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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 27.02.2008
Aktenzeichen: 3 Sa 475/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 72 a
BGB § 267 Abs. 1
BGB § 268
BGB § 387
BGB § 388
BGB § 394
BGB § 611 Abs. 1
BGB § 677
BGB §§ 683 f.
ZPO § 132 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 475/07

Verkündet am 27.02.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 27.02.2008 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 9.10.2007 - 6 Ca 1608/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt restliche Vergütung, deren Auszahlung die Beklagte verweigert, weil sie für den Kläger in dieser Höhe eine Kfz-Reparaturrechnung beglichen hat.

Der Kläger wohnt in Neubrandenburg und stand vom 12.06.2006 bis zum 22.07.2006 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten als Kraftfahrer. Vereinbart war eine Vergütung von 1.650,00 EUR brutto monatlich.

Die Beklagte hat ihren Betriebssitz in B.. Der Beklagte bat den Kläger kurzfristig, bei einem Transport für einen ausgefallenen Fahrer einzuspringen. Der Kläger, der mit dem auf seine Mutter zugelassenen Fahrzeug zur Arbeit fuhr, hatte für den Zeitraum dieser Tour einen TÜV-Termin, da er eine neue TÜV-Plakette benötigte. Der TÜV war bereits seit längerem abgelaufen. Der Inhaber der Beklagten erklärte sich daraufhin bereit, dieses für den Kläger über die auch von ihm ansonsten stets beauftragte Kfz-Werkstatt S. GmbH zu veranlassen. Vor Beginn der Tour stellte der Kläger das Fahrzeug auf dem Betriebsgelände der Beklagten ab und deponierte den Schlüssel.

In der Kfz-Werkstatt wurde die TÜV-Plakette zunächst nicht erteilt. Das Fahrzeug hatte Mängel, unter anderem an Bremsen, Spurstange pp. Daraufhin erfolgte eine sofortige Reparatur und anschließende TÜV-Nachprüfung, die nunmehr erfolgreich war. Inklusive TÜV- und AU-Gebühr von 80,00 EUR sowie Nachprüfungsgebühr von 10,00 EUR erteilte die Kfz-Werkstatt am 23.06.2006 eine Rechnung über 876,67 EUR inklusive Mehrwertsteuer, adressiert an die Halterin.

Am 26.06.2006 unterschrieb der Kläger, nachdem er von der Tour zurückgekehrt war, auf einem Quittungsblockformular Folgendes: "876,67 EUR von: Firma K. für: a.Co. für Rep. am VW-Bus bei Firma S. dankend erhalten" (Anlage B 1 - Bl. 24 d. A.). Die Rechnung wurde in voller Höhe von der Beklagten beglichen. Mitte Juli 2006 entstand zwischen den Parteien Streit über den Einbehalt von Geldern seitens der Beklagten. Mit Schreiben vom 21.07.2006 schrieb der Kläger der Beklagten, er erkläre den Schuldschein vom 15.07.2006 für nichtig und verlangte die Auszahlung der bisher einbehaltenen Gelder und des weiteren Lohns mit Ausnahme der TÜV- und AU-Gebühren von 80,00 EUR (Anlage K 3 - Bl. 10 d. A.). Am 22.07.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis. Am 31.07.2006 erteilte sie gegenüber dem Kläger Schlussabrechnung bezüglich sämtlicher Vergütungsansprüche für die Zeit vom 12.06.2006 bis zum 21.07.2006 unter Abzug des Rechnungsbetrages der Firma S. in Höhe von 876,67 EUR (Anlage K 5 - Bl. 12 - 14 d. A.).

Der Kläger erhob am 25.6.2007 Klage, nach Abzug der 80,00 EUR TÜV-Gebühr letztendlich gerichtet auf Zahlung von 796,67 EUR. Das Arbeitsgericht hat sie mit Urteil vom 09.10.2007 abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils verwiesen.

Gegen dieses dem Kläger am 08.11.2007 zugestellte Urteil legte er rechtzeitig Berufung ein, die innerhalb der gesetzlichen Frist begründet wurde.

