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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 12.02.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 458/06
Rechtsgebiete: TVG, TV Lohn/West (Baugewerbe)


Vorschriften:

TVG § 4 Abs. 1
TVG § 3
TVG § 5
TV Lohn/West (Baugewerbe) § 6
§ 6 des Tarifvertrages zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der 5 neuen Länder und des Landes Berlin (TV Lohn/West) stellt lediglich eine zwischen den Tarifvertragsparteien schuldrechtlich wirkende Tarifvertragsregelung dar.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 458/06

Verkündet am 12.02.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 12.02.2007 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 07.09.2006 - 3 Ca 825 b/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die 2. Hälfte des tariflichen 13. Monatseinkommens verfallen ist und wie sie ggf. zu berechnen ist.

Der Kläger ist seit dem 14.3.2000 bei der Beklagten als Maurer beschäftigt und Lohngruppe 4 TV Lohn/West zugeordnet. Er ist Mitglied der IG Bau Agrar und Umwelt.

Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen mit rund 140 Arbeitnehmern. Sie ist Mitglied im Norddeutschen Baugewerbeverband e. V. Seit dem 01.01.2006 besteht Mitgliedschaft "ohne Tarifbindung".

Die Beklagte zahlte an die gewerblichen Arbeitnehmer bis vor dem 1. September 2005 aufgrund des Firmensitzes in S. Entgelt entsprechend den bisherigen Bezirkslohntarifverträgen (Lohntabellen) des Baugewerbes Hamburg. Der Kläger erhielt zuletzt 14,82 EUR brutto pro Stunde bzw. im Akkord 14,00 EUR, entsprechend der in Fortschreibung der letzten Lohntabelle herausgegebenen Empfehlungen der regionalen Tarifverbände. Mit Datum vom 12.07.2005 vereinbarte der Kläger mit der Beklagten eine so genannte "Arbeitsvertrags - Änderung", wonach er u.a. mit Wirkung ab 01.09.2005 auf das 13. Monatseinkommen verzichtete und die Vergütung auf den tariflichen Mindestlohn ML II von derzeit 12,47 EUR reduziert wurde. Mit diesem Verzicht ist er jetzt nicht mehr einverstanden und verlangt von der Beklagten in diesem Rechtsstreit die 2. Hälfte des tariflichen 13. Monatseinkommens und zwar bei der Berechnung unter Beachtung der Besonderheiten des Sonderlohngebietes Hamburg.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 21.5.1997, zuletzt in der Fassung vom 29.10.2003 Anwendung (im Folgenden: TV 13. ME). Gem. § 2 dieses Tarifvertrages haben Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30. November des laufenden Kalenderjahres (Stichtag) mindestens 12 Monate (Bezugszeitraum) ununterbrochen besteht, einen Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen in Höhe des 93fachen ihres in der Lohntabelle ausgewiesenen Gesamttarifstundenlohnes. Dieses 13. Monatseinkommen ist kürzbar um krankheitsbedingte Ausfalltage. Aus Krankheitsgründen ist die Sonderzuwendung vorliegend unstreitig auf das 65-fache des Gesamttarifstundenlohnes zu kürzen.

Gem. § 6 TV 13. ME ist das 13. Monatseinkommen, das zum Stichtag berechnet wird, je zur Hälfte zusammen mit der Zahlung des Lohns für den Monat November und für den Monat April des Folgejahres auszuzahlen. Die Beklagte zahlte in der Vergangenheit seit Jahrzehnten unstreitig das 13. Monatseinkommen immer voll mit der Vergütung für den Monat November aus, also spätestens am 15.12. eines Jahres. Aufgrund der vereinbarten Vertragsänderung vom 12.7.2005 erfolgte keine Zahlung für 2005. Unter dem Aktenzeichen 3 Ca 2417 b/05 hatte der Kläger bereits die erste Hälfte der Sonderzuwendung dem Grunde nach erfolgreich eingeklagt. Mit der vorliegenden Klage vom 4.5.2006 hat er die 2. Hälfte geltend gemacht. Die Beklagte hat sich auf die tarifliche Ausschlussfrist des § 15 I BRTV-Bau berufen.

Auf das Arbeitsverhältnis findet darüber hinaus der Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der 5 neuen Länder und des Landes Berlin" (TV Lohn/West) Anwendung - zuletzt vom 29.7.2005 - , der von den zentralen Tarifvertragsparteien auf Bundesebene verhandelt und geschlossen wird.

