Es gibt keine gesetzliche Vermutung dafür, dass ein Betriebsratsmitglied - hier Wahlvorstandsmitglied - stets erforderliche Betriebsratstätigkeit (hier Wahlvorstandstätigkeit) verrichtet. Daher hat das Mitglied die erbrachte Tätigkeit sowie die angestellten Überlegungen so substantiiert darzulegen, dass zumindest die Gerichte für Arbeitssachen sie auch nachvollziehen können. Das führt nicht zu einer unzulässigen Überwachung der Betriebsratstätigkeit durch den Arbeitgeber. Vielmehr beruht die Darlegungspflicht auf dem Gebot rechtsstaatlichen Verfahrens (BAG a. a. O.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Erforderlichkeit einer Betriebsratstätigkeit nicht nach Erfahrungs- oder Richtwerten bemessen werden, sondern erfordert stets eine Einzelfallbetrachtung (BAG a. a. O.). Die Frage der Erforderlichkeit muss vom Standpunkt eines vernünftigen Dritten aus die Interessen des Betriebes einerseits, des Betriebsrats und der Belegschaft andererseits gegeneinander abwägen. Die Nachprüfung seiner Entscheidung ist nicht auf eine reine Missbrauchskontrolle beschränkt, sondern darauf, ob ein vernünftiger Dritter unter den im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Betriebsratsmitglied (hier Wahlvorstandsmitglied) geltenden Umständen ebenfalls eine solche Entscheidung getroffen hätte. Um diese Prüfung vornehmen zu können, hat das Mitglied zunächst stichwortartig zur Art der Tätigkeit und deren Dauer vorzutragen. Es ist sodann Sache des Arbeitgebers, seinerseits darzulegen, aus welchen Gründen unter Berücksichtigung der stichwortartigen Angaben des Mitglieds sich begründete Zweifel an der Erforderlichkeit der angegebenen Tätigkeit ergeben. Erst dann hat das Mitglied substantiiert darzulegen, aufgrund welcher Umstände es die Tätigkeit für erforderlich halten durfte (BAG a. a. O.). Für die Beurteilung, ob Arbeitsversäumnis nach Umfang und Art des Betriebs erforderlich ist, um die Aufgaben als Betriebsratsmitglied (hier Wahlvorstandsmitglied) ordnungsgemäß zu erfüllen, sind weder rein objektive Momente, noch ist die subjektive Ansicht des einzelnen Mitglieds maßgebend. Entscheidend ist vielmehr, dass das Mitglied bei gewissenhafter Überlegung und bei vernünftiger Würdigung aller Umstände die Arbeitsversäumnis für notwendig halten durfte, um den gestellten Aufgaben gerecht zu werden (Richardi, Kommentar zum BetrVG, 9. Aufl., Rz. 24 zu § 37 mit einer Vielzahl von BAG - Rechtsprechungsnachweisen).

2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann dem Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung unter Berücksichtigung des äußerst umfangreichen Vorbringens beider Parteien, vor allem des Klägers, nicht gefolgt werden, der Kläger habe die Erforderlichkeit auch des zeitlichen Umfangs jeder einzelnen Tätigkeit nicht substantiiert begründet. Insoweit wird der Maßstab an die Darlegungspflicht zu hoch angesetzt, zumal sich ein Großteil des Aufgabenbereichs des Klägers als Wahlvorstandsmitglied bereits aus der Wahlordnung und dem dort vorgeschriebenen Ablauf ergibt. Vielmehr war eine gerichtliche Überprüfung der Erforderlichkeit in Form einer Einzelauswertung der vorgetragenen Tätigkeiten des Klägers einschließlich des Zeitaufwandes geboten.

3. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der oben genannten Rechtsprechung nicht berechtigt ist, dem Wahlvorstand bzgl. der von ihm zu leistenden Tätigkeit ein Stundenkontingent vorzugeben. Eine diesbezügliche Vorgehensweise im Vorhinein widerspricht dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit i. S. d. § 2 Abs. 1 BetrVG. Auch ihre Androhung unmittelbar vor der Wahl, das Stundenkontingent sei erreicht und weitere Stunden würden nicht vergütet, fördert nicht die Zusammenarbeit, kann - je nach individueller Fallkonstellation - sogar zur Behinderung der Wahlen und der Arbeit der Wahlvorstandsmitglieder führen. Eine derartige Vorgehensweise ist weder tunlich, noch geeignet, Streitigkeiten zwischen den Betriebsparteien über die Erforderlichkeit des in Anspruch genommenen Zeitumfangs unter Beachtung des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit für beide Seiten konstruktiv zu lösen und zu beenden. Soweit die Beklagte in der Berufungsverhandlung den Hintergrund ihrer Schreiben vom 9. Juli 2003, 16. Juli 2003 und 4. September 2003 damit erläutert hat, dass ihres Erachtens u. a. die Tätigkeiten der Wahlvorstände in ihrem Betrieb zeitlich uferlos ausartete und hierüber trotz wiederholter Versuche keine Annährung zwischen den Betriebsparteien erzielt werden konnte, ist jedenfalls eine eigenmächtige Festlegung des Zeitumfangs der Arbeit des Wahlvorstandes durch den Arbeitgeber nicht zulässig. Vielmehr hätte sie einen derartigen Konflikt dann nachträglich im Rahmen einer rechtlichen Auseinandersetzung über den Umfang der Entgeltfortzahlungsverpflichtung austragen müssen. So hat es der Gesetzgeber vorgesehen. In diesem Zusammenhang mag es, wie von der Beklagten vorgebracht, auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalles sachdienlich sein, den Wahlvorstand aus gegebenem Anlass vorzuwarnen, das nicht alle Stunden per se als erforderlich akzeptiert werden und dieses bei der Ausübung des Amtes beachtet werden möge. Hierfür dürfte jedoch - im gebotenen Ton - ein entsprechender Hinweis des Arbeitgebers ausreichen, ohne dass dieser sich anmaßt, vorab festlegen zu wollen und zu dürfen, in welchem Umfang Arbeitszeit aufgewendet werden darf. Letzteres steht ihm nicht zu, da sich, wie dargelegt, die Erforderlichkeit nicht nach Erfahrungs- oder Richtwerten richtet, sondern sich aus einer jeweiligen individuellen Einzelfallbetrachtung ergibt und dem Wahlvorstand insoweit auch ein Beurteilungsspielraum zusteht.

4. Andererseits ergibt sich unter Anwendung der o. g. Rechtsprechung, dass nicht alle Zeit, die aus Anlass der Wahlvorstandstätigkeit verbracht wird, als erforderliche Wahlvorstandstätigkeit anzusehen ist und der Amtsträger auch die Interessen des Betriebes, mithin das Interesse an einer möglichst effektiven und zügigen Amtsausübung zu berücksichtigen ist. Das ist nach Ansicht der Kammer dem Kläger als erfahrenem Wahlvorstandsmitglied nochmals zu verdeutlichen. Auch wenn die Kammer keiner Person das individuelle Arbeitstempo vorschreiben will und toleriert, dass die Menschen unterschiedlich schnell und unterschiedlich effektiv arbeiten, auch wenn ferner nach Ansicht der Kammer entgegen der Diktion des Arbeitgebers zu berücksichtigen ist, dass die Effizienz der Tätigkeit des Klägers als Wahlvorstandsmitglied im Hinblick auf Bürotätigkeiten und den Umgang mit dem PC nicht mit der Effizienz einer eingearbeiteten Bürokraft verglichen werden kann, fällt auf, dass sich der Kläger als Wahlvorstandsmitglied auffällig, teilweise nahezu herausfordernd viel Zeit bei seiner Amtsausübung gelassen hat. Auch das entspricht nicht dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Sinne des § 2 BetrVG.

5. Die Auswertung der seitens des Klägers dargelegten Wahlvorstandsarbeit hat hinsichtlich der Erforderlichkeit i. S. d. § 20 Abs. 3 BetrVG folgendes ergeben:

Die Beklagte hat 29,13 Stunden in Abzug gebracht. Die Tätigkeit am 20. Juni 2003 und am 29. Juni 2003 ist seitens der Beklagten nicht hinterfragt worden.

Die Tätigkeit am 15. Juli 2003 mit 6,86 Stunden (2. Wahlvorstandssitzung, Streit um PC, besorgen der alten Unterlagen und Material, organisatorische Einrichtung des Wahlvorstandsbüros) wird unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums des Wahlvorstandes als erforderlich eingeordnet.

