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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 27.11.2008
Aktenzeichen: 4 Sa 331/08
Rechtsgebiete: LRTV-HH, MTV, KSchG


Vorschriften:

LRTV-HH § 11 Abs. 5
MTV § 9
KSchG § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 331/08

Verkündet am 27.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 27.11.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24.07.2008 - 2 Ca 2606/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger weiterhin der bisherige Akkordlohn zu zahlen ist.

Der Kläger trat aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 27. Oktober 1987 (Bl. 34 d. A.) als Schweißer in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein. In Ziffer 3 des Arbeitsvertrages vereinbarten die Vertragsparteien, dass für ihr Arbeitsverhältnis im Übrigen die Bestimmungen der jeweils gültigen Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Metallindustrie H./S.-H. gelten sowie die Arbeitsordnung der Arbeitgeberin.

Mit Schreiben vom 4. Juli 1988 teilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger mit, er werde in Ergänzung des Arbeitsvertrages vom 27. Oktober 1987 ab 1. Juli 1988 im Akkord entlohnt werden. Seither war der Kläger im Akkord tätig.

Mit Schreiben vom 7. März 2000 unterrichtete die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kläger darüber, dass er ab März 2000 Anspruch auf eine Verdienstsicherung nach dem Tarifvertrag der Metallindustrie für H. und Umgebung habe und sich diese beziehe auf einen durchschnittlichen Zeitgrad der letzten 36 Monate und folglich 148,18 Prozent betrage.

Unter dem 29. Mai 2007 schloss die Beklagte mit ihrem Betriebsrat die Betriebsvereinbarung Nr. 2007/2 über den Wechsel vom Akkordlohn zum Zeitlohn im Werk B. O. Unter Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung heißt es, für die bisher im Akkordlohn beschäftigten Arbeitnehmer werde zukünftig der Zeitlohn angewandt. In Ziffer 3 regelten die Betriebsparteien als Ausgleich für den aus dem Wechsel vom Akkordlohn zum Zeitlohn resultierenden Einkommensverlust einmalige Sonderzahlungen, und zwar für den Monat Juli 2007 300,-- EUR, für den Monat August 2007 200,-- EUR und für den September 2007 100,-- EUR.

Die Beklagte vergütet den Kläger seit dem 1. Juli 2007 im Zeitlohn. Der Kläger hat gemeint, er müsse daraus resultierende Einkommenseinbußen nicht hinnehmen, denn er habe einer solchen Änderung weder zugestimmt noch sei eine wirksame Änderungskündigung ausgesprochen worden. Auf die Betriebsvereinbarung Nr. 2007/2 könne sich die Beklagte nicht berufen.

Wegen der zu beachtenden tariflichen Regelungen, der in erster Instanz streitigen Rechtsauffassungen und der dort gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimme sich nach dem Lohnrahmen-Tarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metallindustrie H. und Umgebung (LRTV-HH). § 11 Abs. 5 LRTV-HH finde daher Anwendung, weshalb ständige Akkordarbeiter im Falle einer betrieblichen Einigung ohne Änderungskündigung endgültig in Zeitlohnarbeit überführt werden könnten. Die Betriebsvereinbarung sei eine betriebliche Einigung im Sinne dieser tariflichen Vorschrift. Der Arbeitsvertrag des Klägers sei "betriebsvereinbarungsoffen". Auch stehe die tarifliche Verdienstsicherung gemäß § 9 MTV nicht entgegen. Die tarifliche Vorschrift schütze nur vor altersbedingten Einkommensrisiken. Darum gehe es hier nicht.

Wegen der weiteren Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung wird Bezug genommen auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Der Kläger hat gegen das ihm am 11. August 2008 zugestellte Urteil am 8. September 2008 Berufung eingelegt und diese am 6. Oktober 2008 begründet.

Der Kläger bezweifelt weiterhin, dass die tarifliche Vorschrift des § 11 Abs. 5 LRTV-HH die rechtliche Grundlage dafür bilden könne, dass ohne seine Mitwirkung und Zustimmung allein durch eine Einigung zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin eine Entgeltkürzung im erheblichen Umfange rechtswirksam durchgeführt werden könne. Es liege eine Lohnreduzierung von nahezu 20 Prozent vor. Das Kündigungsschutzrecht werde unzulässig umgangen, wenn § 11 Abs. 5 LRTV-HH die Betriebsparteien ermächtige, für Arbeitnehmer ohne deren Zustimmung nachteilige Betriebsvereinbarungen abzuschließen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24. Juli 2008 (2 Ca 2606/07) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 831,60 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2007 sowie weitere 565,80 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. April 2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und vertritt die Auffassung, der Kläger habe keinen durch den Arbeitsvertrag vermittelten individualrechtlichen Anspruch auf eine Akkordvergütung. Der Wechsel vom Akkord- auf Zeitlohn bedürfe daher keiner Änderungskündigung. Die Betriebsvereinbarung vom 29. Mai 2007 sei ausreichende Grundlage. Dieser habe die bisherige Betriebsvereinbarung vom 16. Oktober 1980 abgelöst, die die Grundlage für den an den Kläger gezahlten Akkordlohn gewesen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird Bezug genommen auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