Im Baugewerbe gibt es folgende Besonderheit: Seit über 60 Jahren vereinbaren die Landes- bzw. Bezirksorganisationen der bauwirtschaftlichen Tarifvertragsparteien - in Hamburg namentlich der Bauindustrieverband Hamburg e.V. und der Norddeutsche Baugewerbeverband e.V. auf Arbeitgeberseite sowie die IG Bau-Agrar-Umwelt auf Arbeitnehmerseite - Bezirkslohntarifverträge (Lohntabellen) für das Verbandsgebiet, vorliegend das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Tarifverhandlungen fanden also zunächst regional statt. Erst später wurden bundesweit zentrale Tarifverhandlungen geführt. Diese beschränkten sich aber im Wesentlichen auf die Festlegung der Vergütung für die im Bundesrahmentarifvertrag festgelegten Berufsgruppen. Die historisch gewachsenen regionalen Besonderheiten fanden in den regionalen Bezirkslohntarifverträgen (Lohntabellen) ergänzende Berücksichtigung. In den Bundestarifverträgen war/ist jeweils geregelt, dass eine Kündigung auch als Kündigung der Bezirkslohntarifverträge (Lohntabellen) gilt.

Der letzte Bezirkslohntarifvertrag (Lohntabelle) für Hamburg wurde am 01.04.2001 geschlossen. Der ihm zu Grunde liegende bundesweit geltende Lohntarifvertrag wurde zum 31.3.2002 gekündigt. Seither befindet sich die Bezirkslohntabelle des Baugewerbes Hamburg in der Nachwirkung. Ein neuer Bezirkslohntarifvertrag ist nicht mehr zustande gekommen.

Zwischenzeitlich schlossen die bundesweit handelnden Tarifvertragsparteien zunächst am 4. Juli 2002 den TV Lohn/West ab, mit dem unter anderem neue Lohnstrukturen eingeführt wurden. Für den Kläger, der vorher nach der Hamburger Bezirkslohntabelle zur Berufsgruppe III - Spezialbaufacharbeiter mit einer Vergütung von 27,44 DM (umgerechnet 14,03 EUR) gehörte, (Anlage BB 2 - Bl. 65 f. d. A.), ist seither maßgeblich die neue Lohngruppe 4 des TV Lohn/West.

Am 29.07.2005 wurde der TV Lohn/West zuletzt geändert. Für November 2005 wurde für die Lohngruppe 4 ein Gesamttariflohn von 14,78 EUR/Stunde bzw. bei Akkordlohn von 13,96 EUR/Stunde festgelegt.

Der Kläger will, dass bei der Berechnung des 13. Monatseinkommens der Gesamttarifstundenlohn der Lohngruppe 4 des TV Lohn/West um 4 Cent pro Stunde erhöht wird und stützt sich insoweit schwerpunktmäßig auf § 6 TV Lohn/West. § 6 TV Lohn/West lautet wie folgt:

"§ 6 Sonderlohngebiet Hamburg

Im Sonderlohngebiet Hamburg ist sicherzustellen, dass die Lohnabstände, die sich aus den bisherigen Regelungen in den zentralen Lohntarifverträgen für das Sonderlohngebiet Hamburg ergeben haben, erhalten bleiben." (Anlage BB1 - Bl. 62 d. A.).

Zu den Bezirkslohntarifverträgen bestimmt der TV Lohn/West folgendes:

"§ 9 Bezirkslohntarifverträge (Lohntabellen)

Die Landes- bzw. Bezirksorganisationen der Tarifvertragsparteien sind verpflichtet, unverzüglich die Lohntarifverträge (Lohntabellen) ihres Gebietes nach Maßgabe dieses Tarifvertrages zu erstellen. In diese ist auch eine Sonderlohngruppe für Berufskraftfahrer aufzunehmen.

§ 10 Durchführung des Vertrages

(1) Die Tarifvertragsparteien verpflichten sich, ihren Einfluss zur Durchführung und Aufrechterhaltung dieses Vertrages und der damit in Zusammenhang stehenden Lohn- und sonstigen Tarifverträge einzusetzen.

..." (Bl. 63 d. A.)

In den vergangenen 30 Jahren lag der Hamburger Spezialbaufacharbeitertariflohn wechselnd zwischen 0,08 DM (= 0,04 EUR) und 0,09 DM (= 0,05 EUR) über dem Spezialbaufacharbeiterlohn des TV Lohn/West. Zuletzt betrug der Lohnabstand 0,04 Euro mehr pro Stunde.

Hinsichtlich der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das geschah unter anderem mit der Begründung, kraft betrieblicher Übung sei das gesamte 13. Monatseinkommen mit dem Novembergehalt fällig gewesen. Deshalb sei die 2. Hälfte bei Klagerhebung verfallen gewesen, da sie erst rund 4,5 Monate nach Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht worden sei.

Gegen diese dem Kläger am 25.09.2006 zugestellte Entscheidung legte er am 24.10.2006 (Eingang) Berufung ein, die am 22.11.2006 begründet wurde.

