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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 14.10.2002
Aktenzeichen: 4 Sa 31/02
Rechtsgebiete: BGB, ProstitutionsG


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 138
ProstitutionsG Art. 1 § 1
Der als Arbeitsvertrag bezeichnete Vertrag zwischen dem Unternehmer und der mit dem Führen von sog. Telefonsex beauftragten Auftragnehmerin, "Telefonistin", verstößt gegen die guten Sitten und ist daher nichtig. Bei Sexgesprächen wird der Intimbereich - wie bei der Prostitution oder bei einer Peepshow - zur Ware gemacht. Wegen der fehlenden Zugangskontrolle sprechen auch Gründe des im Interesse der Allgemeinheit liegenden Jugendschutzes für die Sittenwidrigkeit des Leistungserfolges. Für das auf Zahlung eines monatlichen Bruttolohnes von 16.000,00 DM gerichtete Begehren der Telefonistin fehlt es daher an einer Rechtsgrundlage
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 31/02

Verkündet am 14. Oktober 2002

In dem Rechtsstreit

hat die IV. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Müller als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Rose und Geng als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21. Dezember 2001 - 1 Ca 758 c/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gegen das Urteil wird die Revision nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die Parteien streiten über die Vergütung aus einem Arbeitsvertrag.

Wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in erster Instanz vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien in der Berufungsinstanz verwiesen.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Werte des Beschwerdegegenstandes nach form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden. Die Berufung ist jedoch aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung unbegründet und daher zurückzuweisen gewesen. Insoweit wird gemäß § 140 Abs. 1 ZPO auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen:

Bei der Tätigkeit der Klägerin als "Telefonistin" handelte es sich um das Führen von sogenannten Sexgesprächen. Das folgt aus dem substantiierten Vortrag der Beklagten. Hierzu hat die Beklagte den sogenannten Rufnummernvertrag vom 17.01.2001 mitgeteilt, nach dem die Firma A. V. der Beklagten zu 2. mehrere 0190-Sexrufnummern vermietet hat. Dass die Beklagte mit diesen Rufnummern zu Sexgesprächen auffordert und wirbt, ergibt sich für die Kammer auch aus den von der Beklagten überreichten Original-Zeitungsanzeigen (Anlage B 2 zur Berufungserwiderung auf Bl. 86 d. A.). Diese Anzeigen stellen weitgehenst unbekleidete Frauen in werbender Pose dar, wie sie für erotische Anzeigen üblich ist und fordern zum Anruf auf und beziehen sich auf die von der Beklagten von der Firma A. V. - Inhaber Metin Y. in Mühlheim - gemieteten sogenannten Mehrwertnummern 0190-... und 0190-.... Dass die Klägerin Sexgespräche geführt hat ergibt sich weiterhin daraus, dass die sogenannten "Telefonistinnen" unter Tarnnamen telefonieren, wie die hier im Rechtsstreit genannte G. V. , unter dem Decknamen Y. . Der Umstand, dass die sogenannten "Telefonistinnen" durch Decknamen geschützt sind und es den Mitarbeitern, wie § 7 des sogenannten Arbeitsvertrages zeigt, untersagt ist, über die im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Kenntnis gelangten Vorgänge oder geschäftlichen Angelegenheiten, Dritte zu informieren, erweist, dass aufgrund der intimen Gespräche den Telefonkunden der direkte Kontakt zu den "Telefonistinnen" zu ihrem persönlichen Schutz verwehrt werden sollte. Letztlich belegt auch die Höhe der Vergütung mit 16.000,-- DM brutto im Monat, dass die Klägerin gerade nicht als Telefonistin eingestellt worden war - derartige Vergütungen belaufen sich regelmäßig auf 1.225,00 EUR bis 1.500,00 EUR -, sondern bestätigt, dass die Klägerin für außergewöhnliche Telefondienste vergütet wurde. Ihre schlichte Gegenbehauptung, bei den Gesprächen habe es sich um die bloße Erbringung von Unterhaltungsleistungen gehandelt, reicht für ein wirksames Bestreiten nicht aus. Hier hätte die Klägerin schon den Inhalt der Unterhaltungen angeben müssen. Für einen substantiierten Vortrag bestand deshalb besonderer Anlass, weil bereits das Arbeitsgericht deutlich gemacht hatte, dass die Klägerin dem Vortrag der Beklagten, dass es ihre Aufgabe war, lediglich sogenannte Sexgespräche mit Kunden zu führen, nicht substantiiert entgegengetreten ist. Aufgrund des unsubstantiierten Bestreitens ist das entsprechende Vorbringen der Beklagten als zugestanden zu bewerten.

