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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 120/05
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 315
GG Art. 4
Auch bei einer Betriebsvereinbarung, die Samstagsarbeit einführt, hat die Arbeitgeberin das Grundrecht der Glaubensfreiheit zu beachten. Beruft sich eine Arbeitnehmerin auf dieses Grundrecht und lehnt deshalb Samstagsarbeit ab, so überwiegt das Grundrecht aus Art. 12 GG für die Arbeitgeberin nur dann, wenn reale Gefährdungen konkret dargelegt sind. Bloße Vermutungen und Befürchtungen reichen nicht aus.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 120/05

Verkündet am 22. Juni 2005

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 22.06.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter ... und die ehrenamtliche Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 11. Februar 2005 - 1 Ca 1919 b/04 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, die gegen die Klägerin mit Datum vom 27. August 2004, 13. September 2004 und 21. September 2004 ausgesprochenen Abmahnungen aus deren Personalakte zu entfernen.

Die Klägerin trägt 1/3, die Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, drei der Klägerin erteilte Abmahnungen aus deren Personalakte zu entfernen.

Die Klägerin trat am 6. Februar 1991 als ungelernte Chemiehelferin für die Produktion in die Dienste der Beklagten ein. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 2. Dezember 1991 heißt es zur Arbeitszeit:

"Die vereinbarte Arbeitszeit beträgt wöchentlich 39 Stunden.

Arbeitstäglich von Mo - Do von 7.00 bis 16.00 Uhr

Fr von 7.00 bis 13.45 Uhr."

Unter Ziff. 14 des Arbeitsvertrages heißt es zu den sonstigen Vereinbarungen:

"Es gilt als vereinbart, dass Sie im Fall der Einführung von Schichtmodellen, wie z. B. in der Anlage dargestellt, Ihre Arbeitszeit, ohne dass es einer Änderungskündigung bedarf, entsprechend anpassen."

Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Arbeitsvertrag der Klägerin die in Ziff. 14 in Bezug genommene Anlage beigefügt war.

Die Beklagte beschäftigt in H... 2000 Mitarbeiter, davon 333 Ausländer aus 36 Nationen. Die Frauenquote beträgt in der Produktion 65%.

Die Klägerin ist seit 1. April 2000 Mitglied der evangelischen Freikirche Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten in Schleswig-Holstein, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert ist. Weltweit verfügt diese Glaubensgemeinschaft über rund 15 Mio. durch Erwachsenentaufe aufgenommene Mitglieder. Die Siebenten-Tags-Adventisten anerkennen die Bibel als die alleinige Grundlage ihres Glaubens und sind überzeugt, dass die Heilige Schrift fundamentale Glaubenlehren enthält. Sie teilen mit allen Christen den Glauben an Jesus Christus.

Zum siebenten Tag (Sabbat) heißt es auf der Internet-Homepage der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland:

"Der siebente Tag ist der Ruhetag (hebräisch: Sabbat). Wir leben heute in einer Welt der Hektik, der Ruhelosigkeit, der kräftezehrenden Leistung. Gott hat von Anfang an für uns Menschen an jedem siebenten Tag einen Ruhepunkt gesetzt, an dem wir nicht arbeiten sollen, den Sabbat. Gott schenkte und verordnet uns diesen Tag, an dem wir zur Ruhe kommen, Einkehr halten bei uns selbst, an dem wir Gott begegnen und an dem wir auch Zeit haben für unsere Mitmenschen. Indem wir den von Gott gesegneten siebenten Tag, den Samstag, feiern, anerkennen wir Gott als Schöpfer (1. Mose 2, 1-3; 2. Mose 20, 8-11) und folgen dem Beispiel, das Jesus und die Apostel selbst gegeben haben (Lukas 4, 16; Matthäus 24, 20; Apostelgeschichte 18, 4.11).

Vor ihrer Mitgliedschaft bei den Siebenten-Tags-Adventisten arbeitete die Klägerin auch an Samstagen im Betrieb der Beklagten.

Der Betriebsrat und die Geschäftsleitung der Beklagten vereinbarten unter dem 10. Juni 2003 eine Betriebsvereinbarung flexible Arbeitszeit mit dem Ziel, ab dem 1. September 2003 die Arbeitszeit optimal an den Besetzungsbedarf anzupassen und auf diese Weise Mehrarbeit zu vermeiden. Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestimmter in der Betriebsvereinbarung benannter Bereiche, die nicht an der Gleitzeit teilnehmen. Auch die Klägerin ist in diesem vom Anwendungsbereich der Betriebsvereinbarung erfassten Bereich tätig. Gemäß Ziff. 3 der Betriebsvereinbarung können zur Anpassung des Anwesenheitserfordernisses an den jeweiligen Besetzungsbedarf für alle oder einzelne Mitarbeiter des jeweiligen Bereichs oder der Linie maximal je 10 sog. Ansageschichten pro Kalenderjahr durchgeführt werden. Die Ansageschichten finden samstags statt und werden spätestens am Montag der Vorwoche angekündigt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsvereinbarung wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 45 - 47 d. A.).