Insoweit ergänzt und vertieft er im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Die 2. Hälfte des 13. Monatseinkommens sei laut § 6 Abs. 1 S.1 TV 13. ME erst mit Zahlung des Aprillohnes, und daher erst am 15.5.2006 fällig gewesen. Die Klage sei daher rechtzeitig erhoben worden. Der Tarifanspruch sei genau geregelt. Insoweit sei kein Raum für individuelle Vereinbarungen oder gar eine abweichende betriebliche Übung bzgl. der Fälligkeit. Auch stelle unter Günstigkeitsgesichtspunkten die vorgezogene Zahlungsweise keinen Vorteil für den Kläger dar, bringe ihm vielmehr nur Steuernachteile. Er trägt weiter vor, bei der Berechnung des 13. Monatseinkommens sei anstelle des Stundenlohns von 14,78 EUR brutto/Stunde von einem Stundenlohn von 14,82 EUR brutto/Stunde auszugehen. Das ergebe sich aus der Bezirkslohntabelle für das Sonderlohngebiet Hamburg - Stand 2003/2004. Auf diese Tariflöhne habe der Kläger gemäß § 4 Abs. 4 TVG nicht wirksam verzichten können. Es treffe zwar zu, dass unter der Anlage K 1 die Unterschriften der Arbeitgeberverbände fehlten. Der Anspruch des Klägers auf 4 Cent mehr pro Stunde ergebe sich jedoch unmittelbar aus § 6 TV Lohn/West und der dort festgelegten tariflichen Abstandsregelung für das Sonderlohngebiet Hamburg. Entsprechend seien alle Vergütungsansprüche zu berechnen. § 6 TV Lohn/West stelle eine eigenständige tarifliche Anspruchsgrundlage dar. Der zu haltende Tariflohnabstand ergebe sich automatisch. Dass § 6 TV Lohn/West eine eigenständige Anspruchsgrundlage sei, ergebe sich zudem aus der Systematik des Tarifvertrages, da § 6 im materiellrechtlichen Bereich angeordnet sei und nicht in der Nähe von §§ 9 und 10 des TV Lohn/West.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 23.08.2006 - Az. 3 Ca 825 b/06 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die zweite Hälfte des tarifvertraglichen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 in Höhe von 481,65 EUR brutto, hilfsweise in Höhe von 480,35 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher, als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Die Forderung sei verfallen. Die Fälligkeit sei zulässig durch betriebliche Übung vor verlagert worden. Die meisten Kollegen hätten auch das 13. Monatseinkommen bereits in voller Höhe zum Jahreswechsel eingeklagt; warum der Kläger nicht, entziehe sich ihrer Kenntnis. Sie habe den Kläger insoweit jedenfalls nicht beeinflusst. Die volle Zahlung bereits mit der Novembervergütung sei auch ausschließlich vorteilhaft für die Arbeitnehmer im Sinne des § 4 Abs. 3 TVG. Jedenfalls könne der Berechnung nur der Gesamttarifstundenlohn der Lohngruppe 4 TV Lohn/West in Höhe von 14,78 EUR zugrunde gelegt werden. Ein anderweitiger Gesamttarifstundenlohn existiere nicht. Die Hamburger Arbeitgeberverbände hätten - das ist unstreitig geworden - seit 01.04.2002 keine neue Hamburger Bezirkslohntabelle mehr unterzeichnet. Das Anlagenkonvolut Anlage K 1 sei nur eine Forderung der Gewerkschaft des Klägers, so dass die Verzichtserklärung vom 12.07.2005 die Nachwirkung der alten Hamburger Bezirkslohntabelle und etwaiger anderer Handhabungen beendet habe. Es könne zudem angesichts des wechselnden Abstandes nicht von einem regelmäßigen Stundenlohnabstand zwischen dem TV Lohn/West und dem Sonderlohngebiet Hamburg in Höhe von generell 4 Cent pro Stunde ausgegangen werden. §§ 9, 10 TV Lohn/West stelle lediglich eine Verpflichtung für die Tarifvertragsparteien dar, unverzüglich Bezirkslohntarifverträge zu schließen und dabei auch § 6 TV Lohn/West einzuhalten. § 9 TV Lohn/West sei Grundvoraussetzung für die noch abzuschließenden Folgebezirkstarifverträge. § 6 sei da lediglich eine Sicherstellungsverpflichtung, deren Umsetzung nur auf Basis der Bezirkstarifverträge erfolgen könne. Normadressaten dieser Verpflichtung seien die Tarifvertragsparteien, nicht die Arbeitnehmer, so dass § 6 TV Lohn/West keine eigene Anspruchsgrundlage für die begehrten 4 Cent mehr pro Stunde darstellen könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.

II.

In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der zweiten Hälfte des tariflichen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 ist gemäß § 15 Abs. 1 Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) vom 4. Juli 2002 in der Fassung vom 29. Juli 2005 verfallen. Ungeachtet dessen besteht auch kein Anspruch auf Berechnung des hälftigen 13. Monatseinkommens auf Basis eines Gesamttarifstundenlohns von 14,82 EUR brutto/Stunde anstelle von 14,78 EUR brutto/Stunde. A. 1.)

