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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 29.08.2002
Aktenzeichen: 4 Sa 105/02
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB, GG


Vorschriften:

BetrVG § 77
BetrVG § 111
BetrVG § 112
BGB § 133
BGB § 151 S. 1
BGB § 157
BGB § 242
GG Art. 3
1. Ein Sozialplan eines Konzernunternehmens kann aufgrund Gesamtzusage auch in einem betriebsratslosen Unternehmen zur Anwendung gelangen.

2. Ein Hinweis auf die Anwendung des Sozialplans auch für betriebsratslose Unternehmen in einer Konzernzeitschrift begründet noch keine Verpflichtung der betriebsratslosen Unternehmen des Konzerns.

3. Dass Arbeitnehmer, die selbst gekündigt haben, aus dem Sozialplan herausgenommen werden, stellt keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar und lässt den Sozialplan deshalb nicht als fehlerhaft erscheinen.

4. Der Arbeitgeber muss grundsätzlich einem Arbeitnehmer, der selbst kündigt, nicht über einen daraus folgenden Verlust des Anspruchs aus dem Sozialplan hinweisen, denn der Arbeitnehmer muss sie vor dem Ausspruch der Eigenkündigung selbst über die rechtlichen Folgen seines Schrittes Klarheit verschaffen. Den Arbeitgeber trifft daher auch keine Fürsorgepflicht, den kündigenden Arbeitnehmer auf die Möglichkeit einer unmittelbar bevorstehenden Betriebsänderung und die mögliche Übernahme eines Sozialplanes für das Unternehmen und einen daraus folgenden möglichen Abfindungsverlust hinzuweisen.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 105/02

Verkündet am 29. August 2002

In dem Rechtsstreit

hat die IV. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Müller als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Kayenburg und Sickmüller als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 19. Dezember 2001 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Abfindungszahlung aus einem Sozialplan.

Wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in erster Instanz vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist wegen des Wertes der Beschwer statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden. In der Sache konnte die Berufung jedoch keinen Erfolg haben.

Die Berufung war aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen gewesen.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Abfindung aus der "Betriebsvereinbarung über Sozialplan", abgeschlossen zwischen der Max S. GmbH / Max S. Verwaltung GmbH & Co. und dem Gesamtbetriebsrat des Unternehmens S. 1. Die vom Kläger eingeführte Betriebsvereinbarung findet keine unmittelbare und zwingende Anwendung auf das Arbeitsverhältnis nach den Grundsätzen des Betriebsverfassungsgesetzes. Die hierfür einschlägige Vorschrift des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG, wonach Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend gelten, ist nur anzuwenden auf Betriebe, die über einen Betriebsrat verfügen. Weder die Betriebsabteilung, in der der Kläger beschäftigt war, noch die Beklagte insgesamt verfügten über einen Betriebsrat. Die Betriebsvereinbarung über den Sozialplan kann auch nicht als Gesamtzusage auf das Arbeitsverhältnis einwirken. Eine Gesamtzusage oder arbeitsvertragliche Einheitsregelung besteht nur dann, wenn der Arbeitgeber durch eine einseitige Erklärung an die Belegschaft zum Ausdruck bringt, dass er auf Dauer diese Leistung erbringen wolle. In jedem Fall aber ist Voraussetzung ein besonderer Verpflichtungswille des Arbeitgebers und eine genaue Unterrichtung der Arbeitnehmer über die Voraussetzungen der zu erwartenden Leistungen. Das wird regelmäßig geschehen durch entsprechend betriebliche Handhabung - Betriebsübung -, ist das nicht der Fall, bedarf es einer entsprechenden umfassenden Unterrichtung der Mitarbeiter, aus der im Einzelnen hervorgeht, welche Leistung unter welchen Voraussetzungen gewährt werden sollen. Zwar hat die Firmengruppe S. in der Zeitschrift "Vision" unter der Rubrik "Die Geschäftsleitung informiert!" ausgeführt, dass die Geschäftsleitung mit den Belegschaftsvertretungen Vereinbarungen getroffen habe, die sicherstellten, dass das Sozialverträgliche möglichst geschehe und in den Unternehmen der Gruppe, in denen keine Belegschaftsvertretungen bestünden, entsprechend gleich verfahren werde. Aus dieser Information kann aber nicht ansatzweise gefolgert werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen welche Leistungen gewährt werden. Darüber hinaus ist vom Kläger auch nicht dargestellt, wann diese Information von der S. -Gruppe den Mitarbeitern gegeben worden ist, ob vor oder nach seiner Kündigung. Das kann aber letztlich hier dahingestellt bleiben.