Die Beklagte teilte die Klägerin nach Abschluss dieser Betriebsvereinbarung erstmals für den 28. August 2004 zur Samstagsarbeit ein. Mit Schreiben vom 26. August 2004 (Bl. 36 d. A.) wies die Klägerin unter Bezug auf ein bereits am 24. August 2004 geführtes Gespräch darauf hin, dass es ihr aus religiösen Gründen und nach ihrem Gewissen nicht möglich sei, am Samstag zu arbeiten. Sie bitte, davon Kenntnis zu nehmen und ihr Religionsbekenntnis zu respektieren und sie vor weiteren Repressalien zu schützen. Die Klägerin erschien nicht zur eingeteilten Samstagsschicht. Die Beklagte erteilte ihr deshalb unter dem 27. August 2004 eine Abmahnung und wies darauf hin, sie könne das Verhalten der Klägerin aus Gleichbehandlungsgründen nicht akzeptieren, zumal die seit dem 1. September 2003 gültige Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Ansageschichten für alle Mitarbeiter des Bereiches Operations gelte. Wegen der weiteren Einzelheiten der erteilten Abmahnung vom 27. August 2004 wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 13 d. A.). Weitere Abmahnungen erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem 13. September und 21. September 2004, weil die Klägerin auch am 11. September 2004 und 18. September 2004 nicht zur eingeteilten Samstagsarbeit erschien. Die Klägerin hält diese Abmahnungen für rechtswidrig. Zwischenzeitlich hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht verhaltensbedingt gekündigt, weil die Klägerin erneut zu einer eingeteilten Ansageschicht am Samstag nicht erschien. Die Kündigungsschutzklage ist Gegenstand eines gesonderten Streits vor dem Arbeitsgericht Neumünster.

Die Klägerin hat der Beklagten angeboten, anstelle der Samstagsarbeit am Sonntag zu arbeiten. Sie ist auch bereit, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, sofern damit eine Einteilung zur Samstagsarbeit vermieden werden kann.

Unter dem 11. Januar 2005 unterzeichneten 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten eine Erklärung mit dem folgenden Inhalt (Originaltext):

"Betreff: Ansageschichten

Wir wissen das unser Arbeitsplatz nur dann gesichert ist, wenn wir mit E... zusammen arbeiten.

Da es in der Planung aber vorkommen kann das am Samstag Mehrarbeit geleistet werden muss, sind wir auch bereit Opfer zu bringen.

Wir würden allerdings die Wochenenden auch viel lieber mit unseren Familien verbringen.

Das kann aber nur funktionieren, wenn alle mitziehen da es sonst ungerecht ist."

Die Klägerin hat vorgetragen:

Sie könne es mit ihrem Glauben nicht vereinbaren, an Samstagen zu arbeiten. Ein Verstoß gegen dieses Gebot ihrer Glaubensgemeinschaft stürze sie in einen schweren seelischen Konflikt. Die Ablehnung der Beklagten, sie nicht von der Samstagsarbeit auszunehmen, beruhe allein auf der Erwägung, keinen "Präzedenzfall" schaffen zu wollen, der andere nach sich ziehen würde. Das diese Argument nicht verfange, liege auf der Hand, weil ihre Rechtsposition nicht dadurch berührt werden könne, dass sich eventuell auch andere Arbeitnehmer auf ein ihnen verbürgtes Grundrecht beziehen könnten. Auf Betriebsablaufstörungen könne sich die Beklagte auch nicht berufen. Sie - Klägerin - könne an Sonnabenden - soweit überhaupt erforderlich - problemlos durch andere Arbeitskräfte ersetzt werden, da diese in ausreichend großer Zahl vorhanden seien. In dem Produktionsbereich, in dem sie tätig sei, seien mehrer dutzend Arbeitnehmer beschäftigt, die sich gegenseitig ersetzen könnten. Es bedeute für die Beklagte keine Schwierigkeit, sie an den Samstagsschichten durch einen anderen Arbeitnehmer zu ersetzen und alternativ dazu sie für die Sonntagsarbeit einzuteilen. Die Beklagte habe bislang noch nicht einmal versucht, eine solche Regelung auf Freiwilligkeitsbasis herzustellen, indem sie ihre - der Klägerin - Kolleginnen und Kollegen darauf anspreche, ob diese mit ihrer Herausnahme aus der Samstagsschicht einverstanden seien. Offenbar sei es an den Samstagen, an denen sie nicht zur Schicht erschienen sei, auch nicht zu Betriebsablaufstörungen gekommen. Im Übrigen trage die Beklagte auch nicht vor, dass aus dem Kreis ihrer ausländischen Mitarbeiter jemand wie auch immer geartete "Sonderrechte" geltend gemacht habe. Sofern dies in der Zukunft geschehe, sei es der Beklagten unbenommen, diesen mit dem Hinweis auf sich daraus ergebende Betriebsablaufstörungen zu entgegnen. Die Umstände des Zustandekommens der Liste vom 12. Januar 2005 seien bezeichnend. Die genannten Kollegen hätten ihr mitgeteilt, ihnen sei anlässlich der Vorlage der Liste durch den Vorgesetzten nicht mitgeteilt worden, dass Hintergrund ihr - der Klägerin - Wunsch gewesen sei, aus religiösen Gründen von der Samstagsschicht ausgenommen zu werden. Man sei davon ausgegangen, dass es sich um Kollegen handele, die schlichtweg keine Lust hätten, an Samstagen zu arbeiten. Die Beklagte habe daher ihre Kollegen bewusst im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit in die Irre geführt.