Gemäß § 15 Abs. 1 BRTV Bau verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

Gemäß § 6 des TV 13. ME ist das 13. Monatseinkommen, das zum Stichtag - 30. November des laufenden Kalenderjahres - berechnet wird, je zur Hälfte zusammen mit der Zahlung des Lohns für den Monat November und für den Monat April des Folgejahres auszuzahlen.

Der Lohn für den Monat April 2006 war gemäß § 5 Ziff. 7.1 BRTV am 15. des Folgemonats, mithin am 15. Mai 2006 fällig. Der Kläger hat am 4. Mai 2006 Klage auf Zahlung der zweiten Hälfte des 13. Monatseinkommens erhoben, mithin scheinbar innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist.

2.)

Abweichend von der in § 6 Abs. 1 S. 1 TV 13. ME tarifvertraglich festgelegten Fälligkeitsregelung für die zweite Hälfte des 13. Monatseinkommens zahlt die Beklagte jedoch unstreitig seit Jahrzehnten das gesamte 13. Monatseinkommen mit der Vergütung für November, also spätestens am 15.12. eines jeden Kalenderjahres. Diese Zahlung ist für das Jahr 2005 infolge der einvernehmlichen Verzichtsvereinbarung unterblieben. Auf den betriebsüblichen Fälligkeitszeitpunkt eines 13. Monatseinkommens abgestellt, hat der Kläger mit seiner am 4. Mai 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage auf Zahlung der zweiten Hälfte des 13. Monatseinkommens die zweimonatige tarifliche Ausschlussfrist des § 15 Abs. 1 BRTV Bau nicht gewahrt. Die gerichtliche Geltendmachung hätte bis zum 15.02.2006 erfolgen müssen.

3.)

Die betriebsübliche zeitliche Vorverlagerung der Fälligkeit der zweiten Hälfte des 13. Monatseinkommens ist zulässig.

a)

Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst (vgl. u. a. BAG vom 28.06.2006 - 10 AZR 385/05 Rd.-Ziff.35, zitiert nach JURIS,).

b)

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist durch die seitens der Beklagten seit vielen Jahren den Arbeitnehmern im Hinblick auf die tarifliche Regelung vorzeitig ausgezahlte zweite Hälfte des tariflichen 13. Monatseinkommens kraft betrieblicher Übung ein einzelvertraglicher Anspruch der Arbeitnehmer des Betriebes, und damit auch des Klägers gegenüber der Beklagten entstanden, auch für das Jahr 2005 die zweite Hälfte des 13. Monatseinkommens nicht erst am 15. Mai 2006, sondern bereits mit der Novembervergütung am 15.12.2005 auszuzahlen. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch des Klägers damit fällig.

c)

Die Tatsache, dass der Anspruch auf ein 13. Monatsentgelt hinsichtlich der Entstehung und auch der Fälligkeit bereits tariflich geregelt sind, hindert vorliegend nicht die Entstehung einer betrieblichen Übung. Zwar ist allgemein anerkannt, dass eine solche nur entstehen kann, wenn für den geltend gemachten Anspruch keine anderweitige Anspruchsgrundlage besteht. Hier besteht bereits eine tarifliche Anspruchsgrundlage. Vorliegend zahlt die Beklagte jedoch die zweite Hälfte des tariflich garantierten Anspruchs auf ein 13. Monatsgehalt zu einem Zeitpunkt, zu dem noch kein tariflicher Auszahlungsanspruch bestand. Für die Schaffung derartiger, vom Tarifvertrag abweichender, günstigerer einzelvertraglicher Anspruchsgrundlagen kraft betrieblicher Übung besteht vorliegend jedoch hinreichend Gestaltungsspielraum zur Vorverlegung der Fälligkeitstermine der Sonderzahlung. Insoweit wird die durch jahrelange Handhabung der vorzeitigen Auszahlung des vollen 13. Monatseinkommens mit der Vergütung für November entstandene betriebliche Übung nicht durch die Existenz des TV 13. ME und insbesondere der dortigen Fälligkeitsregelung des § 6 verdrängt.

d)

Die betriebsübliche Fälligkeitsregelung für die Zahlung des vollen 13. Monatseinkommens verstößt auch nicht gegen das Günstigkeitsgebot des § 4 Abs. 3 TVG. Durch die vorzeitige Zahlung der zweiten Hälfte des 13. Monatseinkommens werden die Arbeitnehmer günstiger gestellt, als durch die tarifliche Regelung. Aufgrund der betrieblichen Übung muss das volle 13. Monatsentgelt vor Weihnachten ausgezahlt werden, steht den Arbeitnehmern daher abweichend vom Tarifvertrag bereits zu dem Zeitpunkt zur Verfügung, zu dem erfahrungsgemäß höhere Ausgaben anfallen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die zweite Hälfte des 13. Monatseinkommens bereits vier Monate früher an die Arbeitnehmer auszuzahlen. Die Arbeitnehmer haben insoweit ein geringeres Insolvenzrisiko betreffend den bereits erdienten, auch berechneten, tarifvertraglich jedoch noch nicht fälligen zweiten Teil des 13. Monatseinkommens. Steuerrechtlich sind ebenfalls keine Nachteile für die Arbeitnehmer ersichtlich. Übers Jahr gesehen gleichen sich etwaige im Dezember auftretende geringfügige Steuernachteile für die Arbeitnehmer aus.