Gleiches gilt für die Tätigkeiten am 18. Juli 2003 mit 5,38 Stunden und am 22. Juli 2003 mit 7,52 Stunden. Abholen und Installieren eines PCs sowie die Installation von Software durch den IT-Service lassen sich nicht mit 35 Minuten abtun. Im Übrigen ist die äußerst sorgfältige Bearbeitung und Beachtung der Wahlformalien für die Beklagte von gebotenem Interesse, da sie Anfechtungsgründe verhindert und zudem nicht von einer geübten Bürokraft ausgeführt wurde.

Die Tätigkeit am 1. August 2003 mit 5,77 Stunden war um 2,77 Stunden zu kürzen, da der Kläger ausweislich seines eigenen schriftsätzlichen Vorbringens vom 31. März 2004, Seite 14, an diesem Tag selbst nur seine Arbeitsleistung als Wahlvorstand mit 3 Stunden angibt (Bl. 104 d. A.).

Die Tätigkeit des Klägers am 6. August 2003 mit 7,27 Stunden war um 2 Stunden als nicht erforderlich zu kürzen. Angegeben werden seitens des Klägers insoweit 3 Stunden Arbeitszeit für den Entwurf eines Layouts für Fotos der Kandidaten. Die Kammer hat schon Zweifel daran, ob es sich hinsichtlich des Zeitaufwandes des Wahlvorstandes für die Erstellung von Wahlwerbung dem Grunde nach überhaupt um erforderliche Wahlvorstandskosten handelt. Diese Zweifel seien jedoch dahingestellt, da Wahlwerbung durch den Wahlvorstand selbst nach dem Vorbringen der Beklagten in den vergangenen Jahren betriebsüblich war (Bl. 36 d. A.). Jedenfalls ist ein Zeitaufwand von 3 Stunden für den Layout-Entwurf auch nicht ansatzweise nachvollziehbar. Auch als ggfs. insoweit ungeübter Arbeitnehmer durfte der Kläger - zügig arbeitend - nicht mehr als 1 Stunde für die Erstellung eines derartigen Layout-Entwurfes während der Arbeitszeit auf Kosten des Arbeitgebers verbringen. Besondere Vorkommnisse, die seinen angegebenen Zeitaufwand erforderlich machten, hat er nicht dargelegt.

Auch die für den 7. August 2003 mit 7,40 Stunden aufgeführte Wahlvorstandsarbeit war mangels feststellbarer Erforderlichkeit um 3 Stunden zu kürzen. Der Kläger hat insoweit nach seinem Vorbringen allein 3 Stunden damit verbracht, eine neue Kamera zu holen und sich in die Software und das Bildbearbeitungsprogramm einzuarbeiten. Mehr als 1 Stunde Einarbeitungszeit auf Kosten der Beklagten kann ihm insoweit nicht zugebilligt werden. Die Erwerbung von Kenntnissen der Finessen der Software einer Kamera sowie eines Bildbearbeitungsprogramms ist für die Tätigkeit eines Wahlvorstandes nicht erforderlich, vielmehr in das nicht vom Arbeitgeber zu finanzierende Privatleben zu verlagern. Ferner hat der Kläger angeführt, er habe 2 Stunden lang "allgemeine Schreibarbeiten" verrichtet (Bl. 106 d. A.). Da auch nicht ansatzweise unter Berücksichtigung der im Übrigen zusätzlich detailliert aufgeführten Schreibarbeiten ersichtlich ist, was der Kläger in dieser Zeit gemacht haben will, außer z. B. den Beleg für Vorschlagslisten zu erstellen (Bl. 106 d. A.), war diese Zeitangabe unter Berücksichtigung seines Beurteilungsspielraums großzügig nur um 1 Stunde zu reduzieren.

Die Tätigkeit am 8. August 2002 von 5,93 Stunden war in einem Zeitumfang von 1,5 Stunden nicht erforderlich. Der Kläger hat 2,5 Stunden für das Layouten - den Entwurf hatte er bereits erstellt - und für den Probedruck von 3 bis 5 Bildern in Ansatz gebracht. Mehr als 1 Stunde Arbeitszeit kann ihm für diese Tätigkeit nicht zugebilligt werden. Den im Übrigen vorgebrachten Zeitansatz von 2,5 Stunden für das Quittieren des Erhalts der Vorschlagslisten sowie die Beantwortung von Fragen der Kandidaten hält die Kammer zwar für bedenklich lang, ordnet ihn jedoch gerade noch seinem Beurteilungsspielraum zu.