Die Klägerin hat - soweit noch für die Berufung von Interesse - beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die ihr gegenüber mit Datum vom 27. August 2004, 13. September 2004 und 21. September 2004 ausgesprochenen Abmahnungen aus ihrer Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf den Arbeitsvertrag berufen, ausweislich dessen die Klägerin verpflichtet sei, die Samstagsarbeit zu leisten. Art. 12 Abs. 1 GG schütze ihr Interesse, in ihrem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen einhielten. Anders sei eine sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens nicht denkbar. Jede Glaubensrichtung habe ihre eigenen Glaubenssätze. Bei ihr sei eine geordnete wirtschaftliche Betätigung nicht möglich, wenn jeder Mitarbeiter darauf bestehe, während der vereinbarten Arbeitszeit nach seinen Glaubenssätzen zu leben oder die Arbeit aufgrund eines bestimmten Glaubenssatzes gar nicht erst aufzunehmen. Ihr sei es nicht möglich, die Klägerin durch einfache Personaldisposition von der Samstagsarbeit auszunehmen. Die Betriebsvereinbarung gelte für jeden Mitarbeiter in der Produktion. Keiner der Produktionsmitarbeiter arbeite gern am Samstag und möchte auch nicht zusätzlich zu seinen 10 Ansageschichten noch eine weitere Ansageschicht für die Klägerin ableisten. Die Klägerin möge vortragen, wie sie sich die einfachen Personaldispositionen vorstelle. Zudem würde der betroffene Mitarbeiter gegenüber der Klägerin und den anderen Mitarbeitern benachteiligt. Dies führe zu Unfrieden im Betrieb und möglicherweise dazu, dass dieser Mitarbeiter auch Siebenten-Tags-Adventist werde. Das Angebot der Klägerin, am Sonntag zu arbeiten, löse das Problem nicht. Bei ihr gebe es eine Wochenendschicht für die Bereiche Foilline und Armierung, die nur am Samstag und am Sonntag arbeite, und zwar je 10 Stunden. Die Arbeitsverträge seien entsprechend ausgestaltet. In dieser Wochenendschicht seien sämtliche Arbeitsplätze besetzt.

Auch die Belange anderer Mitarbeiter machten deutlich, dass zugunsten der Klägerin keine Ausnahme gemacht werden dürfe. Eine Mitarbeiterin der Linie 4 habe dem Linienleiter mitgeteilt, dass sie als Produktionsmitarbeiterin Samstagsschichten leisten müsse und einen 5-jährigen Sohn habe, den sie an einem Samstag nur mit großen Schwierigkeiten unterbringen könne. Die Betreuung des Sohnes am Samstag durch Familienangehörige sei nicht möglich, da alle anderen Familienmitglieder nicht im nahen Umkreis von H... wohnten. Die Kindertagesstätte sei am Samstag nicht geöffnet. Die Betreuung sei nur möglich, wenn eine Freundin sich dazu bereit erkläre, die aber selbst berufstätig sei. Dies erschwere eine Absprache. Eine weitere Mitarbeiterin der Linie 4 habe dem Linienleiter erklärt, dass sie ihre Großmutter nach deren Hüftbruch pflegen müsse. Wenn sie samstags arbeiten müsse, müsse sie ihre Schwiegermutter und ihre Tochter darum bitten, die Pflege zu übernehmen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird Bezug genommen auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung mit den dortigen Verweisungen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei der Beklagten nicht zumutbar, die Klägerin von der Regelung der Betriebsvereinbarung auszunehmen. Sinn und Zweck dieser sei es, die aus betrieblichen Gründen notwendige Samstagsarbeit zu gewährleisten sowie die gleichmäßige Inanspruchnahme und Höchstbelastung der Mitarbeiter zu regeln. Es könnten daher nur schwerwiegende individuelle Belange einen Anspruch auf eine Ausnahmeregelung begründen, da ansonsten die kollektive Betriebsorganisation insgesamt gefährdet wäre. Insoweit habe die Beklagte vorgetragen, dass das Fernbleiben der Klägerin bereits zu Unmutbekundungen bei anderen Mitarbeitern geführt habe. Ein Tausch mit einem Mitarbeiter der Wochenendschicht könne das Problem nicht lösen. Der Mitarbeiter der Wochenendschicht könne nicht zusätzlich für die Klägerin die Ansageschicht am Samstag arbeiten, da er ohnehin samstags tätig sei. Im Übrigen handele es sich nur um 10 Ansageschichten im Jahr, an allen anderen Samstagen könne die Klägerin ihre Religion ungehindert ausüben.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 25. Februar 2005 zugestellte Urteil am 10. März 2005 mit Faxschriftsatz und am 11. März 2005 mit Originalschriftsatz Berufung eingelegt und diese am 22. April 2005 mit Faxschriftsatz und am 25. April 2005 mit Originalschriftsatz begründet.