Der Kläger kann aber auch keinen Anspruch aus dem sogenannten Gleichbehandlungsgrundsatz ableiten.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbstgegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (ständige Rechtsprechung; BAG, Urt. v. 17. November 1998 - 1 AZR 147/98 - in AP, § 242 BGB "Gleichbehandlung" Nr. 162). Zwar ist die Herleitung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Einzelnen umstritten, es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt wird. Er ist anzuwenden, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (BAG, Urt. v. 17. November 1998 a. a. O.). Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, dass der Arbeitgeber dann, wenn er sämtlichen Arbeitnehmern in gleicher Lage Leistungen zukommen lässt, hiervon nicht willkürlich einzelne Arbeitnehmer ausnehmen kann. Der Kläger hat zum Beleg für den von ihm vermuteten Vorstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz auf einen Mitarbeiter unter dessen namentlicher Benennung hingewiesen, der eine Abfindung erhalten habe. Hierbei verkennt jedoch der Kläger, dass die Voraussetzungen für den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vorliegen. Der von ihm benannte Mitarbeiter hat nicht seinerseits gekündigt. Das folgt auch aus dem Inhalt des vom Kläger angeführten Sozialplan selbst, wonach die Arbeitnehmer unter den Sozialplan fallen, die in einem "ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis mit einem der beiden Unternehmen stehen". Dass Arbeitnehmer, die selbst gekündigt haben, aus dem Sozialplan herausgenommen werden können, ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich auch die Kammer anschließt (vgl. BAG, Urt. v. 19. Juli 1995 - 10 AZR 885/94 - in BB 1995, 2534-2535).

Die Beklagte hat sich auch nicht schadensersatzpflichtig gemacht wegen etwaiger Verletzung einer Aufklärungspflicht. Der Arbeitnehmer muss sich vor Abschluss einer Eigenkündigung selbst über die rechtlichen Folgen dieses Schrittes Klarheit verschaffen. Zutreffend weist das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. v. 10. Juli 2001 - 8 Sa 515/01 - in EzA - SD 2001, Nr. 17, 7) darauf hin, dass, selbst dann, wenn der Arbeitnehmer nicht über die Folgen einer Eigenkündigung im Einzelnen informiert ist, er aber doch in der Regel weiß, dass hiermit im Vergleich zur arbeitgeberseitigen Kündigung negative Konsequenzen verbunden sind, so dass er erst recht Veranlassung hat, sich selbst Klarheit zu verschaffen. Das gilt auch in Bezug auf Ansprüche aus Interessenausgleich und Sozialplan. Hier folgt die Kammer der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln (Urt. v. 17. Juni 1993 - 5 Sa 295/93 - in LAGE § 112 BetrVG 1972 Nr. 24). Das Landesarbeitsgericht Köln hat zutreffend erkannt, dass Arbeitnehmer, die in Unkenntnis einer unmittelbar bevorstehenden Betriebsänderung ihr Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung beenden, regelmäßig keinen Anspruch auf die in einer zeitlich nachfolgenden Betriebsvereinbarung festgelegte Sozialplanabfindung haben und für den Arbeitgeber aus Gründen der Fürsorgepflicht keine Hinweispflicht auf bevorstehende Verhandlungen mit dem Betriebsrat über Interessenausgleich und Sozialplan bestehen. Wenngleich der vom Landesarbeitsgericht Köln entschiedene Fall nicht gänzlich mit dem hier vorliegenden übereinstimmt, weil bei der Beklagten kein Betriebsrat vorhanden ist und daher auch keine Vereinbarungen über Sozialplan und Interessenausgleich getroffen worden sind, so sind die Rechtsgedanken wegen ähnlicher Fallgestaltung hier gleichwohl anzuwenden. Für die Beklagte bestand nämlich vor der Beschlussfassung der Gesellschafter / Geschäftsführer über die Anwendung der Sozialplanregelung, wie sie am 21. März 2001 in der Max S. GmbH und der Max S. Verwaltungs GmbH & Co. getroffen worden war, kein Anlass, den Kläger auf diese Vereinbarung hinzuweisen, weil zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers vom 31. März 2001 weder die Betriebsstilllegung betreffend den Betriebsteil, in dem der Kläger tätig war, feststand, noch bei der Beklagten eine Entscheidung darüber gefällt worden war, jene Betriebsvereinbarung bei sich anzuwenden.

Entscheidend ist die Beschlussfassung bei der Beklagten. Die Beklagte hat erst am 17. April 2001 die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Fuhrpark auszugliedern. Dieser Beschluss ist durch die Geschäftsführung ausweislich des bei den Gerichtsakten befindlichen Kopie am 17. April 2001 gefasst worden, denn darin ist ausgeführt, dass die Geschäftsführung der Gesellschaft D. F. L. GmbH daher mit dem heutigen Datum die folgenden Beschlüsse fasst: "... Der Unternehmensbereich Disposition / Beladung / Transport wird geschlossen.". "Die Schließungen werden zum nächstmöglichen Termin umgesetzt, spätestens jedoch bis zum 30.06.01.". Dass und inwieweit die Beklagte bereits vorher Planungen bzgl. der Schließung dieses Unternehmensbereichs angestellt hat, ist in diesem Zusammenhange unerheblich, denn erst die endgültige und verbindliche Entscheidung der Geschäftsführung führt zu der Betriebsänderung. Daher ist unerheblich, ob der Sanierer und Geschäftsführer diverser Unternehmungen der S. -Gruppe, Dr. H. , bereits vorher diesen unternehmerischen Schritt für unausweichlich hielt oder nicht. Eine Informationspflicht über die Unterrichtung traf sie, wenn überhaupt, vor der Beschlussfassung der Geschäftführung nicht, so dass ihr auch zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers eine Pflichtverletzung nicht als Schadensersatz begründender Umstand vorgehalten werden kann.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen gewesen.

Gegen das Urteil ist die Revision nicht zugelassen worden. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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