Der Zeitaufwand vom 11. August 2003 von 7,59 Stunden war um 1 Stunde zu kürzen. 5 Stunden Zeitaufwand für eine Wahlvorstandssitzung, die sich nur mit dem Annehmen des Protokolls sowie des Stimmzettelentwurfes sowie dem Prüfen und Anerkennen des Wahlvorschlages befasst sowie für den "Beginn der Vorbereitung für das Erstellen der Briefwahlunterlagen", was immer darunter zu verstehen sein soll, sind zeitlich uferlos und auch unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums des Wahlvorstandes mindestens für 1 Stunde überzogen.

Die Tätigkeit des Klägers am 12. August 2003 mit 7,52 Stunden war ebenfalls um 1 Stunde zu reduzieren. Für die Kammer ist nicht nachvollziehbar, wie man jeweils zu zweit 4,5 Stunden für das Auflösen eines Ordners, das Aktualisieren des aktuellen Wahlordners um die bisher erstellen Unterlagen sowie das Aushängen des Wahlvorschlages auf 18 Wahlbrettern ausschließlich auf dem Betriebsgelände in N... zu zweit zubringen kann und muss. Hier ist mindestens 1 Stunde zuviel in Ansatz gebracht worden.

Die Tätigkeit am 13. August 2003 mit 6,99 Stunden war ebenfalls um 1 Stunde zu reduzieren. Der Kläger bringt 2 Stunden für das Kontrollieren der einen Tag zuvor in N... erfolgten Aushänge in Ansatz. Auch unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums des Wahlvorstandes ist angesichts der Größe des Betriebes in N... mindestens 1 Stunde zuviel aufgelistet worden.

Die Tätigkeit am 5. September 2003 bleibt ungekürzt, zumal der Hausmeister alte Wahlbretter entfernt hatte und Rücktrittsdiskussionen von 2 Kandidaten zusätzliche Probleme ausgelöst haben.

Die Tätigkeit am 8. September 2003 mit 7,57 Stunden ist um 1 Stunde zu reduzieren, da für die Kammer nicht nachvollziehbar ist, wieso ein Zeitaufwand von 2 Stunden für das Aufsuchen der Poststelle und Eintragen eingegangener Wahlbriefe ( wie viele) in die Briefwahlliste sowie das Fertigen von Notizen über Arbeiten des Tages, die sich auf die Klärung der Rücktrittsprobleme sowie die Abholung, Reinigung und Beschriftung der Wahlkabinen etc., die Erstellung der Zählzettel und die Aktualisierung der Wählerliste beschränkte, bei zügiger Arbeitsweise erforderlich gewesen sein soll.

Die Arbeitsstunden am 9. September, 10. September und 11. September 2003 sind nach Ansicht der Kammer nicht zu kürzen. Die Wahlordnung gibt keine Vorgaben über Wahlöffnungszeiten etc., so dass insoweit der Beurteilungsspielraum des Wahlvorstandes bleibt. Die Diskussion um das Schreiben der Personalabteilung vom 9. September 2003 band darüber hinaus Zeitkapazitäten.

Für den 12. September 2003 soll die Stundenangabe von 5,8 Stunden für die Wahlvorstandssitzung, die Wahlüberprüfung, das Fertigen von Notizen des Tages sowie einer Antwort auf das Schreiben der Beklagten vom 9. September 2003 unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums nicht gekürzt werden.

Gleiches gilt für den 15. September 2003.

Die für den 16. September 2003 mit 5 Stunden angegebene Wahlvorstandstätigkeit war um 0,5 Stunden zu kürzen, da der Kläger nach eigenem Vorbringen im Schriftsatz vom 31. März 2004 hier nur auf Tätigkeiten seinerseits von 4,5 Stunden kommt (Bl. 117 d. A.).

Die erbrachte Arbeitszeit am 17. September und 22. September 2003 ist mit dem Vorbringen der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 16.1.2004 und dort Seite 10 Bl. 43 d. A.) zuzubilligen.

Insgesamt ergibt sich daher eine berechtigte Stundenkürzung von 13,77 Stunden à 21,59 EUR = 297,29 EUR. Die Beklagte hat die Vergütung des Klägers um 628,92 EUR gekürzt, so dass ein auszuzahlender Restbetrag in Höhe von 331,63 EUR verbleibt. In dieser Höhe war das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben. Im Übrigen war die Klage abzuweisen und die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO und entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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