4.)

Aus den genannten Gründen ist die vom Tarifvertrag abweichende betriebliche Übung, das 13. Monatseinkommen in voller Höhe bereits mit der Novembervergütung auszuzahlen, zulässig und wirksam. Das hat den vorzeitigen Beginn des Laufs der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 1 BRTV Bau zur Folge. Die Auszahlung mit dem Novembergehalt beinhaltet eine diesbezügliche betriebsübliche Fälligkeitsregelung und damit einen Auszahlungsanspruch per 15.12. eines jeden Kalenderjahres. Diesen Auszahlungsanspruch hat im Übrigen auch eine Vielzahl von Arbeitskollegen des Klägers mit ihren zum Jahreswechsel erhobenen Klagen auf Zahlung eines vollen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 in Anspruch genommen, nicht so der Kläger.

Anhaltspunkte für ein treuwidriges Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der Berufung auf die Ausschlussfrist sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat- anders als seine Kollegen - in einem gesonderten Verfahren zum Jahreswechsel 2005/2006 nur die erste Hälfte des 13. Monatseinkommens geltend gemacht, obgleich sich eine Vielzahl der vom gleichen Prozessbevollmächtigten vertretenen Kollegen zeitgleich zur Begründung eines bereits fälligen vollen Anspruchs auf die betriebsübliche vorzeitige Fälligkeit berufen haben. Diese Vorgehensweise und die anschließende späte Klagerhebung erst im Mai 2006 ist von der Beklagten nicht beeinflusst worden.

5.)

Da kraft betrieblicher Übung das 13. Monatseinkommen abweichend von § 6 des TV 13. ME im Betrieb der Beklagten bereits spätestens am 15.12.2005 fällig war, ist die erst mit Klagerhebung vom 4. Mai 2006 geltend gemachte zweite Hälfte des 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 gemäß § 15 Abs. 1 BRTV Bau verfallen. Die Klage war daher bereits aus diesem Grunde abzuweisen.

B.)

Höchst vorsorglich sei auch bzgl. der Höhe der geltend gemachten 2. Hälfte des 13. Monatseinkommens Folgendes ausgeführt:

Für den Fall, dass die tarifliche Fälligkeitsregelung nicht wirksam durch betriebliche Übung verdrängt und damit die Forderung des Klägers rechtzeitig noch innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht wurde, ergäbe sich ein Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von nur 480,35 EUR brutto, und nicht in Höhe von 481,65 EUR brutto. Der Höhe nach hätte der Kläger keinen Anspruch auf Berechnung des 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 aufgrund etwaiger Tarifvorschriften für das Sonderlohngebiet Hamburg. Maßgeblicher Gesamttarifstundenlohn für die Berechnung der Sonderzuwendung 2005 ist der in Lohngruppe 4 TV Lohn/West festgelegte Tariflohn von 14,78 EUR brutto/Stunde.

1.)

Der Kläger hat bis zum 01.09.2005 zuletzt einen Stundenlohn von 14,82 EUR brutto/Stunde bzw. bei Akkord einen solchen von 14,00 EUR brutto/Stunde erhalten. Er hat mit der Vertragsänderung vom 12.07.2005 wirksam mit Wirkung ab 01.09.2005 auf 4 Cent pro Stunde verzichtet mit der Folge, dass auch die Bemessungsgrundlage für das 13. Monatseinkommen nicht 14,82 EUR brutto/Stunde, sondern nur, wie vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, 14,78 EUR brutto/Stunde beträgt. Bei dem von der Beklagten bis zum 01.09.2005 gezahlten Stundenlohn von 14,82 EUR brutto/Stunde bzw. bei Akkord von 14,00 EUR brutto/Stunde handelt es sich nicht um einen nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 TVG geschützten tariflichen Mindestanspruch.

2.)

Die Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, geltend unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen (§ 4 Abs. 1 TVG). Das Wesen der unmittelbaren Wirkung besteht darin, dass die Tarifnormen wie ein Gesetz auf das Arbeitsverhältnis einwirken. Die unmittelbare Wirkung endet u. a., wenn der Tarifvertrag endet, bspw. durch Kündigung, oder wenn die Tarifbindung wegfällt. Dann entfaltet der Tarifvertrag jedoch Nachwirkung. Im Nachwirkungszeitraum ist eine gekündigte Tarifnorm abdingbar. Sie kann durch einen anderen Tarifvertrag oder durch eine abweichende einzelvertragliche Regelung ersetzt werden. (§ 4 Abs. 5 TVG).