Die Ansicht der Klägerin, dass in jedem Fall der zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag selbst dann nicht nichtig gewesen sei, wenn Gegenstand des Arbeitsvertrages die Erbringung von Telefonsexgesprächen gewesen wäre, ist unzutreffend. Telefonsexverträge, gleich welcher Art, sind sittenwidrig. Das hat die Klägerin verkannt. Bei Sexgesprächen wird der Intimbereich - wie bei der Prostitution oder bei einer Peepshow - zur Ware gemacht. Dass es zwischen Anrufer und "Telefonistinnen" zu keinem unmittelbaren körperlichen Kontakt kommt, ist ohne Bedeutung, denn bei dem Gespräch wird von der Anbieterin auch vorgegeben, sexuelle Handlungen an sich oder dem Anrufer vorzunehmen, um ihn so zur sexuellen Erregung oder Befriedigung zu bringen. Das Landgericht Mannheim spricht deshalb zutreffend von "Wortbordell" (NJW 1995, 3398). Diesem Zweck des Gespräches bzw. Wunsch des Kunden muss sich, wie der Bundesgerichtshof zutreffend erkannt hat (BGH, Urt. v. 09.06.1998, XI ZR 192/97), die Gesprächspartnerin unterordnen, so dass der Gesprächsinhalt nicht ihrer freien Willensbestimmung unterliegt und damit ihre "aktive" Rolle nur scheinbar ist. Dadurch wird die Anbieterin zum Objekt gerade auch deshalb herabgewürdigt, weil es an einer unmittelbaren menschlichen Begegnung fehlt und sie auf ihre Stimme und den Inhalt ihrer Äußerungen, die üblicherweise nur in Momenten intimen Zusammenseins abgegeben werden, reduziert wird (vgl. Amtsgericht Halle in NJW - RR 1993, 1016). Weiterhin weist der Bundesgerichtshof zutreffend darauf hin, dass wegen der fehlenden Zugangskontrolle schließlich auch Gründe des im Interesse der Allgemeinheit liegenden Jugendschutzes für die Sittenwidrigkeit des Leistungserfolges sprechen (ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.02.1997 - 7 U 98/94 in NJW 1997, 2605; Landgericht Mannheim, Urt. v. 18.05.1995 - (12) 3 NS 21/95 -; Amtsgericht Rendsburg, Urt. v. 27.07.1995 - 3 C 498/94 in Schleswig-Holsteinischen Anzeigen 1997, 22; Amtsgericht Halle-Saalkreis, Urt. v. 23.01.1993 - 22 C 3769/92 in NJW - RR 1993, 1016; Amtsgericht Dortmund, Urt. v. 22.01.1991 - 125 C 9751/90 in MDR 1991, 535 f mit vielen Hinweisen auf weitere Entscheidungen; OLG Stuttgart, Urt. v. 21.04.1999 - 9 U 252/98 in MDR 1999, 1056; Amtsgericht Duisburg, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 44/99 in NJW - RR 2000, 930 f; OLG Stuttgart, Urt. v. 27.10.1999 - 9 U 96/99; Landgericht Hannover, Urt. v. 23.03.2000 - 5 S 2033/99 in MMR 2000, 707 f.; Landgericht Hannover, Urt. v. 07.04.2000 - 9 S 1832/99 - in Niedersächsische Rechtspfleger 2001, 53 f).

Der Ansicht der Klägerin, dass nach der moralischen Anschauung einer Mehrheit der Bevölkerung weder in der Erbringung sexueller Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt noch in der Erbringung von Telefonsex sittenwidrige Handlungen zu erblicken seien, was insbesondere sich auch aus dem Prostitutionsgesetz vom 20.12.2001 ergebe, kann nicht gefolgt werden. Denn eine Laxheit im Umgang mit dem Recht und ein Verfall von Sitten belegt nicht, dass dadurch das sittlich wird, was unsittlich ist. Art. 1 § 1 Prostitutionsgesetz belegt vielmehr, dass Prostitution sittenwidrig ist. Es bedürfte nämlich keiner Vorschrift, die die sittenwidrige Inanspruchnahme von sexuellen Handlungen gegen Entgelt ausdrücklich als Begründung einer Vereinbarung einer rechtswirksamen Forderung fingiert, wäre eine derartige Verhaltensweise als mit den guten Sitten übereinstimmend zu verstehen. Aber auch selbst wenn in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommen sollte, dieser Gesetzgeber habe die Prostitution damit für nicht sittenwidrig erklärt, dass das Verhalten nicht gleichwohl gegen das Anstandsgefühl verstößt, führt das nicht zur Erhebung des Unsittlichen in das Sittliche. Zutreffend hat nämlich das OLG Düsseldorf (Urt. v. 24.04.2001 - 20 U 127/00 -) erkannt, dass der Gesetzentwurf zu bestimmten Fragen der Prostitution noch keinen Wandel der allgemeinen Anschauungen über die Kommerzialisierung des Intimlebens belege.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO zurückzuweisen gewesen.

Wegen der herrschenden Ansicht der Obergerichte, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts zu der Frage der Sittenwidrigkeit des sog. Telefonsexgespräches ist die Revision nicht zugelassen worden.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird nach § 72 ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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