Die Klägerin rügt, das angefochtene Urteil ignoriere die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts aus der sog. "Kopftuch"-Entscheidung. Das Arbeitsgericht nehme eine oberflächliche Abwägung zwischen den betroffenen Grundrechten vor und gelange zu dem falschen Ergebnis, dass das Recht auf Glaubensfreiheit zurücktreten müsse. Sie stelle nicht in Abrede, dass die Beklagte sich grundsätzlich auf Art. 12 GG zur Entfaltung ihrer unternehmerischen Freiheit berufen könne. Allerdings lege die Rechtsprechung dem Arbeitgeber die Verpflichtung auf, den Arbeitsplatz so zu organisieren, dass er den Arbeitnehmer nicht in einen vermeidbaren Gewissenskonflikt bringe. Dies könne in ihrem Falle entweder dadurch geschehen, dass sie aus der Samstagsschicht ausgenommen und durch eine Kollegin oder einen Kollegen ersetzt oder aber in einen anderen Produktionsbereich versetzt werde, in dem keine Samstagsschichten angeordnet werden. Nach ihren Erkenntnissen habe es bisher im Produktionsbereich der Flechterei, in dem sie einsetzbar sei, keine Samstagsschichten gegeben. Die Beklagte habe weder in die eine noch in die andere Richtung Anstrengungen unternommen. Deren Befürchtungen hinsichtlich etwaiger Störungen im Betrieb seien rein spekulativ. Für sie sei im Übrigen auch nicht nachvollziehbar, warum das Problem nicht dadurch gelöst werde, dass sie statt des Samstags am Sonntag arbeite. An den Samstagen, an denen sie nicht gearbeitet habe, habe nach dem Vortrag der Beklagten in der Nachtschicht von Sonntag auf Montag ein anderer zusätzlich eingesetzter Mitarbeiter die fehlenden Volumina produziert. Die Beklagte müsse sich deshalb fragen lassen, warum sie - Klägerin - zu dieser Schicht nicht eingeteilt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 11. Februar 2005 - 1 Ca 1919 b/04 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die ihr gegenüber mit Datum vom 27. August 2004, 13. September und 21. September 2004 ausgesprochenen Abmahnungen aus ihrer Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages vor:

Unter den weiblichen Mitarbeitern befänden sich auch alleinerziehende Mütter, die ihre Kinder bei Samstagsschichten irgendwie unterbringen müssten. Sie - Beklagte - sei sehr sozial eingestellt und kümmere sich fürsorglich um die Belange aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dies habe allerdings Grenzen, wenn arbeitsvertragliche Verpflichtungen nicht eingehalten würden und die Gleichbehandlung der Mitarbeiter gefährdet sei. Ihr sie außerordentlich stark daran gelegen, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich fair zu behandeln und Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Dies sei zwar nicht immer im Interesse des Einzelnen, wohl aber der Belegschaft und des Betriebsrates. Es gebe keinen Arbeitsplatz ohne Samstagsarbeit für die Klägerin. Danach sei immer wieder erfolglos sowohl außergerichtlich als auch erstinstanzlich gesucht worden. Die Klägerin könne nicht in Wochenendschicht arbeiten, weil diese regelmäßige Samstagsarbeit einschließe. Es sei auch nicht möglich, einen Mitarbeiter der Wochenendschicht am Samstag für die Klägerin arbeiten zu lassen, da dieser ohnehin samstags arbeite. Es gebe keinen Produktionsbereich - auch nicht die Flechterei - in dem keine Samstagsschichten abzuleisten seien. Sie habe am 8. und 15. Januar 2005 während der Samstagsansageschichten, zu denen die Klägerin nicht erschienen sei, mit einer Maschine weniger produziert. Einen Ersatz für die Klägerin habe sie nicht finden können. Die fehlenden Volumina seien in der Nachtschicht von Sonntag auf Montag durch einen zusätzlich eingesetzten Mitarbeiter produziert worden. Dafür habe sie Nachtschichtzuschläge leisten müssen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache ist sie auch begründet. Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entfernung der ihr unter dem 27. August 2004, 13. September 2004 und 21. September 2004 erteilten Abmahnungen aus ihrer Personalakte. Dieser Entfernungsanspruch ergibt sich aus der analogen Anwendung der §§ 12, 862, 1004 BGB. Die Beklagte hat die Abmahnungen zu Unrecht ausgesprochen, weil die Klägerin berechtigt war, die eingeteilten Samstagsschichten am 28. August, 11. September und 18. September 2004 nicht anzutreten. Die Beklagte hat bei der Einteilung der Klägerin zu diesen Schichten die Grenzen des ihr arbeitsvertraglich zustehenden Direktionsrechtes überschritten.