3.)

Aus dem letzten, von den Bezirkstarifvertragsparteien abgeschlossenen Bezirkslohntarifvertrag (Lohntabelle) für Hamburg vom 1.4.2001 ergibt sich kein Anspruch auf Vergütung in Höhe von 14,82 EUR brutto/Stunde bzw. 14,00 EUR brutto/Stunde im Akkord. Der in diesem - nachwirkenden - Tarifvertrag für damals noch Berufsgruppe III/ heute Lohngruppe 4 geregelte Gesamttarifstundenlohn belief sich nur auf 27,44 DM (umgerechnet 14,03 EUR).

4.)

Der Kläger begehrt Vergütung unter Zugrundelegung der Berechnungen seiner Gewerkschaft zu einer aktualisierten Hamburger Bezirkslohntabelle, die jedoch letztendlich nicht von den tarifvertragsschließenden Parteien abgeschlossen wurde. Bei dieser aktualisierten Bezirkslohntabelle handelt es sich nicht um eine unmittelbar und zwingend geltende Tarifnorm im Sinne des § 4 Abs. 1 TVG.

Der letzte Bezirkslohntarifvertrag (Lohntabelle) für Hamburg wurde am 01.04.2001 abgeschlossen und befindet sich infolge der Kündigung des alten TV Lohn/West ab 01.04.2002 in Nachwirkung. Ein neuer Bezirkslohntarifvertrag ist seither nicht mehr zustande gekommen. Es existieren nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien in der Berufungsverhandlung jeweils nur Empfehlungen von Arbeitgeberseite und von Gewerkschaftsseite über den möglichen Inhalt eines neuen, fortgeschriebenen Bezirkslohntarifvertrages (Lohntabelle) für Hamburg, in denen mögliche Tariflöhne für das Sonderlohngebiet Hamburg unter Beachtung der bisherigen historischen Lohnabstände errechnet wurden. Hieraus ergibt sich übereinstimmend ein "empfohlener" Lohn für Spezialbaufacharbeiter, Lohngruppe 4 in Höhe von 14,82 EUR/Stunde bzw. bei Akkord 14,00 EUR/Stunde für das Sonderlohngebiet Hamburg, auf dessen Basis die Beklagte auch bis zum 01.09.2005 abgerechnet hat. Diese "Empfehlungen" für den Abschluss eines Bezirkslohntarifvertrages (Lohntabelle) für Hamburg stellen jedoch keinen Tarifvertrag im Sinne des §§ 1,4 Abs. 1 TVG dar. Insoweit fehlt die förmliche Einigung der tarifvertragsschließenden Verbände. Damit fehlt den Lohnempfehlungen, die die 14,82 EUR brutto/ Stunde bzw. 14,00 EUR bei Akkord ausweisen, auch die unmittelbare und zwingende Wirkung i. S. d. § 4 Abs. 1 TVG.

5.)

Ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Beibehaltung des empfohlenen Stundenlohnes von 14,82 EUR brutto/Stunde als Bemessungsgrundlage für das 13. Monatseinkommen 2005 ergibt sich auch nicht aus betrieblicher Übung. Die sich an den Empfehlungen einiger Verbände orientierende Handhabung im Betrieb der Beklagten in dem langen Nachwirkungszeitraum bis letztendlich 01.09.2005 wurde durch die einzelvertragliche Arbeitsvertragsänderung vom 12.07.2005 (Anlage B 1) mit Wirkung ab 01.09.2005 einvernehmlich beendet. Mit dieser ersetzenden Vereinbarung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG erfolgte letztendlich spätestens ab 01.09.2005 auch eine Gesamtabkopplung vom nur noch nachwirkenden letzten Bezirkslohntarifvertrag (Lohntabelle) für Hamburg vom 1.4.2001.

6.)

Diese Arbeitsvertragsänderung vom 12. Juli 2005 ist auch in Anwendung des TV Lohn/West vom 29.7.2005 wirksam. Auch die dort geregelten tariflichen Lohnansprüche werden nicht in Folge der einvernehmlichen Herabsetzung des Stundenlohns auf letztendlich 14,78 EUR unter Verstoß gegen §§ 4 Abs. 1, Abs. 3 TVG unterschritten. Der TV Lohn/West enthält keinen unmittelbaren Anspruch des im Sonderlohngebiet Hamburg arbeitenden Klägers auf Zahlung eines Stundenlohnes für Lohngruppe 4 in Höhe von 14,82 EUR brutto bzw. 14,00 EUR im Akkord.

Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich ein solcher Lohnanspruch des Klägers nicht unmittelbar aus § 6 TV Lohn/West. § 6 TV Lohn/West enthält keine auf das Arbeitsverhältnis des Klägers unmittelbar und zwingend als tarifliche Mindestbedingung wirkende Vergütungsregelung auf Zahlung von 4 Cent mehr pro Stunde, weil er im Sonderlohngebiet Hamburg arbeitet.

Bei § 6 TV Lohn/West handelt es sich nicht um eine Inhaltsnorm. § 6 TV Lohn/West stellt lediglich eine zwischen den Tarifvertragsparteien schuldrechtlich wirkende Tarifvertragsregelung dar. Auch durch Auslegung dieses Tarifvertrages ergibt sich nichts anderes.

a)

Nach den allgemeinen für Tarifverträge anzuwendenden Auslegungsgrundsätzen ist auszugehen vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. BAG vom 12.11.2002 - 1 AZR 632/01; BAG vom 22.03.2005 - 1 AZR 3/04; BAG vom 22.11.2005 - 1 AZR 458/04 - jeweils zitiert nach JURIS).

b)

Der Wortlaut des § 6 TV Lohn/West enthält keine Regelung, die für das Sonderlohngebiet Hamburg und dort die Lohngruppe 4 einen Stundenlohn von 14,82 EUR bzw. 14,00 EUR im Akkord festschreibt. Dort heißt es lediglich, dass im Sonderlohngebiet Hamburg sicherzustellen ist, dass die Lohnabstände, die sich aus den bisherigen Regelungen in den zentralen Lohntarifverträgen für das Sonderlohngebiet Hamburg ergeben haben, erhalten bleiben. Ein bestimmter Lohnabstand, den im Sonderlohngebiet Hamburg beschäftigte Arbeitnehmer allgemein zu beanspruchen haben, wird - anders als in § 3 Abs. 2 TV Lohn/West - in § 6 TV Lohn/West nicht festgelegt.

c)

Sinn und Zweck des § 6 TV Lohn/West ist es vielmehr, den regionalen, traditionell auf Landes- bzw. Bezirksebene verhandelnden Tarifvertragsparteien Verhandlungsvorgaben für die von ihnen in Umsetzung des Bundestarifvertrages zu führenden Tarifverhandlungen zu machen. Traditionell fanden im bauwirtschaftlichen Bereich seit Jahrzehnten zunächst ausschließlich, später jeweils im Nachgang zu bundesweit zentralen Tarifverhandlungen quasi in Ausführung der Bundestarifverträge ergänzende regionale Tarifverhandlungen statt, in denen die Landes- bzw. Bezirksorganisationen die regionalen Besonderheiten speziell berücksichtigten und ihnen Rechnung trugen. Das geschah im Bereich des Bezirkslohntarifvertrages (Lohntabelle) für Hamburg u. a. regelmäßig mit der Festlegung eines höheren tariflichen Stundenlohnes für dieses Sonderlohngebiet. Vor diesem traditionellen Hintergrund kann § 6 TV Lohn/West nur dahingehend verstanden werden, dass an die Bezirksorganisationen ein diesbezüglicher Verhandlungsauftrag "Besitzstandswahrung" der im Sonderlohngebiet Hamburg beschäftigten Arbeitnehmer festgeschrieben werden sollte. Mehr als ein solcher Verhandlungsauftrag kann dem § 6 TV Lohn/West nicht entnommen werden.

d)

Hätten die Bundestarifvertragsparteien einen unmittelbaren Zahlungsanspruch der im Sonderlohngebiet Hamburg tätigen Arbeitnehmer für das Sonderlohngebiet Hamburg im Wege der Aufstellung einer Inhaltsnorm festschreiben wollen, hätten sie § 6 anders formulieren müssen und auch anders formuliert. Dort, wo unmittelbare Anspruchsgrundlagen für Arbeitnehmer aufgestellt wurden, haben die Tarifvertragsparteien im TV Lohn/West Formulierungen gewählt, wie " ...beträgt der Ecklohn...EUR" (§ 2 Abs. 1und Abs. 2); "gelten nachstehende Löhne.."(§ 2 Abs. 7,8); " erhält der Arbeitnehmer ..."(§ 2 Abs. 3, § 3 Abs. 1 und Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 7 Abs. 1 und Abs. 2); "wird der Lohn festgelegt auf....."(§ 4 Abs. 2); "haben Anspruch auf...."( § 4 Abs. 3, § 5 Abs. 4). Demgegenüber haben die Tarifvertragsparteien aber in § 6 TV Lohn/West lediglich normiert, dass "sicherzustellen ist, dass die Lohnabstände ... erhalten bleiben". Insoweit ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien hier gezielt unterschiedliche Formulierungen gewählt haben, weil den Tarifregelungen unterschiedliche Wirkung gegeben werden sollte.

e)

Allein die Formulierung "sicherstellen" macht zudem deutlich, dass es sich insoweit um einen Verhandlungsauftrag an die nachfolgenden Bezirkslohntarifvertragsparteien des Sonderlohngebietes Hamburg handelt. Das Wort "sicherstellen" verlangt naturgemäß ein Handeln. Ohne eine solche Aktivität, ein solches Handeln, kann nichts sichergestellt werden.

f)

Auch aus dem Gesamtzusammenhang und der Systematik des TV Lohn/West ergibt sich, dass § 6 lediglich als schuldrechtliche Bestimmung eingeordnet werden kann.