Er ergänzt und vertieft im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er trägt vor, die Reparatur sei nicht erforderlich gewesen und habe nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger durchgeführt werden dürfen. Der Kläger habe keinen Reparaturauftrag erteilt. Die Arbeiten am Fahrzeug seien im Übrigen mangelhaft durchgeführt worden. Die erteilte Quittung sei unbeachtlich. Der Kläger habe sie nicht freiwillig unterschrieben und auch nicht gewusst, was mit "a. Co." gemeint sei. Im Übrigen seien die Pfändungsfreigrenzen nicht beachtet worden.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 09.10.2007, Az. 6 Ca 1.608/07, wird abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 796,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.08.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Das Fahrzeug habe vor einer Aushändigung infolge des TÜV-Vorberichtes repariert werden müssen. Der Kläger habe jedenfalls mit der Unterschrift unter die Quittung vom 26.06.2006 das Reparaturerfordernis anerkannt und gleichzeitig vereinbart, dass die Beklagte die Rechnung als Vorschuss auf den Lohn ausgleichen solle. Etwaige Pfändungsfreigrenzen seien insoweit unbeachtlich.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen, indem es die Quittung vom 26.06.2006 als Vereinbarung einer Vorschusszahlung eingeordnet und die Anwendbarkeit von Pfändungsfreigrenzen verneint hat.

1. Die von der Werkstatt S. GmbH zur Vorbereitung der TÜV-Abnahme durchgeführte Kfz-Reparatur stellt im Hinblick auf den das Fahrzeug nutzenden Kläger und seiner Mutter als Eigentümerin des PKW eine Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 677 BGB dar. Beide hatten der Werkstatt keinen Auftrag zur Durchführung der Reparatur, die letztendlich Kosten in Höhe von mehr als 790,00 EUR ausgelöst hat, erteilt. Die Einwendungen des Klägers bezüglich der Durchführung dieses Geschäfts und der von ihm behaupteten Schlechtleistung (§ 280 ff. BGB) sind gegebenenfalls gegenüber der reparierenden Werkstatt zu erheben, wobei der Kläger auch die Vorschriften der §§ 683 f. BGB zu beachten hat.

2. Die Zahlung der Beklagten als Arbeitgeberin des Klägers an die Kfz-Werkstatt stellt objektiv die Zahlung eines Dritten (des Arbeitgebers) auf eine fremde Schuld (der Mutter) dar. Die Beklagte hat die Kostenschuld der Mutter des Klägers gegenüber der Kfz-Werkstatt getilgt. Gemäß §§ 267 Abs. 1, 268 BGB muss eine Leistung nicht ausschließlich höchstpersönlich bewirkt werden. Dieses kann vielmehr auch von einem Dritten geschehen. Die Einwilligung des Schuldners ist nicht zwingend erforderlich (§ 267 Abs. 1 S. 2 BGB).

3. In der Begleichung der Kfz-Reparaturrechnung durch die Beklagte steckt aufgrund der vom Kläger unterschriebenen Quittung vom 26.06.2006 gleichzeitig die Erfüllung der künftigen Lohnansprüche des Klägers im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB. Durch die Zahlung der Beklagten hat der Kläger einen Vorschuss auf den ihm zustehen, noch nicht verdienten Lohn erhalten.

a) Eine Zahlung durch den Arbeitgeber ist dann ein Vorschuss, wenn sich beide Seiten bei der Auszahlung darüber einig waren, dass es sich um eine Vorwegleistung handelt, die bei Fälligkeit der Forderung verrechnet wird (BAG vom 13.12.2000 - 5 AZR 334/99 - zitiert nach JURIS, Rd.-Ziff. 36; BAG vom 11. Juli 1961 - 3 AZR 216/60, zitiert nach JURIS). Ein Vorschuss ist eine vorweggenommene Vergütungstilgung. Bei einer Vorschussgewährung sind sich Vorschussgeber und Vorschussnehmer darüber einig, dass der letztere Geld für eine Forderung erhält, die entweder noch gar nicht entstanden oder nur aufschiebend bedingt entstanden oder zwar entstanden aber noch nicht fällig ist. Beide Teile sind sich weiterhin darüber einig, dass der Vorschuss auf die Forderung zu verrechnen ist, wenn die Forderung fällig wird. Entsteht die Forderung nicht oder nicht zeitgerecht, ist der Vorschussnehmer verpflichtet, den erhaltenen Vorschuss dem Vorschussgeber zurückzugewähren. Wird der Vertrag beendet, ist der Vorschuss auszugleichen; er kann mit dem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers verrechnet werden (BAG vom 25.09.2002 - 10 AZR 7/02 - zitiert nach JURIS, Rd.-Ziff. 31, m. w. N.).