Der Kläger wendet sich in seiner Berufungsbegründung gegen das erstinstanzliche Urteil nur noch mit dem Argument, er bezweifle, dass § 11 Abs. 5 LRTV-HH die rechtliche Grundlage dafür bilde, dass ohne seine Mitwirkung und Zustimmung allein durch eine Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin eine Entgeltkürzung im erheblichen Umfang rechtswirksam durchgeführt werden könne. Dies sei eine Umgehung des Kündigungsschutzes. Der Kläger greift das erstinstanzliche Urteil daher weder hinsichtlich der Ausführungen zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des Lohnrahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metallindustrie Hamburg und Umgebung an noch stützt er die Berufungsbegründung auf die Verdienstsicherung gemäß § 9 MTV. Das Berufungsgericht sieht daher zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich davon ab, die Rechtslage insoweit nochmals darzustellen und nimmt deshalb Bezug auf die gesamten zutreffenden Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils und macht sich diese ausdrücklich zu eigen.

Der Angriff in der Berufung wiederum führt zu keinem anderen Ergebnis.

1. Der Kläger hat keinen vertraglichen Anspruch auf Beibehaltung des Akkordlohns. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag vom 27. Oktober 1987. Denn dort wurde der Kläger nur als Schweißer unter Bezug auf die tariflichen Bestimmungen der Metallindustrie H./S.-H. eingestellt. Der Arbeitsvertrag war daher betriebsvereinbarungsoffen, denn mit der Bezugnahmeklausel in seiner Ziffer 3 wurde auch § 11 Abs. 5 LRTV-HH Gegenstand des Arbeitsvertrages. Konsequenz dessen ist, dass ständige Akkordarbeiter endgültig in Zeitlohnarbeit überführt werden können, und zwar auf der Grundlage einer betrieblichen Einigung.

2. Betriebliche Einigung im Sinne dieser Vorschrift ist wiederum auch eine Betriebsvereinbarung. Auch wenn der Kläger dies bezweifelt, so ist doch darauf hinzuweisen, dass das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 21. Februar 2001 (4 AZR 35/00) ausdrücklich zu § 11 Abs. 5 LRTV-HH entschieden hat, dass auch eine Betriebsvereinbarung eine betriebliche Einigung im Sinne dieser tariflichen Norm sein kann. Das Berufungsgericht sieht davon ab, angesichts dieser eindeutigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nochmals an dieser Stelle deren Inhalt zu wiederholen.

3. Ein solches Verständnis des § 11 Abs. 5 LRTV-HH verstößt auch nicht gegen § 2 KSchG. Auch damit hat sich das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung auseinandergesetzt (dort Rn. 37, zit. nach JURIS). Entscheidend ist deshalb auch hier, dass der Kläger - wie bereits dargelegt - keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Beschäftigung im Akkord hat. Ihm wird daher durch die tarifliche Regelung des § 11 Abs. 5 LRTV-HH auch kein vertraglich begründeter Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigung oder Vergütung entzogen.

4. Ein vertraglicher Anspruch folgt im Übrigen auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 4. Juli 1988. Zwar teilte die Beklagte ihm dort mit, er werde ab 1. Juli 1988 in Ergänzung des Arbeitsvertrages im Akkord entlohnt. Damit wurde aber kein vertraglicher Anspruch auf eine Beschäftigung im Akkord begründet. Vielmehr unterrichtete die Beklagte ihn lediglich darüber, dass unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten und Anwendung der einschlägigen Betriebsvereinbarungen er im Akkord entlohnt werde. Denkbar blieb damit aber ohne weiteres, dass die Tätigkeit im Akkord, die auf einer Betriebsvereinbarung gründete, auch durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung wieder beendet wurde.

5. Schließlich lässt sich die begehrte Zahlung auch nicht mit den Regelungen im Entgeltrahmentarifvertrag der Metallindustrie H./S.-H. begründen. Zwar sieht dort § 7 Ziffer 16 für die Überführung in andere Entgeltgruppen vor, dass ständigen Akkord beschäftigten eine Änderungskündigung auszusprechen ist, falls keine Einigung zwischen Arbeitgeber und dem Beschäftigten erzielt wurde. Auf diese Vorschrift kann der Kläger seinen Anspruch aber nicht stützen, denn gemäß § 16 Ziffer 1 des Tarifvertrages gilt der Entgeltrahmentarifvertrag erst zwingend ab 1. Januar 2008 in allen verbandsangehörigen Betrieben. Zwar konnte er auch ab 1. September 2003 bereits auf freiwilliger Basis in den Betrieben eingeführt werden. Der Kläger hat dazu aber nicht vorgetragen, dass bereits im Jahre 2007 der Entgeltrahmentarifvertrag im Betrieb der Beklagten zur Anwendung gelangte. Vielmehr haben die Parteien im arbeitsgerichtlichen- und im Berufungsverfahren im wesentlichen nur darum gestritten, ob der Lohnrahmentarifvertrag H. und Umgebung oder der Lohnrahmenvertrag S.-H. Anwendung findet.

Nach alledem ist die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen. Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die vom Kläger angesprochenen Rechtsfragen sind bereits höchstrichterlich entschieden.

Ende der Entscheidung

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