Das Weisungsrecht, das seine Grenzen in den gesetzlichen Regelungen, im Kollektiv- und Einzelvertragsrecht findet, darf gem. § 315 Abs. 1 BGB nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden (BAG, Urt. v. 10. Oktober 2002, 2 AZR 472/01). Die in § 315 Abs. 1 BGB geforderte Billigkeit wird inhaltlich durch die Grundrechte, hier durch die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG und die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung des Art. 4 Abs. 2 GG, mitbestimmt. Kollidiert das Recht des Arbeitgebers, im Rahmen seiner gleichfalls grundrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) den Inhalt der Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers näher zu konkretisieren, mit grundrechtlich geschützten Positionen des Arbeitnehmers, so ist das Spannungsverhältnis im Rahmen der Konkretisierung und Anwendung der Generalklausel des § 315 BGB einem grundrechtskonformen Ausgleich der Rechtspositionen zuzuführen. Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass die geschützten Rechtspositionen für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Bei der Abwägung ist die Intensität der umstrittenen Freiheitsbeschränkung genauso zu berücksichtigen wie die von den Vertragspartnern durch den Abschluss des Vertrags selbst eingeräumte Begrenzung ihrer grundrechtlichen Freiheiten, der Rang und das Gewicht des mit dem Eingriff erfolgten Ziels sowie die spezifische Bedeutung und der spezielle Gehalt des betroffenen Grundrechts bzw. der kollidierenden Grundrechtspositionen in Bezug auf den umstrittenen Regelungsgehalt (BAG, a. a. O.). Bei privatrechtlichen Regelungen, die der Vertragsfreiheit Grenzen setzen, geht es um den Ausgleich widerstreitender Interessen, die regelmäßig beide grundrechtlich verankert sind. Die kollidierenden Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.

1.

Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG umfasst die Freiheit, nach den eigenen Glaubensüberzeugungen zu leben und zu handeln (BVerfGE 32, 98 (106); 93, 1 (15)). Zur Glaubensfreiheit gehört das Recht des Einzelnen, sein Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu leben. Geschützt sind nicht nur Handlungen, die auf imperativen Glaubenssätzen beruhen; in den Schutzbereich fallen auch Verhaltensweisen, die religiöse Lehren zwar nicht zwingend fordern, aber nahe liegen, um einer Glaubenshaltung zu entsprechen. Für den Gläubigen geht es um die Bindungen, die er ohne ernste Gewissensnot nicht vernachlässigen kann (ErfK-Dieterich, Art. 4 GG, Rdnr. 9 m. Hinw. a. Rechtsprechung). Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG überlässt es dem Einzelnen, welche religiösen Symbole er anerkennt und verwendet. Das in Rede stehende Verhalten muss nicht allgemein von den Gläubigen geteilt werden. Für eine zulässige Berufung auf Art. 4 GG kommt es nur darauf an, dass es überhaupt von einer wirklichen religiösen Überzeugung getragen und nicht anders motiviert ist (BAG, Urt. v. 10. Oktober 2002, 2 AZR 472/01).

Das Verlangen der Beklagten, die Klägerin möge bestimmte Samstagsschichten ableisten, führt unmittelbar zu einer Beeinträchtigung der Grundrechte der Klägerin aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 GG. Sie leitet das von ihr als verpflichtend angesehene Gebot, am Samstag nicht zu arbeiten, aus ihrem Glauben her. Das Berufungsgericht hat überhaupt keinen Zweifel daran, dass diese Haltung ihrer wirklichen religiösen Überzeugung entspricht und nicht anders motiviert ist. Zu den Glaubenspunkten der Siebenten-Tags-Adventisten gehört es, dass das 4. Gebot die Heiligung des Sabbats - des siebenten Tages der Woche - als Tag der Ruhe, der Anbetung und des Dienens gebietet. Wer diese heilige Zeit begehe - so heißt es weiter in den Glaubenspunkten - von Abend bis Abend, von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang - feiere Gottes schöpferisches und erlösendes Handeln. Für die Berufungskammer bestehen auch keine Zweifel, dass die Siebenten-Tags-Adventisten den Samstag als jenen siebenten Tag ansehen, der als Ruhetag zu feiern ist. Dies ergibt sich ebenfalls aus der Internet-Homepage der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, wo es zum siebenten Tag heißt, dies sei der Samstag. Dieses Gebot sieht die Klägerin als für sich verpflichtend an. Ob es ein zwingendes Gebot ist, kann aus den oben dargelegten Gründen dahingestellt bleiben. Jedenfalls handelt es sich für die Klägerin um eine Bindung, die sie ohne ernste Gewissensnot nicht vernachlässigen kann. Die Berufungskammer ist - obwohl es darauf für die Entscheidung nicht ankommt - davon überzeugt, dass die Klägerin sich insoweit in ernster Gewissensnot befindet. Sie hat sich wegen ihrer religiösen Überzeugung auf einen ernsthaften Konflikt mit ihrer Arbeitgeberin eingelassen. Dies tut niemand, der sich nicht in der von der Klägerin dargelegten Zwangslage befindet, sondern dessen Handeln anders als religiös und glaubensbestimmt motiviert ist.