Insoweit ist zunächst auf § 3 Abs. 2 TV Lohn/West hinzuweisen. Dort ist ausdrücklich ein Sonderlohnanspruch für bestimmte Arbeitnehmer in einem bestimmten Baubereich in einer bestimmten Höhe normiert. Dort heißt es: "Im Sonderlohngebiet Hamburg erhalten Arbeitnehmer in Fertigbaubetrieben einen jeweils um 0,04 EUR erhöhten Tarifstundenlohn bzw. Gesamttarifstundenlohn". Diese Formulierung haben die Tarifvertragsparteien in § 6 TV Lohn/West jedoch für die sonstigen, nicht in Fertigbaubetrieben tätigen Arbeitnehmer des Sonderlohngebietes Hamburg gerade nicht gewählt. Sie haben insoweit nur eine abgeschwächte Vorgabe für einen Verhandlungsauftrag an die Bezirkslohntarifvertragsparteien gemacht, nämlich sicherzustellen, dass die Lohnabstände - in welcher ausgestalteten Höhe auch immer - erhalten bleiben.

g)

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus der Anordnung des TV Lohn/West, insbesondere der Tatsache, dass § 6 TV Lohn/West nicht unmittelbar vor §§ 9 und 10 des TV Lohn/West steht. Letztere legen zweifelsfrei eine Verpflichtung der Landes- bzw. Bezirksorganisationen der Tarifvertragsparteien festlegt, unverzüglich die Lohntarifverträge (Lohntabellen) ihres Gesetzes nach Maßgabe dieses Tarifvertrages zu erstellen. Aus ihnen ergibt sich - was spätestens nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.01.2006 (4 AZR 552/04) nicht weiter zu vertiefen sein dürfte - eine Verpflichtung zur Führung von regionalen Tarifverhandlungen mit eigenständigem Gestaltungsspielraum. Das setzt voraus, dass in dem Sonderlohngebiet selbst gestaltende Regelungen über die Vergütung getroffen werden und nicht nur der Inhalt des TV Lohn/West für das Sonderlohngebiet neu dokumentiert wird. Auch bezüglich der §§ 9 und 10 des TV Lohn/West besteht kein Zweifel, dass sich diese Tarifregelungen an die Tarifvertragsparteien wenden, mithin schuldrechtlicher Natur sind. Auch § 6 TV Lohn/West gewährt den regionalen Tarifvertragsparteien diesen erwähnten Gestaltungsspielraum. Vor diesem inhaltlichen Hintergrund kann aus dem Standort des § 6 TV Lohn/West und der fehlenden unmittelbaren gestalterischen Nähe zu §§ 9 und 10 des TV Lohn/West nicht geschlußfolgert werden, es handele sich entgegen Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck um eine Norm, die unmittelbare Ansprüche der Arbeitnehmer habe begründen sollen.

h)

Letztendlich sei darauf hingewiesen, dass auch der von Klägerseite in § 6 TV Lohn/West hineininterpretierte Inhalt nicht hinreichend bestimmt wäre. Der Lohnabstand für das Sonderlohngebiet Hamburg wurde, anders als in § 3 Abs. 2 TV Lohn/West in § 6 TV Lohn/West gerade nicht betragsmäßig festgeschrieben. Er war auch nicht immer gleich, betrug vielmehr unstreitig mindestens 4 Cent, manchmal jedoch auch 5 Cent bzw. 0,09 DM. Bereits vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum § 6 TV Lohn/West beispielsweise "nur" einen Anspruch auf 4 Cent pro Stunde mehr zubilligen soll und nicht auf "5 Cent mehr pro Stunde".

7.)

Insgesamt ist daher festzuhalten, dass keine eigenständige tarifvertragliche und damit auch von § 4 Abs. 3 TVG geschützte Anspruchsgrundlage auf Zahlung von 4 Cent mehr pro Stunde im Sonderlohngebiet Hamburg existiert, auf die der Kläger im Zusammenhang mit seiner Vertragsänderung vom 12.07.2005 nicht hätte wirksam verzichten können. Der Kläger hat mit Wirkung ab 1. September 2005 auf 4 Cent pro Stunde wirksam verzichtet. Ein Anspruch auf Berechnung des 13. Monatseinkommens auf Basis von 14,82 EUR brutto/Stunde besteht daher ebenfalls nicht.

8.)

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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