b) Die zwischen den Parteien am 26.06.2006 anlässlich der Reparatur des vom Kläger genutzten Fahrzeugs erfolgte Ausstellung und Unterzeichnung der Quittung stellt vor diesem rechtlichen Hintergrund eine Vorschussvereinbarung dar. Es existierte eine Rechnung über die Reparatur des vom Kläger genutzten Kfz der Firma S. über 876,67 EUR. Die Rechnung war nicht beglichen. Der Kläger war als Kraftfahrer für die Beklagte tätig und hatte Lohnansprüche gegenüber der Beklagten gemäß § 611 Abs. 1 BGB für seine ab 12.06.2006 erbrachte Arbeitsleistung. Ferner würden weitere Lohnansprüche für auch künftig noch zu erbringende Arbeit in dem ungekündigten Arbeitsverhältnis entstehen. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der "Quittung" war ein Lohnanspruch des Klägers aber noch nicht in Höhe des quittierten Betrages von 876,67 EUR entstanden und erst recht noch nicht fällig. Gleichwohl hat der Beklagte in Absprache mit dem Kläger diese Rechnung der Kfz-Werkstatt beglichen, also gezahlt. Da es unstreitig neben den Lohnansprüchen keine sonstigen Zahlungsansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten gab, kann die Zahlung der Beklagten nur in Bezug gesetzt werden auf noch nicht abgerechnete und auch künftig noch darüber hinaus entstehende Lohnforderungen des Klägers.

Das ergibt sich auch aus dem in die Quittung aufgenommenen Zusatz "a. Co.". Letzteres heißt "nicht bar zahlen, sondern vom Konto abschreiben lassen" (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort "a conto").

Die Einordnung als Lohnvorschuss ergibt sich darüber hinaus auch aus § 9 Abs. 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 12.06.2006. Dort ist ausdrücklich geregelt, dass vor der Abrechnung geleistete Zahlungen Vorschüsse sind (Bl. 6 d. A.). Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der "Quittung" durch den Kläger am 26.06.2006 hatte die Beklagte noch keinerlei Abrechnung erteilt. Der Kläger war gerade erst 14 Tage für die Beklagte tätig. Der Kläger hat noch in der Berufungsverhandlung erklärt, er habe bei Unterzeichnung der Quittung noch nichts von der Beklagten erhalten. Daher kann die am 26.06.2006 quittierte Zahlungsvereinbarung nur als Vorschussvereinbarung gewertet werden.

3. Wird der Arbeitsvertrag beendet, ist der Vorschuss auszugleichen; er kann mit dem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers verrechnet werden (BAG vom 25.09.2002 - 10 AZR 7/02 - zitiert nach JURIS). Da ein Vorschuss eine vorweggenommene Vergütungstilgung darstellt, bedarf es zur Verrechnung keiner Aufrechnung und Aufrechnungserklärung nach §§ 387, 388 BGB. Auch § 394 BGB findet keine Anwendung (BAG vom 13.12.2000 - 5 AZR 334/99 - zitiert nach JURIS, Rd.-Ziff. 38). Der Arbeitgeber darf daher grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Pfändungsfreigrenzen (§ 394 BGB i. V. m. § 850 a ff. ZPO) im Wege der Verrechnung Vorschüsse von der verdienten Vergütung in Abzug bringen (Schaub, ArbeitsrechtsHandbuch, Rd.-Ziff. 13 zu § 70).

Die Schlussabrechnung der Beklagten vom 31.07.2006, mit der sie den als Vorschuss gezahlten Rechnungsbetrag der Firma S. in Höhe von 876,67 EUR mit den abgerechneten Nettolohnansprüchen des Klägers für die Monate Juni und Juli 2006 verrechnet hat, ist daher rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Auszahlung restlicher Arbeitsvergütung.

4. Schriftsatznachlass war dem Kläger auf die Berufungserwiderung nicht erneut zu gewähren. Die Berufungserwiderung enthält kein neues entscheidungserhebliches Vorbringen tatsächlicher Art. Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 S. 1 ZPO sind im Übrigen gewahrt.

5. Die Klage ist daher zu Recht abgewiesen worden. Aus diesem Grunde ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallenscheidung.

Ende der Entscheidung

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