2.

Dem gegenüber kommt zwar als konkurrierende, durch Art. 12 Abs. 1 GG ebenfalls grundrechtlich geschützte Position der Beklagten ihre Unternehmensfreiheit in Betracht. Diese Interesse, das vor allem konkret Ausdruck findet in dem berechtigten Anliegen der Arbeitgeberin, betriebliche Abläufe störungsfrei zu organisieren, rechtfertigt in dem hier zu beurteilenden Sachverhalt jedoch keinen Vorrang der Interessen der Beklagten. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Parteien eines Arbeitsvertrages durch den Abschluss desselben ihre grundrechtlichen Freiheiten in gewisser Weise selbst begrenzen können.

a.

Die Beklagte hat sich zur Begründung ihrer Abmahnungen im Wesentlichen darauf berufen, aus Gründen der Gleichbehandlung könne sie zugunsten der Klägerin keine Ausnahme machen. Sie hat weiterhin darauf hingewiesen, in ihrem Betrieb 333 ausländische Mitarbeiter aus 36 Nationen zu beschäftigen. Die Frauenquote in der Produktion betrage 65%. Zudem gebe es bereits Unzufriedenheit in der Belegschaft, wie sich durch die Unterschriftsaktion von 15 Mitarbeitern am 11. Januar 2005 belegen lasse. Schließlich hätten auch andere Mitarbeiter individuelle Gründe, zu der Samstagsarbeit nicht herangezogen zu werden. Die Beklagte will damit zum Ausdruck bringen, sie könne die Akzeptanz der Betriebsvereinbarung nicht mehr gewährleisten, wenn sie zugunsten einzelner Arbeitnehmer Ausnahmen treffe.

Diese Argumentation reicht nicht aus, um die grundrechtlich geschützte Position der Klägerin aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zurücktreten zu lassen.

Das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 10. Oktober 2002, 2 AZR 472/01) hat darauf hingewiesen, in Anbetracht des hohen Stellenwertes des Grundrechts der Glaubens- und Religionsfreiheit sei die Darlegung realer Gefährdungen konkret erforderlich. Bloße Vermutungen und Befürchtungen ersetzten kein notwendiges, konkretes und der Darlegungslast entsprechendes Sachvorbringen. Dies gelte umso mehr, als bei der Herbeiführung eines schonenden Ausgleichs der unterschiedlichen grundrechtlichen Positionen zu berücksichtigen sei, dass Grundrechte nicht auf einen "möglichen Verdacht" hin beiseite gestellt werden könnten.

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes erweist sich der Vortrag der Beklagten als nicht ausreichend. Zwar verkennt die Berufungskammer nicht, dass es denkbar ist, dass die Akzeptanz der Betriebsvereinbarung beim Zulassen von Ausnahmen leiden könnte. Solche Überlegungen bewegen sich aber zunächst nur im Bereich einer Vermutung oder Befürchtung. Die Vorlage der Unterschriftenliste vom 11. Januar 2005 führt zu keiner anderen Betrachtung. Dabei lässt die Kammer dahingestellt, unter welchen Voraussetzungen diese Unterschriftenliste überhaupt zustande gekommen ist. Entscheidend ist Folgendes: Für die Berufungskammer ist nicht erkennbar, dass die Arbeitgeberin zumindest den Versuch unternommen hat, bei der Belegschaft Verständnis für die Haltung der Klägerin zu erreichen. Sie hat sich vielmehr darauf zurückgezogen, generell von der Betriebsvereinbarung keine Ausnahmen zulassen zu wollen. Mit einem solchen Vorgehen verkennt sie jedoch den hohen Stellenwert des Grundrechts der Glaubens- und Religionsfreiheit, das im Übrigen auch nach Art. 9 der europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistet ist. Selbst wenn es zunächst Unmutsäußerungen über das Verhalten der Klägerin innerhalb der Belegschaft gegeben hätte, so wäre es der Beklagten zumutbar gewesen, sich innerhalb der Belegschaft mit dieser Kritik auseinanderzusetzen und gegenüber der Belegschaft zu verdeutlichen, warum sich die Klägerin so verhält. Es erscheint der Berufungskammer nämlich überhaupt nicht ausgeschlossen, dass die Haltung der Belegschaft oder jener Teile, die zunächst kein Verständnis für das Verhalten der Klägerin gehabt haben könnten, eine andere ist, wenn sie Kenntnis erlangen über den ernsthaften Gewissenskonflikt, in dem sich die Klägerin bei Ableistung von Samstagsarbeit befindet. Es erscheint der Berufungskammer jedenfalls nicht von vornherein nahe liegend oder ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Belegschaft kein Verständnis für die Haltung der Klägerin bei entsprechender Information und Aufklärung entwickeln kann. Jedenfalls ist es nicht gerechtfertigt, lediglich auf eine mögliche Befürchtung hin von vornherein die grundrechtlich geschützte Position der Klägerin zurücktreten zu lassen.

b.

Das Argument der Beklagten, sie müsse aus Gleichbehandlungsgründen alle Mitarbeiter unter Anwendung der Betriebsvereinbarung heranziehen, rechtfertigt keine andere Bewertung. Zwar mag es sein, dass einzelne Mitarbeiter bei Befreiung der Klägerin von der Samstagsarbeit für sich auch wegen ihrer individuellen Situation dieses begehren. Dies mag seinen Grund haben in dem Bedürfnis, Kinder am Wochenende zu betreuen oder andere Angehörige zu pflegen. Allein diese bloße Befürchtung oder auch das tatsächliche Begehren solcher Mitarbeiter rechtfertigen es aber nicht, das Interesse der Klägerin in dem hier zu beurteilenden Sachverhalt zurücktreten zu lassen. Zum einen geht es hier allein um die besonderen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG fließenden Anforderungen an die Ausgestaltung des Weisungsrechtes des Arbeitgebers. Zum anderen wäre die Beklagte auch unabhängig von dem Begehren der Klägerin im Einzelfall bei anderen Mitarbeitern unter Beachtung des Maßstabes des § 315 Abs. 1 BGB verpflichtet zur Prüfung, ob deren Belange im Ausnahmefall möglicherweise auch eine Befreiung von der Arbeitpflicht rechtfertigen können. Entscheidend ist - und darauf weist die Klägerin auch zutreffend hin - dass ihr Grundrechtschutz nicht allein bereits deshalb zurücktreten muss, weil die Befürchtung bestehen könnte, dass sich andere Mitarbeiter auch von der Samstagsschicht befreien lassen möchten.

c.

Für die Berufungskammer ist auch nicht erkennbar, dass es zu konkreten Betriebsablaufstörungen kommen muss, wenn die Klägerin von der Samstagsschicht befreit wird bzw. dass es nicht möglich ist, die Samstagsschicht mit einer ausreichenden Zahl von Arbeitnehmern zu besetzen. Zwar ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass für viele Mitarbeiter - zumal Zuschläge nicht gezahlt werden - die Samstagsschicht eher unangenehm ist und deshalb die Bereitschaft gering sein dürfte, anstelle der Klägerin diese auszuüben. Dies reicht aber noch nicht aus für die Annahme konkreter Betriebsablaufstörungen. Denn für das Berufungsgericht ist nicht zwingend nachvollziehbar, dass tatsächlich solche konkreten Ablaufstörungen eintreten müssen, mit anderen Worten, die Beklagte nicht in der Lage ist, die Schichten zu besetzen. Sie hat das Berufungsgericht nicht davon überzeugen können, dass es ihr unter Außerachtlassung der Klägerin nicht möglich ist, auch ohne Überschreitung der 10 Samstagsschichten für einzelne Mitarbeiter den Bedarf im Rahmen der Ansageschichten abzudecken. Auch insoweit beschränkt sich ihr Vortrag allein auf die Argumentation der Gleichbehandlung.

d.

Auch der Grundsatz der Vertragstreue führe zu keiner anderen Betrachtung. Zwar ist es richtig, dass sich der Arbeitnehmer grundsätzlich mit Vertragsschluss dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterwirft und der Grundsatz der Vertragstreue zu einer freiwilligen Selbstbegrenzung grundrechtlicher Positionen führen kann. Arbeitsvertraglich war die Klägerin zur Leistung von Samstagsarbeit verpflichtet, und zwar unabhängig von den Regelungen der Betriebsvereinbarung. Dies ergibt sich nämlich daraus, dass sie auch vor der Existenz der Betriebsvereinbarung und bis zu ihrer Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten Samstagsarbeit leistete. Damit haben die Vertragsparteien zumindest konkludent den Rahmen der im Arbeitsvertrag vereinbarten Lage der Arbeitszeit auf den Samstag ausgeweitet. Allein diese vertragliche Bindung führt jedoch nicht dazu, dass das Interesse der Arbeitgeberin an der Einhaltung dieser eingegangenen arbeitsvertraglichen Verpflichtung jenes Interesse der Klägerin an der Beachtung ihrer Grundrechtspositionen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG übersteigt. Zwar schützt das Grundgesetz die Vertragsfreiheit, aber sie bedarf der Ausgestaltung und muss dabei in Ausgleich mit anderen Grundrechten gebracht werden (Thüsing, NJW 2003, S. 406). Auch insoweit setzt sich die Privatautonomie gegenüber einer Grundrechtsposition der Arbeitnehmerin nur dann durch, wenn es nicht nur um abstrakte Gefährdungen von Positionen der Arbeitgeberin geht, sondern um mindestens konkrete Gefährdungen bzw. tatsächlich eingetretene Betriebsstörungen. Beides konnte das Berufungsgericht jedoch nicht feststellen. Dies gilt insbesondere auch für die Notwendigkeit einer konkreten Gefährdung, da es für das Berufungsgericht nicht als ausgeschlossen erscheint, dass bei entsprechender Information der Belegschaft Verständnis für die Haltung der Klägerin geweckt werden kann, so dass einer entsprechenden konkreten Gefährdung entgegengewirkt wird.

Hinzu kommt Folgendes:

Die Klägerin war nicht bereits bei Vertragsabschluss Mitglied der Glaubensgemeinschaft. Für sie stellte sich daher bei Abschluss des Vertrages und auch bei Ableistung der Samstagsschichten bis zu ihrem Beitritt zu der Glaubensgemeinschaft nicht der Glaubenskonflikt. Würde man sie nunmehr aber dennoch ungeachtet von konkreten Gefährdungen oder tatsächlich eingetretenen Betriebsablaufstörungen an ihrer seinerzeit eingegangenen Verpflichtung zur Samstagsarbeit festhalten, würde dies einen Wechsel des Glaubens oder der Religion belasten bzw. erschweren. Hierfür kann der Grundsatz der Privatautonomie allein sicherlich keine Grundlage sein, sondern nur dann, wenn der Arbeitgeber konkrete Gefährdungen bzw. Belastungen darlegen kann. Zutreffend weist im Übrigen Thüsing, a. a. O., darauf hin, dass die Freiheit zum Vertragsschluss auch die Freiheit des anderen, also des Arbeitnehmers ist, der weiterhin an seinem Vertrag festhalten will. Belastungen bzw. eine Beendigung dieses Vertrages resultierend aus der von der Arbeitnehmerin in Anspruch genommenen Glaubensfreiheit können nur dann akzeptiert werden, wenn konkrete Gefährdungen bzw. Störungen der Betriebsabläufe bzw. des Betriebes dargelegt sind.

e.

Auch der Umstand, dass sich die Beklagte bei der Anordnung der Ansageschichten gegenüber der Klägerin auf die im Jahre 2003 abgeschlossene Betriebsvereinbarung beruft, führt zu keiner anderen Betrachtung. Es ist richtig, dass diese Betriebsvereinbarung allgemein für alle Mitarbeiter innerhalb der Produktion gilt, sofern sie nicht in Gleitzeit tätig sind. Weiterhin ist auch nicht zu verkennen, dass grundsätzlich die Beklagte darauf achten muss, dass diese Betriebsvereinbarung auch auf alle Mitarbeiter angewandt wird. Dies heißt aber nicht, dass sie damit allein aus Gründen der Gleichbehandlung eine grundrechtlich geschützte Position wie jene der Klägerin ohne erkennbare konkrete Gefährdung oder Belastung des Betriebes und der Betriebsabläufe zurücktreten lassen darf. Denn auch bei der konkreten Umsetzung der Betriebsvereinbarung im Einzelfall hat der Arbeitgeber grundrechtliche Positionen zu beachten. Die Gefahr, dass damit die Akzeptanz der Betriebsvereinbarung schwindet, ist keineswegs zwingend. Jedenfalls nicht vor dem Hintergrund, dass es bei der Position der Klägerin nicht um ein beliebiges Interesse geht, sondern um die Glaubensfreiheit, deren hoher Wert bereits betont wurde.

Nach alledem bestand zumindest für die hier streitgegenständlichen Samstagsschichten für die Klägerin keine Verpflichtung, diese abzuleisten. Der Beklagten war es zuzumuten, die Klägerin dazu nicht einzuteilen und gegebenenfalls zunächst innerhalb der Belegschaft bei etwaigen Unmutsäußerungen um Verständnis für die Haltung der Klägerin zu werben. Praktische Grundrechtskonkordanz bedeutet, nicht von vornherein wegen vermuteter Gefährdungen oder Unmutsäußerungen eine Grundrechtsposition nicht zu beachten, sondern zunächst zu versuchen, mögliche Störungen im Rahmen des Zumutbaren zu vermeiden (vgl. dazu Dieterich, Anm. zu 2 AZR 472/01 in AR-Blattei ES, Kündigungsschutz 1020 Nr. 370). Sollte sich zukünftig erweisen und konkret zu belegen sei, dass es infolge der Herausnahme der Klägerin aus den Samstagsschichten zu konkreten Belastungen des Betriebes oder der Betriebsabläufe kommt, so ist eine andere Beurteilung durchaus denkbar.

Nach alledem ist der Berufung der Klägerin stattzugeben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Klägerin hat wegen der Rücknahme ihres Unterlassungsantrages 1/3 der Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge) zu tragen.

Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Es handelt sich um eine am Einzelfall orientierte Entscheidung auf der Grundlage des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Oktober 2002 ("Kopftuch-Urteil").

Ende der Entscheidung

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